III Abschnitt.
Von den Zahlwörtern.

[315] 1 §.


Zu der Zahl der Beywörter muß man sonder Zweifel auch die Zahlen rechnen; welche zu den Hauptwörtern gesetzet werden können, ihre Bedeutung zu bestimmen. Es sind aber dieselben zweyerley; die Grundzahlen (NUMERI CARDINALES) und die Ordnungszahlen (NUMERI ORDINALES). Die ersten werden entweder allein, oder mit einem Hauptworte im Reden gebrauchet; doch so, daß man auch im ersten Falle allemal etwas in Gedanken hat, das gezählet wird. Bis zwölf gehen sie mit einzelnen Wörtern fort, hernach werden sie aus den einfachen und Zehnern so zusammen gesetzet, daß man allemal die kleine Zahl der großen vorsetzet, wie folgende Tafel zeiget:


1 Eins, 11 Eilf, 21 Ein und zwanzig,
2 Zwey, 12 Zwölf, 22 Zwey und zwanzig,
3 Drey, 13 Dreyzehn, 23 Drey und zwanzig,
4 Vier, 14 Vierzehn, 24 Vier und zwanzig,
5 Fünf, 15 Funfzehn, 25 Fünf und zwanzig,
6 Sechs, 16 Sechszehn, 26 Sechs und zwanzig,
7 Sieben, 17 Siebzehn, 27 Sieben und zwanzig,
8 Acht, 18 Achtzehn, 28 Acht und zwanzig,
9 Neun, 19 Neunzehn, 29 Neun und zwanzig,
10 Zehn, 20 Zwanzig, 30 Dreyzig.

Und so weiter mit 40, vierzig, 50, funfzig, 60, sechzig, 70, siebenzig, 80, achtzig, 90, neunzig, bis 100, hundert.[315]

2 §. Wenn man über hundert kömmt, so ist zu merken, daß die kleine Zahl im Zählen hinten nach, die große aber vorangesetzet wird; z.E. 101 hundert und eins; 110 hundert und zehn, u.s.w. Denn wollte man sie vorhersetzen, so würde es eine Vervielfältigung der hunderte anzeigen: z.E. drey hundert ist 300, und so auch sechstausend, 6000, da hergegen hundert und drey, nur 103, tausend und sechs aber, nur 1006, anzeigen würden. Die übrigen Reihen der steigenden Zahlen heißen so:


200 zweyhundert, 1000 tausend, 10000 zehntausend,
300 dreyhundert, 2000 zweytausend, 20000 zwanzigtausend,
400 vierhundert, 3000 dreytausend, 30000 dreyzigtausend,
500 fünfhundert etc. 4000 viertausend etc. 100000 hunderttausend etc.

Sodann folgen Millionen, 1000, 000 und so ferner auch die Billionen, 1'', 000, 000', 000. 000, u.s.w.


3 §. Was nun die Abänderung der Zahlen betrifft, wenn sie zu Hauptwörtern gesetzet werden: so leiden sie dieselbe sowohl in Ansehung des Artikels, als in Ansehung der Geschlechter. In der ersten Absicht stehen sie entweder ganz allein mit dem Hauptworte, und vertreten gleichsam die Stelle des unbestimmten Geschlechtswortes; wie folgende Muster zeigen werden.


[316] Einfach.


Nur ein Mann, nur eine Frau, nur ein Kind,
eines Mannes, einer Frau, eines Kindes,
einem Manne, einer Frau, einem Kinde,
einen Mann, eine Frau, ein Kind.
die fünfte Endung fehlet.
von einem Manne. von einer Frau. von einem Kinde.

Da das einfache Zahlwort, mit dem unbestimmten Geschlechtsworte sehr übereinkömmt: so pflegt man zuweilen den Zusatz, einziger, dem ersten beyzufügen: ein einziger Mann, eine einzige Frau, ein einziges Kind. Weil es aber wider die Natur der Einheit läuft, auch vielfach zu seyn2: wie gleichwohl die Franzosen mit ihrem UN, umgehen; wenn sie sagen, LES UNS, ET LES AUTRES (welches auch bey uns einige ganz abgeschmackt, die einen, und die andern, zu übersetzen gesuchet; da sie nur hätten sagen dörfen, Einige): so kömmt anstatt der vielfachen Zahl, das zween, zwo, zwey hieher.


Zween Männer, Zwo Frauen, Zwey Kinder,
zweener Männer, zwoer Frauen, zweyer Kinder,
zweenen Männern, zwoen Frauen, zweyen Kindern,
zween Männer, zwo Frauen, zwey Kinder,
– – –  – – – – –
von zweenen Man. zwoen Frauen, zweyen Kindern.

[317] 4 §. So wie also diese beyden, sowohl in den Geschlechtern, als in den Endungen eine Veränderung leiden: so fällt das erste bey der folgenden Zahl weg. Sie bleibt nämlich bey allen Geschlechtern unveränderlich.


Drey Männer, Frauen, Kinder.
dreyer Männer, Frauen, Kinder.
dreyen Männern, Frauen, Kindern.
drey Männer, Frauen, Kinder.
o ihr drey Männer, Frauen, Kinder.
von dreyen Männern. Frauen. Kindern.

Vier, fünf, sechs, und alle übrige bleiben ganz unveränderlich; außer wenn sie ohne ein Hauptwort gesetzet werden. Denn da ändern sich alle übrige Zahlen auch; wie wir gleich sehen werden.

5 §. Ganz anders sieht es mit den Zahlen aus, wenn sie mit dem bestimmten Geschlechtsworte gesetzet werden. Hier läßt man dasselbe die verschiedenen Geschlechter der Hauptwörter anzeigen, und das Zahlwort bleibt unveränderlich; wie folgendes Muster zeigen wird.


Der Eine.


Der eine Baum, Die eine Blume, Das eine Thier,
des einen Baumes, der einen Blume, des einen Thieres,
dem einen Baume, der einen Blume, dem einen Thiere,
den einen Baum, die eine Blume, das eine Thier,
– – – – – – – – –
von dem einen
Baume, von der einen Blume. von dem einen Thiere.

Ein anders ist es mit zwey.


Zwey.


[318]
Die zween Bäume, Die zwo Blumen, Die zwey Thiere,
der zween, der zwo, der zwey,
den zweenen, den zwoen, den zweyen,
die zween, die zwo, die zwey,
– – – – – –  – – –
von den zweenen, zwoen, zweyen.

Eben so geht es mit drey, vier, fünf, und allen übrigen Zahlen, die aber in allen Fallendungen einerley bleiben; außer in der dritten und sechsten, wo sie ein en annehmen: dreyen, TRIBUS, und von dreyen; er fährt mit vieren, sechsen. Sie gehen zu fünfen, zu achten, zu zwölfen, u.s.w.

6 §. Noch anders ist es mit diesen Zahlen, wenn man sie, wie die Fürwörter, ohne alle Geschlechtswörter und ohne Hauptwörter abändert. Denn da nehmen sie die Endbuchstaben derselben an, um die Fallendungen zu zeigen. Z.E.


Einzeln.


Einer, eine, eins,
Eines, einer, eines,
Einem, einer, einem,
Einen, eine, eins,
o du einer, eine, eins,
von einem, einer, einem.

Vielfach.


Zweene, Zwo, Zwey, Drey,
Zweener, zwoer, zweyer, dreyer,
Zweenen, zwoen, zweyen, dreyen,
Zweene, zwo, zwey, drey,
o ihr Zweene, zwo, zwey, o ihr drey,
von Zweenen,  zwoen,  zweyen,  von dreyen.

[319] Fast eben so geht es mit vieren, und allen übrigen Zahlwörtern, bis auf die zusammengesetzten. Denn diese nehmen auch zwar nach dieser Art verschiedene Endungen an, doch nur an dem letzten Theile. Man saget nämlich mit sechszehnen, mit fünf und zwanzigen, u.s.w. nicht mit sechsen zehnen, oder fünfen und zwanzigen. Eben so geht es mit dem hundert und tausend; wo man sie nicht zu Hauptwörtern machet, wie ich hernach sagen will.

7 §. Die ordnenden Zahlwörter werden mehrentheils von den vorigen abgeleitet, bekommen aber auch andere Endungen, nachdem sie mit, oder ohne Geschlechtswörter, oder Hauptwörter gebrauchet werden. Mit dem unbestimmten Geschlechtsworte kann man sie auch brauchen. Z.E. der zweyte Mann, setzet einen ersten voraus: es ist ein zweyter, oder ein dritter Theil davon heraus. Ich habe es von einer dritten Person gehöret5. Ihre Abänderung wird alsdann so:


Ein zweyter, eine zweyte, ein zweytes,
Eines zweyten, einer zweyten, eines zweyten,
Einem zweyten, einer zweyten, einem zweyten,
Einen zweyten, eine zweyte, ein zweytes, u.s.w.

Eben so gehen die übrigen, der dritte, vierte, fünfte;, sechste, siebente, achte, neunte, zehnte, eilfte, zwölfte, dreyzehnte, u.s.w. zwanzigste, dreyzigste, vierzigste etc. hundertste, tausendste, u.s.w.[320]

8 §. Viel gewöhnlicher sind die Zahlen mit dem bestimmten Geschlechtsworte, der, die, das; wie man hier sehen wird:


Einfach.


Der erste, die erste, das erste,
des ersten, der ersten, des ersten,
dem ersten, der ersten, dem ersten,
den ersten, die erste, das erste,
o du erster, o du erste, o du erstes,
von dem ersten. der ersten. dem ersten.

Vielfach.


Die ersten Männer, Frauen, Kinder,
der ersten Männer, Frauen, Kinder,
den ersten Männern, Frauen, Kindern,
die ersten Männer, Frauen, Kinder,
o ihr ersten Männer, Frauen, Kinder,
von den ersten Männern, Frauen, Kindern.

Eben so gehen der dritte, der vierte, der fünfte, u.a.m. Wann aber die Oberländer, anstatt des zweyten, der anderte sagen, so fehlen sie doppelt: einmal, weil sie ein t in das Wort mengen, wo es nicht hinein gehöret; und sodann, weil andere sich nicht auf das erste, sondern auf das eine, beziehen muß: Der eine hie, der andere dort.

9 §. Endlich pflegt man die Zahlwörter auch neben den Hauptwörtern, ohne alle Geschlechtswörter zu setzen: und alsdann kommen sie eben so heraus, als oben im 6 §. wenn man den unbestimmten Artikel wegläßt. Z.E. Erster Theil, zweyte Schrift, drittes Buch, u.s.w. Doch kann man dergestalt die Fallendungen nicht bilden, ohne ein Geschlechtswort dazu zu nehmen. Auch in der vielfachen Zahl geht es nicht an, dergestalt zu reden. Z.E. Siebente Jahre der[321] Menschen sind gefährlich, kann man nicht sagen: denn man muß sprechen, die siebenten; oder noch besser, das siebente etc. Daß diese Ordnungszahlen zuweilen mit einem großen Buchstab geschrieben werden: z.E. August, der Dritte, ist ein Misbrauch, und eben so wenig gegründet, als wenn man die Beywörter so schreibt Z.E. Karl der Große7.

10 §. Schlüßlich können die Zahlwörter auch zu Hauptwörtern werden, wenn man sie abgesondert betrachtet, oder gewisse Zahlen zu einem Maaße der übrigen machen will. Z.E. eine Zehn, das Zehend, das Dutzend, das Mandel, das Schock, das erste Hundert, das zweyte Tausend, u.s.w.8 Man hat aber dabey eben nichts besonders zu beobachten, als daß sie alle des ungewissen Geschlechtes sind: daher denn einige fälschlich sagen, die Mandel; zumal da es dergestalt mit den Mandeln vermenget werden könnte. Daß man aber auch Nebenwörter aus den Zahlen machen könne, als erstlich, zweytens, drittens, u.s.w. und daß man theilungsweise, je vier und vier, oder je sechs und sechs, in einem Gliede, u.s.f. zu sagen pflegt, welches die Lateiner, QUATERNI, SENI, etc. zu sagen pflegen; das hat keine Schwierigkeit; wird auch bey den Nebenwörtern noch vorkommen.[322]

11 §. Noch zweyerley Arten der Zahlwörter muß man merken, ehe wir schließen; nämlich die theilenden, und die vermehrenden. Die ersten sondern etwas in seine Classen oder Abtheilungen, deren so viele und so wenige seyn können, als man nur will. Diese Art wird aus den Grundzahlen und der Syllbe ley9 zusammengesetzet, und alsdann sehen sie nach der Reihe so aus:


Einerley, neunerley, vierzigerley,
zweyerley, zehnerley, funfzigerley,
dreyerley, eilferley, sechzigerley,
viererley, zwölferley, siebzigerley,
fünferley, dreyzehnerley, achtzigerley,
sechserley, vierzehnerley, etc. neunzigerley,
siebenerley, zwanzigerley, hunderterley,
achterley, dreyzigerley, tausenderley.

