Melanchthon, Philipp

[464] Melanchthon, Philipp, geb. 1497 in Bretten (Pfalz), studierte in Heidelberg und Tübingen; seit 1518 Professor in Wittenberg, gest. 1560. Der berühmte »praeceptor Germaniae« verfaßte eine Reihe philosophischer Lehrbücher, die auf deutschen Schulen lange Zeit gebraucht wurden.

M. geht wesentlich auf Aristoteles zurück, dessen Lehren er aber im Sinne des Christentums sowie teilweise unter dem Einflusse Platos, Ciceros u. a. modifiziert. Die Offenbarung ist in jedem Falle die höchste Erkenntnisquelle, der oberste Maßstab der Wahrheitsbeurteilung. M.s Dialektik (Logik und Erkenntnislehre) will eine Kunst, des Lehrens (»ars et via docendi«) sein, die sich besonders mit der Definition, Einteilung und Argumentation befaßt. In der Kategorienlehre folgt M. dem Aristoteles. Betreffs der »Universalien« (Gattungsbegriffe) ist M. Nominalist; in Wirklichkeit gibt es nichts Allgemeines, nur Einzelnes, die Art oder Gattung ist nur ein allgemeiner Name. Es gibt nach M. angeborene Begriffe und Grundsätze (logischer, mathematischer, aber auch ethischer und religiöser Art). Die Prinzipien der Dinge sind Materie, Form und »Beraubung«, oder Gott, Materie und Ideen, welche letztere er mit den »Formen« identifiziert.

Die »Physik« des M. ist im wesentlichen aristotelisch. Nur bekämpft M. die Lehre von der Ewigkeit der Welt, auch glaubt er an ein Durchbrechen der Naturordnung durch Gott. Er hält an der geozentrischen Weltauffassung fest und bezeichnet die Kopernikanische Lehre als widersinnig und verdammenswert. Vom Einfluß der Gestirne auf den Menschen ist M. überzeugt. In seiner Psychologie definiert er die Seele als »Entelechie« (oder wie M., im Gengensatze zu Amerbach u. a. schreibt, »Endelechie«) des Organismus. Es gibt eine vegetative, sensitive und rationale Seele, welche letztere unsterblich ist. Der Wille ist frei. Die Ethik begründet M., soweit er sie nicht aristotelisch faßt, theologisch: Das Sittliche ist der göttliche Wille (»voluntas Dei semper volens recta«, »norma in mente divina«). Das natürliche Recht ist dem Menschen von Gott eingepflanzt, es ist in den zehn Geboten niedergelegt, ist unveränderlich. Von Gott ist auch die Staatsgewalt eingesetzt.

Den von Melanchthon ausgehenden Aristotelismus vertreten im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhundert viele deutsche Gelehrten und Lehrer, wie: J. Camerarius, J. Schegk, J. Sturm, D. Stahl, Chr. Scheibel, C. Martini, H. Conring, J. Thomasius u. a.

Schriften (außer Kommentaren): Compendiaria dialectices ratio, 1520 (neue Auflagen: 1527, 1529 u. ö.). – Loci theologici, 1522. – Commentarius de anima, 1540 (nebst: Liber de anima). – Ethicae doctrinae elementa, 1530. – Philosophiae moralis epitome, 1537. – Initia doctrinae physicae, 1549. – Declamationes, 1544 ff. – Opera, 1562-64, 1834 ff. (besonders Bd. XIII u. XVI). – Vgl. LUTHARDT, M.s Arbeiten im Gebiete der Moral, 1885. – H. MAIER, M. als Philosoph, Archiv f. Gesch. d. Philos. X – XI, 1897-98. – An der Grenze der Philos., 1909. – J. RUMP, M.s Psychologie, 1900. – KÖLTZSCH, M.s philos. Ethik, 1889.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Philosophen-Lexikon. Berlin 1912, S. 464.
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