Öffentliche Meinung

[332] Öffentliche Meinung ist das bei einem Volke herrschende Urtheil über öffentliche Angelegenheiten und mit Dem verwandt, was man Volksstimme und Zeitgeist nennt. Es kann aber nur da eine wahre öffentliche Meinung geben, wo dem Volke eine gewisse Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten, ein freies Urtheil gestattet ist, daher nicht in allen den Staaten, welche blos nach den Grundsätzen des Absolutismus regiert werden. Sie dürfen dem Volke kein Urtheil über öffentliche Angelegenheiten zugestehen, da sie von der Voraussetzung ausgehen, daß das Volk ewig in der Kindheit bleibe und bleiben müsse und die Weisheit nur bei den Regenten und den von ihnen bestellten Beamten wohne. Das constitutionnelle Princip dagegen, welches auch dem Volke Rechte zugesteht und dasselbe zur Theilnahme und Mitwirkung bei der Gesetzgebung durch selbstgewählte Vertreter beruft, muß die Macht der öffentlichen Meinung im vollen Umfange anerkennen, wenn es nicht mit sich selbst in Widerspruch gerathen will. Es setzt eine gewisse Mündigkeit des Volks voraus und muß dasselbe zu einer immer größern Mündigkeit und richtigern Einsicht in die öffentlichen Angelegenheiten heranzubilden suchen. Ist ein gewisser Grad dieser Bildung erreicht, so wird die öffentliche Meinung der einfachste und sicherste Weg, die Bedürfnisse eines Volks und in den meisten Fällen auch die geeignetsten Mittel, ihnen zu genügen, kennen zu lernen. Es darf ihr aber freilich auch nicht an Mitteln gebrechen, sich unverfälscht auszusprechen, und das Beste derselben ist die von einer zweckmäßigen Gesetzgebung gezügelte Freiheit der Presse.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 332.
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