12 §. Diese Art der Zahlen nun ist in allen Geschlechtern unveränderlich, und leidet auch sonst keine Abänderung. Ganz anders ist es mit den vermehrenden Zahlwörtern. Diese sind wieder dreyerley: denn einmal werden sie mit der Syllbe fach, zweytens mit fältig, und drittens mit der Syllbe mal, als dreyen Vermehrungszeichen zusammen genommen. Sie sehen so aus:


Einfach, Einfältig, Einmal,
zweyfach, zweyfältig, zweymal,
dreyfach, dreyfältig, dreymal,
vierfach, vierfältig, viermal,
fünffach, etc. fünffältig, etc. fünfmal, etc.
zehnfach, zehnfältig, zehnmal,
zwanzigfach, etc. zwanzigfältig, etc. zwanzigmal, etc.
hundertfach, hundertfältig, hundertmal,
tausendfach, etc. tausendfältig, etc. tausendmal, u.s.w.

[323] 3 §. Sind nun gleich diese Zahlwörter, so schlechthin als Grundzahlen betrachtet, wie die Nebenwörter, unveränderlich: so können sie doch auch mit den Hauptwörtern zusammengesetzet werden, und alsdann verschiedene Geschlechter und Fallendungen annehmen; nachdem sie mit dem unbestimmten, oder bestimmten Geschlechtsworte verbunden werden. Z.E. das erste sieht so aus:


Ein einfacher
Zeug, eine zweyfache Schnur, ein dreyfaches Tuch,
eines einfachen, einer zweyfachen, eines dreyfachen,
einem einfachen, einer zweyfachen, einem dreyfachen,
einen einfachen, eine zweyfache, ein dreyfaches,
o du einfachet, o du zweyfache, o du dreyfaches,
von dem
einfachen. von der zweyfachen. von dem dreyfachen.

Hierbey ist nur zu merken, daß das zweyfache auch wohl zwiefach gesprochen und geschrieben wird; nichtaber zweenfach, oder zwofach. Die Ursache ist, weil die Zahl hier niemals auf das Hauptwort, sondern auf das fach geht, und also immer einerley bleiben muß. Mit dem einfältigen, u.s.w. und einmaligen etc. geht es auf eben die Art, wenn das unbestimmte Geschlechtswort davor steht. Man spricht auch wohl zwiefältig; aber nie zwiemalig, sondern zweymalig.

14 §. Ein anders ist es mit dem bestimmten Artikel, der, wie oben bey den Beywörtern, also auch hier, die Endungen in vielen Fällen ändert. Ich will davon das fältige, und malige zum Muster geben.


Der, die, das zweyfältige, zweymalige.
des, der, des dreyfältigen, dreymaligen,
dem, der, dem vielfältigen, viermaligen, etc.
den fünffältigen, die
und das fünffältige, fünfmalige.
o du sechsfältiges
sechsfältige, sechsfältiges,
von dem, der, dem siebenfältigen.

In der vielfachen Zahl bleibt alles unverändert bey dem en, in allen Endungen und Geschlechtern.[324]

Auf eben die Art geht es mit dem Worte doppelt. Es pflegt auch von einigen mit den Zahlen verbunden zu werden, als zweydoppelt, dreydoppelt, vierdoppelt. Allein, es geschieht nicht mit sattsamer Richtigkeit. Doppelt heißt an sich schon zweyfach; was bedarf es denn das zwey? Dreydoppelt aber ist widersinnisch: wofern es nicht soviel, als sechsfach, wie vierdoppelt achtfach heißen soll.

Fußnoten

1 Es ist eine etymologische Frage, woher das zig, bey unsern Zehnern komme? Da ist mir nun folgende Muthmaßung eingefallen. Man hat, wie ich glaube, erstlich nach der Zahl der Finger gezählet, und wenn es z.E. Geld gewesen, die ersten zehn Stücke weggezogen; um die folgenden zehn hinzuzählen. Diese zog man wieder weg, und so zählete man der Kürze wegen, zween Züge, u.s.f. drey Züge, vier Züge, d.i. zwanzig, dreyzig, vierzig, u.s.w. Nach dieser Ableitung sollte man nicht dreyßig, sondern wie bey allen andern zig, schreiben. Ich habe in alten Büchern auch Spuren gefunden, daß meine Muthmaßung gegründet ist. Es stund nämlich vierzüg, funfzüg, u.d.gl. gedrucket.


