Auswärtige Beziehungen. Nubien. Kämpfe in Syrien

[230] 265. Nach außen besteht die Machtstellung des Reichs noch unerschüttert. Bei den Sinaiminen kommt es unter Pepi I. wieder einmal zu einem Scharmützel mit den Menziu. Seefahrten nach Byblos wie nach Punt, die meist von einem Gotteskanzler geleitet wurden, sind offenbar ganz gewöhnlich gewesen; ein Beamter erwähnt, daß er »elfmal mit dem Gotteskanzler Chui nach Punt und mit dem Gotteskanzler [230] Zezi nach Byblos (Keben, § 229 A.) gezogen und glücklich heimgekehrt« sei. Unter Pepi II. kommt es vor, daß ein Beamter, der ein Seeschiff zur Fahrt nach Punt ausrüsten soll, mit seiner Mannschaft von den asiatischen Feinden, den 'Amu der Ḥeriuša' (§ 266), erschlagen wird; mithin sind damals diese Seefahrten von der Gegend des Isthmus von Suez ausgegangen. In Nubien hat Pepi I. die aegyptische Herrschaft bis etwa zum zweiten Katarakt hin ausgedehnt. Felsinschriften im Gebiet von Tomâs, an der ersten großen Biegung des Niltals (oberhalb von Korosko und 'Amâda), berichten von einer Expedition, die der König, der hier noch den Namen Nefersaḥor trägt, »zur Öffnung der Länder von Uauat« und speziell des eben hier gelegenen Landes Jerzet entsandt hat. Auch die Maẕoi (Bedja, § 165) sind jetzt unterworfen. Daß diese Stämme den Aegyptern ein sehr brauchbares Material für Armee und Polizei lieferten, wurde schon erwähnt (§ 254); bei den Kriegszügen Pepis I. nach Asien (§ 266) werden ihre Truppen aufgeboten, wie die Libyer. Als Merenre' in seinem ersten und fünften Jahr nach Elephantine kam, empfing er die Huldigung der Häuptlinge von Maẕoi, Jerzet und Uauat; für den Transport der Granitblöcke seiner Pyramide, die Una als Vorsteher des Südens bei Syene brechen läßt, liefern sie Holz für die Kähne. Weiteres erfahren wir aus den Grabschriften der Grafen der »Südspitze« (Tepris) Aegyptens in Elephantine. Als Vermittler der Beziehungen zu den Negerländern und Leiter der Expeditionen nennen sie sich »Vorsteher aller Barbarenlande der Südspitze, die die Produkte aller Barbarenlande ihrem Herrn bringen«, und »die den Schrecken des Horus (d.h. des Königs) in die Barbarenlande tragen«. Unter Merenrê' ist Ḥerchuf von Elephantine dreimal nach Süden gezogen, bis zu dem (schon unter Pepi I. Heeresfolge leistenden) fernen Lande Amam, das erste Mal mit seinem Vater Ari, die beiden folgenden Male allein. Jedesmal kehrte er nach sieben oder acht Monaten mit reichem Gewinn an Landesprodukten heim; die Negerhäuptlinge, deren Gebiet er durchzog, [231] huldigten dem Pharao. Als er auf dem dritten Zug in Amam ankam, war der Häuptling gerade zu einem Krieg gegen das Libyerland (Zemeḥ, § 165) »an der westlichen Ecke des Himmels« ausgezogen; er zog ihm nach und erhielt von ihm Weihrauch, Ebenholz, Elfenbein und andere seltene Produkte. Danach ist Amam etwa in der Gegend des zweiten Katarakts, die Libyer in einer Oase im Westen, etwa Selîme, zu suchen. Im zweiten Jahre Pepis II. brachte Ḥerchuf aus Amam einen tanzenden Zwerg (oder anthropoiden Affen? ṭeneg; vgl. § 254) mit, zur großen Freude des königlichen Knaben. Andere Inschriften aus Elephantine unter Pepi II. berichten von Kämpfen, wie sie in diesen Gebieten immer wieder vorkommen; so ist Pepinacht zweimal entsandt worden, um die Negerländer Uauat und Jerzet zu verwüsten und hat zahlreiche Gefangene und Vieh fortgeschleppt; und Mechu hat in Uauat seinen Tod gefunden und seine Leiche mußte von seinem Sohne Sabni mit Truppenmacht in die Heimat geholt werden.


