Roxelane

[496] Roxelane, die Gemahlin Solimann's I., deren Vaterland unbekannt ist, gerieth als Sclavin in türkische Gefangenschaft, erwarb sich durch ihre blendende Schönheit und ihren gewandten Geist die Neigung des Sultans Solimann, und gewann bedeutenden Einfluß auf die türkische Politik, den sie jedoch nur zu schlechten Zwecken benutzte. Sie haßte den treuen Großvezier Ibrahim wegen der Gunst, in der er bei dem Sultan stand, und um den Gegenstand ihrer Eifersucht zu stürzen, verband sich R. mit Zulema, der Sultanin. Den vereinigten Ränken beider gelang es, den treuen Diener zu verderben. Doch dieses war nur ein Vorspiel der finstern Plane, die im Kopfe des ehrgeizigen Weibes zur Reise kommen sollten. R. war Mutter einer Tochter und zweier Söhne, Bajazet und Selim. Einem derselben die Thronfolge zu sichern, war ihr einziges Bestreben. Solimann hatte jedoch einen älteren Sohn, Mustapha; auf diesen und dessen Mutter Bosphorone fiel R's unerbittlicher Haß, der sie zu dem Entschlusse vermochte, beide aus dem Wege zu räumen. Damit jedoch ihre Söhne thronfähig würden, mußte sie vorher als des Sultans Gemahlin anerkannt[496] werden. Zur Erfüllung ihres sehnlichen Wunsches bediente sie sich folgender List. Sie gab vor eine Moschee gründen zu wollen. Mit dem Mufti einverstanden, legte dieser eine Protestation ein, weil R., als Sclavin kein Eigenthum besitzen, folglich auch keine Moschee bauen dürfe. Der Schmerz, den sie ihrem Herrn über das Fehlschlagen ihres Wunsches heuchelte, erwirkte ihr die Freiheit. Diese war jedoch nicht allein das Ziel ihrer Wünsche. Als Freie verweigerte sie Soliman den bisherigen vertraulichen Umgang, bis er sie zu seiner Gemahlin erhob. Nachdem dieses Hinderniß hinweggeräumt war, suchte sie so rasch, als möglich das zweite zu beseitigen. Von ihrem Schwiegersohne Mustav Pascha unterstützt, setzte sie alle Künste des Serails in Bewegung, um Soliman mit Mustapha zu entzweien. Sie klagte Letzteren des Hochverraths und des geheimen Einverständnisses mit Persien an. Soliman fiel in die Schlinge, mit welcher das trügerische Weib ihn umgeben hatte; in einem Anfall von Zorn über die angeblichen Frevel seines Sohnes, ward er dessen Mörder. Nachdem dieser erste Anschlag gelungen war, schritten sie auf dem einmal betretenen Pfade weiter. Auf ihr Anstiften trat ein Betrüger unter Mustapha's Namen auf, der Soliman, ihren Gemahl und Wohlthäter, vom Throne stürzen, und wenn die Umstände es erforderten, des Lebens berauben sollte. Sie hoffte, daß Bajazet allein die Früchte dieser Verschwörung ernten würde. Da scheiterten alle ihre Hoffnungen an Achmet's Wachsamkeit, dessen eifrigen Bemühungen es gelang die Schuldigen zu entdecken. Nur R., die Anstifterin des ganzen verderblichen Complots, entging seinem forschenden Auge. Durch Thränen und Bitten gelang es ihr sogar Soliman's gerechten Unwillen gegen Bajazet zu entwaffnen, obgleich dieser größeres Unrecht hatte, als der unglückliche Mustapha. Aller Bemühungen ungeachtet erreichte R. nicht das Ziel, das ihr Ehrgeiz zu erreichen gestrebt hatte. Ehe sie Bajazet die blutbefleckte Krone auf das Haupt setzen konnte, starb sie 1557 in[497] Soliman's Armen, der nie aufgehört hatte sie zu lieben, und sie für wahr und treu hielt bis zu ihrem letzten Augenblicke.

E. v. E.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 496-498.
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