Pulmo Marinus

[923] Pulmo Marinus.

Pulmo marinus, frantzösisch, Poulmon marin, teutsch, Seelunge, ist ein leichtes, schwammiges Wesen, welches eine Gestalt hat, wie eine Lunge. Die Naturerforscher haben es unter die Zoophyta und Thiergewächse gerechnet, gleich als ob es dererselben einige gäbe. Das aber hat Anlaß gegeben zu glauben, die Seelunge sey belebet, dieweil man siehet, daß sie sich im Meer beweget, gleichwie ander Gewürme mehr.

Allein, es wird diese Bewegung nur von dem Wasser verursachet; welches, wann es in die Löchlein dieser schwammigen Materie getreten ist, mit aller Macht suchet wiederum heraus zu kommen, blähet dessentwegen die Theile nach und nach auf, dieweil es allerhand krumme Wege gehen muß, bevor es einen freyen Austritt kan erlangen. Eben dieses geschiehet bey den Schwämmen und vielen andern solchen Dingen mehr.

Die Seelunge schwimmet oben auf dem Wasser, und, wie man will vorgeben, soll sie Sturm und Unwetter zuvorher verkündigen. Ihre Farbe ist so gläntzend wie Crystall, mit blauen untermischt. Ihr Wesen ist dermassen brechlich, daß man sie mit genauer Noth gantz kan über das Wasser bringen. Sie scheinet wie ein dicker zusammen geronnener Schleim, und ist dem Ansehen nach, nichts als ein schleimiger Auswurff der See, der sich zusammen hat gehäuffet, und von der Sonnen harte ist gemachet worden, unter der Gestalt einer Lunge. Sie ist dannoch ein phosphorus, dann sie leuchtet bey der Nacht: und wann ein Stock damit bestrichen wird, so machet sie denselbigen helleuchtend; so erreget sie auch auf der Haut, wann man sie angegriffen hat, ein jucken und einen Seegeruch. Die Seelunge führet viel Oel bey sich, auch flüchtiges und fixes Saltz.

Sie ist ein depilatorium, das ist, wann sie auf eine rauhe Haut gerieben wird, so frisset sie das Haar hinweg. Sie wird gebrennet oder calciniret, und mit viel Wasser eine Lauge davon bereitet, die dienet, wann sie jemand trinckt, zum[923] Stein, erreget der Weiber Reinigung und treibet den Urin.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 923-924.
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