Holbach, Paul Heinrich Dietrich, Baron von

[276] Holbach, Paul Heinrich Dietrich, Baron von. geb. 1723 in Edesheim (Pfalz), in Paris erzogen, wo er mit d'Alembert, Diderot, Helvetius, Grimm u. a. verkehrte und wo seine Salons von den Freigeistern aller Art besucht wurden, gest. 1789.

H.s »Système de la nature«, die »Bibel des Materialismus«, ist das System des Materialismus (Mechanismus, Determinismus und Atheismus) des 18. Jahrhunderts. Es übte eine große Wirkung aus, vor allem in Frankreich, wo die Anschauungen dieses Systems nur die von vielen Kreisen gehegten zum Ausdruck: brachten. Holbachs Lehre ist vor allem ein System des Naturalismus. Die Einbildungen der Metaphysik sind ohne Wert, nur auf die Tatsachen der Natur, auf Erfahrung muß sich das Erkennen, die Philosophie stützen. Es gibt nichts Übernatürliches, alles geschieht natürlich, im Bereiche des Universums, in welchem ein streng geschlossener Kausalzusammenhang herrscht und strenge Gesetzlichkeit und Notwendigkeit, ohne Zweckursachen, aber auch ohne Zufall walten. Die Natur ist ungeschaffen, ewig, das System der Körper und ihrer Bewegungen. Sie ist »le grand tout qui résulte de l'assemblage des différentes matières, de leur différentes combinaisons, et des différents mouvements que nous voyons dans l'univers«. Unbekannte Kräfte gibt es nicht, nur Anziehung und Abstoßung der Atome, auf welchen Kräften die Verbindung und Trennung der Dinge beruht. Alles ist tätig, reagierend, absolute Ruhe gibt es nicht. In dem ewigen Werden entsteht aber nichts absolut Neues und ebenso wird nichts zu nichts. Attraktion und Repulsion treten im Anorganischen wie im Organischen, Geistigen, Sozialen auf, hier als Liebe und Haß, Sympathie und Antipathie. Das Streben nach Selbsterhaltung herrscht überall, sei es als Trägheit der Materie, sei es als Selbstliebe.

Das Leben ist ein Komplex von Bewegungen und auch die Seele ist ein »rein physisches Wesen«, identisch mit dem Gehirn, da eine immaterielle[276] Seelensubstanz eine reine Fiktion und Verdoppelung ist. Das Psychische, die Empfindung und das auf ihr beruhende Denken, ist nur eine Funktion des Gehirns, von dessen Entwicklung das psychische Wachstum und der psychische Verfall abhängig ist. Wie alles in der Welt ist auch der Wille des Menschen streng determiniert, unmittelbar durch die Motive bestimmt. »La volonté... est nécessairement déterminée par la qualité bonne ou mauvaise de l'objet ou du motif... Nous agissons nécessairement. Notre action est une suite de l'impulsion que nous avons reçue de ce motif« (Syst. de la nat. I. 11). Eine Verantwortlichkeit besteht gleichwohl; die Strafe kann die Motivation beeinflussen. Der Glaube an eine Unsterblichkeit ist reine Illusion, die freilich ihren Nutzen hatte. Es gibt nur ein Fortleben im Andenken der Menschheit. Auch der Glaube an einen übernatürlichen Gott ist eine Illusion, aber eine widerspruchsvolle und unnütze. Die Moral bedarf der Religion nicht als Stütze. Ihr Prinzip ist der Eudämonismus, der Gesichtspunkt der Verbindung des Eigeninteresses mit der Förderung des Wohles der anderen und der Gesamtheit.

SCHRIFTEN: Système de la nature ou des lois du monde physique et du monde morale, 1770, 1821 (Hauptwerk, unter dem Namen des Sekretärs der französischen Akademie Mirabeau – gest. 1760 – erschienen; deutsch 1783, 1841). – Le bon sens, 1772. – La politique naturelle, 1773. – Système social, 1772; deutsch 1898. – Eléments de la morale universelle, 1776. – L'éthocratie, 1776.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 276-277.
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