Gemüth

[46] Gemüth, ein Wort von schwankender Bedeutung, bezeichnet im weitesten Sinne den Grundton, der das Fühlen, Denken und Wollen des individuellen Menschen durchklingt, das Herz, im engern Sinne die vorherrschende Richtung des Wollens u. Strebens auf das Zukünftige, Ideelle, Jenseitige, den vernünftig gewordenen Willen im höhern Sinne; im engsten die Gutmüthigkeit und Weichheit des Characters, die Gemüthlichkeit, die sich mit einem lebhaften Temperamente so gut als mit geistiger Beschränktheit vertragen kann. G. im engern Sinne ist kein hervorstechender Charakterzug der Franzosen, deßhalb haben sie auch kein Wort dafür, G. im weitesten Sinne hat dagegen jeder Mensch; im engern und engsten Sinne findet sich G.losigkeit verhältnißmäßig am seltensten bei den Völkern german. Stammes. – G.sart, der Charakter des G.s; G.sbewegung, die erhöhte Gefühlsbewegung, besonders der mühsam beherrschte Affect; G.skrankheit, Geisteskrankheit, besonders Hypochondrie u. Melancholie; G.sruhe, der Mangel an innerer Erregung u. Bewegung, die Leidenschaftslosigkeit. – G.lich nennt man auch den Zustand der innern Harmonie des Menschen, seine stille Heiterkeit.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 46.
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