Sammet

[839] Sammet, dichtes seines Seidenzeug, auf dessen Oberfläche feine Fäden (Flor, Pole, Poil), in die Höhe stehen. Dieser Flor ist beim S. aus einer besonderen Kette (Polkette) gebildet, beim Manchester durch einen besonderen Schuß. Zu dem Grunde nimmt man etwas gröbere Seide, hingegen zu dem Flore die feinste. Der Grund ist entweder leinwandartig (glatter S.) od. geköpert (Köpersammet), dieser trägt sich nicht so leicht ab. Der Flor besteht entweder aus kleinen Schleifen od. Maschen (Noppen), welche reihenweise quer über den Stoff laufen (ungerissener S.), od. aus kleinen dichten Bürsten (gerissener, gewöhnlicher S.). Wird beim ungerissenen S. anstatt der Nadel ein dicker Baumwollfaden in das Nadelfach gezogen u. darin gelassen, so erhält man gerippten od. glatten S., welcher einfärbig u. auf der ganzen Oberfläche mit Flor überzogen ist; ferner gemusterten od. faconnirten S., er hat Streifen, Würfel od. ähnliche einfache Figuren von verschiedenfarbigem Flor, od. das Sammetmuster wechselt mit einem Taffet, od. Gros-de-Toursgrund (Droquetsammet); ferner geblümten od. gezogenen S., wo der Grund S., Taffet od. Gros de Tours ist u. die Blumen von andersfarbigem S. sind; bei dem gezogenen S. ist der Grund auch bisweilen mit Gold- od. Silberlahn durchwirkt (reicher S., Gold- od. Silbersammet); ferner Doppelsammet, welcher auf beiden Seiten Flor hat, jede Seite von einer anderen Farbe (doch versteht man unter Doppelsammet bisweilen auch nur einen sehr dichten S.); ferner gepreßten S., glatter S., auf welchen mit heißen eisernen Formen Muster gedruckt werden; endlich gemalten S., auf welchen größere Bilder in ihren natürlichen Farben gewebt sind; doch malt man auch bes. auf weißen glatten S. Bilder mit dem Pinsel. Nach der Dichte des Flores unterscheidet man zwei- bis sechsdrähtigen S., d.h., es sind doppelt so viel Fäden in jeder einzelnen Bürste des Flores; diese Güte wird durch bunte Streifen in der Salleiste bezeichnet, drei Streifen in jeder Salleiste bezeichnen den dichtesten S. Geringen S., seiner als Plüsch, gröber als Köpersammet, unterscheidet man als Bastard- (Baster-) S.; er wird nach der Zahl der Fäden, woraus der Polfaden besteht, in Zwei- bis Sechsdrahtbastardsammet getheilt, bes. in Italien gefertigt; brochirter S. ist so v.w. Chenilleatlas. Bei Verfertigung des S-s muß man eine doppelte Kette aufziehen: die Unter- od. Grundkette, welche das Grundgewebe bildet, u. die Polkette (Oberkette, Sammetkette), welche den Flor bildet. Liegen zwischen je zwei Polfäden ein, zwei od. drei Grundfäden, so steht der S. auf ein-, zwei- od. dreifädigem Grunde. In jedes Rohr des Rietblattes kommen zwischen vier einfache od. doppelte Grundfäden gewöhnlich zwei doppelte Polfäden, in der Ordnung: gpggpg; je nach der Zahl der Fäden in einem Rohre (3–12) nennt man den S. anderthalb- bis sechshaarig, wobei zwei Fäden auf ein Haar gerechnet sind. Daher muß auch der Sammetwebstuhl einige besondere Vorrichtungen haben, nämlich bes. Kämme u. Tritte zur Polkette, welche Polkämme (Polflügel) u. Pol- (Richt-) tritte heißen, ferner einen doppelten Ketten- od. Garnbaum, wovon der untere Grundkettenbaum für die stark zu spannende Grundkette, der obere Polbaum für die nur schwach zu spannende Polkette bestimmt ist u. durch ein Gewicht (Droquetsammetgewicht) gespannt wird. Eine gleichmäßigere Spannung der Polkette u. dadurch einen schöneren S. erhält man, wenn man jeden einzelnen Polkettenfaden nahe am Polkettenbaume durch ein besonderes Bleigewicht spannt. Der Brustbaum bei dem Sammetweberstuhl ist ein Stiftbaum, d.h., er ist mit kleinen