Fahrt der Kanzler nach Byblos und Punt: SETHE, Urk. des Alten Reichs no. 29, die Lesung berichtigt von SETHE, ÄZ. 45, 10. – Inschriften von Elephantine (vgl. § 263 A.): SETHE, Urk. des A. R. S. 120ff., dazu SCHIAPARELLI, Mem. della reale Ac. dei Lincei, 1892, ser. 4 a, Vol. X und ERMAN, ÄZ. 30, 78ff. 31, 65. ZDMG. 46, 574ff. Die anderen Texte bei SETHE S. 110f. 134 Zl. 10ff. 140f. BREASTED, Anc. Rec. I 325ff. Ferner zahlreiche Namen an den Felswänden von Tomâs: WEIGALL, Ant. of Lower Nubia pl. 56 und 58, darunter die Inschriften Nefersaḥors. MASPERO, Rec. 15, 103 und H. SCHÄFER bemerken gegen ERMAN mit Recht, daß die aegyptische Machtsphaere unter dem Alten Reich sich unmöglich weiter erstreckt haben kann als im Mittleren und Neuen Reich.


266. In Asien ist es unter Pepi I. zu einem größeren Kriege gekommen, von dem wir genauere Kunde haben, weil der Vorsteher des Südens Una in seiner Grabschrift über ihn berichtet. Die Feinde werden zu den 'Amu, d.h. zu den Semiten Asiens (§ 167) gerechnet, und als Ḥeriuša' »die auf dem Sande Wohnenden« bezeichnet; es sind also semitische Wüstenstämme, die indessen in das Kulturland Palaestinas[232] eingebrochen sein müssen und von hier aus weiter gegen Aegypten vordringen. Mithin scheint es sich um größere Bewegungen in Syrien zu handeln, ähnlich dem Andringen der Beduinen (darunter der Hebraeer) im fünfzehnten und vierzehnten Jahrhundert; man darf vermuten, daß diese Kämpfe mit dem Vordringen der Amoriter in Syrien in Zusammenhang gestanden haben. Pepi I. sendet gegen sie das Gesamtaufgebot Aegyptens, einschließlich der Kontingente der Neger von Jerzet, Jam, Maẕa, Uauat, Kau und der Libyer des Landes der Zemḥu, unter Führung »der Grafen, der Kanzler, der vertrauten Freunde des Palastes, der Nomarchen des Südens und des Nordlandes, der Oberpriester des Südens und des Nordlandes«; die Leitung wurde Una anvertraut. Im Süden des Delta, in den Festungsanlagen des Imḥotep und Snofru (§§ 230. 232 A.), versammelte sich die Armee; in fünf Feldzügen wurde das Land der Ḥeriuša' verwüstet, »das Ackerland aufgehackt, die Kastelle zerstört, die Feigenbäume und Weinstöcke abgeschnitten, die Gehöfte niedergebrannt, viele Zehntausende erschlagen, zahlreiche Gefangene heimgebracht«. Man sieht, es ist ein langjähriger Krieg, der sich keineswegs gegen Beduinenscharen, sondern gegen das Kulturland Palaestinas richtet. Schließlich unternahm Una einen Seezug, um die Feinde im Rücken zu packen; er landete bei der »Gazellennase«-d.i. vermutlich der Karmel –, zog ins Gebirgsland im Norden des Landes der Ḥeriuša', und brachte ihnen eine schwere Niederlage bei. – Ob diese Feldzüge eine wirkliche Unterwerfung Palaestinas zur Folge gehabt haben, wissen wir nicht. Jedenfalls ist es in der Folgezeit zu neuen Kämpfen gekommen; wir haben schon gesehen, daß die Ḥeriuša' unter Pepi II. eine Expedition nach Punt überfallen und vernichtet haben (§ 265). Dafür wurden sie von Pepinacht von Elephantine gezüchtigt, der die Leiche des erschlagenen Führers nach Aegypten heimbrachte.


Unsere Quelle ist die Inschrift des Una (§ 264 A.). – Ich bemerke, daß von den Darstellungen von Ausländern auf zwei Bruchstücken in [233] Kairo, welche W. M. MÜLLER, Egyptological researches I p. 5-11 in die 5. Dynastie setzt, die erste dem Neuen Reich, die zweite der Spätzeit angehört.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 81965, Bd. 1/2, S. 230-234.
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