Das Fünffte Buch.

[505] Die wundersame Zusammen-Neigung zweyer an sich selbst unterschiedener Dinge / stecket nicht allein in Steinen / in Ertzt und Pflantzen / sondern auch in den Seelen der Menschen. Der Magnet zeucht nicht so begierig das Eisen / der Agstein die Spreu / das Gold das Qvecksilber an sich; die Reben vermählen sich mit dem Ulmenbaume nicht so gerne / als etliche Gemüther an einander verknüpffet sind. Dessen einige und wahrhaffte Ursache ist alleine bey beyden die Verwandschafft ihrer Aehnligkeit. Denn auch die unbeseelten Dinge haben wo nicht einen Trieb / doch eine Geschickligkeit sich mit ihres gleichen zu vereinbarn. In einem Siebe samlet sich unter unzehlbarem Gesäme mehrentheils einerley zusammen. Das sich aufschwellende Meer wirft die runden Kiesel an einem / die länglichten an einem andern Orte über einen Hauffen. Wie viel mehr ist nun solcher Zug in beseelten zu finden. Der Weinstock hat die Eigenschafft aus der Erde die Süßigkeit / die Wolffsmilch das Gifft / die Kolokinthen die Bitterkeit an sich zu ziehen. Nach dem nun aber des Menschen Geist durch die Kräfften der Vernunfft aller anderer Dinge Neigungen weit überlegen ist; darf es keiner Verwunderung / daß einige ihrer Aehnligkeit halber entweder in Tugenden / oder auch in Lastern so feste an einander /als die Schnecken und Austern an ihren Muscheln und Häusern kleben. Jedoch weil eine Tugend mit der andern / nicht wie die Laster zusammen zwistig sind, ist keine festere Verbündnüs nicht anzutreffen / als zwischen denen der Tugend geneigten Seelen.

Derer waren nun vorigen Tag eine ziemliche Anzahl zusammen kommen / welche / weil die Tugend nicht so / wie die Boßheit hinter dem Berge zu halten / und ihre Häßligkeit inwendig nein zu kehren Ursach hat / durch ihre ausgelassene Verträuligkeiten einander ziemlich ausgenommen hatten. Ihre Gemüths-Aehnligkeiten reitzten sie also stets um einander zu seyn; Die Höfligkeit aber / und das Mitleiden verband sie den von seinen Wunden noch nicht genesenen Fürsten Zeno / welcher sich den Tag vorher über seine Kräfften ausgemacht und nebst andern Fürsten dem Frauenzimmer aufgewartet hatte / in seinem Gemach heimzusuchen. Also verfügten sich der Feldherr /Hertzog Flavius / Jubil / Arpus / Catumer / Rhemetalces und Malovend in Thußneldens Zimmer / da sie denn bey ihr die Königin Erato / Ismenen und Saloninen antraffen / und weil sie selbst darzu Anlaß gaben / sie zum Fürsten Zeno führeten. Dieser empfing solche annehmliche Gesellschafft aufs freundlichste /wünschte dem Feldherrn über dem neuen Siege / und der Erlösung seiner unvergleichlichen Thußnelda Glück; Auf erfolgende Befragung um seinen[505] Zustand aber ließ er sich heraus: Es müsse Deutschland einen viel gnädigern Himmel als andere Länder haben; Denn über die grosse Sorgfalt / welche der Fürstliche Hoff seiner Genesung halber fürkehrete / hätte er diese Nacht in einer überaus sanfften Ruhe erfahren /daß die Götter selbst um seine Gesundheit bekümmert wären / nachdem ihm gegen Morgen eigentlich geträumet hätte: Wie ein Frauenzimmer ihm die Binden von den Wunden aufgemacht / selbte besichtiget / und / nachdem sie daran eine übermäßige Geschwulst und Jucken verspüret / gemeldet hätte: Es wäre der Degen mit Ziger-Kraute vergifftet gewest. Daher wären die Wunden mit andern / als zeither gebrauchten Mitteln zu heilen; sie sey auch alsofort weggegangen / habe gestossene Raute gebracht / und sie ihm aufgelegt. Sie verwunderten sich über dieser Erzehlung nicht wenig / Salonine aber sing an: Sie hielte diesen Traum in allewege für eine göttliche Offenbahrung / und hätte sie ihr nicht allein erzehlen lassen / daß / als Ptolomäus für der Stadt Hamatelia durch ein gifftig Geschoß verwundet / und nunmehr an seinem Leben gezweiffelt worden / dem für diesen tapfferen Krieges-Obristen so sehr bekümmertem Alexander zu seiner Genesung ein dienliches Kraut ebenfals im Traume gewiesen worden sey / sondern sie hätte auch in Syrien in einem Seraphischen Tempel gesehen / daß krancke Leute darinnen nach verrichtetem Gebete eingeschlaffen /und eine Artzney im Schlaffe zu vernehmen gehoffet. Rhemetalces fiel ihr bey / und meldete: Es hätten die Syrer nicht allein diesen Glauben / sondern die Griechen verehrten den Esculapius nichts