Soldaten-Katechismus

[288] Bist matt und müd, so sing ein Lied,

Aus Herzenslust, das stärkt die Brust.


In höchster Qual fluch' wohl einmal,

In heißem Streit Gott dir's verzeiht.


Geh in die Schanz froh wie zum Tanz,

Heil giebt der Tod, das Leben Not.


Gefangen sein ist große Pein,

Viel besser ficht bis 's Aug dir bricht.[288]


Scheint grausam dir dein Offizier,

Bedenke hart ist Krieges Art.


Der Bürger schwätzt, der Prahler wetzt,

Der Krieger ficht, Mensch richte nicht.


Nicht räsonier', wie man dich führ',

Du bist im Plan, man giebt ihn an.


Montur ist eng, Ordnung gestreng,

Für alles steht, der vor dir geht.


Halt trocken rein so Schloß als Stein,

Leicht ist's geputzt und viel es nutzt.


Bad', wasche dich, wenn's schicket sich,

Gesund dich's hält, und kost't kein Geld.


Wo du quartiert, hilf gern dem Wirt,

Dann tut er dir mehr als Gebühr.


Du bist Soldat, die Kriegestat

Sei dein Genuß aus Will und Muß.


Hart ist die Nuß, doch beißt das Muß

Den Kern heraus, das sei dein Schmaus!


Sei treu der Fahn' stets zugetan,

Du schworst bei ihr, nicht desertier'.


Mit Magd und Weib nicht Mutwill treib,

Die dich gebar auch beides war.


Getreue Lieb' nur Einer gieb,

Das stärkt in Schlacht und Todesnacht.


Wer alle Tag' treibt neuen Scherz,

Hat statt dem Herz 'neu Taubenschlag.[289]


Trink nicht zuviel beim Würfelspiel

Das giebt bös Wort und bringt in Mord.


Halt auf die Ehr', doch überhör'

Ein Wort, das leicht vom Munde streicht.


Hart ist die Zeit, such' keinen Streit,

Als wo der Feind im Feld erscheint.


Schneid kein Gesicht dem Schwächern nicht,

Ein Schwacher ist doch auch ein Christ.


Verleumd' geschwind kein armes Kind,

Wer Böses spricht, sich selber sticht.


Die Landwehr ehr', ihr Dienst ist schwer,

Läßt Hof und Haus und hilft dir aus.


In Feindes Land üb' keine Schand,

Das merkt er sich und schützet dich.


Doch trau' auch nicht auf jed Gesicht,

Sei streng und mild, ein edles Bild.


Wer als dein Feind gesund erscheint,

Dein Bruder wird, ist er blessiert.


Bei Glockenklang und Kirchensang

Den Hut fein zieh, und beug die Knie.


Wo kein Kapell, die Augen hell

Bei Nacht und Tag zum Himmel schlag.


Ein Stoßgebet in Not erhöht

Des Mannes Mut und stillt das Blut.


Der Morgenstern steht Gott dem Herrn

Auch vor dem Zelt, ein frommer Held.[290]


Mit Gott und Welt sei stets gestellt

Die Rechnung dein hübsch klar und rein.


Dann bist du frei, trifft dich das Blei,

Fällt dir dein Los in Gottes Schoß.


Am Morgen sprich, Gott segne mich,

Am Abend denk, Gott Schutz mir schenk.


Und in der Schlacht, Gott für mich wacht,

Der steht, der fällt, den er bestellt.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 288-291.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Ausgewählte Gedichte
Märchen / Ausgewählte Gedichte (Fischer Klassik)

Buchempfehlung

Haller, Albrecht von

Versuch Schweizerischer Gedichte

Versuch Schweizerischer Gedichte

»Zwar der Weise wählt nicht sein Geschicke; Doch er wendet Elend selbst zum Glücke. Fällt der Himmel, er kann Weise decken, Aber nicht schrecken.« Aus »Die Tugend« von Albrecht von Haller

130 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon