Blutrache

[79] Blutrache. Sie entwickelt sich aus dem Begriffe der altgermanischen Familie, aus dem Gefühl, dass die Gemeinschaft des Blutes auch zur innigsten Gemeinschaft des Beistandes, des Schutzes und der Familienehre verpflichte. Verpflichtet zur Rache, besonders für ungerechten Totschlag, war zunächst der Hausvater, dann alle waffenfähigen Blutsfreunde, also Weiber, Kinder und Greise nicht. Die Blutrache war rechtlich anerkannt, Tacitus Germania, 21. Mit dem Frieden suchte man die Blutrache in Einklang zu bringen, einmal dadurch, dass man den Blutsfreunden des Erschlagenen das Recht gab, statt der Befehdung eine bestimmte Busse, das Wergeld, zu fordern und dasselbe unter sich zu teilen, und zweitens dadurch, dass man die Blutsfreunde des Thäters nötigte, zu dem geforderten Wergeld beizutragen, oder wenn derselbe ohne Vermögen war, es ganz zu zahlen. Mit der Ausbildung geordneter Rechtszustände nach der Völkerwanderung trat das ordentliche Gerichtsverfahren an die Stelle der Blutrache, ohne dass diese ganz ausstarb. Sie bildet das Hauptmotiv der zweiten Hälfte des Nibelungenliedes, kommt im 13. und 14. Jahrh. als Faust- und Fehderecht neuerdings in allgemeinen Gebrauch und ist als eigentliche Blutrache in einzelnen Fällen bis über die Reformation hinaus in Anwendung gekommen. Frauenstädt, Blutrache und Totschlagsühne im deutschen Mittelalter, Leipzig 1881.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 79.
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