minder für einen GOtt der Wahrsagungen / als der Artzney. Die Egyptier erzehlten für eine unfehlbare Warheit / daß Isis ihren Krancken durch Träume ehre Artzneyen offenbarte. Die Carier rühmten sich / daß sie eben diß von ihrer angebeteten Hemithea im Schlaffe erführen. Hiermit gieng Salonine unverrückten Fusses in Garten / brachte zerqvetschte Raute / und Erato legte nach vorher erhaltener Genehmhabung des Wund-Artztes / welcher dieses Kraut rühmte / und / daß die wenigsten Eigenschafften der Kräuter noch unergründet wären / zugestand / solches selbst auf des Fürsten Zeno Wunden. Dieser fing hierüber schertzweise an: Er hätte darzu ein grosses Vertrauen. Denn zu Rom hätte man gantzer sechs hundert Jahr alle ihre Kranckheiten auch nur mit einem Kraute / nehmlich mit Kohle glücklicher / als hernach mit theurer Vermischung vieler ausländischer Gewächse geheilet. Wie viel heilsame Artzneyen wären auch nicht dem Menschen von Thieren gewiesen worden? Wenn aber auch schon sein Traum ein eiteler Wahn / und diß Kraut für sich selbst zu seinen Wunden nicht dienlich wäre /müste es doch von so schönen Händen / und einem so mitleidendem Hertzen eine neue Krafft empfangen. Die Königin Erato färbte sich über diesem Lobe / und versetzte: Sie wüste zwar wol / daß die Natur ihren Gliedern keine Würckung der Wund-Kräuter verliehen hätte / da aber hertzliche Liebe die Krafft zu heilen / oder Wunder zu thun hätte / wolte sie an nichts weniger / als an der Würckung dieses gemeinen Krautes / und an des Fürsten Genesung zweiffeln. Hierüber netzte sie die Pflaster mit einem Strome voll Thränen / gleich als wenn ihre zarte Seele auch ein Theil zu dieser Artzney beytragen müste. Hertzog Jubil fing hierüber an: Das Glücke eine so vollkommene Fürstin zu seiner Aertztin zu haben / und nichts minder von so schönen Händen verbunden / als von so himmlischen Augen bethauet zu werden / solte einen lüstern machen kranck zu werden. Rhemetalces pflichtete ihm bey / und sagte: Bey Aertzten von solcher Beschaffenheit könte er so viel leichter anderer Aertzte Meinung annehmen / daß wie die bunte Farben-Vermengung der Tulipanen von ihren[506] Kranckheiten herrührte; also etliche Schwachheiten den Menschen theils schöner /theils verständiger machten. So ist / versetzte Jubil /unter so gütige Kranckheiten sonder allen Zweiffel die Liebe zu rechnen; welche / wo nicht dem Leibe eine Zierrath / doch den Gliedern eine Geschickligkeit beysetzt / fürnehmlich aber dem Geiste ein Licht anzündet / und den Ruhm verdient ein Wetzstein der Tugend genennet zu werden. Der Feldherr brach ein: Ich gebe das letztere gerne nach; diß aber ist der Liebe viel zu verkleinerlich / daß sie mit dem Nahmen einer Kranckheit verunehrt werden wil. Jubil antwortete: zum minsten müssen wir enthengen / daß sie eine Mutter der Kranckheiten sey / wo es wahr ist / daß Antiochus aus Liebe gegen der Stratonica todt-kranck worden. Der Feldherr versetzte: Nicht die Liebe / sondern der seiner Liebe angethane Zwang / und in dem er diß / was sich so wenig / als das Feuer verbergen läst / in seinem Hertzen verdrücken wolte / setzte den Antiochus in so erbärmlichen Zustand. Durch die Liebe aber seiner Stratonica / ja durch einen einigen Anmuths-Blick / ward er gleichsam in einem einigen Augenblicke gesund. Also eignet Fürst Zeno der Erato nichts neues zu; wenn er von dem Einflusse ihrer Gewogenheit ihm zu genesen Hoffnung macht. Zeno danckte für die Vertheidigung seiner Meinung /und setzte bey: Die Liebe würde in Asien und Griechenland für die Erfinderin aller Künste / und also auch der Artzneyen gehalten; Ja der schlaue Mercur wäre niemals verschmitzter gewest / als wenn ihm das Feuer der Liebe seinen Verstand erleuchtet hätte. In der Stadt Egira stünde das mit einem Horne des Uberflusses gebildete Glücke der Säule der Liebe recht an die Seite gesetzt; weil diese gleichsam eine Schmiedin der Glückseligkeit wäre. Diesemnach wäre keines weges für so eitel zu schätzen / daß eine kräfftige Liebe heilsame Würckung stifften / das Gifft aussaugen / und gleichsam den Tod selbst bezaubern könne. Es sey diß so viel weniger zu verwundern / sagte der Feldherr / weil iede Einbildung fast in allen Dingen so wunderseltzame Macht hätte / und mehrmals das Andencken einer gebrauchten