Thüringer

1. Dem Thüringer der Hering g'fällt, weil er'n für einen Schinken hält.Binder III, 3695.


2. Die Thüringer heissen Heringsnasen, weil sie lieber Heringe als gebratene Vögel essen. Hesekiel, 10.


3. Es können sich drei Thüringer an einer Heringsnase behelfen und noch eine Suppe davon machen.

Die Thüringer werden insgemein Heringsnasen genannt. Die Meissnische Landeschronik von Peter Albinus (1859) erzählt die Veranlassung zu dieser Stichelrede [1200] wie folgt: »Ein thüringischer Bauer hat einen Hering gekauft, selbigen bis auf das Haupt und Bessttheil beim Bier verzehrt, die Nase oder den Kopf aber den um den Tisch sitzenden Zechgenossen zum Lecken gegeben, damit ihnen das Bier besser schmecken solle. Danach hat der Bauer die Heringsnase wieder eingesteckt, und zu Hause seinem Gesinde einige Suppen davon machen lassen. Der sonach durch die genannten Vorgänge sehr mitgenommene Hering hat sein Schicksal aber noch nicht ganz überstanden. Der Bauer soll nämlich denselben Heringskopf, so oft er wieder zu Bier gegangen, in der Tasche bei sich gehabt, ehe er getrunken, wieder daran geleckt, und infolge seines Beispiels unter den Nachbarn viele Anhänger seiner Weise, den Hering zu verwenden, gefunden haben.« – Es ist in die Augen springend, dass damit nur die bekannte Sparsamkeit der Thüringer verspottet werden soll. (Vgl. Ueber den Ursprung der Stichelnamen von Meissen, Thüringen u.s.w. in der Zeitung für die eleg. Welt, 1824, Nr. 128-132.) Der Heringswitz ist übrigens schon zu Luther's Zeiten in vollem Schwange gewesen, denn in der Thüringer Landschronik werden Corvinus und Schleder als Gewährsmänner dieses Sprichworts angeführt. Letzterer sagt unter anderm: »Thuringos halecibus, iisdemque vel parie admodum uti vulgare et protitum testatur proverbium.« Und an einem andern Orte habe ich den Vers gefunden: »Halec assatum Thuringis est bene gratum de solo capite feciunt sibi fercula quinque.« (S. Thier 99.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 1200-1201.
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