Haarseil

[306] Haarseil nennt man ein leinenes Band oder eine aus seidenen oder baumwollenen Fäden bestehende Wieke, welche durch die äußere Haut gezogen wird, um in ähnlicher Art und zu demselben Zwecke zu dienen, wie die Fontanelle (s.d.). Zu der Benennung mag wol Veranlassung gegeben haben, daß sich die Alten zu gleichem Zweck der Pferdehaare bedienten. Der gleichsam unter einer Hautbrücke durchgezogene leinene Streifen, der höchstens einen [306] Zoll breit sein darf, aber gegen zwei Fuß lang sein muß, wird durch einen angemessenen Verband befestigt. Ist die Eiterung eingetreten, so wird der Verband täglich einmal oder öfter erneuert und bei der jedesmaligen Erneuerung das den eiternden Wundkanal grade ausfüllende und aus diesem hervorgezogene Stück des leinenen Streifen abgeschnitten, dieser aber nachgezogen und abermals befestigt u.s.w. Je nach dem Sitze des Übels, gegen welches man das Haarseil anbringt, wählt man verschiedene Gegenden des Körpers zur Anlegung. Am häufigsten bringt man es im Nacken an, außerdem aber auch an der Brust, in der Leber-und Magengegend, am Unterleibe, an den Oberschenkeln u.s.w. Es findet in einer großen Anzahl, namentlich langwieriger, Krankheitszustände Anwendung und ist mitunter von ausgezeichneter Heilwirkung. So hat man es bei manchen Gehirnleiden empfohlen; ganz vorzüglich aber bei hartnäckigen Augen- und Ohrenentzündungen, bei Ausflüssen aus den Ohren, Lungenschwindsucht u.s.w. Häufiger noch ist seine Anwendung in der Thierheilkunst.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 306-307.
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