scharfen Stiften versehen, mit welchen er den fertigen S. fest hält, denn der fertige S. wird nicht auf einem Zeugbaum am Stuhle aufgewickelt, sondern er fällt von dem Stiftbaume in einen darunter befindlichen Kasten (Sammetkasten) u. wird darin zusammengelegt. Beim Weben des glatten S-s nimmt man wegen der dichten Lage der Kettenfäden gewöhnlich sechs Schäfte od. Flügel, nämlich zwei Polflügel, in welche abwechselnd je ein (gewöhnlich doppelter) Faden der Polkette u. vier Grundflügel, in welche die Fäden der Grundkette der Reihe nach eingezogen werden. Die beiden Grundtritte haben abwechselnd eine Hälfte der Grundkette u. machen so Fach der Grundkette; der Poltritt hebt die ganze Pole u. zwar abwechselnd einmal allein u. einmal bald mit der ersten, bald mit der zweiten Hälfte der Grundkette; im letzteren Falle wird die Polkette durch den Schuß mit in den Grund eingewebt; wenn dagegen die Polkette allein gehoben u. so das Nadelfach gebildet worden ist, wird, um aus den Polfäden den Flor zu bilden, ehe die Polkette heruntergeht, ein dünner metallener Stab, die Ruthe (Flachruthe, Sammetnadel) eingelegt, um welche die Polfäden sich in Form von Maschen (Noppen) schlingen, wenn die Polkette wieder niedergeht, worauf sie durch den nächstfolgenden Schußfaden wieder im Grundgewebe befestigt wird. Bei Verfertigung des gewöhnlichen od. gerissenen S-s nimmt man messingene Ruthen, welche an dem einen Ende einen Ring, an dem anderen einen schneidenden Haken haben; indem man nun die Ruthe herauszieht,[839] werden die Schlingen des Flores zerschnitten; od. im Querschnitte herzförmigen Setz- od. Schneidenadeln, welche der Länge nach eine Rinne haben, in dieser Rinne fährt man mit der Klinge des Drits od. Dreget (Sammetmesser, Sammethaken), einer eingenieteten spitzigen Messerklinge, hin, um die Schlingen des Flores aufzuschlitzen. Den gezogenen, ungeschnittenen od. ungerissenen S. (Halbsammet, Ritzer) webt man über Zug- od. Ritzernadeln aus glattem rundem od. ovalem Messingdrahte. Zu Plüsch u. Felbel, welche sich vom S. nur durch längere Maschen unterscheiden, verwendet man dickere hölzerne Nadeln. Zu drei- od. vierbindigen Köpersammet braucht man sechs od. vier Grundflügel. Zu gemustertem S. muß der Webstuhl mehr Kämme u. Tritte haben u. oft ist er mit einem Harnische u. Zampel od. einer Jacquardmaschine versehen, u. die Polfäden sind auf kleine Rollen (Polrollen) gewunden, welche in einem Rahmen (Canta) befestigt sind u. eine jede ihr Bleigewicht haben, wodurch sie gespannt werden. Muster kann man auch durch Flor von verschiedener Farbe, durch ungleiche Länge des Flores an verschiedenen Stellen, blos theilweises Schneiden des S-s etc. erzeugen. Die Faserknoten auf der rauhen Seite des S-s werden aber mit der Haarscheere abgeschnitten. Schon im 11. u. 12. Jahrh. wurde S. verfertigt, im 12. Jahrh. wurde viel S. von Constantinopel eingeführt, 1445 hatte Nürnberg Sammetmacher, welche geblümten S. machten, 1536 erhielt Lyon Sammetfabriken. Sammetmanchester (Baumwollensammet, unechter S.) ist aus Baumwolle u. meist wie Manchester gebildet u. auf der ganzen Fläche gerissen; vgl. Manchester. Wollener S. u. Plüsch kommt gerissen u. ungerissen, abernicht häufig vor; zu ihnen gehört der Utrechter S. od. Möbelplüsch, bei welchem die Unterkette aus Leinen od. Baumwolle, der Schuß aus Baumwolle u. der Flor aus Kammwolle od. Kämelgarn ist; der einfärbige ist nach dem Weben gefärbt; oft wird er durch Pressen od. Gaufriren verziert.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 839-840.
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