[Hoer/ wo bist du? Echo, sey uns Echo hier]

[27] Nach diesem eilete ich/ und gab meiner Reiß endliche Endschaft/ mich in meine jetzige Hürde begebende. Der Himmel ist mir aber seither so gönstig gewesen/daß ich/ wie meinem wehrtē Klajus nicht unbewust/nicht allein Strephons hohe Kundschaft erlanget/ sondern auch von ihme in seine aufgerichtete Schäfer-genoßschaft gewogentlich eingenommen/ und zum Merkezichen dessen auch mit einem weissen Band wohlmeinende beschenket worden.

Also hat mein geliebter Klajus/ sagete Floridan/ümständlich vernommen die Abstattung seines vormahligen Ansinnens. Im übrigen versprich ich mir hinwiederüm von ihme eine sothane Freund-Bezeugung/ Er werde sich nicht mißbelieben lassen/ mir/ als seinem Ordens-Verwandten/[27] auch mit wenigem zu berichten/ von dem Anlaß zu dieser unsrer Gesellschaft/und warüm rümlichsterwänter Strephon dessen Mitglieder mit einem Band zu begaben pflege/ massen ich es nach der Zeit eigentlich nicht zu wissen gebracht: Verhoffe aber allhier keine Fehlbitt abgelegt zu haben.

Wol/ wol/ mein Floridan/ gab Klajus zur Antwort: So begierlichen kan Floridan nit seyn/ solches von mir zu vernemen/ als Klajus allbereit ist/ dessen Ohren solches aufzutragen.


Wisset derhalben/ daß

Die Göttin/ welche stäts mit tausend Augen sieht/1

Was in der Sonnenwelt/ im weitē Rund geschieht/

Die tausend Ohren spitzt/und heele Sachen redet/

Mit tausend Zungen aus/– – –


Dazumal/ als sie Strephon und mir das Hochzeitliche Festbegängniß zweyer ädeler par Verliebten (das euch zwar nicht unbewust seyn wird/) angekündet2/und zugleich auch beyden aufgetragen/ dieselbigen mit einem und dem andren Lob-Gedichte und Glükkwünschungs-Lied erfreulichst zu verehren/ uns beyden einen Preiß aufgeworfen/ nämlich einen Krantz/ welcher dessen seyn solte/ der mit Kunstsinnigen Erfindungen und belieblichen Reimarten es dem andern/ bey besagten Ehrē- und Braut- Wünschen/zuvor thun würde. Nun täten wir aber folgends hierinnen beydes/ denen Verliebten und Verlobten/ und dem Gerüchte/ (so viel ihr selber davon urtheilen könnet) nicht ein schlechtes Genügen/ und wurden unsre Feld-abhandlungen von jenen mit merklichem Wohlgefallen angenommen: Diese aber kame zwar wieder zu uns/ und lösete besagten Krantz von ihrer versilberten Trompeten/ aber sie wolte weiter keinen Ausspruch geben/ wem er unter uns beyden zustünde/ sondern erteilte allein unsren Gedichten durch ihrer Zungen eine einen schönen Lobspruch3/ und verschwande sobald darauf vor unsren Augen/ nachdem[28] sie zuvor den Preiß an den Ast eines Buchbaums gehenget.

Wer war übler zu frieden/ als wir/ nachdem wir unsre unparteyische Richterinn das Richteramt also abtreten sahen. Ich wiche aber meinerseits Strephon willig/ wie dann auch billich war/ nahme den Krantz von dem Baum/ und setzte den ihme auf das Haar/und entgab mich zugleich aller meiner Anforderung/die ich darzu haben mochte. Es wolte aber Strephon nicht/ daß ich/ als ein Mitsächer/ in eigner Sach oder Fehde solte Richter seyn/ vielweniger begehrete er den Krantz/ auf meinen Zuspruch/ für sich zu behalten/ sondern name mich bey der Hand/ und fürete mich unferne von hier zu einem Gefälse/ in dessen vielfältig-unterbrochnen Hölen und Klüften die Nymfe Echo ihre Wohnstelle hatte: Dieser Ort/ sagete er/ soll uns in dieser Sach entscheiden/ Klajus lasse sich nur belieben/ ihn hierüm mit mir zu begrüssen. In alle Wege/ gab ich zur Antwort/ und damit fiengen wir alle beyde an/ dem Gegenhall unsre Strittigkeit vorzutragen/ wie folget:


Strephon.


Hoer/ wo bist du/ Echo? sey uns Echo hier. 4

E. Echo hier.

Sprich/ Lüfte-Tochter/ ein gerechtes Richten.

E. rechtes Richten.

Du kanst den harten Hirten-Hader schlichten.

E. Hader schlichten.

Nymphe/ nun dein Widerruffen ruffe mir.

E. ruffe mir.


Klajus.


Du hast vernommen ja/ was unser Zanken ist?

E. Zanken st!5

Nicht Zanken unser Zwist/

Den dieser Krantz in seinen Blumen heget/

Mit Lorber-Laub beleget.


[29] Strephon.


So sage dann/ wer hat den Preiß ersungen/

Mit Lob nach Lob gerungen?

E. obgerungen?

Ja/ sprich den Auspruch aus/ wem ist doch zu erkand

Diß hohe Wolken-Pfand?


Klajus.


Wo sollen wir (du stokkst) sonst Vrtheil hoffen?

E. Nur Theil hoffen?

Ach nein/ dein Vben übt ümsonst/

Im fall du liebest beyder Gunst.

E. ey der Gunst!

Bey diesem stehet uns kein Heil in Teilung offen.

E. Heilung offen.


Strephon.


Nicht/ wieder flikken ihn/ das ist vergebne Müh.

E. ebne Müh.

Wie kan/ wann dieser ist zergäntzt/

Von uns doch einer seyn bekräntzt?

Du wilt/ daß deß sich keiner rüme nie.

E. Rümen ie


Klajus.


Wem kan er/ lieber/ also nützen?

E. all so nützen.

Wann seine Wind- und Bindung wird zerstört?

Er kan so nichtbeym Scheitel sitzen.

E. eitel sitzen.

Ja/ eitel wird er seyn/ wann ihn ein Riß verheert.

E. Riß verehrt.


Strephon.


Was thun wir dann nun mit dem Krantz?

E. nit dem Krantz.

Wem wird er/ wann er wird von uns entwunden/ werdē?

E. bunt den Wehrten.

Wem wird er/ sag/ nach Würden gantz?

E. Hirten gantz.[30]

Ey was! du machst hiemit uns mehr Beschwerden.

E. Ehr-beschwerden.


Klajus.


Nymphe/ ja uns will dein Tönen hönen hier.

E. sönen hier.

Ha/ ha/ wir wollen selbst den Zwispalt schlichten.

E. diß bald schlichten.

Weil Falsch und Vnrecht immer ist dein Richten.

E. misst dein Richten.

Forthin schwätzt diß Schäferpar nicht/ Echo/ dir.

E. Echo dir.

Fußnoten

1 Das Gerüchte Virg. 4. AE. Fama malū.


2 Sihe Sir. unn Kl. Schäferg. Bl. 22.


3 Encomium.


4 Echo. Vrtheilheischung.


5 St. Vocula Interject. ein Zwischenwort.


Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer/ Sigmund von Birken/ Johann Klaj: Pegnesisches Schäfergedicht. Tübingen 1966, S. 27-31.
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