Genua

[389] Genua, die Königin Liguriens, durch seine reizende Lage, durch seine prachtvollen Gebäude und Kunstschätze mit Constantinopel und Neapel rivalisirend, liegt am Meerbusen gleiches Namens, nimmt in seinen Hafen jährlich an 3000 Schiffe auf und hat 79,000 Ew. Die prachtvollen Straßen Nuova, Carolo Felice und Strada Balbi, von welchen Frau von Stael sagt, daß sie nur für Congresse von Königen erbaut seien, enthalten den Palast der ehemaligen Dogen, die Paläste Doria und Durazzo etc., und diese die Meisterwerke eines Guido Reni, Rafael, Rubens, Titian, Caracci u. A. Aber nicht Kunst und Natur allein schmücken Genua mit ihren Schätzen, auch in der Industrie hat es von je her mit den größten Städten Europa's gewetteifert. Nach allen Weltgegenden sandte es einst seine Sammt- und Seidenwaaren, und noch heute sind diese wegen ihrer schonen Farben geschätzt-Noch immer erhalten wir aus Genua's Fabriken seidene Strümpfe und Bänder, Papier und Seifen, parfümirte Handschuhe und Essenzen, [389] Chocolade, candirte Früchte, seidene Blumen, so unnachahmlich gefertigt im Kloster dei Fieschini, Korallen und die unter dem Namen Vernis de la Madeleine bekannten zierlichen Geschirre aus Feigenholz. Eine der schönsten Straßen Genua's ist die Piazza delle fontane amorose und der angenehmste Spaziergang der Hafen. Der einst so bekannte genuesische Schleier, den die Frauen dort so vortheilhaft zu tragen wußten, daß er die Reize mehr hob als verbarg, findet sich jetzt nur noch bei den niederen Klassen; eben so ist der Cicisbeo aus der Mode gekommen, dagegen das Vergnügen an Putz, Gesang und Theater an seine Stelle getreten. Vornehme Frauen kleiden sich nach der französischen Mode, während in den niederen Ständen schwer damastne Rocke und atlassene Leibchen, ausgeputzt mit Korallen, Gold- und Silberschmuck, nationell sind. Um die schöne Welt Genua's vereint zu sehen, muß man gegen Abend den herrlichen Platz Acqua Verde, auf welchem Christoph Columbus ein Denkmal errichtet ist, und die Brücke Carignan besuchen.

J.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 389-390.
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