Melanchthon

[145] Melanchthon, griech. = Schwarzerd, Philipp, der einflußreichste Gehilfe Luthers, diesem an Gelehrsamkeit und Scharfsinn weit überlegen, aber kein Mann der That sondern ein Stubengelehrter mit allen guten und schwachen Eigenschaften eines solchen, geb. 1497 am 16. Februar zu Bretten im Altbadischen, der Sohn eines aus Heidelberg gebürtigen Waffenschmiedes, durch seine Mutter mit dem berühmten Humanisten Reuchlin (s.d.) verwandt, studierte in Pforzheim, seit 1509 in Heidelberg, 1512 in Tübingen mit dem glänzendsten Erfolg, las erst 17jährig bereits als Magister an der Burs zu Tübingen über latein. und griech. Classiker und erwarb schnellen Ruhm durch Herausgabe einer griech. Grammatik (sie erlebte 28 Auflagen), von Classikern, Nauklers Chronik u.a.m. Als M. 1518 einem Rufe nach Wittenberg als Lehrer des Griechischen u. Hebräischen folgte, verhinderten Erasmus Beispiel u. Reuchlins Abmahnungen nicht, daß er von Luthern in die Bahn eines Reformators gerissen wurde. Er trat gegen den Doctor Eck auf, wurde dafür Baccalaureus der Theologie und mit einem Jahresgehalt von 100 fl. in die theologische Facultät eingereiht. Fortan war seine Feder der Reformation gewidmet, sein Geist und seine Kenntnisse machten ihn den Reformatoren unentbehrlich, aber sein Lebenlang brachte es M. in theolog. Angelegenheiten zu keiner beharrlichen Entschiedenheit. Nachdem er die Tochter des Bürgermeisters von Wittenberg geheirathet u. während Luthers Aufenthalt auf der Wartburg bedeutenden Mangel an Energie gezeigt hatte, lieferte er 1521 in den Loci communes theologici die erste protestant. Dogmatik, von der er 60 und später nicht unwesentlich abweichende Ausgaben besorgte, schrieb bibl. Commentare, einen »Kurzen Begriff der erneuten christl. leer« [145] für den Landgrafen Philipp v. Hessen, war als Kirchen- und Schulorganisator thätig und als solcher manchem z.B. dem Agricola viel zu päpstlich. Für den Augsburger Reichstag von 1530 arbeitete er die Augsburgische Confession (s.d.), dann die Apologie derselben aus, welch letztere vielfach als die gelehrteste und gründlichste aller protest. Bekenntnißschriften gilt. Weil M. meinte, seine Parteigenossen könnten sich zufrieden geben, wenn sie das Abendmahl unter beiderlei Gestalt sammt Aufhebung der Priesterehe erhielten, weil er bis 1537 an die Möglichkeit einer Wiedervereinigung der Protestanten mit der Kirche glaubte, ferner sich in den immer heftiger werdenden Zänkereien zwischen Lutheranern u. Reformirten für keine Partei fest entschied, gerieth er in viele Mißhelligkeiten. Gerne hätte er einer Einladung nach Frankreich u. später einer solchen nach England zu Heinrich VIII. Folge geleistet. allein der Kurfürst gab ihm keinen Urlaub. Seine vergeblichen Vermittlungsversuche, traurige Erfahrungen, die M. auf seinen Schul- und Kirchenvisitationsreisen machte, die Doppelehe des Landgrafen Philipp, bei der M. als Zeuge gegenwärtig war. die stets ärger werdenden Spannungen und Spaltungen unter den Protestanten, ihr Mißtrauen gegen ihn, welches der heftige Luther sowie der Kurfürst theilten, machten den M. verstimmt u. krank u. wiederholte Ausfälle gegen die Katholiken (Schmalkalderartikel 1637; Wormser Religionsgespräch; Diatribe über den Aberglauben der röm. Kirche gelegentlich der Kölner Reformation) halfen ihm um so weniger, weil er 1532 seinen Commentar über den Römerbrief dem Erzbischof Albrecht von Mainz gewidmet u. von diesem dafür ein Geschenk, vom Cardinal Sadolet Lobsprüche wegen seinen Verdiensten um die classischen Studien hingenommen hatte u. als Gönner des Lemnius (s.d.) bekannt war. M. hielt Luthern 1546 die Leichenrede, irrte alsdann in Folge des schmalkaldischen Krieges längere Zeit unstät umher, wurde das Haupt der Universität Wittenberg, brachte 1548 das Leipziger Interim zu Staude, erregte aber dadurch den adiaphoristischen Streit (s. Adiaphora), ärntet von Flacius und dessen Anhang, von Major, Osiander u.s.f. fortwährende Verunglimpfungen, mußte erleben, daß man 1554 zu Naumburg seine Rechtgläubigkeit untersuchte u. daß 1559 die Flacianer in Confutationsbuch M.s Ansichten förmlich verdammten. M. trat noch gegen die vom Herzog von Bayern erlassener Inquisitionsartikel auf u. st. 1560 am 19. April zu Wittenberg, wo in der Schloßkirche sein Grab neben Luther so wie sein von Lukas Kranach gemaltes Porträt sich befindet. Unbestreitbar sind M.s Verdienste um das Schulwesen die ihm den Beinamen, »praeceptor Germania« (Lehrer Deutschlands) eintrugen er machte das Studium des Griechischen in Norddeutschland einheimisch, erleichterte die classischen Studien durch Ausgaben von Schriftstellern, seine Lehrbücher der Dialectik, Rhetorik, Ethik, Poetik und Physik wirkten für ihre Zeit bahnbrechend. Neueste Ausgabe der Werke in Bretschneiders und Bindseils »Corpus reformatorum« (Halle und Braunschw. 1834 ff.). Schriften über M.s Leben und Wirken außer den wittenbergischen: von Camerarius (Lips. 1566), C. Ulenberg (1622), Corput (1662), Sonntag (1710), Reineccius (1730), J. C. Wolf (1735), Briegleb (1758), Tietze (1760) Crusius (1760), Strobel (1771, 1773) Tischer (1795), Hennig (1803), Cox (1815), Delbrück (1826), Facius (1832), Heyd (M. u. Tübingen, Tüb. 1839), endlich von C. Matthes (Altenburg 1841; 1848).

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 145-146.
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