Vogel, der

[1218] Der Vogel, des -s, plur. die Vögel, Diminut. das Vögelchen, Oberd. Vögelein, eine allgemeine Benennung der zweyfüßigen mit Federn und Flügeln versehenen Thiere, welche den Ort vermittelst des Fliegens verändern, welches letztere auch der Grund ihrer Benennung ist. Raubvögel, Wasservögel, Sumpfvögel, Waldvögel. Des Collectivum lautet Geflügel, ehedem aber auch Gevögel, bey dem Notker Qefugele. Am häufigsten verstehet man unter dem Namen Vogel diejenigen Thiere dieser Art, welche gewöhnlicher Weise wild leben, indem man diejenigen Arten, welche der Mensch als Hausthiere zu erziehen pflegt, als Hühner, Gänse, Änten, die Tauben etwa ausgenommen, nicht leicht Vögel nennt, ob man sie gleich unter dem allgemeinen Nahmen des zahmen Geflügels begreift. Ich habe ein Vögelchen davon singen hören, in der vertraulichen Sprechart, ich habe etwas unter der Hand davon gehöret. Laß die Vögel sorgen, ein vertraulicher Verweis unnöthiger Sorgen. Friß Vogel oder stirb! ein vermuthlich von den Vogelstellern entlehnter Ausdruck, anzudeuten, daß man aus zweyen Übeln schlechterdings eines wählen müsse. Sprichw. Man kennt den Vogel am Gesange, oder an den Federn. Man kann es an dem Neste sehen, was für Vögel darin sind. Wie der Vogel, so das Ey, oder, böser Vogel, böses Ey, oder, wie man ehedem sagte, wie es vogelt, also legt es Eyer, wo Frisch das Zeitwort mißverstanden hat. Es muß ein böser Vogel seyn, der in sein eigenes Nest thut. Wer Vögel fangen will, muß nicht mit Knütteln darein werfen. Vögel von einerley Federn fliegen gern zusammen, gleich und gleich gesellt sich gern. Auch ein hölzernes Bild eines Vogels, nach welchem man zur Übung zu schießen pflegt. Nach dem Vogel schießen. Den Vogel abschießen. S. Vogelschießen.

Figürlich pflegt man einen listigen, leichtfertigen, losen Menschen u.s.f. in der vertraulichen Sprechart einen listigen, leichtfertigen, losen Vogel zu nennen. Ein durchtriebener Vogel. Ein Galgenvogel, ein des Galgens würdiger Schalk, wenn es nicht eine Anspielung auf die Raben und Krähen ist, welche sich gerne auf den Galgen sehen lassen. Vielleicht liegt der Grund dieser Figur in der Beweglichkeit und Flüchtigkeit eines Vogels, so wie man einen wilden Menschen auch eine wilde Fliege, eine wilde Hummel zu nennen pflegt. Im Schwedischen ist indessen Vogel mit seinen Beywörtern ein härteres Schmähwort.

Anm. Bey dem Ulphilas Fugls, bey dem Ottfried und Notker Fogal, im Nieders. Vagel, im Angels. Fugel, im Schwed. Fogel,[1218] im Engl. Fowl. Die Endsylbe ist die Ableitungssylbe -el, welche ein Ding, Subject bedeutet. Die Grundsylbe Vog gehöret allem Ansehen nach zu wegen, bewegen, die dieser Art Thiere eigenthümliche leichte Bewegung vermittelst des Fliegens zu bezeichnen. Auf ähnliche Art stammen Volucris und Geflügel von volare, und fliegen ab, so wie avis sein Stammwort in dem Hebr. apt, fliegen, suchen muß.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1218-1219.
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