Fruchtbringende Gesellschaft oder Palmenorden

[245] Fruchtbringende Gesellschaft oder Palmenorden heisst die litterarische Gesellschaft, die bei Anlass eines fürstlichen Leichenbegängnisses im Jahr 1617 zu Weimar gestiftet wurde. Sie wurde nach dem Rate des vielgereisten geheimen Rates und Hofmarschalls Kaspar von Teutleben in Nachahmung italienischer Akademien errichtet, dessen Vorschlag dahin ging, »auch in Deutschland eine solche Gesellschaft zu erwecken, darin man gut rein Teutsch zu reden, zu schreiben sich befleissige und dasjenige thäte, was zur Erhebung der Muttersprache dienlich wäre.« Die Gesellschaft nannte sich die fruchtbringende, weil jedes Mitglied »überall Frucht zu schaffen geflissen sein sollte«. Ihre Devise war: »Alles zu Nutzen.« Jedes Mitglied hatte ausser seinem beziehungsreichen Namen sich auch eine emblematische Blume, eine Frucht, einen Baum oder ein Kraut zu wählen, das an den Wahlspruch »Alles zu Nutzen« erinnerte. Die Mitglieder der Gesellschaft sollten sich, »wes Standes oder welcher Religion sie auch wären, ehrbar, verständig und weise, tugendhaft und höflich, nützlich und ergötzlich, leutselig und mässig überall erweisen, rühmlich und ehrlich handeln, bei Zusammenkünften sich gütig, fröhlich und vertraulich, in Worten, Gebärden und Werken treulich erweisen, keiner dem andern ein widrig Wort übel aufnehmen, auch sich aller unziemenden Reden und groben Scherze enthalten.« »Dann aber sollte den Gesellschaftern vor allen Dingen obliegen, unsere hochgeehrte Muttersprache in ihrem gründlichen Wesen und rechten Verstande, ohne Einmischung fremder, ausländischer Flickwörter, sowohl im Reden, Schreiben, Gedichten aufs allerzierlichste und deutlichste zu erhalten und auszuüben, auch möglichst[245] zu verhüten, dass diesem in keinem Falle möge zuwider gehandelt, vielmehr gehorsamlich nachgelebt werden«. Die Gründer der Gesellschaft waren ausser Teutleben: der Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen und sein Sohn Ludwig der Jüngere; die Herzöge Johann Ernst, Friedrich und Wilhelm von Weimar und zwei anhaltische Edelleute Christoph und Bernhard von Krosigk. Die Ziele der Gesellschaft waren offenbar durchaus würdige; doch war sie vornehmlich eine Gesellschaft des Adels und war, wie die Bildung der Zeit überhaupt, mit Einseitigkeit schöner und löblicher Form zugethan; auch war wirklich die hässliche Sprachmengerei, welcher die Gesellschaft entgegentrat, am meisten in den vornehmen Kreisen zuhause. Daher stiftete auch eine Anna, Gräfin von Bentheim, noch in demselben Jahre 1617 zu Amberg in der Oberpfalz eine Académie des Loyales oder l'Ordre de la Palme d'or, bestimmt, die französiche Bildung unter den Frauen ihres Hauses zu verbreiten. Die Mitglieder der Fruchtbringenden Gesellschaft bemühten sich besonders, französische und italienische Gedichte ins Deutsche zu übersetzen und Ringelrennen und dergleichen Hoffeste mit ihren deutschen Produktionen zu zieren. Ein besonders fleissiger Dichter war in dieser Beziehung der im Jahr 1620 dem Orden beigetretene Dietrich von dem Werder, der Ariosts Rasenden Roland übersetzte. Als das zweihunderste Mitglied wurde Opitz unter dem Namen des »Gekrönten« und mit dem Emblem eines breitblätterigen Lorbeerbaumes aufgenommen. Nachdem im Jahr 1650 erfolgten Tode des Herzogs Ludwig von Anhalt-Köthen, der 30 Jahre lang die Seele der Gesellschaft gewesen war und es mit ihren Absichten wirklich ernst meinte, kam die Leitung der Gesellschaft nach Weimar, wo Herzog Wilhelm das neue Oberhaupt der Gesellschaft wurde; denn das Oberhaupt musste nach den Ordensgesetzen ein Fürst sein. Er starb 1662; sein Nachfolger wurde erst 1667 Herzog August von Sachsen; nach dessen im Jahr 1680 erfolgten Tode wurde kein Oberhaupt mehr gewählt. Döring in Ersch und Gruber. Barthold, Fruchtbringende Gesellschaft.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 245-246.
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