Jungfrau, die

[1452] Die Jungfrau, plur. die -en, zusammen gezogen Jungfer, ein aus jung und Frau, eine Person weiblichen Geschlechtes, zusammen gesetztes Wort.

1. * In der weitesten Bedeutung, eine junge Person weiblichen Geschlechtes, sie sey verheirathet oder nicht; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. In Hans Rosenplüts Fastuachtsspielen aus dem 15ten Jahrhunderte, kommt es noch von einer jungen Ehefrau vor, wofür man jetzt junge Frau sagt.


Es wird was junge Frau und Jungfrau leicht erkannt,

Denn dieses Wort ist ganz und jenes ist getrannt,

Logau.


2. In engerer Bedeutung, eine freye noch unverheirathete Person weiblichen Geschlechtes, deren Keuschheit zugleich vor der Welt noch unverletzt ist; zum Unterschiede von einer Leibeigenen. So kommen im Schwabenspiegel Kap. 54, Junkfrowe und Junkherr, Junker, in dieser Bedeutung vor. In einem 1501 zu Rom gedruckten Deutsch-Italiän. Vocabulario heißt Vergene Maget, und Donzella Junkfrau. In dieser Bedeutung war es zugleich ein Ehrenwort der vornehmsten Personen dieser Art, bis nachmahls die fürstlichen Jungfrauen den Titel Fräulein bekamen, welcher zu unsern Zeiten bis zu dem niedern Adel herab gesunken ist. Der Fürsten Töchter haben geheißen Jungfrauen, so man jetzund Fraulin nennt, heißt es noch in Münsters Cosmographie. In der Deutschen Bibel kommt es in dieser Bedeutung noch mehrmahls vor. Heut zu Tage ist es als ein Ehrenwort noch von den geringsten bürgerlichen Personen dieser Art üblich, dagegen vornehmere das Franz. Mademoiselle oder im gemeinen Leben Mamsell lieber hören. Jungfrau gebraucht man alsdann in der feyerlichen, das verkürzte Jungfer aber in der vertraulichen Sprechart und im gemeinen Leben. Siehe Jungfer.

3. In der engsten und gewöhnlichsten Bedeutung, eine Person weiblichen Geschlechtes, welche noch von keiner Person männlichen Geschlechtes fleischlich erkannt worden, ohne Rücksicht auf das Alter oder den Stand; im Gegensatze so wohl einer Frau, als auch einer geschwächten Person, oder einer Hure; wo es in der höhern und feyerlichen Schreibart Jungfrau, in der vertraulichen und gewöhnlichen aber Jungfer lautet.

1) Eigentlich. Sie ist noch eine reine Jungfrau oder Jungfer. Als Jungfrau sterben. Eine alte siebenzigjährige Jungfrau. Der Hohepriester soll keine Witwe, noch Verstoßene, noch Geschwächte, noch Hure, sondern eine Jungfrau seines Volkes zum Weibe nehmen, 3 Mos. 21, 13, 14. Die Jungfrau Maria oder die heilige Jungfrau, die Mutter Christi, bey welcher die verkürzte Form Jungfer so wenig üblich ist, als bey andern Heiligen dieser Art.

2) Figürlich. (a) Eine Person männlichen Geschlechtes, welche noch keiner Person andern Geschlechtes beygewohnet hat; wofür doch Junggesell üblicher ist. Diese sinds, die mit Weibern nicht befleckt sind, denn sie sind Jungfrauen, Offenb. 14, 4. (b) Eine Stadt, welche noch nie von einem Feinde bezwungen worden; in der vertraulichen Schreibart Jungfer. (c) In noch weiterer Bedeutung, ein jedes noch ungebrauchtes noch unverletztes Ding; eine alte Bedeutung, in welcher auch Magd ehedem[1452] üblich war. Nach dem alten Fragmente auf Carln den Großen bey dem Schilter V. 1854 stand auf Rolands Helm geschrieben:


Alle werlt wafen

Thie muozen mih maget lazen.


(b) Das sechste Gestirn im Thierkreise, welches schon bey den Alten diesen Nahmen führete. In andern figürlichen Bedeutungen ist das verkürzte Jungfer üblicher, S. dasselbe.

Anm. Bey dem Willeram Junkfrouuo, bey den Schwäbischen Dichtern Juncfrowe, im Nieders. Jumfer, im Schwed. von einem adeligen Fräulein Jungfru.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1452-1453.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: