An Ihro Königliche Hoheit die Prinzeßin Amalia,

bey dem Empfang des Prinzen Heinrichs

[119] Den 9ten Jenner 1763.


Er kommt, wie nennet hoch in deinem Busen hüpfend

Dein zärtlich Herze, den, den alles Sieger heißt:

Mein Bruder lispelst du, die ganze Seele knüpfend

An seinen grossen Heldengeist.


Prinzeßin, siehest du, daß er den Cranz zerrissen

Den purpurroth besprützt, die Siegesgöttin wand:

Er warf den Helm vom Haupt und eilte dich zu küssen,

Und deinen Bruder Ferdinand.


Dir lächelte der Tag im Auge, da die Brüder

Dich führten, wie der Mond von Sternen wird geführt,

Du hast mit deinem Fuß so leicht wie ein Gefieder

Den Marmorboden kaum berührt.
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Dein flatterndes Gewand wie unumwölkter Himmel

Flog um die Schulter her, und hörbar rauschten dir

Die Freuden, in der Brust, da aus dem Siegsgetümmel

Der Triumphirer flog zu ihr.


Dein Zuruf ist ihm mehr, als wenn durch Ehrenbogen

Ein Städtezwinger kam, und an dem Tieberstrand,

Am Wagen des Triumphs in Fesseln nachgezogen,

Die Fürsten die er überwand.


Dein Bruder ließ im Staub nicht die Gefangnen kriechen

Trat auf den Nacken nicht den überwundnen Feind

Die Sachsen segnen laut, wie den Aemil die Griechen

Den Helden und den Menschenfreund,


Der traurig nachgefolgt der Raserey Bellonens,

Und wenn er gleich dem Mars im Felde Wunder that,

Doch mit dem sanften Tritt des göttlichen Verschonens

Auf grüne Feindes Fluren trat.

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Auserlesene Gedichte, Berlin 1764, S. 119-121.
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