Brücken

[85] Brücken. Die bei den Römern zu einer hohen Ausbildung gelangte Kunst des Brückenbaues geriet im Mittelalter, Spanien und Süditalien ausgenommen (wo teils Christen und Mauren, teils Goten, Normannen und Sarazenen den Spitzbogen in kühnster Konstruktion zu Brücken und Aquaedukten anwendeten), bald in Verfall. Man bediente sich im Allgemeinen der Furten, daher die zahlreichen Ortsnamen Furt, Furth, Fürth, Erfurt ahd. Erpesfurt, Frankfurt ahd. Francônô furt, Ochsenfurt ahd Ohsônô furt, Schweinfurt ahd. Sûinô furt, Breitenfurt ahd. Preitenfurte, Steinfurt, Dietfurt, oder der Fähren. Während des 12. bis 13. Jahrh. wurden die Brücken meist im Halbkreisbogen gewölbt und erhielten wegen der Unerfahrenheit im Gründen möglichst wenige Pfeiler oder möglichst weite Öffnungen und kurze dicke Pfeiler, wie die 1135 begonnene Brücke über die Donau bei Regensburg mit 15 Halbkreisbogen von 10–16 m Spannweite; die 1176–1209 errichtete Brücke über die Themse in London mit 9 grossen Spitzbogen, die 1117–1187 erbaute Brücke über die Rhone bei Avignon, die 1179–1260 hergestellte Brücke über die Elbe bei Dresden und die ums Jahr 1358 von Karl IV. erbaute Brücke über die Moldau in Prag.

Holzbrücken des Mittelalters waren nicht überdacht. Die Grabenbrücken der Burgen bestanden meistens aus Steinbogen mit Ausnahme eines Fachs, welches durch eine Zugbrücke überdeckt war, die sich beim Aufziehen an den Brückenturm anlegte. Auch die grösseren, besonders städtischen Brücken waren durch Brückentürme oder Brückenthore verteidigt. Auch erbaute man wohl Brückenhäuschen für Wächter, Hospize für Reisende und Brückenkapellen auf den Pfeilerausbauten; siehe den folgenden Artikel. Auch Kaufläden und sogar Wohnhäuser wurden im spätern Mittelalter auf Brücken gestellt.

Brücken mit flacheren Bogen entstanden erst im 16. Jahrh.; dahin gehören die 1588–1591 erbaute Rialtobrücke zu Venedig und die 1596 bis 1598 erstellte Fleischbrücke in Nürnberg. Zu derselben Zeit blieben die Holzkonstruktionen im Vergleich zu den Holzbrücken der Römer noch sehr unvollkommen. Erst als man in Frankreich durch Gründung des Ingenieurkorps im Jahre 1720 Gelegenheit zur Bildung von Fachmännern für Strassen- und Brückenbau gab, machte der Brückenbau bedeutende Fortschritte. Unter die bedeutendsten Bauten dieser Zeit[85] gehört die 1751–1760 erbaute Brücke über die Loire bei Orleans. Unter den hölzernen Bauten zeichneten sich jetzt die oft sehr kühnen, meist bedachten Sprengwerkbrücken der Schweiz aus, darunter die 1757 erbaute Rheinbrücke bei Schaffhausen. Mothes, Bau-Lexikon, I, 492 ff. – Müller und Mothes, Arch. Wörterb. Art. Brücke. Vgl. Gengler, Deutsche Stadtrechts-Altertümer. Kap. XI. Erlangen 1882.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 85-86.
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