Der dreyßigste Psalm

[33] Mein König, der du mich erhöret

In meinem allergrösten Leid;

Der meiner Feinde Lust gestöret,

Die sich auf meinen Fall gefreüt;

Der mich des Todes Arm entrücket;

Und, da ich schon zur Grube sank,

Mit neüer Lebenskraft erquicket:

Dir sag ich ewig Lob und Dank.


Ihr alle, die sein Schutz umfangen,

Besingt ihn mit mir spät und früh.

Sein Zorn ist, wie ein Wind, vergangen;

Doch seine Güte weichet nie.

Wer lebet so in Lust und Segen,

Wie seiner auserwählten Hauff?

Wenn sie sich weinend niderlegen,

So stehn sie Morgens jauchzend auf.
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Ich aber sprach in meinem Glücke:

Nun kan ich nimmer untergehn.

Ich dachte nicht an sein Geschicke,

Und wollte von mir selber stehn.

Doch, o wie plötzlich wird zu nichte,

Was nicht sein starker Arm erhält.

Kaum barg er nur sein Angesichte,

So war ich armer schon gefällt.


Dann sucht ich wieder sein Erbarmen,

Und flehte seiner Allmacht zu:

O mein Erlöser, hilf mir Armen!

Es kan es niemand sonst, als du.

Was nützt dirs, wenn du mich zerstöret?

Wer rühmt dich in des Todes Nacht?

Hingegen, weil mein Athem währet,

So sing ich stets von deiner Macht.


Du hörtest, Herr! und halfst mir wieder

Aus meinem Tod und Untergang.

Du kehrtest meine Trauerlieder

In einen frohen Lobgesang.

Du hast mein Serbgewand zerrissen,

Und mich mit Purpur angetahn.

Ich bin auf deinen Ruhm beflissen,

Biß daß ich nimmer athmen kan.

Quelle:
Carl Friedrich Drollinger: Gedichte. Stuttgart 1972, S. 33-35.
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