Epiktet aus Hierapolis

[153] Epiktet aus Hierapolis (Phrygien), Sklave des Epaphroditos in Rom, dann Freigelassener; 94 n. Chr. aus Rom verbannt, lebte er in Nikopolis (Epirus), wo er viele Schüler hatte. Seine Reden hat sein Freund Arrianus aus Nikomedien aufgezeichnet: Diatribai (dissertationes). 8 Bücher, davon 4 erhalten, und 'Encheiridion (Manuale, Handbüchlein); beide zusammen 1799-1800, 1894; deutsch 1866, das »Handbüchlein« auch in der Univ.-Bibl. u. bei Kröner.

E. ist ein Stoiker, der in manchem den Kynikern verwandt ist und dessen Lehren teilweise auch an solche des Christentums erinnern. Die Philosophie besteht nicht im bloßen Wissen, sondern in Lebensweisheit; im richtigen Handeln bewährt sie sich. Anwendung der Grundsätze im Leben ist die Hauptsache. Weise sind wir nur, wenn wir der Natur folgen und das, was in unserer Gewalt (eph' hêmin) steht, was uns frei und stark macht, kennen, in uns selber unser Glück suchen. »Hältst du aber nur das Deine für dein eigen, das Fremde aber für das, was es auch ist für fremd, so wird niemand je dich zwingen, niemand dich hindern.. « »Wenn du nun allein dem auszuweichen suchst, was naturwidrig ist und zugleich in deiner Macht steht, so verfällst du überhaupt nicht in etwas, wogegen du Abneigung empfindest.« Nicht die Dinge selbst, nur unsere Vorstellungen von ihnen machen uns glücklich oder unglücklich beunruhigen uns. Vernunft und Wille lassen uns den rechten Gebrauch von unseren Vorstellungen machen. Was wir nicht ändern können, müssen wir ruhig hinnehmen, Gutes und Schlechtes. Alles ist schließlich so, wie es Gott gefällt, der der Vater der Menschen ist, von dem unsere Seele stammt (apospasma tou theou) und mit dem wir verwandt sind. »Aushalten und sich[153] enthalten« (anechou kai apechou) ist die große Devise. Wir müssen uns in den Willen der Gottheit schicken und nicht über das grollen, was naturgemäß ist. Unsere Pflichten gegen unsere Mitbürger und gegen den Staat werden wir erfüllen, wenn auch die ganze Welt unser Vaterland ist und wir alle Brüder, als Kinder Gottes, sind; allgemeine Menschenliebe, Wohltun gegenüber jedem ziemt dem Edlen.

Vgl. BONHÖFFER, E. u. die Stoa, 1890. – Die Ethik des Stoikers E., 1894. – SCHRANKA, D. Stoiker E., 1885.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 153-154.
Lizenz: