Falke

[60] Falke, Unter dieser allgemeinen Benennung versteht Frankreichs großer Naturforscher, Cuvier, die Cap-Raubvogel, deren Kopf und Hals befiedert ist, die an den Augen einen vortretenden Rand, einen kurzen, von der Wurzel an schon gebognen Schnabel, und gekrümmte, scharfe Klauen, oder nach der Jägersprache Fange, haben. Zu ihnen zählt man die Adlerarten, die Habichte, Milane, Bussarden, Weihe und Edelfalken, die vor jenen unedlen den Vorzug haben, daß sie sich zur Jagd für ihre Herren abrichten lassen, während die andern auf eigne Rechnung jagen und deßhalb stets als Wilddiebe betrachtet werden. Gesicht und Geruch ist bei diesen Vögeln vorzugsweise scharf und sie pflegen sich in beträchtliche Höhe zu erheben, um ihre Beute zu erspähen und dann auf diese herabzustoßen. Im Mittelalter war die Jagd mit abgerichteten Falken, welche schon Indier und Griechen kannten, sehr beliebt, und der Falkonier (Falkenwärter) durfte unter der Dienerschaft eines großen Herrn nicht fehlen. Auf grausame Art, durch Hunger, Ruhelosigkeit und lange Verhüllung entwöhnte dieser die ihm[60] vertrauten Thiere ihrer natürlichen Wildheit und machte sie seinem Winke gehorsam. War der Jagdtag erschienen, so nahm er den also gezähmten Falken, dessen Kopf mit einer Hülle (Falkenhaube) bedeckt war, auf seine durch einen starken Handschuh vor den Krallen geschützte Faust. Fort ging es nun, hinaus ins Feld mit der Schar der Jagenden, unter der sich oftmals auch Damen befanden, und gewahrte man Hafen, Kaninchen oder Vögel, namentlich Reiher, denen man besonders nachstellte, so ward der Falke von seiner Verkappung befreit, und man ließ ihn steigen. Anfänglich, d. h. die ersten Male, hielt ihn eine am Fuße befestigte Schnur in der Gewalt des Jägers zurück, später, wenn er vollkommen abgerichtet war, bedurfte es dessen nicht mehr, denn freiwillig kehrte das kluge Federspiel, wie die Altdeutschen den Jagdfalken nannten, auf die Lockung zu seinem Herrn zurück und legte ihm das erlegte Wild zu Füßen. Fürsten und Edelleute bezahlten theuer solche gelehrige Thiere. Vor allen jedoch schätzte man der Seltenheit wegen die weißen Falken. Sie waren oft mit goldnen Ringen an den Füßen und mit Halsbändern geziert und gaben eine vielbenutzte Nebenfigur in den Islandssagen und nordischen Erzählungen. Auch die Malerkunst verewigte mannichfach die Heldenthaten der klugen Falken, und wenn uns eine von niederländischen Künstlern dargestellte Reiherbaize den Kampf dieser kriegerischen Vögel mit jenen Sumpfbewohnern, die sich geschickt vertheidigen, zeigt, wenn wir die muntern Herren und Damen im altväterisch-malerischen Kostüm auf flüchtigen Rossen, durch des Waldes Grün sprengend in anmuthiger Thätigkeit Theil an dem kleinen, vom Wasser zurückgespiegelten Schlachtgemälde nehmen sehen und das Alles so lebendig und romantisch erscheint, dann bedauern wir fast, daß unsre der Prosa verfallene Zeit solch fürstlich Jagdvergnügen verwirft und die modernen Elegants in fashionabler Jagdkleidung Cravatte à la Colin, zierlichen Kamaschen, Strohhut und Flinte à percussion höchstens auf die Hasenjagd sendet.

F.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 60-62.
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