Ascese

[280] Ascese bezeichnete bei den alten Griechen die Vorübung der Athleten oder Kämpfer zu den öffentlichen Wettkämpfen; diese bestand in der Abhärtung und Kräftigung des Körpers, in einer strengen Diät, besonders auch in der Enthaltung von Beischlaf und Wein. Da das Leben des Christen schon von Paulus als ein beständiger Kampf bezeichnet wird, so wurde der Name Ascese frühe auf das sittliche Gebiet übergetragen und er bezeichnet im Allgemeinen die Uebung alles desjenigen, was das Ringen nach Selbstvervollkommnung fördert, namentlich die Selbstbeherrschung, Selbstverleugnung und Selbstabtödtung. Insofern ist die A. Pflicht eines jeden Christen, und darum hat die Kirche Fasten- und Abstinenzgebote gegeben, damit der Gläubige an dieses Mittel der Selbstvervollkommnung erinnert werde. In engerer Bedeutung bezeichnet das Wort A. einen höhern Grad der Selbstbeherrschung, Selbstverleugnung und Selbstabtödtung, nämlich in der Ehelosigkeit, der Entsagung aller sinnlichen Vergnügungen, in der Beschränkung von Speise und Trank auf das allernothwendigste. Solche Christen hießen Asceten, und aus ihnen gingen die Anachoreten, Eremiten und Mönche hervor. Die Lehre von der A. heißt Ascetik. In der Lehre der Reformatoren hat die A. keinen Platz, da nach ihnen der Mensch zu seiner Vervollkommnung selbst gar nichts thun kann; damit steht freilich im Widerspruche,[280] daß bei jeder sittlichen Erziehung, gehe sie aus, von wem sie wolle, betreffe sie einzelne oder mehrere, Kinder oder Erwachsene, die A. wenigstens als Gebot der Enthaltsamkeit oder als Verbot des Genusses von diesem oder jenem Gegenstande des sinnlichen Begehrens in Anwendung gebracht wird.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 1, S. 280-281.
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