Artzney / oder das Anschauen ihres Behältnüsses / eben diß / was sie selbst zu würcken pflegte. Diesemnach glaube er / daß des Krancken feste Hoffnung nicht selten den Irrthümern der Aertzte zu Hülffe komme / und gebrauchten Kräutern fremde Kräfften zueigne; weil die Erfahrung bezeugte / daß offtmahls verzweiffelte Kranckheiten durch schlechte Worte / und seltzame Kennzeichen /denen er an sich selbst die geringste Würckung nicht enträumte / oder vielmehr durch des Krancken starcken Glauben geheilet worden. Dieser wäre die einige Ursache gewest / daß des Scythen Toxaris Säule zu Athen / und das Bild des Polydamas auff dem Olympischen Kampf-Felde die Anrührenden / wie auch das vierdte Buch der Homerischen Ilias / die / welche darauf schlieffen / vom Fieber befreyete. Der Psyllen in Africa / der Marsen in Italien / der Ophiogenes in Asien Gifft-Aussaugungen hätten den festen Glauben zu ihrem festen Grunde. Sonder Zweiffel rührte auch aus einer solchen Einbildung her / daß Pyrrhus mit seiner grossen Zehe im rechten Fusse die Miltz- Kranckheit / die Pannonischen Könige die Gelbesucht / die Cantabrischen die Besessenen / die Britannischen die hinfallende Sucht / der Gallier Fürsten die Kröpffe geheilet haben sollen. Was die Einbildung im Kinder-zeugen könne / und wie von dieser die Aehnligkeit derselben ihren Ursprung habe / erhärtete das berühmte Beyspiel der Mohrischen Königin Persina /die vom starren Ansehen einer Marmelnen Andromeda wider die Landes-Art ein schneeweisses Kind gebohren / also in Verdacht des Ehebruchs und Gefahr des Lebens verfallen wäre. Der Fürst Zeno fiel dem Feldherrn bey / daß die Einbildung nicht nur bey den Menschen /[507] sondern auch bey wilden Thieren ihre wunderliche Würckung habe. Denn daß die Schlangen sich von den Beschwerern in einen Kreiß bannen liessen / oder die Ohren für ihrer Stimme verstopfften / rührte nicht von dem Nachdrucke der Worte und Zeichen / sondern von einer blossen Bestürtzung. Was aber die Einbildung bey den Menschen würcke /hätte er bey den Amazonen verwundernd wahrgeno en / indem er derselben unterschiedene gesehen /welchen auf der rechten Seite keine Brüste gewachsen. Daher ihrer viel für ein Gedichte der Vorwelt hielten / daß sie / um sich des Bogens desto beqvemer zu gebrauchen / die Brüste auf der rechten Seite weg brennten; oder es müste diese Gewohnheit bey ihnen nun gar veraltet und abkommen seyn. Gewiß aber wäre es / und hätten seine Augen ihm unbetrügliche Zeugen abgegeben / daß die Natur ihnen zu diesem beliebeten Gebrechen itzt selbst die Hand reichte; dessen Ursache / seinem Bedüncken nach / nichts anders / als die Einbildung wäre. Die Königin Erato konte sich nicht enthalten / zu fragen: Wie und wenn er unter die streitbaren Amazonen verfallen? Zeno antwortete: Diese begehrte Nachricht wäre ein grosses Stück seiner ihm begegneten Ebentheuer; derer Erzehlung er mit ihrer Erlaubnüß itzt abzulegen erbötig wäre. Die Fürstin Thußnelda fing hierauf an: Sie sähe es allen Anwesenden an den Gesichtern an / daß sie seine Zufälle zu vernehmen höchst begierig wären. Sie selbst hätte darnach gleichsam eine absondere Sehnsucht. Aber wer möchte ohne Grausamkeit ihm solche Bemühung bey seiner Schwachheit zumuthen? Zeno versetzte: Er empfinde an ihnen / daß Zuneigung und Mitleiden anderer Wunden allezeit gefährlicher und grösser macht / an ihm hingegen nunmehr wenig Schmertzen / und keine sonderliche Schwachheit /welche ihm und zu deroselben Vergnügung sein Hertz auszuschütten / verhinderlich seyn könte. Wie nun alle Anwesenden ihr Verlangen selbst bestätigten; zumal sie an ihm eine sonderbare Lust zu solcher Erzehlung verspürten; fing der Fürst Zeno nach einem tieffen Seufzer an:

Ich kan aus der Verträuligkeit dieser holdseligen mir die Ohren gönnenden Versammlung und andern Umständen die Rechnung mir leicht machen / daß die liebreiche Erato meinen Uhrsprung / meine seltzame Auferziehung / ihre Ankunfft nach Sinope / unser wunderwürdige Liebe / und die unvermeidliche Entschlüssung / daß wir die Nacht für der zwischen dem Medischen Könige Ariobarzanes und mir bestimmten Vermählung mit einander weg segeln wolten / ausführlich erzehlet habe; daher ich von ihrem vermutheten Schlusse den Anfang meiner fernern Begebenheit nehmen will.

