Antike

[237] Antike, Antiken, (vom lateinischen Worte antiquus, längst verflossen, alt) die Kunst der Alten, Alterthümer; im scharfen[237] Gegensatze zur Kunst der Neuen zur modernen oder romantischen Kunst. Die antike Kunst (eigentlich nur die griechische zu nennen) ist leichter zu beurtheilen, als in ihrem Stile zu schaffen. Ideale Ruhe, göttlicher Adel in der Form und kühne Einfachheit sind die Kennzeichen, das Wesen der Antike. Woher aber jene himmlische Ruhe, jene unnachahmliche Grazie, jene Abgeschlossenheit (Plastik) in der Antike? – Griechenland war von Poesie durchdrungen, nämlich von einer Phantasie, die ihre Ideale im Leben selbst vorfand, und dieselben in Formen bringen konnte, die wirklich vorhanden waren; die Kunst besteht aber nur in dieser Verschmelzung des Ideals mit der Wirklichkeit, diese Erhebung des Irdischen zum übersinnlichen Genusse. Und wenn ein poetischer Mensch derjenige ist, welcher bei Beschauung irdischer Gegenstände diesen sogleich ihre himmlische Beziehung in schöner Form anweist, so waren die Griechen eine poetische Nation, und die Kunst lag ihnen nahe. Das Schöne setzten sie über Alles, weil sie selbst schön waren; sie vergötterten schöne Menschen nach dem Tode; ihre Lebensaufgabe war Genuß des Schönen. Trugen sie nun dieses Schöne in die Kunst über, so wurden ihre Werke natürlich–schön, weil ihnen eben ihre Natur Alles an die Hand gab, und der Eindruck derselben auf den Beschauer mußte ein so reinerer werden, je ungezwungener sie waren. Der Genius des Griechen war frei und lebte mit und neben den Göttern; er entfaltete seine Ideen im Aether, lüftete seine Schwingen unter dem Helikon und Parnaß, deren Gipfel die Unsterblichen bewohnten. Er hatte endlich keine todte Natur. Seine Phantasie schuf die Mythe, und dieser nach trugen alle Elemente Wesen unsterblicher Art in sich. Seine Poesie war ein Maimorgen voll Blüthen und Sonnenschein, voll Geister und Götter. Hellas brauchte auch nicht vom Künstler erst stufenweise zu seiner Würdigung herangebildet zu werden, vielmehr repräsentirte sich nur das ganze Volk im Künstler; er ging nothwendig aus ihm hervor: die Seele der Kunst[238] floß durch sie alle, und die Kunst war in ihrem Auge nicht sowohl Kunst als ihr angeschautes Ich. Zwischen ihrem Himmel und ihrer Erde lag kein Tod, sondern nur eine Verwandlung, und wirklich göttlich zu werden, war ihnen nicht unmöglich. Hieraus floß ihre Idealität, ihr Seelenadel, ihre einfache Größe.

B–l.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 237-239.
Lizenz:
Faksimiles:
237 | 238 | 239
Kategorien: