Querverstrebungen eiserner Brücken

[331] Querverstrebungen eiserner Brücken, die in lotrechten oder geneigten Ebenen angebrachten Verbindungen der Tragwände (Hauptträger) eines Brückenüberbaues, welche im Zusammenhange mit dem Horizontalverbande oder der Windverstrebung den Querverband des Brückenüberbaues bilden.

Letzterer hat den Zweck, die in wagerechter, zur Brückenachse senkrechter Richtung angreifenden äußeren Kräfte aufzunehmen und einer mit Schiefstellung der Tragwände verbundenen Verzerrung des Brückenquerschnittes entgegenzuwirken. Angreifende Kräfte sind: der Winddruck auf den Brückenüberbau und auf die Fahrzeuge, ferner bei Eisenbahnbrücken die Seitendrücke der Lokomotiven und Wagen und bei in der Krümmung gelegenem Gleise die Zentrifugalkraft.

Die Verstrebung in den Querebenen des Brückenüberbaues wird entweder durch gekreuzte Streben (Andreaskreuze) oder durch Ausbildung steifer Querrahmen erzielt. Die Anordnung richtet sich hauptsächlich nach der Lage der Fahrbahn zu den Hauptträgern, insoferne nämlich der lichte Durchfahrtsraum im Querprofile von der Verstrebung frei zu halten ist.

Bei oben über den Hauptträgern liegender Fahrbahn können in der ganzen Höhe der Tragwände Querverstrebungen angebracht werden. Gewöhnlich sind hier auch zwei Windverbände, die in den Flächen der Hauptträgergurtungen liegen, vorhanden. Der Ueberbau bildet aber dann ein vielfach statisch unbestimmtes räumliches System, und es wird die Lastverteilung auf die beiden Windverbände durch die Querverstrebung beeinflußt. Dies wird vermieden, wenn entweder bloß ein Windverband, zweckmäßig der obere, unmittelbar unter der Fahrbahn gelegene, angeordnet wird, welcher durch Vermittlung der Querversteifungen sämtliche auf den Brückenüberbau einwirkende wagerechte Kräfte aufzunehmen hat, oder wenn bei Anordnung zweier Windverbände die Querverstrebungen weggelassen und nur auf kräftige Queraussteifungen über den Trägerauflagern beschränkt werden, welchen die Aufgabe zufällt, den Stützendruck der oberen Windverstrebung auf die Auflagerpunkte zu übertragen. Die Formen, welche die Querverstrebungen bei obenliegender Fahrbahn je nach der Höhe und dem Abstande der Hauptträger erhalten, sind in den Linienskizzen Fig. 1 a–f dargestellt.

Bei unten zwischen den Hauptträgern liegender Fahrbahn wird bei ausreichender Tragwandhöhe immer ein oberer und unterer, in den Flächen der Hauptträgergurtungen liegender [331] Windverband gegeben. Man erhält dadurch eine im Querschnitt geschlossene Brücke (Fig. 2 a–d). Bei Anordnung steifer Pfosten oder Querriegel im Windverbände und biegungssteifer rahmenförmiger Portale über den Trägerstützen wird eine ausreichende Querabsteifung gesichert und zugleich statische Bestimmtheit in der Kräfteverteilung auf beide Windverbände sowie Vermeidung von Biegungsspannungen in den Wandgliedern der Hauptträger erzielt, wenn die Riegel des oberen Verbandes und desgleichen auch die Querträger gelenkig an die Hauptträger angeschlossen werden. Gewöhnlich wird aber ein fester Nietanschluß durchgeführt und es werden die oberen Querriegel sogar noch gegen die Hauptträger durch Eckabsteifungen abgedreht oder durch bogenförmigen Anschluß mit den Wandstäben der Hauptträger zu Steifrahmen verbunden. Bei großer Trägerhöhe legt man unter die Riegel auch noch einfache oder mehrfache Kreuzverstrebungen (Andreaskreuze), welche bis zu der durch das lichte Durchfahrtsprofil bestimmten Höhe herabgeführt werden. Solche kräftige Querverstrebungen wirken zwar günstig für die seitliche Steifigkeit des ganzen Ueberbaues und der Druckglieder der Hauptträger, sie verursachen aber für den Beschauer ein störendes Liniengewirr und haben statische Unbestimmtheiten im Gefolge. – Kann bei Trägern mit polygonalen Gurten der obere Windverband wegen Freihaltung der lichten Durchfahrtshöhe nicht bis aus Trägerende geführt werden, so ist derselbe an seiner Endigung durch steife Querrahmen an den unteren Horizontalverband anzuschließen (Fig. 3). Sonst wird man bei größerer Trägerhöhe den oberen Verband nur bei solchen Tragwerkskonstruktionen weglassen, deren in den Obergurtknoten zusammentreffende Stäbe ausschließich oder vorwiegend auf Zug beansprucht sind, wie dies bei Hängeträgern oder dreigurtigen Auslegerträgern der Fall ist.

Kann bei einer Balkenbrücke mit untenliegender Fahrbahn mangels genügender Höhe der Tragwände kein oberer Querverband angebracht werden, so entsteht eine sogenannte offene oder Trogbrücke (Fig. 4). Die Seitensteifigkeit des Brückenüberbaues ist in diesem Falle durch steife Querrahmen in Verbindung mit einem unter der Fahrbahn angebrachten horizontalen Strebenverbande zu sichern. Die Querrahmen sind oben offene Rahmen, die aus den Ständern oder Streben der Hauptträger und den damit festverbundenen Querträgern bestehen. In einigen Beispielen hat man die Querträger durch besondere steife Querpfosten ersetzt und erstere dann beweglich gelagert, um auf die Rahmen keine Formänderungen durch die lotrechte Belastung zu übertragen [3]. Die Querrahmen werden von dem auf die überragenden Teile der Hauptträger wirkenden Winddrucke beansprucht, und sie haben ferner die Aufgabe, diese Teile, falls sie Druckkräfte aufzunehmen haben (bei Balkenträgern, überhöhten Bogenträgern), gegen seitliches Ausknicken zu sichern. Je Schwächer die Querrahmen sind, desto stärker müssen die Hauptträgergurte ausgeführt werden und umgekehrt. Eine genaue Berechnung ist aber nur unter gewissen vereinfachenden Voraussetzungen möglich.

So kann man zunächst unter Annahme von an den Querrahmen durch Kugelgelenke verbundenen Gurtstäben, die polygonal um δr + 1δrδr + 1 ... ausknicken (Fig. 5), und mit Außerachtlassung des Einflusses der Wandglieder für jeden Knotenpunkt die Gleichgewichtsgleichung aufstellen


Querverstrebungen eiserner Brücken

worin Or und Or + 1 die wagerechten Komponenten der Gurtstabkräfte im r und (r + 1)ten Fache, a die Fachweite und W die Widerstandskraft des um δr ausgebogenen Querrahmens bezeichnet. Letztere ist dieser Ausbiegung δr und einer Größe A proportional, welche jene Kraft darstellt, die eine Ausbiegung δ = 1 hervorrufen würde. Setzt man bei symmetrischer Anordnung für die Trägermitte Or = Or + 1 = O und δr –1 = – δr, so erhält man für die erforderliche Steifigkeit des mittleren Querrahmens mit Rücksicht auf eine n fache Sicherheit

A = n · 4O : a.

1.


Werden durchlaufende Hauptträgergurtungen von unendlich großem Trägheitsmomente vorausgesetzt, welche nicht knicken, sondern sich nur in ihrer ganzen Länge verdrehen können, so findet man für die erforderliche größte Quersteifigkeit eines Rahmens bei n facher Sicherheit

A = n · 8O a : l2

2.


[332] unter l die Spannweite der Hauptträger verstanden. Dem wirklich vorkommenden Falle, wo die Hauptträgergurte ein endliches Trägheitsmoment J (in horizontaler Richtung) besitzen, wird ein zwischen 1. und 2. liegendes Resultat entsprechen; es ist aber für denselben nur eine angenäherte Behandlung möglich, und Engesser [2] berechnet die erforderliche Rahmensteifigkeit unter Annahme stetig verteilter Rahmenreaktionen mit

A = n2 O2 a : 4E J.

3.


Die Größe A ist von den Rahmenmaßen abhängig. Bei konstantem Trägheitsmomente J1 bezw. J2 von Ständer und Querträger, ferner bei der Hauptträgerentfernung b und der freien Höhe h der Ständer ist


Querverstrebungen eiserner Brücken

hieraus folgt das erforderliche Trägheitsmoment des Ständers


Querverstrebungen eiserner Brücken

Der untere Grenzwert der Ständersteifigkeit wird hiernach für J2 = ∞ ... J1 = Ah3/3E, jener der Querträgersteifigkeit für J1 = ∞ ... J2 = Abh2/2E. Für A ist hierin der Ausdruck 3. oder ein Mittelwert zwischen 1. und 2. einzusetzen. Haben die Ständer des Hauptträgers auch eine Druckkraft V aufzunehmen, so kann in die obigen Formeln anstatt J1 gesetzt werden J'1 = J1n V H2/2 E) worin H die freie Knicklänge der Ständer bezeichnet.


Literatur: [1] Winkler, E., Vorträge über Brückenbau, IV, 4. Querkonstruktionen der eisernen Brücken, Wien 1882. – [2] Engesser, Die Zusatzkräfte und Nebenspannungen eiserner Fachwerkbrücken (II, S. 141 ff.), Berlin 1892. – [3] Kipperbrücke der sächs. Schmalspurbahn, Zivilingenieur 1886, S. 62. – [4] Häseler, E., Der Brückenbau, I, 4. Lieferung, 2. Hälfte, Braunschweig 1903.

Melan.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5.
Fig. 3., Fig. 4., Fig. 5.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 331-333.
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Faksimiles:
331 | 332 | 333
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