Pulcinella

[308] Pulcinella, franz. Polichinelle, eine Maske der italienischen Komödie (commedia dell' arte), ist außer Italien nur der Spaßmacher der Marionettenbuden, Arlechino's (s. Harlekin) würdiger Ersatzmann, und ein Geistesverwandter des Jocrisse (s. d.). In Frankreich und Deutschland hat sich seine Tracht bedeutend mit der des verbannten Hanswursts verschmolzen, ohne jedoch jemals der obligaten Zipfelmütze zu entbehren, die ihm allein gebührt. Sie ist weiß, mit einer rothen Quaste am Ende, und seine übrige Kleidung, weite Pantalons und ein hemdartiger Ueberwurf, trägt dieselbe Unschuldsfarbe. Das Obergewand gürtet ein schwarzer Riemen, und Herzen von rothem Tuch nebst einer Einfassung von rother Franze machen dessen Aufputz aus. So erscheint P. auf dem Theater zu San Carlo in Neapel, der Stadt seines ersten Ruhmes. Bei uns gibt man ihm bunte Kleider und behält nur die dickgefaltete Halskrause, wie die schon erwähnte Mütze bei. Seine Lazzis und Einfälle werden in Italien, wo noch wirkliche Schauspieler diese Rolle geben, nicht wenig durch die possierlichste Maske unterstützt. Sie deckt nur das halbe Gesicht und besteht hauptsächlich aus der dem Schnabel eines Raubvogels gleich gekrümmten Nase, während Arlechino's Maske den Ausdruck gutmüthiger niaiserie trägt. Dennoch hat P's Geschichte viel Aehnlichkeit mit der Arlechino's. Auch er prügelt Kind, Frau und Diener, ist aber bösartiger als jener, und muß daher nach vielfachen Verfolgungen, wegen begangener Mordthaten, unmaßgeblich hängen, wenn ihn nicht schlüßlich der Teufel holt, wie weiland Don Juan. Der Ursprung dieser beliebten Maske soll nach einer Sage davon herrühren, daß einst eine wandernde Schauspielertruppe zu Acerra in Italien das komische Talent eines Bauers, Puccio d'Aniello, entdeckte und ihn, dessen burleske Persönlichkeit seinem possierlichen[308] Witze zu Statten kam, beredete, in ihrer Mitte nach Neapel, wo er bald der Liebling des Publikums ward, zu ziehen. Nach seinem Tode blieb das Rollenfach, das er geschaffen. Eine andere Erzählung schreibt jedoch P's erste Erscheinung einem lustigen, häßlichen Bäuerlein aus der Umgegend Lorrento's zu. Er soll mit jungen Hühnern (pulcinelli) öfters auf Neapels Markte erschienen sein und Jedermann durch seine drolligen Einfälle ergötzt haben, weßhalb er als eine wohlbekannte, lächerliche Personage zuletzt auf das Theater gebracht ward. Die witzigste Abhandlung, die wohl je über P. geschrieben ward, gibt Charles Nodier im zweiten Bande des livre des cent et un.

F.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 308-309.
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