Ich fügte mich auf bestimmte Zeit in den Königlichen Garten / fand auch / Saloninens Andeutung nach / den mir bestimmeten Leiter. Dieser führete mich zu folge gepflogener Abrede auf ein Schiff / und ein darinnen wohl aufgeputztes Zimmer / um daselbst meine Ruhstadt zu haben. Also fort zohen die Bootsleute die Segel auff / schifften mit gutem Winde aus dem Hafen / und weil ich so wol selbst der Ruhe von nöthen hatte / als meine hertzliebste Erato in ihrem Schlaffe nicht stören wolte / war ich um ihren und Saloninens Wolstand unbekümmert. Ward auch / nach dem ich mich kaum auf die von köstlichen Persischen Tapeten bereitete Lagerstatt verfüget / von einem festen Schlaffe befallen. Die Sonne hatte wol schon zwey Stunden an unser Helffte des Himmels gestanden / als mich bedeuchtete etliche tieffe Seuffzer zu hören; daher ich aus dem Schlaffe aufffuhr / meinen über dem Gesichte habenden Flor wegstrich / und zu meiner höchsten Bestürtzung den Armidas / welchen ich unter des Ariobarzanes Edelleuten zu Sinope öffters gesehen hatte / auch aus seiner Medischen Kleidung so viel leichter erkennte / für mir auf den Knien liegen sah. Wie befremdet[508] mir diß nun zwar fürkam; so verspürte ich doch an dem Armidas eine viel hefftigere Bestürtzung / als er mein Antlitz erblickte / also daß er als ein todter Stein für mir erstarrete. Diesemnach ich meine Veränderung so viel möglich verstellte / und den Armidas mit ernster Gebehrdung rechtfertigte: Wer ihm erlaubet hätte in diß Zimmer zu kommen? Und was er bey mir zu suchen hätte? Nach einem ziemlichen Stillschweigen bewegte er nach Medischer Landes-Art sein Haupt zur Erden / küssete meine Fußstapffen / und bat allein um einen gnädigen Tod /nach dem er seinen Kopff verwürgt zu haben freywillig wol gestehen muste. Diese seine Demüthigung veranlaste mich noch mehr ihm härter abzuheischen: wie er dahin kommen? und was sein sterbenswürdiges Verbrechen wäre? Hierauf hob er endlich an: Er wolte nicht verschweigen / daß er sich in meiner Adelichen Jungfrauen eine / nehmlich die Monime verliebet /und / weil ihr Vater / Maxartes / sie ihm nicht verehlichen wollen / sie auff diesem Schiffe zu entführen mit ihr abgeredet hätte. Statt der Monime wäre nun ich selbst ihm / er könte nicht begreiffen / aus was für Zufällen / in die Hände gefallen. Daher er seinen Leide kein Ende wüste. Er könte aber alle allwissenden Götter zu Zeugen ruffen / daß er sich an mir nicht aus Vorsatz / sondern blossem Irrthume versündiget hätte. Diesen wolte er alsobald verbessern / und den Seinigen befehlen / daß sie den Lauf gegen Sinope zurück richten solten. Ich erschrack über diesem Schlusse auffs neue nicht wenig / iedoch weil mir aus dem Stegereiffen keine scheinbare Ursache solches abzulehnen nicht einfiel / verwieß ich ihm / iedoch mit mehrerm Glimpffe sein Beginnen / vertröstete ihn auch selbtes / so viel möglich / zum besten zu wenden; Itzt solte er sagen / wohin der Lauf des Schiffes gerichtet wäre? Armidas antwortete: recht nach dem Flusse Absyrtus / auff welchem er biß unter das Moschische Gebürge auszusetzen / und von dar vollends in Armenien zu kommen ihm fürgesetzt hätte. Ich fing hierauf gegen ihn an: So dörffte dein Irrthum mich gleichwohl nicht weit von meinem für gesetzten Wege ableiten /weil ich wegen wichtiger Schwürigkeiten / die meine Mutter wider meine Vermählung mit deinem Könige erreget / mich heimlich in sein Gebiete zu flüchten mit dem Ariobarzanes abgeredet. Diesemnach ist mein Wille / daß du den gerädesten Weg gegen Armenien inne hältest / und dem Volcke auf diesem Schiffe von mir / oder meinem Anschlage noch zur Zeit das minste nicht entdeckest. Armidas thät / als wenn meine Erklärung ihn überaus vergnügte / ließ mich also in dem Zimmer gantz alleine / und / weil ich um mich nicht zu verrathen nicht einst auffs Schiff kam / darfür halten / als wenn wir unsern vorigen Weg gegen Morgen verfolgten / da ich denn mich auff dem Lande aus seinen Händen zu winden schon Mittel