Paulus [1]

[477] Paulus, der Apostel, eigentlich Saulus, der Sohn eines zu Tarsus in Cilicien ansäßigen Pharisäers und röm. Bürgers, wurde in Jerusalem erzogen, selber ein Pharisäer und Zeltmacher. Welch ein feuriger energischer Charakter ihm eigen war, geht aus seiner Selbstschilderung (Galat. 1, 14), aus seinem Benehmen bei der Steinigung des Stephanus u. gegen die Christen überhaupt, später aus seinem ganzen apostolischen Wirken hervor. Seine bekannte wunderbare Bekehrung auf dem Wege nach Damascus fällt in die J. 33–42 n. Chr. und wird noch heute am 25. Jan. kirchlich gefeiert. Nachdem er sich in Arabien einige Zeit für seine neue Mission innerlich vorbereitet hatte, begann seine Thätigkeit als Prediger, wandernder Missionär, Stifter christlicher Gemeinden, seine zahlreichen Verfolgungen und oft wunderbaren Rettungen, von welch allem die Apostelgeschichte und seine eigenen Briefe das beredteste Zeugniß ablegen. In Jerusalem von den Christen anfangs mit Mißtrauen aufgenommen, wurde er mit Petrus u. Jakobus bekannt, mit Barnabas und Marcus unternahm er seine I. große Missionsreise für Heidenbekehrung. Von Antiochia, der syrischen Hauptstadt aus, zog er nach Seleucia, Paphos auf Cypern, Perge, wo Marcus von ihm schied, Antiochia in Pisidien, Ikonium, Lystra und kehrte über Derbe nach Antiochia in Syrien zurück. Der Beschneidungsstreit führte ihn nach Jerusalem (Apg. 15, 1 ff.; Galat. 2, 1 ff.), wo er auf dem Apostelconcil weitere großartigere Reiseplane entwickelte. Die II. Missionsreise führte ihn nach Europa (Philippi, Thessalonich, Athen); wohl 11/2 I. brachte er bei Aquila und Priscilla in Korinth zu u. hier schrieb er die 2 Briefe an die Thessalonicher, deren Aechtheit erst in neuester Zeit und mit schwachen Gründen von Baur angefochten wurde. Von seinen hartnäckigsten Feinden, den Juden, aus Korinth vertrieben, lebte P. 2–3 Jahre in Ephesus, wo er Gelegenheit genug hatte, Leuten aus den verschiedensten Ländern zu predigen, unterbrach den Aufenthalt nur durch große Visitationsreisen (einer derselben verdankt der I. Brief an Timotheus seine Entstehung, indem er den Timotheus während seiner Abwesenheit zum Stellvertreter erkor) und verfaßte in Ephesus das von gerechtem Zorn durchglühte Sendschreiben an die Galater, einen verlorenen Brief an die Korinther, alsdann den vorhandenen I. Korintherbrief sowie den Brief an Titus. Der Aufstand des Silberschmiedes Demetrius trieb den P. aus Ephesus. Bald nach dem Beginn der III. Missionsreise schrieb er wohl in Macedonien den II. Korintherbrief, ein Vertheidigungsschreiben, weil seine Strenge Anstoß gefunden hatte, der schönste und hinsichtlich seiner Aechtheit niemals bestrittene Brief des Apostels. Von Macedonien wendete sich P. nach Illyricum, von da wieder nach Korinth, wie aus dem Römerbrief (16, 1. 23.) hervorgeht. Nach 3 Monaten verließ P. Griechenland und zog über Troas, Milet und Cäsarea nach Jerusalem, obwohl ihn der Prophet Agabus, der die Vorurtheile der Judenchristen und die Wuth der Juden gegen P. kannte, gewarnt hatte. Um der Judenchristen willen begab sich P. in den Tempel zu Jerusalem, ein Pöbelaufstand im Tempel aber machte ihn zum Gefangenen. In ziemlich leichter Hast lebte er 2 Jahre zu Cäsarea, erlitt auf der Fahrt nach Rom Schiffbruch bei Malta und kam nach Rom, wo er als Gefangener große Missionsthätigkeit entwickelte u. die Briefe an die Epheser, Kolosser, Philipper, sowie den an Philemon schrieb. Höchst wahrscheinlich wurde P. kurz vor dem Ausbruch der neronischen Christenverfolgung frei, predigte in Spanien, wurde durch die Kunde von der ausgebrochenen Verfolgung bewogen, nach Kleinasien u. dann über Korinth zurück nach [477] Rom zu reisen, wo er abermals festgenommen wurde. In diese Zeit fällt die Abfassung des II. Briefes an Timotheus sowie des Hebräerbriefes, welch letzteren er wahrscheinlich von einem Freunde niederschreiben ließ. Daß P. am Wege nach Ostia enthauptet wurde, meldet einstimmige Ueberlieferung; ob dies 64 od. 65, 67 oder 68 n. Chr. geschah, ist noch nicht entschieden. Gedächtnißtag 29. Juni, zugleich der des Apostels Petrus.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 477-478.
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