Ironie

[461] Ironie ist eine seine Art des Spotts, indem man die Meinung eines Andern grade dadurch herabsetzt und in ihrer Nichtigkeit aufzeigt, daß man ihr scheinbar die größte Anerkennung zukommen läßt und die aus ihr sich ergebenden widersprechenden und thörichten Folgerungen ausspricht, ohne doch auf diese Thorheit selbst ausdrücklich aufmerksam zu machen. Vielmehr stellt sich der Ironische, als ob er auch jene Folgerungen als Erfindungen tiefer Weisheit bewundere, oder schreibt doch, wenn er die aufgefundenen Widersprüche bemerkt und in ihrer Unversöhnbarkeit aufzeigt, dieselben sich, seinem schwachen Verstande, nicht aber der Thorheit Dessen zu, welcher die verkehrte Meinung, aus dem sie folgten, aufstellte. Von der letzten Art war die berühmte Ironie des. Sokrates (s.d.). Gewöhnlich setzt man voraus, daß, wer die Meinung eines Andern ironisch behandelt, selbst eine tiefere Erkenntniß besitzen müsse; doch des Sokrates Beispiel selbst lehrt das Gegentheil. Sokrates wußte die Widersprüche in den Meinungen seiner philosophirenden Zeitgenossen aufzuzeigen, ohne doch selbst eine richtigere Erkenntniß zu besitzen, obgleich man ihm diese zu allen Zeiten zugetraut hat. – Der Mensch unternimmt als geistiges Wesen in seinem Leben Alles wie für eine Ewigkeit, als gebe es keinen Tod für ihn, und muß doch täglich und in allen seinen Bestrebungen die Erfahrung machen, daß er hier noch ein endliches, dem Zufall scheinbar preisgegebenes Geschöpf sei. So ist das Endliche gleichsam eine Ironie des Ewigen, des Geistigen im Menschen. Am meisten empfindet den angegebenen Widerspruch der Künstler und der Pfleger der Wissenschaft. Beide wollen ausdrücklich Unsterbliches schaffen und müssen doch in und fürs Endliche wirken. In diesem Sinne hat man gesagt, der Künstler müsse Ironie besitzen, d.h. sich mit ungetrübter Heiterkeit des Endlichen, ohne über dessen Hinfälligkeit sich und Andern täuschen zu wollen, zur Darstellung des Ewigen, der Idee bedienen; – aber mit Unrecht, denn der Künstler soll vielmehr wissen, daß das Vergängliche durch die wahre Kunst selbst zu unsterblichem Leben erhoben wird. (Vgl. Idee.)

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 461.
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