zu erfinden getraute. Und derogestalt war ich nicht mehr um mich / sondern nur um meine verlohrne Erato bekümmert. Wir waren aber meines Bedünckens über fünf Stunden nicht gefahren / als ich vermerckte / daß das Schiff anlendete / und Armidas kam / mich befragende: Ob mir auszusteigen beliebete / nach dem wir bereit in den Sinopischen Hafen gediegen wären? Ich erschrack mehr als iemals über dieser unvermutheten Zeitung / fuhr auch den Armidas alsofort an: Wer hat dir / verrähtrischer Bösewicht / erlaubet / zurück zu kehren? Armidas entschuldigte es: Er hätte zwar anfangs meinem Befehl nachzukommen gemeinet /nachdem er aber der Sache reiffer nachgedacht / wie König Polemon gleichwol diesen Tag zur offentlichen Vermählung bestimmet / hingegen in Sinope unter den Meden verlautet hätte / daß ich den Ariobarzanes ungerne heyrathete / wäre ihm meine einsame Flucht bedenck- und unverantwortlich fürkommen / also hätte ihn seine Pflicht gezwungen / das Schiff[509] umzukehren / und anitzt von seinem Herrn / an den er bereit durch einen Nachen hiervon Nachricht ertheilet /ferneren Befehl zu erwarten. Er hatte noch nicht ausgeredet / als unterschiedene hohe Beamptete / so wohl des Königs Polemon / als Ariobarzanes ins Schiff traten / und mir andeuteten: Es wäre im Tempel alles zur Vermählung fertig / beyde Könige selbst schon anwesend / und würde ich mit höchster Begierde erwartet. Ich hätte für Unlust vergehen mögen / auch würde mich niemand lebendig aus dem Schiffe bracht haben / da ich nicht noch in dem wider alle Gewaltthat und Beleidigung befreyten Heiligthume eine Ausflucht zu finden / oder Hülffe von den Göttern zu erbitten gehoffet. Also folgte ich denen Leitenden in die Halle des Tempels / da mir ein prächtiges Braut-Kleid angeleget / und ich so denn ferner in den innersten Tempel geführet ward. Das in- und um den Tempel versammlete unzehlbare Volck frolockte / als mein Hertze Blut weinte / und die Königin Dynamis in dem innersten Gemache der Priester / in unaufhörliche Ohnmachten fiel; König Polemon / der dem Altare gegen über auff einem hohen Stuhle saß / bewillkommte mich mit einem zornigen Blicke / und ich mühete mich alle Galle meines Hertzens durch meine Augen über den neben ihm sitzenden Ariobarzanes auszuschütten. Alles dessen ungeachtet / gab der König den Priestern ein Zeichen / daß sie der Göttin Derceto / die ihr gewiedmeten Fische abschlachten / selbige über dem heiligen Feuer sieden / rösten / und in denen an iedem Pfeiler angehenckten Rauchfässern den Weyrauch anzünden solten. Ariobarzanes stieg von seinem mit Gold und Purpur ausgeputzten Sitze herab / und stützte sich auff die Achseln der Königlichen Stadthalter in den Ländern Bogdomanis und Timonitis. Sein eigener Unter-König zu Ecbatane trug das ewige Feuer / der zu Thospia eine güldene Schale voll Syrischen Balsams / die Stadthalter zu Tigranocerta und Satala zwey Schüsseln mit güldenen und silbernen Fischen für ihm her; welches der König alles der Göttin ablieferte / und den Balsam in das Opffer-Feuer goß. Er fassete auch die rechte Hand der Göttin / und der oberste Priester winckte mir / daß ich nun auch mein Opffer / nehmlich ein paar weisse Tauben herzu bringen solte. Ich aber ergriff der Derceto von silbernen Schoppen gläntzenden Fisch-Schwantz / welches eine Abschwerungs-Art ist / und fing an: Heilige Derceto /die du wegen unrechter Gewalt dich in den See bey Ascalon gestürtzet / und von den Fischen erhalten worden bist / nimm auch mich allhier in deine Schutz-Armen / und beschirme mich wider die Gewalt dieses Fremdlings / welchen ich / bey deinen Augen schwerende / nimmermehr ehlichen kan. Alle Zuschauer wurden über dieser meiner Enteuserung bestürtzet / der oberste Priester ließ das in der Hand gehaltene Rauchfaß fallen; Ariobarzanes schäumte für Zorn / und König Polemon sprang von seinem Stuhle zu dem Opffer-Tische / ergrief das Schlachtmesser / und wolte es mir in die Brust stossen. Ein Priester aber erwischte ihm den Arm / und ermahnte ihn / daß er mit Blutvergiessen nicht das Heiligthum entweihen / und der Göttin Rache / derer Zorn ohne diß aus allen Opffern herfür blickte / nicht auff sich laden solte. Zwey andere Priester führten mich in ihr eigenes Behältnüß / darinnen die Königin Dynamis sich in Thränen badete / wenn ihr noch die stete Ohnmacht so viel Kräfften überließ. Der König mit dem obersten Priester folgten mir auf dem Fusse nach / und weil jener für Ungedult kein Wort fürbringen konte / ermahnte mich dieser bey der Gottheit / die selbigen Tempel bewohnte / die Ursache meiner Abscheu für dem so tapfferen Ariobarzanes zu entdecken.[510] Ich sahe die Königin mit bestürtzten Augen und Gemüthe an / sie aber erholete sich / und fing an: Fordert von mir diese Rechenschafft / und höret auff / der Natur Gewalt anzuthun. Denn so wenig ihr aus kalten Brunnen Feuer schöpffen könnet / so wenig werdet ihr diesen meinen Sohn ohne Greuel einem andern Mann verheyrathen. Polemon sprang über diesem Berichte auff / und stieß diese Worte gegen der Königin aus: Was sagst du? Ist diß nicht meine Tochter Arsinoe? Nein sicher / versetzte sie / selbige ist schon / als du zu Rom gewest /in ihrer Kindheit verblichen / und du wirst ihren eingebalsamten Leib noch in dem Begräbnüsse Mithridatens finden. Aber wie ist dieser denn dein Sohn? fragte Polemon. Dynamis versetzte: Eben so / wie er deiner ist. Denn nach dem Arsinoe gestorben / hat meine Mutter-Liebe unsern Sohn / welchem du den Nahmen Polemon / ich Zeno gab / von seiner Amme Pythodoris abgefordert / und unter dem Schein unserer Tochter aufferzogen. Ihr Götter! ruffte Polemon /hast du eine Schlange in deinem Busen auferziehen können / von der du der unfehlbaren Götter Ausspruch wohl gewüst hast / daß ich von ihr solte verschlungen werden? Von der mir die Wahrsagung schon heute wahr wird / in dem mein über ihr geschöpffter Eiffer mir zweiffels frey mein Leben verkürtzet / und mich in die Grufft stürtzen wird? Dynamis antwortete: Glaubst du wohl / daß / da der Götter Wille ihren Worten gemäß ist / selbter durch menschliche Klugheit zu hintertreiben sey? Hast du den Ausspruch des weisen Pittacus nie gehöret / daß die Götter selbst sich dem Nothzwange des Verhängnüsses zu widersetzen allzu ohnmächtig sind? Magst du deinem eignen Sohn eine Schlange / und dardurch dich selbst einen Vater eines so gifftigen Thieres schelten? Kanst du das Erbarmen einer empfindlichen Mutter für ein so arges Laster verdammen? Welche doch diß / was sie neun Monden unter dem Hertzen getragen /mit so viel Schmertzen gebohren / mehr als ein Vater zu lieben berechtiget ist. Oder hast du ihm nicht selbst das Leben geschencket? Polemon versetzte: Aber nicht verstattet / ihn unter meinem Dache zu beherbergen. Bist du aber deinem Ehherrn nicht mehr Liebe / als deinem Unglücks-Kinde schuldig gewest /für welche andere glüende Kohlen verschlungen / und um den Wolstand ihres Reiches und Gemahles zu erhalten ihre Söhne auff glüenden Rösten geopffert haben? Ich gestehe es / Polemon / antwortete die ihm zu Fusse fallende Königin / daß auff der Wagschale der Mütter- und Ehelichen Liebe diese überschlagen solle. Aber wie schwer ist zwischen beyde sein Hertz nach dem rechten Maaß abtheilen! sonderlich wenn die Erbarmnüß einem Theile ihr heimliches Gewichte beylegt? Wie viel Väter haben ihre Kinder mehr als sich selbst geliebet? Ariobarzanes in Cappadocien nahm seine Krone vom Haupte / und setzte sie in Beyseyn des grossen Pompejus seinem Sohn auf. Octavius Balbus wolte lieber in die Hände seiner ihn verfolgenden Mörder fallen / als seinen zurück gebliebenen Sohn nicht noch einmahl sehen. Und du wilst über meiner Mutter-Liebe mit deinem Sohne eiffern? Glaube aber / hertzliebster Polemon / daß / da ich mein Kind mit einer / ich dich sicher mit zweyen Adern geliebt / und von einem so tugendhafften Geiste deines eigenen Fleisches mich keiner so grimmen That besorget / sondern vielmehr eine sanfftere Auslegung über die