Phänomen

[432] Phänomen, Phänomenon (gr. phainomenon, Erscheinung), heißt ein Objekt oder ein Vorgang, dessen wir uns durch die Sinne bewußt werden. So spricht man von physikalischen, chemischen und psychologischen Phänomenen. Das Phänomen ist also nicht die Sache an sich selbst, sondern die Sache, wie sie uns in den Formen unseres Bewußtseins, von den Sinnen[432] bestimmt, erscheint. Kant definiert die Phänomena als Gegenstände der Sinne, sofern sie nach der Einheit der Kategorien gedacht werden (Kr. d. r. V., S. 248). Metaphysisch steht das Phänomenon im Gegensatz zu dem Nooumenon (s. d.), dem Gedanken- oder Verstandesdinge. – Phänomenologie heißt, 1. die Lehre von den Erscheinungen, also auch von der Wahrnehmung; 2. die Darstellung von verschiedenen Entwicklungsstufen unseres Bewußtseins. So stellt Hegel (1770-1831) in seiner, »Phänomenologie des Geistes« den Geist in seiner Erscheinung als Bewußtsein und die Notwendigkeit seiner Entwicklung bis zum absoluten Standpunkt dar; 3. die Darstellung einer Entwicklung überhaupt. So hat v. Hartmann eine »Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins« geschrieben und darin alle überhaupt möglichen Moralprinzipien behandelt; Scheidler u. a. nannten den speziellen Teil der Psychologie Phänomenologie der Seele.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 432-433.
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