Ideen, materielle

[481] Ideen, materielle (»ideae materiales«) oder Ideenbilder: (früher angenommene) Bilder der Objecte im Gehirn als Dispositionen zu Vorstellungen. – Figürlich spricht ARISTOTELES von Bildern (zôgraphêmata, typoi), die der Seele gleichsam eingedrückt werden (De memor. 1). – DESCARTES nennt »ideae rerum materialium« die Gehirneindrücke, die durch Bewegungen im Körper bewirkt werden und denen die Seele beim Vorstellen zugewendet ist (»ad quam speciem corpoream mens se applicet, sed non quae in mente recipiatur«, De hom. p. 132; Princ. philos. IV, 196 f.). Durch MALEBRANCHE wird diese Lehre weiter verbreitet. Abbildungen der »materiellen Ideen« bei TH. VON CRAANEN (Tract. de hom. 1689, C. 93 f.). Von materiellen Ideen spricht CHR. WOLF (Psychol. rational. § 118, 374). BAUMGARTEN versteht darunter »motus cerebri, coëxistentes animae repraesentationibus successivis« (Met. § 560). Ähnlich BONNET (Ess. analyt. § 55), TETENS (Philos. Vers. I, Vorr. S. VII), FEDER (Log. u. Met. S. 34). PLATNER spricht von »Ideenbildern«, auch von »Spuren«, »Eindrücken« im Gehirn (N. Anthropol. § 334 ff.). Das »Ideenbild« ist nichts Materielles, sondern der Gegenstand der Idee (Philos. Aphor. I, § 288). Ideenbilder können nicht in der Seele, aber im Gehirn aufbewahrt werden (l.c. I, § 290). In der Seele bleiben als »Spuren« der Ideen innere Veränderungen (l.c. I, § 292). Die Ideenbilder sind »Bewegfertigkeiten der Gehirnfibern« (l.c. I, § 296), »innere Eindrücke« im Gehirn (l.c. I, § 299). Die Ideenbilder sind in beständiger (schwacher) Tätigkeit (l.c. I, § 302). Durch die Aufmerksamkeit wird jede zu dem Ideenbilde erforderliche Bewegung belebt und unterstützt (l.c. I, § 314 ff.). »Die Ideenbilder werden wieder erweckt, heißt nichts anderes, als jene Bewegungen der Gehirnfibern erlangen den zur bewußtmäßigen Vorstellung erforderlichen Grad der Stärke« (l.c. I, § 335 ff.). G. E. SCHULZE bemerkt: »Wenn unter dem sogenannten materiellen Ideen nichts weiter verstanden wird, als eine durch die organische Lebenstätigkeit des Gehirns besonders bestimmte Bewegung in gewissen Teilen desselben, welche zum Entstehen einer Empfindung und Vorstellung nötig sein soll, so kann deren Annahme vollkommen gerechtfertigt werden« (Anthropol. S. 53).

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 481.
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