Meissner

Meissner – Gleissner.Gruter, III, 68; Lehmann, II, 40, 63; Körte, 4202; Simrock, 6947; Reinsberg V, 93; Wurzbach III, 14.

In Peter Albinus' Meissnischer Landchronik, Ausgabe von 1589, S. 319 heisst es in Beziehung hierauf: »Man spüret in Meissen den reiniglichen, ordentlichen Bau der Schlösser, Städte, Thürme, Häuser, Dörfer. Man siehet auch die Reinigkeit bei den Meissnern an den Kleidern, an der Zurichtung der Speisen, wie denn solches an ihnen überall für andere benachbarte Völker gerühmt wird. Die meissnische deutsche Sprache ist auch die zierlichste, beste und reinste in ganz Deutschland. Hierher kann man die schöne Gestalt, ehrbare Geberden, zierliche Tracht und Reinigkeit des Schmucks der Kleider, so beides an Männern, Weibern und Jungfern höchlich loben. Derwegen kein Zweifel, dass der alte Zuname der Meissner, da man spricht: ›Meissner – Gleissner‹, nirgend anders herkommen sei, als von ihrer Reinlichkeit und Fleiss, so sie an ihrem Leibe und Kleidung, an Speise und Wohnung gebrauchen; nämlich dass sie alles eben und gleissend haben wollen.« Der Verfasser des unten erwähnten Artikels in der Zeitung für die elegante Welt meint, mit dieser Erklärung könnten die Meissner zufrieden sein und in die Worte der Zauberflöte einstimmen: »Das klingt so herrlich, das klingt so schön, nie hab' ich was Schöneres gehört noch gesehn.« Er fürchtet blos, man könne das Zeugniss anfechten, weil Albinus, in Schneeberg geboren, ein Landsmann von ihnen sei. Er sieht sich daher nach andern Zeugen um und nennt zuerst Camerarius, der in seiner Arithmologie der meissnischen Nation drei herrliche Epitheta gibt. »Die Meissner«, sagt er, »sind magnifici, speciosi, locupletes.« Und in diesen drei Worten findet wol der Beiname »Gleissner« seine beste Erklärung im gedachten Sinne. Auch in der zweiten seiner gesammelten Leichenreden preist Camerarius die erwähnten Tugenden, insbesondere die Anstelligkeit, Gewandtheit des Geistes und die von Albinus gerühmte Zierlichkeit der Meissner. In vielen sächsischen Chroniken wird die oben von Albinus gegebene günstige Erklärung weitläufig ausgeführt. In einer handschriftlichen der Niederlausitz findet sich folgende Bemerkung: »Wenn ein Meissner in ein Wirthshaus kommt, so fragt er nicht nach Braten und Wein, sondern erst nach einem Spiegel, sodann nach einer Bürste, endlich nach einem Orte, wo er allein ehrbar ungehindert seine Füsse bedecken möge. Und geschniegelt und gebiegelt und geleckt ruft er: Herr Wirth, nun wird der Tisch gedeckt.« Schliesslich mag noch zu Gunsten der obigen Erklärung die Bemerkung des genannten Chronisten Albinus erwähnt werden, die er S. 367 seines Zeitbuchs macht, dahin lautend, dass Meissen unter dem [578] himmlischen Zeichen des Schützen gelegen und dass das Consectarium daraus den besten Beweis des fraglichen Satzes abgebe. Von diesem Zeichen des Schützen meldet aber der berühmte Mollerus in seinen sonst als Orakel in vielen Ländern geltenden Weltkalendern, unter anderm in dem vom Jahre 1662 ausdrücklich: »Welche unter dem Schützen gelegen, die sind freigebig und befleissigen sich der Reinlichkeit.« (Vgl. hierüber den Aufsatz: Ueber den Ursprung der Stichelnamen von Meissen, Schlesien, Thüringen und Kamenz, in der Zeitung für die elegante Welt, 1824, Nr. 128-132.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873, Sp. 577-579.
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