Bruno, Giordano

[79] Bruno, Giordano, geb. 1548 in Nola (Campanien), lernte in Neapel Logik und Dialektik, wurde 1563 Mönch, beschäftigte sich als solcher mit den Schriften antiker und mittelalterlicher Philosophen, aber auch mit der Lehre des Kopernikus, Nicolaus von Cusa, Cardanus, Telesius u. a. Er mußte wegen seiner freien Anschauungen das Kloster verlassen, ging 1576 nach Genua, dann nach Venedig, Mailand u. a. Städten, lebte eine Zeitlang in Genf, Toulouse seit 1579 in Paris als Lehrer an der Sorbonne und als Dichter (Drama »Il candelajo«) und mit der »Lull'schen Kunst« beschäftigt. 1583 ging B. nach London, weitere Schriften ausarbeitend. 1584 schrieb er die Satire »Spaccio della bestia trionfante« (Austreibung der menschlichen Gemeinheit), dann die »Cabala del cavallo Pegaseo con l'aggiunta del' asino Cillenico« (Ränke des Pegaseischen Rosses) sowie die halb poetische, halb Prosa-Schrift »Degli eroici furori« (Über die heroische Raserei, d.h. den Enthusiasmus für das göttliche Unendliche, für das der Philosoph in Liebe und Bewunderung erglüht). Die Schrift »La cena delle ceneri« (Aschermittwochsmahl) enthält Gespräche über die Weltanschauung des Nicol. Cusanus. Von England ging B. über Wittenberg, Prag, Helmstedt, wo er Vorlesungen hielt, nach Venedig, wo er am 23. Mai 1592 infolge der Denunziation eines Edelmannes, Mocenigo, von der Inquisitionsbehörde verhaftet wurde. Vor allem verübelte man ihm seine heliozentrische Weltauffassung. Er wurde 1593 nach Rom gebracht, sieben Jahre im Kerker gehalten, 1600 zum Tode verurteilt und am 17. Februar auf dem Campofiore in Rom als Ketzer verbrannt, ohne widerrufen zu haben. Im 19. Jahrh. wurde ihm eine Statue in Neapel, dann auch in Rom errichtet. Im Jahre 1900 wurde der dreihundertste Todestag B.s glänzend gefeiert, und es erschienen viele Publikationen über ihn. In Deutschland wurde sogar ein »Giordano Bruno-Bund« (mit Flugschriften) gegründet (Kuhlenbeck u. a.).

B. war eine künstlerisch-religiös gerichtete Natur; in seinem Philosophieren kommt die leidenschaftlich erregte Phantasie zu vollster Geltung, in einem lebendigen Einheitsschauen und Einheitsfühlen. Die »Natur«, die von der mittelalterlichen Philosophie so oft verachtet oder gering geschätzt wurde, ist für ihn das Höchste, sie ist göttlich, ja (als »natura naturans«) Gott selbst. B. ist von der Naturphilosophie seiner Zeit, insbesondere von der Lehre des Kopernikus, die ihn begeisterte, beeinflußt, aber auch von Epikur, den Stoikern, den Neuplatonikern, u. a. Wie die Lehre der Stoiker ist seine Weltanschauung eine organische, ein naturalistischer Pantheismus. Das Universum ist ihm eine lebendige Einheit, deren Leben in allem wirkt und an der alles[79] eine Modifikation ist. Das All ist unendlich, ewig besteht es und im unendlichen Kaum existieren unendliche Welten, die alle ihre Seele haben. Gott ist die »natura naturans«, die wirkende Natur, der innere Urgrund, das Prinzip, die Einheit, die Substanz der Dinge. Gott ist der Welt immanent, die Einheit aller Gegensätze und in allem ganz enthalten. Alles ist in und aus Gott; aus ihm geht alles ohne Willkür, ohne zeitliche Schöpfung, mit innerer Notwendigkeit hervor. Die Welt (»natura naturata«) ist (wie bei Nie. von Cusa) die entfaltete Gottheit, die auf absolute Weise alles sein kann und ist. Gott ist das positiv Unendliche, Unteilbare, das Maximum und das Minimum, Einheit und Mannigfaltigkeit, die Viel-Einheit, die ewig wirksame und im Wechsel der Formen sich gleichbleibende Substanz und Weltseele. Macht, Weisheit und Liebe sind seine Prädikate.

Die Materie ist nicht trag, nicht leblos, der Form nicht entgegengesetzt, nicht von der Kraft verschieden, sondern aus ihr selbst entfalten sich alle Formen und wirken in ihr. Das Universum ist ein lebendiges Wesen. Die Dinge sind Modifikation, Erscheinungsweisen der einen Substanz; nur sie, als einzelne, sind vergänglich und veränderlich. Die Weltseele durchdringt alles, faßt alles harmonisch-zweckmäßig zusammen zu höchster Schönheit, so daß die Natur höchst »liebenswürdig« ist (Ästhetischer Pantheismus). Die Übel tragen nur zur Harmonie der Welt bei (Optimismus). In allen Dingen ist (wenigstens der Anlage, Potenz nach) Leben, Seele, Empfindungsfähigkeit (Panpsychismus).

Die Dinge bestehen aus Elementen (»Monaden«, »Minima«), welche physische (aber nicht ausgedehnte) Kraftzentren sind, die zugleich empfindungsfähig sind (Hylozoismus). Solcher Einheiten gibt es unendlich viele und verschiedene. Die höchste Monade, die Monade der Monaden, ist Gott. Eine Monade ist auch die unsterbliche (aber nicht immaterielle) Seele. Der Mensch ist ein Mikrokosmus, ein Spiegel des Universums. Seine Seele ist eine Modifikation der Weltseele. Agiles ist entwicklungsfähig, zielstrebig und niemals ist die Entwicklung abgeschlossen, immer neue Formen gehen aus der sich im Werden erhaltenden Substanz hervor.

Von Einfluß wurden Kg Lehren auf Spinoza, Leibniz, Herder, Goethe, Schelling u. a.

SCHRIFTEN: Außer den schon genannten: De umbris idearum et arte memoriae, 1582. – De la causa, principio et uno, 1584; deutsch von Lasson, Philos. Bibl., 1872, 1902, u. Kuhlenbeck, 1905. – De l'infinito, universo e mondi, 1584; deutsch, 1893, 1904. – Degli eroici furori, 1585. – Lampas combinatoria logicorum, 1587. – De triplici minimo et mensura, 1591. – De monade, numero et figura. De immenso et innumerabilibus, 1591. – Opere, 1829-30 u. 1888-89 (italien. Schriften). – Opera latine conscripta, 1880-89. – Gesammelte philos. Werke (Kuhlenbeck), 1890 ff. – Vgl. RIXNER, u. SIBER, Beitr. z. Gesch. d. Physiol. 1819 ff., H. 5. – BARTHOLMÈS, Jordano Bruno, 1816-47. – R. MARIANO, G. Br., 1881. – BRUNNHOFER, G. B.s Weltansch., 1882. – H. St. CHAMBERLAIN, in: J. Kant, 1905.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 79-80.
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