An ihren ersten Mann

[343] In ihrem achtzehnten Jahre gemacht, 1740.


Erlaube, werther Schatz, daß ich für allen Dingen

Aus ganz besonderm Trieb und dir ergebnen Pflicht,

Darf meine Schuldigkeit durch diese Zeilen bringen,

Weil ein erfreuter Tag erscheint mit seinem Licht,

Ein Tag, an welchem du zuerst die Welt erblicket,

Ein Tag, der uns zugleich auch deinen Namen zeigt,

Den hast du abermals erlebet höchst beglücket,

Darum mein Herze sich zugleich mit dir erfreut.

Dein Wohlergehen kann auch meinen Geist ergötzen,[343]

Und dein Vergnügen macht daß sich der schwache Kiel

Mit tausend Freuden thut in schwarzer Dinte netzen,

Wenn ich zu diesen Tag dir gratuliren will.

Drum leg ich diesen Wunsch zu deiner Freude bei:

Der Himmel kröne dich mit stetem Wohlergehen,

Er mache deinen Geist von aller Unlust frei,

Und lasse lauter Glück an deiner Seite stehen.

Er lasse diesen Tag dich oftmals überleben

Und überschütte dich mit tausend Gütigkeit;

Und endlich wolle dir der Höchste alles geben,

Was dir mein Herze wünscht, und dich nur selbst erfreut.

Indessen bitt ich nimm doch dieses gütig an,

Was hier die treue Hand aus Liebe überreicht,

Weil ich für dieses mal nichts Beßres geben kann,

So nimm es gütig hin und bleibe mir geneigt.
[344]

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Gedichte von Anna Louisa Karschin, geb. Dürbach. Berlin 1792, S. 343-345.
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