Katholiken

[109] Katholiken. Das griechische Wort, dem dieser Ausdruck entlehnt ist, bedeutet so viel, als allgemein. Als nämlich in den ersten Jahrhunderten mehrere Glaubenslehrer auftraten, welche die Lehrsätze des Christenthums und die religiösen Glaubenslehren durch freie Forschung aus den Religionsurkunden entwickeln wollten, so mußten sie, da sie oft von ganz entgegengesetzten Grundsätzen ausgingen, auch zu verschiedenen Resultaten gelangen. Jeder fand Anhänger. Bald war eine allgemeine Spaltung zu befürchten. Daher wurde es nöthig, allgemein geltende Grund- und Glaubenssätze aufzustellen und sich über dieselben zu vereinigen. Dieß geschah namentlich auf den Kirchenversammlungen. Diejenigen Christen nun, welche jenen allgemeinen Grund- und Glaubenssätzen beitraten, nannten ihre Lehre die katholische oder die allgemeine, und erklärten alle Andersdenkende und Lehrende für Ketzer oder Häretiker. In den neuern Zeiten folgten diese Christen im Allgemeinen den Grundsätzen, welche die tridentinische Kirchenversammlung und der Papst Paul V. in dem römischen Katechismus festgestellt haben. Nach diesen sind die Bibel, die Tradition und die Entscheidung des Papstes, der Bischöfe und der Kirchenversammlungen die alleinigen Normen des Glaubens. Deßhalb ist der freie Gebrauch der Bibel eingeschränkt, und die katholische Kirche behauptet, daß ihren Lehren der Vorzug der Katholicität (d. h. der allgemeinen Giltigkeit und Lehrgerechtigkeit) darum gebühre, weil die christliche Kirche sie seit ihrer Entstehung immer und mit allgemeiner Übereinstimmung geglaubt habe. Die Ordensgeistlichen und Priester, welche von aller weltlichen Gerichtsbarkeit freigesprochen sind, führen das Kirchenregiment. Der Papst ist das Oberhaupt der Kirche. Um als wahrer Katholik zu gelten, wird erfordert: die Annahme von sieben Sacramenten, die Verehrung der Heiligen und ihrer Bilder, der Glaube an die im Laufe der Zeit durch kirchliches Ansehen in's Leben gerufenen Meinungen. Solche Meinungen sind: die Verdienstlichkeit von Schenkungen an die Kirche, milde Stiftungen, häufige [109] Almosen, Fasten, Bußübungen, Kasteiungen, das Vertrauen auf Ablaß und der Glaube an einen Läuterungszustand (Fegefeuer) nach dem Tode. So sehr auch demnach die protestantische Kirche von der katholischen abweicht, so können doch beide Kirchen sehr gut und friedlich neben einander bestehen. Und der aufgeklärte Protestant wird, nicht nach Meinungen, sondern nach Handlungen richtend, den aufgeklärten Katholiken eben so sehr und oft höher noch als seinen protestantischen Mitbruder achten, während der aufgeklärte Katholik in seinem Herzen gewiß dem Lehrsatze nicht huldigen kann, nach welchem alle Nichtkatholiken ewig verdammte Ketzer sein sollen. Christus ist Sonne und Stern für den Katholiken wie für den Protestanten. Ein leuchtendes Vorbild hat er Allen aufgestellt und Alle sollen ihm ähnlich werden, welche sich nach ihm nennen und den Ehrennamen »Christ« tragen.

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Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 109-110.
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