Steuern

[387] Steuern heißen in der Gesetzessprache der Deutschen solche Geldabgaben, welche Unterthanen entweder wegen ihrer liegenden Gründe (Land- oder Grundsteuern), oder wegen gewisser Sachen (Fleisch-, Bier-, Weinsteuer etc.), oder aber bloß wegen ihrer Personen (Personen-, Kopfsteuer), entweder jährlich oder, in einzelnen eintretenden Fällen, zu Bestreitung der öffentlichen Bedürfnisse unmittelbar an den Landesherrn zu entrichten haben. Nur die erstere Gattung von Steuern macht in der Gesetzes- und Gerichtssprache eine Reallast aus, die letztern beiden aber sind bloß persönlich, mithin auch bloß auf Personen oder auf gewisse Gewerbe eingeschränkt. – Ohne uns auf eine vollständige Abhandlung über das in Deutschland geltende Steuerwesen einzulassen, geben wir unsern Lesern nur einen kleinen Ueberblick über die Entstehung der Steuern und deren allmähliges Emporsteigen bis zu den gegenwärtigen Zeiten.

Man würde sich sehr irren, wenn man die den Deutschen Unterthanen heut zu Tage obliegende Steuerverbindlichkeit aus zu entfernten Zeiten ableiten wollte; Zuverlässig wußte man vor dem sechzehnten Jahrhundert in keiner Deutschen Provinz etwas von dergleichen Steuern, weder von Real-, noch von Personen- und Gewerbsteuern. Nicht einmahl bei Reichskriegen, in welchen die Deutschen Fürsten, dem Lehnssysteme gemäß, dem Kaiser nebst ihren Lehnmännern beizustehen verbindlich waren, durften dieselben von ihren Unterthanen zu Ausrüstung ihres Contingents eine Beihülfe [387] an Geld oder sonst etwas fordern, sondern mußten allen hierbei erforderlichen Aufwand aus ihren Kammergütern, eben so wie die Besoldungen für ihre Beamten und Staatsbedienten, ingleichen die Erfordernisse für ihren Hofstaat, bestreiten. Zwar war es vor diesem Zeitraume schon zuweilen der Fall, daß die Revenüen aus den Kammergütern nicht immer, besonders bei zu häufigen oder zu langen Kriegen, bei zu zahlreichen Familien (wo für die Prinzen ein Hofstaat, für die Prinzessinnen eine Ausstattung erforderlich war), oder auch bei eigner Verschwendung, ausreichen wollten: in solchen Fällen nun waren sie nicht selten genöthigt, etwas von ihren Ländern, um baares Geld zu bekommen, an Andere verpfänden zu müssen1. Doch waren die Länderverpfändungen vor dem sechzehnten Jahrhundert nicht das einzige Mittel, wodurch die Deutschen Fürsten zu Bestreitung ihrer – nöthigen und unnöthigen Ausgaben sich baares Geld zu verschaffen wußten; gewiß noch häufiger schlugen sie folgenden Weg ein, daß sie nehmlich die Vorzüglichsten im Volke, das heißt, die Rittergutsbesitzer und die Repräsentanten der Städte zusammenberiefen, denselben ihre Noth und Anliegen vortrugen, und sie baten, ihre Schulden zu bezahlen, oder ihr Bedürfniß zu befriedigen2. [388] Dieß geschah, der Adel ging so eine Bewilligung ein, doch so, daß er für seine Rittergüter davon ausgenommen wurde, indem er zu Kriegszeiten seinem Fürsten, als Lehnsherrn, entweder persönlich beistehen, oder ein Aequivalent an Gelde (Ritterpferdsgeld) geben mußte; dagegen aber wurde diese Bewilligung von seinen Unterthanen, nach Verhältniß ihrer Besitzungen, beigetrieben. Auch die ansäßigen Bürger in den Städten wurden zu Entrichtung einer solchen Bewilligung durch ihre Magisträte verbindlich gemacht. Doch waren dergleichen Bewilligungen nicht fortdauernd, nicht festgesetzte, jährlich zu leistende Abgaben, sondern bloß zu dem angegebenen Behufe zu entrichten, mithin temporär, und nur so lange dauernd, bis dem Bedürfnisse des Fürsten abgeholfen war. Und um dessen gehörig versichert zu sein, mußten die Fürsten auch sogar versprechen und sich reversiren, daß sie diese Abgaben als bloße Verwilligungen ansehen, und nicht als Reallasten für die Zukunft von den Unterthanen fordern wollten. Mit Recht nannte man daher solche Abgaben in dem damahligen Zeitraume nur Beden oder Beten (Bitten), prekäre Leistungen (precaria), da sie ganz in der Willkühr der Unterthanen beruhten.