2 Doch könnte man zuweilen auch so sagen: Die Spanier, Franzosen und Wälschen sind verdorbene Lateiner: nur die einzigen Deutschen reden eine eigene Sprache. Dieß hat mir ein scharfsinniger Freund angemerket.


3 Wem hier das zween, zwo, zwey, fremd vorkömmt, der bedenke nur: daß unsere Alten, und selbst die deutsche Bibel dieses genau beobachtet haben. Es heißt z.E. in derselben: Es giengen seiner Jünger zween etc. zwo junge Tauben etc. zwey Dinge, o Herr, bitt ich von dir. Imgleichen in dem Evangel. am Michaelisfeste heißt es: es ist dir besser etc. denn daß du zween Füße, zwo Hände, zwey Augen habest etc. Und Besser schrieb im vorigen Jahrhunderte:


Zwo Seelen, durch ein Feur wie Wachs zuhauf geronnen,

Zwey Herzen, die vermischt ein Wesen nur gewonnen,

Zween Menschen, die vereint, ein Leben nur gefühlt etc.


4 Hier wendet mir jemand ein, daß es gewöhnlicher sey, diese Zahlwörter in allen Fällen, als unabänderlich zu brauchen. Allein, es fraget sich, bey wem diese Gewohnheit gelte? Nachläßigkeiten, auch der Gelehrten, geben keine Regeln in der Sprache. Wie wenig aber hat man sich bisher beflissen, grammatisch deutsch zu reden oder zu schreiben? da unzählige nicht einmal gewußt, ob es eine deutsche Grammatik gäbe?


5 Viele pflegen so zu zählen: der erste, andere, dritte, vierte, abet falsch: es muß heißen, der zweyte. Denn wie im Lateine auf PRIMUS, nicht ALTER, sondern SECUNDUS folget: so ist es auch im Deutschen. Wann nur zwey Dinge sind, so kann man gar wohl sagen, das eine, das andere, wie sich im Lateine, ALTER auf ALTER bezieht. Auf den ersten aber, muß der zweyte folgen. Ein langer Misbrauch rechtfertiget nichts.


6 Man merke hier, daß es eine unnöthige Spitzfindigkeit ist, wenn einige im weiblichen Geschlechte sagen wollen, det zwote. Denn wenn dem also wäre, so müßte es auch im männlichen Geschlechte heißen, der zweente, welches aber abgeschmackt wäre. Auch der zwete, oder zweete, kann keine statt finden.


7 Ein gelehrter Mann fraget hier, ob diese Beywörter nicht eigene Namen sind? Ich antworte, daß noch niemand den Großen schlechtweg genannt hat; wenn er Alexandern, oder Karlen den Großen hat nennen wollen. Denn wer würde das verstehen? Ein anders wäre es, wenn der Beynamen an sich ein Hauptwort wäre; als Heinrich der Vogler; oder Friedrich der Rothbart; nicht der rothbärtige. Man wirft mir ein, der Große sey ein SUBSTANTIVUM; weil niemand sagen würde, der große Karl. Aber falsch: Denn freylich hat Kanitz so geschrieben: Dieß ist der große Karl, Pipins des kleinen Sohn.


8 Man saget aber auch theilungsweise zu Hunderten, zu Tausenden: so wie zu Schocken, zu Mandeln, zu Dutzenden. Imgleichen Dutzendweis, Mandelweis, Schockweis: aber Hundertweis, Tausendweis, saget man nicht.


9 Diese Syllbe wird von einigen Oberländern auch an andere Fürwörter gehenket, z.E. derley, aber ohne Grund und Noth. Denn machet man gleich allerley, beyderley, keinerley, mancherley, solcherley, vielerley, so folget darum noch nicht, daß auch derley gut sey; zumal, da wir schon dergleichen, oder solche haben, welche eben das bedeuten.[325]


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. 12 Bände, Band 8, Berlin und New York 1968–1987, S. 315-326.
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