Sammet

[46] Sammet. Die gute alte Zeit, wo Form und Stoffe zu unserer Kleidung nicht wie jetzt mit jedem Mondeswechsel variirten, sonndern oft von Geschlecht zu Geschlecht fortbestanden, war auch die Blüthenzeit dieses schweren, seidenen Zeuges, dem unzertrennlichen Begleiter alterthümlicher Grandezza. Der fieberhafte Wechsel jetziger Moden, gepaart mit den Ansprüchen auf eine größere Leichtigkeit und Beweglichkeit in Gesten und Geberden, haben diesen theuern, [46] schweren Stoff gegen leichtere, vergänglichere Fabrikate vertauschen lassen; das Bedürfniß nach ihm ist nicht verschwunden, aber hat sich vermindert, er dient nur noch als Aushilfe, und jene Zeit, wo ihm die Toilettenkunst unserer Großmütter fast ausschließlich die Solopartien übertrug, klingt nur noch fort in den Traditionen über Schleppen, Perrücken, Reifröcke etc. Italien und dort Genua vorzugsweise, lieferten den besten, den solidesten Sammet. Jetzt wird er überall, aber schlechter verfertigt, doch gelten die französischen und russischen Sammete, neben den italienischen für die empfehlenswerthesten. Um ihn wohlfeiler zu liefern, hat man in neuerer Zeit Baumwolle dazu genommen, namentlich zu dem Belpel und Plüsch, allein diese Art ist weder so dauerhaft, noch so schön von Ansehen.

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Damen Conversations Lexikon, Band 9. [o.O.] 1837, S. 46-47.
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