Borgia, Lucretia

[139] Borgia, Lucretia, Lucretia, ein merkwürdiger weiblicher Charakter, dessen Andenken in neuester Zeit durch Victor Hugo's Trauerspiel gleiches Namens wieder aufgefrischt worden ist. Sie war von seltener Schönheit, geistvoll, gebildet, eifrige Beschützerin von Wissenschaften und Künsten, denen sie in den Augen ihrer Zeitgenossen durch fürstliche Munificenz den erhabensten Rang anwies; aber ihr Leben war in mehrfacher Beziehung nicht fleckenlos, und der härteste Tadel der gleichzeitigen Schriftsteller trifft deßhalb diese Fürstin, die sich oft der schönsten Blüthen einer milden und sittigen Weiblichkeit entkleidete. Sie stammte aus einem edlen Geschlechte, das seinen Namen von der alten Stadt Borja in Spanien entlehnte, und war die Tochter des Alexander von Borja. Zuerst vermählte sie sich mit Johann Sforza, Fürsten von Pesaro, der sie aber bald wegen Treulosigkeit verstieß. Sie reichte nun (1498) Alfons von Aragonien, einem Sohne Königs Alfons II. von Neapel, die Hand. Auch diese Ehe wurde gewaltsam getrennt, da Alfons von der Hand ihres Bruders, Cesare, Herzogs von Benevent, fiel. Lucretia ging 1501 eine dritte Ehe mit Alfons von Este, der später zum Herzog von Ferrara erhoben wurde, ein und starb endlich nach mancherlei Verirrungen im Jahre 1520. So geehrt ihr Name, als der einer kunstbegeisterten Frau, einer Pflegerin des Schönen und Nützlichen war, so wenig können die vielfachen Handlungen einer ungebändigten Leidenschaftlichkeit ihr vor dem Richterstuhle der Moral Achtung erwerben.

X.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 139.
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