Die feindlichen Brüder

[351] Handschrift mit Noten. 1600-1700.


(Der lieben Dummheit muß hiebey bemerkt werden, daß dieß ein Scherz, wenn sie weiß was ein Scherz ist, kein Schimpf gegen Schiller sey.)


Don Geishaar.


Müller, warum thust erbleichen?

Weiße Farb bezüchtigt dich,

Aller Muth will von dir weichen,

Was ist dir, dich frage ich,

Diebstähl dir vielleicht einfallen

Die begangen hast beim Mahlen,

Weisser Müller ohne Scham,

Weil du führst ein Diebesnahm.


Don Mahlmehl.


Schneiderlein, was thust du fragen?

Warum ich ganz weiß erschein,

Solltest mir zuvor erst sagen,

Was bedeut' die Röthe dein?

Roth bist du vor lauter Fleckel,

Die gestohlen du, Geisböckel,

Schneider grossen Diebstahl übt,

Gar nichts als den Abschnitt liebt.


Don Geishaar.


Mehldieb sei nicht also trutzig,

Halte mir nicht Diebstahl für,

Mache dich nicht so unnützig,[351]

Kehre nur vor deiner Thür,

Schwarzmehl du für weiß thust geben,

Davon stiehlst du noch daneben,

Ja die Kleien stiehlst du auch,

Das ist ja der Müller Brauch.


Don Mahlmehl.


Was thut doch der Geißbock mecken,

Fängt da mit mir Händel an,

Will ihn in ein Beutel stecken,

Hängen auf am Hosenband.

Diebstahl will er mir vorstossen,

Der doch voller Diebespossen,

Sag, wie ist das Kleid doch dein,

Da's gestohlne Fleckel sein.


Don Geishaar.


Seckelleerer, magst so lügen

Schweige mir nur alsbald still,

Sonsten deinen Mehlmuth biegen,

Ich mit meiner Elle will,

Meinst, ich pfleg vom Raub zu leben,

Weil du es so machest eben,

Dein Kropf ist Diebstahli voll

Weil dein Kopf schmirali toll.


Don Mahlmehl.


Brauch die Elle nur zum messen,

Fleckeldieb und nicht für mich,

Doppelt messen thu vergessen,

Hiezu mahnt Don Mahlmehl dich,

Doppelt Tuch und doppelt Seiden

Doppelt Knöpf brauchst beim Zuschneiden,[352]

Ja noch dieses nicht erkleckt,

Weiter sich dein Geitz erstreckt.


Don Geishaar.


Müller, Mahler, Roggenstehler

Sag, womit erhälst dein Schwein,

Kaufst Getraid nicht um ein Heller,

Muß doch fett wie du ja sein.

Andre müssen sich ernähren,

Du thust fremdes Gut verzehren

Gleich ein Habicht Räuber lebst,

Und in lauter Diebstahl schwebst.


Don Mahlmehl.


Wie prangst du mit Silberknöpfen,

Mit Seiden ausgenähtem Tuch,

Weib und Tochter auch mit Schöpfen,

Mit Spitz, Bändern, hohem Schmuck,

Dann dies sind gestohlne Waaren,

Die da zieren Hoffahrts Narren,

Bist ein rechter Papagai,

Ist nichts dein, als das Geschrei.


Don Geishaar.


Mein Mühlesel, thu betrachten,

Zieh dich bei der Nasen doch,

Deinen Kropf thu beobachten

Mit demselben hurtig poch,

Die Natur hat dir ihn geben,

Daß du sollst bezeichnet leben.

Dieser ist ein Ueberfluß,

Gleich wie dir dein Diebsgenuß.[353]


Don Mahlmehl.


Hättst ein Kropf, du wärest schwerer,

Dürfst nicht tragen 's Bögeleis,

Der Wind dich hinweht du Leerer,

Du verschüttest deine ....!

Geh du deine Finger reiben,

Daß du kannst die Zeit vertreiben,

Unrecht Gut heraus dir fährt,

Gesunder Haut bist du nicht werth.


Don Geishaar.


Eines muß ich dich noch fragen,

Warum machst die Säck so leer,

Werden voll dir zugetragen,

Kehren heim nicht halb so schwer.

Geld brauchst du für deine Kinder,

Die nicht klüger als die Rinder,

Oder für dein Lumpgesind,

Wenns nicht durch die Gurgel rinnt.


Don Mahlmehl.


Sag mir auch du Fingerreiber,

Zu was so viel Futter ist,

Doch nicht so viel Diebstahl treibe,

Schau man kennt schon deine List,

Steifleinwand, Kameelhaar eben

Muß man dir ja doppelt geben,

Damit kleidest du die dein,

Ach laß doch das Stehlen sein.


Chor Don Geishaars.


Waitzendieb, Roggendieb, Gerstendieb,

Korndieb, Kleiendieb, Breiendieb,[354]

Erbsendieb, du, du, du Linsendieb,

Graubendieb du, du, du Mehlbeutel,

Lügenveitel, Wasserkropf, Eselsknopf,

Mühlnarr, du, du, du Me Me Mehldieb,

Du bist ein Dieb, ja ja ja, nein nein nein,

Ich nicht, du du du.


Chor Don Mahlmehls.


Tuchdieb, Zeugdieb, Hosendieb, Seidendieb,

Fadendieb, Bordendieb, Säckeldieb,

Fleckeldieb, du, du, du Kameelhaardieb,

Manchesterdieb, du, du, du Knopfdieb,

Fingerreiber, Bocktreiber, Ziegenbart,

Armer Tropf, meck meck meck, Ziegenknopf,

Du bist ein Dieb, meck meck meck, ja ja ja,

Ich nicht, du, du, du!


Chor Don Geishaars.


Es ist ein Dieb da!


Chor Don Mahlmehls.


Es ist ein Bock da!


Chor Don Geishaars.


Wer ist er?


Chor Don Mahlmehls.


Wer ist er?


Chor Don Geishaars.


Der Mahlmehl.


Chor Don Mahlmehls.


Der Geishaar.[355]


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 351-356.
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