Der Cardinal Etienne-Joachim de Bernis

[113] Der Cardinal Etienne-Joachim de Bernis stammte aus einer alten adelichen Familie aus dem ehemaligen Languedoc her. Ohne alle Unterstützung schickte ihn sein Vater nach Paris, und Bernis erbauete sich daselbst bald ein glänzendes Glück. Er hatte alle Anlagen zu einem Hofmann, verstand sich auf die Kunst, niedliche Gedichtchen zu machen, und verschaffte sich dadurch den Zutritt in große Gesellschaften. Er machte die Bekanntschaft der Pompadour, ehe sie noch Maitresse Ludwigs XV. wurde, und sie vergalt ihm seine alte Freundschaft reichlich, sobald sie an Hof kam. Er erhielt den Gesandtschaftsposten nach Venedig, und nach Verlauf einiger Jahre wurde er sogar Minister der auswärtigen Angelegenheiten. So hoch stieg durch die Allgewalt eines Weibes ein Mann, der oft nicht so viel im Vermögen besaß, daß er hätte den Miethwagen bezahlen können, der ihn von Gastereien nach Hause führte! – Er wurde übermüthig in seinem Glücke, und verlangte, erster Minister zu werden. Seine Gönnerin widerrieth ihm diesen unbesonnenen Schritt, aber vergebens; er wendete sich an den König und erhielt anstatt der Principalministerstelle den Abschied. Der Cardinalshut entschädigte ihn einigermaßen für die verlorene Würde, und er wurde auch in der Folge als Gesandter nach Rom geschickt, wo er an der Wahl des jetzigen Papstes viel Antheil hatte, und deswegen beständig mit ausgezeichneter Achtung von ihm behandelt wurde. Noch bekleidete er diesen Posten, als die Revolution ausbrach. Die Nationalversammlung schickte ihm den Eid zu, den die Gesandten und Geistlichen nach der neuen Einrichtung ablegen mußten Der alte Höfling erbot sich, den ersten [113] zu leisten, aber den zweiten nur, in so weit er mit den Gesetzen der Kirche verträglich wäre. Die Nationalversammlung war damit nicht zufrieden, Bernis erhielt daher (im April 1791) seine Dimission und kehrte in seinem hohen Alter zum zweitenmale im Privatstand zurück, in welchem er denn auch zu Rom 1794 starb. Sein Körper wurde noch im Jahr 1802 in einem marmornen Sarge nach Paris transportirt. – Seine Gedichte haben keine große Sensation erregt, und das Gedicht über die Religion in 10 Gesängen, welches noch nach seinem Tode erschien, hat bei zwar manchen artigen Versen dennoch die Fehler seiner übrigen, keine Stärke, keine Fülle, Monotonie etc.

Quelle:
Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 7. Amsterdam 1809, S. 113-114.
Lizenz:
Faksimiles:
113 | 114
Kategorien: