Der Denar

[125] O! über deinen König! ganz dir gleich,

Du glattgeschlagner Lumpen, o, sein Reich

Das Inselchen, des kärglichen Tribut

Lukull in eine Silberschüssel lud,

Gebannt in eine Perle Cäsars Hand

In der Ägypterfürstin Locken wand.

Du, zitternd vor Satrapenblicke, fahl

Wärst du zerstäubt vor seiner Augen Strahl,

Wenn langsam übers Forum, im Triumpf

Das Viergespann ihn rollte; hörst du dumpf,

Wie halberwachten Donner oder Spülen

Der Brandung, Pöbelwoge ziehn und wühlen,

Um die Quadriga summend, wie im Nahn

Prüft seine Stimme murrend der Orkan?

»Heil, Cäsar, Heil!« um seine kahle Stirn

Ragt Lorbeer, wie die Ficht' um Klippenfirn;

Er lächelt, und aus seinem Lächeln fließet

Ein leise schläfernd Gift, o Roma, dir,

Sein halbgeschloß'nes Auge Fäden schießet,

Ein unzerreißbar Netz. – Gebückt und stier,

Zerzausten Haares, vor den Rossen klirrt

Endloser Gallierzug, die Fesseln schleifen,

Und aus der Pöbelwelle gellt und schwirrt

Gezisch, Gejubel, Zymbelklang und Pfeifen.

Denare fliegen aus des Siegers Hand,

Ha, wie es krabbelt im Arenasand! –[125]

Der Imperator nickt und klingelt fort.

Noch lieg' ich unberührt im Byssusbeutel, –

Was steigt so schwarz am Kapitole dort?

Es dunkelt, dunkelt; – über Cäsars Scheitel

Ein Riesenaar mit Flügelrauschen steigt,

Die Sonne schwindet, – doch ein Leuchten streicht

Um der Liktoren Beile, – wieder itzt –

Sie zucken, schwenken sich – es blitzt! – es blitzt!

Quelle:
Annette von Droste-Hülshoff: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1973, S. 125-126.
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