meist schwerdeutige Wahrsagungen gemacht habe. Ich habe erwogen / daß unsere Gefahr nicht so wohl von der Boßheit unserer Wiedersacher /als von dem unversehrlichen Fademe unserer Versehung den Hang habe;[511] Ja daß unsere Beschützung mehr vom Himmel / als unser Vorsicht herrühre. Diese kanst du sicherer nicht erlangen / als wenn du dich dem ohne diß unüberwindlichem Verhängnüsse gedultig unterwirffst / und nicht durch Grausamkeit gegen dein Kind die Götter als unsere Väter wider dich mehr verbittert machst. Glaube nur / daß diese durch unserer mißträulichen Klugheit Abwege uns schnurgrade auff den Pfad ihrer unveränderlichen Schlüsse leiten! Polemon begegnete ihr mit noch ernsthafftem Gesichte: Uberrede diese Träume wen anders / und lobe einem leichtgläubigern deine Liebe ein. Die Sonne erleuchtet ja wohl die Schwantz-Sternen nichts minder / als andere Gestirne; Aber was ist zwischen jener und dieser ihrem Feuer / zwischen deiner Liebe gegen den Zeno / und der gegen mich nicht für ein Unterscheid? Unser Großvater Mithridates dienet uns zum Vorbilde. Denn weil seine Gemahlin Stratonice nur ein festes Schloß mit seinen Schätzen dem Pompejus übergeben hatte / durchstach er in denen von ferne zuschauenden Augen seiner Mutter ihren und seinen Sohn Xiphar / und ließ ihn unbegraben liegen; Und ich soll für mein eigen Leben nicht eiffern? Gehet aber / und saget dem Ariobarzanes /daß zwischen seine Vermählung was grosses kommen sey / wormit seine Ungedult sich nicht gegen uns über noch mehrere Aeffung beschweren dörffe. Hierauff kehrte Polemon mit niedergeschlagenen Augen auff die Burg; verließ also Ariobarzanen in wütender Raserey / die Königin in ängstigster Bekümmernüß /mich im Zweiffel: Ob ich den Polemon für meinen Vater / oder für meinen Todtfeind halten; ob ich zu Sinope bleiben / oder mich flüchten solte. Ehe ich mich aber eines endlichen entschlüssen konte / kam der Hauptmann über die Königliche Leibwache / und sagte so wohl mir als der Dinamis an / daß wir ihm auf Königlichen Befehl folgen solten. So bald wir nun von der Schwelle des Tempels traten / wurden wir von einer Menge Krieges-Volckes umgeben / und zu empfindlichem Betrübnüsse der uns begleitenden Priester auff die Burg in einem fest verwahrten Thurm / zu dem der König selbst die Schlüssel behielt / verwahret. Ich stelle einem ieden zum Nachdencken / wie uns diese Gefängnüß bekümmerte. Denn wenn Fremder hefftigste Beleidigung den Geschmack der Schleen hat / schmeckt ein von seinen Anverwandten empfangenes mäßige Unrecht bitterer als Wermuth. Sintemahl nicht das Wasser / wohl aber das Geblüte sich in Galle zu verwandeln fähig ist; und aus dem süssesten Honige der schärffste Essig gezogen wird. Weil aber das Mitleiden für die unschuldige Königin mir am tieffsten zu Hertzen ging; hatte ich meines Nothstandes schier vergessen / biß uns nach Mitternacht das Schwirren der eisernen Riegel und Thüren bey so unzeitiger Eröffnung des Thurmes einen neuen Schauer einjagte. Massen denn auch also fort der unbarmhertzige Polemon mit einem blancken Dolche nebst etlichen von der Leibwache zu uns hinein getreten kam. Sein Antlitz war als ein weisses Tuch erblasset / seine Glieder und Lippen zitterten / und aus den Augen sahe zugleich Furcht / und ihre zwey Töchter /Verzweiffelung und Grausamkeit. Hilff Himmel! schriehe die Königin / welch höllischer Mord-Geist reitzet ihn selbst zum Mörder seines Fleisches und Blutes zu machen? hat er seine Unbarmhertzigkeit gegen andere Menschen zeither darum gesparet / daß er sie itzt mit vollen Strömen über sein unschuldiges Kind ausschütte / und sich denen Indianischen Einhörnern gleich mache / welche mit allen andern wilden Thieren in Friede leben / und nur wider seines gleichen wüten?