So sahen vor dem sechzehnten Jahrhundert die Abgaben der Deutschen Unterthanen an ihre Landesfürsten aus. Wollte man dieselben Steuern nennen, so kann man es zwar thun, doch muß man sie mit unsern jetzt gewöhnlichen Steuern, ohne wider die Geschichte offenbar zu verstoßen, ja nicht vergleichen. – Ganz anders aber im sechzehnten Jahrhundert. Im Reichsabschiede von 1543 wurde den Reichsständen verstattet, ihre Unterthanen zu besteuern, weil sie nicht mehr im Stande waren, die Reichsprästationen an Römermonathen und Kammerzielern3 aus ihren Kammergütern [389] entrichten zu können. In der Folge der Zeit wurde dieß bei mehrern Gelegenheiten wiederholt, und nach und nach reichsverfassungsmäßig; ja, es wurde von nun an die Besteuerung der Unterthanen sogar immer mehr und mehr nöthig, nachdem die Reichsstände, besonders die größern, dem Beispiele des Kaisers zu Folge, in ihren Landen auch stehende Armeen zu halten für nöthig befanden, auch zu der Kreisverfassung öftere Anlagen erforderlich waren; hauptsächlich aber, nachdem die Anzahl der Beamten an den Höfen, an Räthen, Ministern und Gesandten so sehr hatte vermehrt werden müssen. Dieses von dem Kaiser den Reichsständen verstattete Befugniß, ihre Unterthanen besteuern zu können, hieß, in Beziehung auf Kaiser und Reich, bloß Jus subcollectandi (Unterbesteuerungsrecht, besser Afterbesteuerungsrecht), indem dasselbe eigentlich nur erst durch die fürs Reich erforderlichen Anlagen in Gang gekommen, und durch diese veranlaßt worden war.

Diese Steuern nun, so wie sie gegenwärtig fast in allen Landen und Reichen zu entrichten sind, werden, wie gleich Anfangs erwähnt worden, entweder von liegenden Gründen entrichtet, oder die Unterthanen müssen wegen ihres Gewerbes, oder bloß für ihre Personen, jährlich eine gewisse Summe geben. I) Bei jenen Steuern von liegenden Gründen ist die Größe oder die Kleinheit der Grundstücke der Maaßstab, nach welchem mehr oder weniger Steuern entrichtet werden. Diese Realsteuern nun, welche jährlich in gewissen Terminen abgetragen werden, sind bleibend, jedoch nicht immer gleich groß, sondern richten sich nach den Bedürfnissen eines Landes. Sind diese groß, so stehen auch die Steuern mit ihnen in gleichem Verhältnisse. Gemeiniglich werden sie nach Kreisen oder nach Distrikten in einem Lande vertheilt, und die Abtragung derselben auf eine Anzahl Jahre in gewissen Partikeln bewilligt, deren Benennungen in jedem Lande verschieden sind, z. B. in Sachsen Quatember. Was II) die Steuern betrifft, welche von gewissen Gewerben [390] zu entrichten sind, so haben sie in dem Gewerbe selbst ihren Maaßstab, welchen der Fürst aus der mehrern oder mindern Entbehrlichkeit gewisser Waaren und Sachen abzuleiten pflegt: je größer die Consumtion der Waaren, desto mehrere Steuern. – Von dieser Gattung der Steuern unterscheidet sich eine andere Art landesherrlicher Abgaben, nehmlich die Accise. In den Reichsgesetzen kommt dieser Name, über dessen Ursprung man den Art. Accise, Th. 1, S. 7 nachsehen kann, gar nicht vor, läßt sich jedoch reichsgesetzlich vertheidigen, indem dieselben den Reichsständen erlauben, mit den in ihren Landen einmahl festgesetzten Steuern nöthige Erhöhungen, ohne Einwilligung des Kaisers, vornehmen zu dürfen. Diese Accise nun – welche gemeiniglich nur in solchen Ländern eingeführt ist, deren Fürst viele und große Bedürfnisse hat, z. B. nach der Lage seiner Besitzungen ein zahlreiches Militair halten, oder wegen der Erhabenheit seines Ranges an seinem Hofe einen gewissen Glanz verbreiten muß (daher denn auch in den Landen kleiner Fürsten die Accise gemeiniglich unter die unbekannten Dinge gehört) – schränkt sich einzig und allein auf den Handel ein; es sei nun, daß einer entweder mit erkauften Waaren handelt, – und diese sind schlechterdings auch sogar bei jeder wiederholten Veräußerung, bis sie wirklich gänzlich consumirt und verbraucht worden, der Accise unterwürfig, – oder aber, daß er seine eignen Producte an einen fremden Ort zum Berkauf schaffen läßt. Natürlich muß bei Regulirung der Accise der Landesfürst mehrere Dinge berücksichtigen, um den gehörig richtigen Maaßstab für sie zu finden, z. B. die mehrere oder mindere Entbehrlichkeit fremder Waaren für seinen Staat, selbst die Lage seiner Lande, den Fleiß und die Geschicklichkeit seiner Einwohner, deren Vermögensumstände, und hauptsächlich die Landeserzeugnisse. Sind daher solche fremde Waaren in seinen Staaten gänzlich zu entbehren, so werden sie – eben so, wie die bloßen Luxuswaaren – in der Accise hoch; hingegen, wenn sie weniger oder gar nicht zu entbehren sind, auch niedriger angesetzt werden können. – Endlich III) die Steuern, welche bloß von den Personen als Personen entrichtet werden, betreffend, so schränken sich solche bloß auf das Leben und den individuellen Stand und Rang [391] irgend eines Unterthanen ein, und stehen auch mit demselben in gleichem Verhältnisse: je höher also der Rang, desto größer die Steuer. Sie werden übrigens jährlich entrichtet, etwa in zwei oder mehrern Terminen (in den königlich Sächsischen Landen zu Lätare und Barthomäi), und bleiben sich beständig gleich, so, daß sie weder erhöht, noch vermindert werden. Auch haben sie das Eigne, daß wenig oder gar keine Befreiungen dabei vorkommen, sondern Jedermann im Staate, vom Größten bis zum Kleinsten, ohne Unterschied des Geschlechts, denselben unterwürfig ist4. Und diese Personensteuerfähigkeit hebt sich schon mit den Jünglingsjahren an.


Fußnoten

1 Daher die vielen Pfandschaften, besonders in denjenigen Deutschen Kreisen, die aus weltlichen und geistlichen Gliedern bestehen; so hat z. B. das von jeher so reiche Erzstift Mainz mehrere dergleichen Pfandschaften an sich gebracht, auch sich sogar vom Kaiser damit belehnen lassen, welche am Ende entweder gar nicht wieder eingelöst worden sind, oder die es nicht wieder herausgab, wenn auch in der Folge die wahren Eigenthümer oder deren Descendenten solche einzulösen bereit waren. Die Geschichte des Deutschen Reichs kann sehr viele dergleichen Pfandschaften an geistliche Stiftungen aufweisen, weil bei diesen immer genug baares Geld vorräthig war, und nie gegen Geldzinsen ausgeborgt wurde. Auch an bloße Privatleute, z. B. an ihre Vasallen, verpfändeten sie bei vorhandenem Geldmangel nicht selten einzelne Güter.


2 Von hier fangen die in den Deutschen Landen bis auf den heutigen Tag gewöhnlichen Landtage oder Landesversammlungen an; aber auch das Aufkommen der Landstände ist schon hier zu suchen.


3 Was die Römermonathe bis zum J. 1806, wo sich die Deutsche Reichsverfassung gänzlich auflöste, gewesen sind, ersieht man aus diesem Art. selbst, Th. 4, S. 303, und die Kammerzieler – in d. Art. Reichs-Cammergericht, Th. 1, S. 213. Diese machten die ordentlichen Reichssteuern aus; jene aber waren nur außerordentliche.


4 In den königlich Sächsischen Landen sind bloß junge Leute auf Schulen und Universitäten, ingleichen die in der Armee dienenden Unterofficiers und gemeine Soldaten von der Personensteuer befreit.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 5. Amsterdam 1809, S. 387-392.
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