Quietisten

[612] Quietisten nach dem Lateinischen, auch Hesychiasten nach dem Griechischen sind die Anhänger einer mystisch religiösen Richtung genannt worden, welche im 17. Jahrh. in Frankreich durch den zu Rom 1675 herausgegebenen »Geistlichen Wegweiser« des span. Weltpriesters Michael Molinos aufkam. Dieses Erbauungsbuch leitete die Andächtigen zur Hingebung an eine beschauliche Ruhe an, die man sich sogar als ein mystisches Ruhen in Gott selbst dachte und wobei die Einbildungskraft überschwenglichen Gefühlen und Anschauungen nachhing. Diese Richtung bildete den Gegensatz zu dem durch mehre Mönchsorden und namentlich durch Jesuiten und Dominikaner damals zu einem beinahe blos äußerlichen und maschinenartigen Treiben von Andachtsübungen verunstalteten Gottesdienst der Katholiken und fand daher bei eifrig frommen Gemüthern vielen Anklang. Allein da jene für die Geistlichkeit mit unberechenbaren Vortheilen verbundenen Andachtsübungen dadurch an ihrem Ansehen beeinträchtigt zu werden anfingen, bewog mönchischer Einfluß die franz. Regierung, beim päpstlichen Stuhle die Verurtheilung des Buchs von Molinos zu fodern. Diese erfolgte und der Verfasser mußte nicht nur seine Irrthümer abschwören, sondern ward in ein röm. Dominikanerkloster verwiesen, wo er 1696 starb. Dessenungeachtet behauptete sich der Quietismus, wie diese mystische Richtung nach dem lat. Worte quies, d.h. Ruhe, bezeichnet wird und der »Geistliche Wegweiser« hatte die Abfassung vieler verwandter Andachtsbücher in Frankreich und auch in Deutschland zur Folge. Eine Sekte haben die Quietisten jedoch nie gebildet, sondern ihre Denkart in religiösen Dingen erhielt sich nur während einiger Jahrzehnde als vorherrschend unter den eifrig Frommen und ward von andern überwiegenden Zeitrichtungen allmälig verdrängt, hat jedoch unter Mystikern und Pietisten bis auf die neueste Zeit immer Anklang gefunden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 612.
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