Regenbogen

[121] Regenbogen. Mit diesem Namen bezeichnen wir jenen farbigen Kreisbogen, den wir in den regnenden Wolken sehen, wenn diese von den Strahlen der hinter uns sich befindenden Sonne beschienen werden. Dieser Bogen, der uns immer um so prachtvoller erscheint, je dunkler der hinter ihm liegende Himmel ist, gehört unstreitig unter die glänzendsten Phänome in der Natur. Wir nehmen von ihm bald die ganze über den Horizont sich erhebende Hälfte, bald aber auch nur ein größeres oder kleineres Stück dieser wahr. Je höher die Sonne steht, desto weniger sehen wir von diesem farbigen Kreise; und wir bemerken dieses optische Meteor gar nicht, wenn die Höhe der Sonne über zwei und vierzig oder ein und funfzig Grade beträgt: ist aber die Sonne im Auf- oder Untergehen, und laufen also ihre Strahlen parallel mit dem Horizonte, so erscheint uns der Regenbogen als ein vollkommner Halbkreis, dessen Schenkel senkrecht sich herabneigen. Wenn die regnenden Wolken einzeln stehen, oder nicht an allen Stellen ihres Wassers sich entledigen, so sieht man da, wo keine Tropfen fallen, den Regenbogen unterbrochen. Die Stücke des auf diese Weise getheilten farbigen Kreises werden Regengallen genannt. Häufig bemerkt man außer dem wahrgenommenen Regenbogen noch einen zweiten, der in einer merklichen Entfernung jenen umschließt und mit ihm concentrisch ist. Diesen äußern und größern nennt man den Nebenbogen, den innern und kleinern hingegen den Hauptbogen. Beide unterscheiden sich nicht bloß durch ihre Größe, sondern auch durch die Stärke und Aufeinanderfolge ihrer Farben: immer sind diese in dem Hauptbogen lelhafter, als in dem Nebenbogen; und immer sieht man in dem letztern diejenigen Farben nach innen, welche in dem erstern [121] nach außen liegen. Der Hauptbogen erscheint an seinem innern Rande violet, und dann weiter von innen nach außen indigoblau, grün, gelb, orange, roth; in dem Nebenbogen, in welchem die farbigen Streifen eben so wie bei dem Hauptbogen durch unmerkbare Nuancen in einander fließen, ist die Ordnung der Farben die umgekehrte. Diese Regenbogen-Farben werden übrigens auch prismatische Farben genannt, weil sie nicht bloß bei der Refraction der Lichtstrahlen in den Regentropfen, sondern auch bei der Brechung sichtbar werden, welche jene in einem dreiseitigen Glase oder in einem Prisma erleiden.

Die Alten kannten die Erscheinungen, die man bei dem Regenbogen wahrnimmt, ziemlich genau; aber die Entstehung dieses farbigen Kreises wußten sie sich nicht zu erklären. Sie sahen den Regenbogen bald als ein Erzeugniß einer Menge unvollkommener Sonnenbilder an; bald hielten sie ihn, wie Seneca, für ein einziges verzogenes Sonnenbild, das von den Wolken wir von einem Spiegel zurückgeworfen würde. Josse Clictove, ein Doctor der Sorbonne, welcher zur Zeit der Reformation lebte, beobachtete das Umgekehrte in der Aufeinanderfolge der Farben des Haupt- und Nebenbogens, und dachte sich den Letztern als ein Gegenbild des Erstern. Marcus Anton de Dominis, Bischof zu Spalatro, erklärte endlich die Entstehung des Hauptbogens, und bewies die Richtigkeit seiner Theorie durch Versuche, die er mit einer hohlen und mit Wasser gefüllten Glaskugel anstellte. Hängt man nehmlich eine solche Kugel an einer Schnur auf, welche über eine Rolle geht, so daß jene höher hinaufgezogen oder herabgelassen werden kann, so sieht man ein lebhaftes Roth an der hintern Seite der Kugel, wenn diese von der Sonne beschienen und das Auge so gestellt wird, daß die Gesichtslinie mit den einfallenden Strahlen einen Winkel von zwei und vierzig Graden bildet. Läßt man die Kugel tiefer herab, so daß sich der angeführte Winkel um einige Grade verkleinert, so sieht man nach und nach andere Regenbogen-Farben, z. B. Gelb, Grün, Blau. Zieht man die Kugel so hoch hinauf, daß die Augenlinie mit den einfallenden Strahlen einen Winkel von ein und funfzig Graden bildet, so nimmt man an der vordern, der Sonne zugekehrten Kugelfläche jenes lebhafte Roth, und wenn man die Kugel noch etwas höher [122] bringt, die übrigen Farben wahr. Diese Versuche, bei welchen sich die Kugel wie der fallende Regentropfen in der Natur verhält, wurden von Descartes, der nun auch die Entstehung des Nebenbogens angab, wiederhohlt. Endlich ergänzte Newton, was noch in der Lehre des de Dominis und des Descartes mangelte, und erklärte aus seinen Entdeckungen über die Brechbarkeit gefärbter Strahlen das Dasein und die Aufeinanderfolge der Regenbogen-Farben. Hier sollten wir nun von der Entstehung des Regenbogens sprechen; aber der Gedanke, daß wir ohne eine erläuternde Zeichnung, welche wir nicht beifügen können, ganz unverständlich sein würden, hält uns von der Aufstellung der Theorie dieses Naturphänomens ab. Uebrigens findet der Leser in mehrern physicalischen und mit Kupfern versehenen Schriften den Regenbogen auf eine sehr faßliche Art erklärt. Wir wollen ihm hier nur den vollständigen und faßlichen Unterricht in der Naturlehre von Michael Hube nennen.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 4. Amsterdam 1809, S. 121-123.
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