Chausséen

[407] Chausséen oder Kunststraßen heißen künstlich erhöhte, in möglichst grader Richtung und in gleicher Breite angelegte, über Moräste und Gewässer mittels Dämmen und Brücken fortgeführte Fahrwege, welche geebnet, mit Sand, Kies und Steinen beschüttet, auch wol gepflastert und durch angemessene Erhöhung der Mitte und Abzugsgräben an den Seiten vor dem Einflusse übler Witterung gesichert sind, sodaß sie jederzeit mit gleicher Bequemlichkeit befahren werden können. Gute Landstraßen sind zur Erleichterung des Verkehrs unentbehrlich, denn je besser die Wege, desto mehr können die Fuhrleute laden und desto billiger sind die Frachten, desto größer aber der Waarenaustausch. Daher machte sich das Bedürfniß derselben in allen civilisirten Ländern fühlbar, und wir finden schon bei den gebildetsten Völkern des Alterthums ebenfalls Kunststraßen. So gab es in Persien eine von 450 M. Länge und von Rom aus führten welche nach allen Provinzen, die mit großem Aufwande an Mühe und Zeit so dauerhaft angelegt waren, daß auch in Deutschland noch an vielen Orten die Spuren derselben sichtbar sind. Die Niederländer singen in neuer Zeit zuerst an, Kunststraßen zu bauen und fanden an den Franzosen die eifrigsten Nachahmer, daher auch der franz. Ausdruck Chaussée allgemein dafür angewendet wird, und obgleich Deutschland darin lange hinter dem Auslande zurückblieb, sind jetzt doch auch hier fast alle wichtigen Orte durch Kunststraßen verbunden. Bei der Anlage derselben bedingen natürlich der Boden, Überfluß oder Mangel an Steinen und andere Umstände ein verschiedenes Verfahren, das aber im Allgemeinen auf Abstechen eines 30–40 F. breiten Weges hinausläuft, welcher mit der aus den an der Seite angelegten Gräben gewonnenen Erde erhöht und in dessen Mitte ein gegen 20 F. breiter Raum mit mehren Schichten Steinen von verschiedener Größe überschüttet wird, welche in der Mitte bis gegen 2 F. dick sein können, und zwischen die Sand und Mörtel als Bindemittel gebracht werden. Häufig schüttet man auch nur auf die Mitte des Weges eine 6 Zoll hohe Lage zerschlagener Steine, sogenannten Steinschutt, welche Bauart nach ihrem Erfinder, dem Engländer Mac-Adam, Macadamisiren genannt wird. In beiden Fällen bildet sich durch das Fahren und wenn die entstehenden Gleise und Lücken sorgfältig mit kleinen Steinen wieder ausgefüllt werden, eine Straße von hoher Festigkeit und Dauer. Da es bei der Anlage von Chausséen auf die möglichste Verkürzung des Wegs ankommt, so wird jedes Grundstück durchschnitten, das in der graden Linie zwischen den zwei Punkten liegt, welche die neue Chaussée verbinden soll; die dabei betheiligten Eigenthümer müssen jedoch entschädigt werden. Zur Deckung der Bau- und Unterhaltungskosten einer Chaussée wird in vielen Staaten sogenanntes Chausséegeld erhoben, welches nach der Meile, nach der Beschaffenheit des Fuhrwerks und der Zahl der Pferde berechnet wird; die Chausseeordnungen aber enthalten meist Bestimmungen über die Spur und Gleise der Wagen, über die Größe der Last, welche ein Fuhrmann laden darf, über die Breite der Radfelgen, von denen die breiten am vortheilhaftesten für die Wege sind, daher Wagen mit breiten Rädern auch weniger Chausséegeld zahlen u.s.w.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 407.
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