Theurung

[415] Theurung bezeichnet im Allgemeinen einen Zustand des öffentlichen Verkehrs, welcher sich durch unverhältnißmäßigen Preis gewisser Waaren auszeichnet, vorzugsweise des Getreides und anderer Lebensmittel. Hervorgebracht wird eine Theurung des Getreides theils durch Ungunst der Natur, indem durch anhaltende Dürre oder Nässe, Hagelwetter, Überschwemmungen die Ernten vernichtet werden, theils durch künstliche Mittel. Zu den letztern gehören die Einfuhrverbote, namentlich wenn gleichzeitig der Getreidebau in den Händen einer verhältnißmäßig geringen Anzahl von Menschen liegt, wie dies z.B. in England der Fall ist. Hier können die wenigen Landbesitzer die Preise des Getreides willkürlich emporschrauben. Die Nachtheile der Theurung, wenn sie lange anhält, sind unermeßlich, denn nicht nur, daß alle Stände, deren Verdienst gering ist, Mangel leiden, so werden sie durch diesen demoralisirt und die Noth zwingt sie zu Ausschweifungen, welche den Umsturz der öffentlichen Ordnung zur Folge haben können. So ist das Verbot der Einfuhr des Getreides aus einer Provinz in die andere, welches vor der großen Revolution in Frankreich bestand, von wesentlichem Einflusse auf den schrecklichen Gang dieser Revolution gewesen. Das beste Mittel. gegen die Theurung ist Freiheit des Getreidehandels, weil derselbe eine gleichmäßige Vertheilung des Getreides über weite Landstrecken bewirkt, also dem Mangel einzelner Gegenden mit dem Überflusse anderer abhilft.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 415.
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