Die Waldenser

[362] Die Waldenser, eine Secte in der Kirche, die besonders die Piemontesischen Thäler bewohnten, von Petrus Waldus (Pierre von Vaux), einem Kaufmann aus Lyon (oder nach einer andern, und wohl auch richtigern Meinung, von den Thälern oder Valleyen, die sie bewohnten), so benannt. Dieser legte im Jahre 1160 den Grund dazu, indem er sich freimüthig gegen die großen Mißbräuche in der Kirche erklärte, weder vom Papst noch vom Ablaß etwas wissen, sondern die christliche Religion auf den Fuß wieder herstellen wollte, wie sie im Zeitalter der ersten Christen gewesen war, auch das Lesen der heil. Schrift durch Uebersetzungen beförderte. Er erhielt viele Anhänger in Italien und in Frankreich; und die katholische Geistlichkeit konnte sie, ungeachtet wiederhohlter Bemühungen, nie völlig unterdrücken. Die Waldenser waren rechtschaffene und gute Menschen, deren einfache, auf die klaren Aussprüche der Bibel gegründete, Moral weit mehr wirkte, als die Frömmigkeit der damahligen Römischen Kirche. Das wahre Christenthum hatte sich gleichsam zu ihnen geflüchtet, um nicht ganz von der Erde verdrängt zu werden. Sie verwarfen die sieben Kirchensacramente, und nahmen nur zwei, die Taufe und das Abendmahl, verstatteten den Laien den Gebrauch des Kelchs im Abendmahl an, und hatten keine eigentlichen Geistlichen, sondern wählten ihre Lehrer, ohne Rücksicht auf Stand und Vermögen, unter sich.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 362-363.
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