[512] Polemon antwortete: Mein eigner Schutz-Geist hat mich aus dem bangsamen Schlafe erwecket / mir diesen Dolch in die Hände gegeben / und hierdurch dem Vater-Mörder vorzukommen ermahnet. Daher bereite dich / Zeno / nunmehro behertzt zu sterben / nach dem es das Verhängnüß also schicket / und die Götter es befehlen. Ich / fuhr Zeno fort / war meines Lebens schon überdrüssig / und ich sahe ohne diß nichts / als den Tod für mir / welches / nach verlorner Erato / mich meines Jammers erledigen konte. Daher fiel ich für dem Polemon auf die Knie / rieß die Kleider von meiner Brust weg / und redete ihn an: Glaube / Polemon / daß / wie ich dir im Leben zu gehorsamen mich allezeit gezwungen / ausser da mir die Natur selbst einen Riegel fürgeschoben; also ich dir auch sterbende nicht wil zuwider seyn. Glaube / daß ich von dem / dem ich das Leben zu dancken / auch den Tod zu erdulden mich schuldig erkenne; daß ich vergnügter meinẽ letztẽ Athem ausblase / als daß man mich Lebenden als einen Vater-Mörder fürchte; daß ich dardurch nicht so wohl meinen Ruhm als meine Liebe vollkommen zu machen gedencke / wenn ich die Vater-Hand küsse / die mich zu tödten das Eisen zückt. Stoß also / stoß Polemon / durch das hier nicht für Schrecken / sondern aus Liebe schlagende Hertze; aber beleidige nicht mehr die so unschuldige Dynamis: Stoß zu! stoß zu / Polemon! und zweifele nicht /daß ich behertzter sterben / als du mich tödten wirst; ja daß ich dir deine zitternde Hand selber zu führen nicht scheue. Hiermit küssete ich die gewaffnete Hand Polemons / war auch selbst bemühet selbige mit dem Dolche gegen meine Brust zu ziehen. Dynamis hatte hierüber in voller Ohnmacht liegende / Sinnen und Verstand verloren. Polemon holete aus / mir einen starcken Stoß zu versetzen; im Augenblicke aber sprang er mit höchster Entsetzung zurücke / ließ den Dolch fallen / drehete sich auch ohne einige Wort-Verlierung umb / und eilete aus dem Thurme / also /daß er nicht einst der Wache / ob sie uns wieder verschliessen solte / Befehl ertheilete. Ich wuste derogestalt nicht / wie mir / weniger wie dem Könige geschehen war. Insonderheit wuste ich die Ursache nicht zu ergründen / welche dẽ Polemon von Ausübung seines so blutigen Vorsatzes gehemmet haben müste /ausser / daß ich auf meinen willfertigen Gehorsam zu sterben muthmassete. Sintemal Gri und Eifer eben so wie die stürmenden Meeres-Wellen alles / was sich mit Härtigkeit widersetzet / zerdrümmern; aber jene an der Demuth / diese in dem weichen Sande des Ufers sich besänftigen. Nach weniger Erholung rieb ich an der Königin / brachte sie auch endlich wieder zu sich selbst / nach dem sie eine gute Zeit mich für einen Geist gehalten hatte. Ihre mütterliche hierauf erfolgte Umbarmungen kan ich nicht ausdrücken; iedoch vermochte diese Freude sich auch der Furcht für neuem Ubel nicht zu entschütten / weil sie noch weniger als ich auszulegen wuste / was für ein Trieb den vollen Stoß des Polemons zurück gezogen haben müsse. Wir lebten zwischen Furcht und Hoffnung oder vielmehr in einem Mittel-Dinge des Todes und des Lebens / unter der Umbwechselung mit Thränen und Küssen zusammen biß an den hohen Mittag; da ward unser von der Wache inzwischen wieder versperrtes Gefängnüß eröffnet / und kam Nicomedes /der Königliche Stadthalter zu Libyssa / wo der berühmte Hannibal begraben liegt / mit freudigem Antlitz / und gleichwohl weinenden Augen zu uns hinein getreten. Seine vermischte Geberdung deutete auf eine gleichmässige Verrichtung. Denn er kündigte der Königin die Freyheit / mir aber einen Befehl an: Daß ich noch für der Sonnen Untergang Sinope räumen solte. Ich war mit dieser Strafe vergnügt / Dynamis aber über meiner Beraubung hertzlich bekümmert. Weil sie denn zu Nicomeden ein sonderbares Vertrauen hatte / bat sie / er möchte ihr nicht verschweigen / was[513] seit unser Bestrickung fürgegangen wäre / und was den König zu der nächtlichen so blutdürstigen Uberfallung veranlaßt hätte. Dieser konte anfangs für Weinen kein Wort aufbringen / hernach aber erzehlte er: Wie die Stadt über der Strengigkeit Polemons über uns erstaunet / iedermann fast eine absondere Ursache / bey Unwissenheit der wahrhaften / der verhinderten Heyrath mit dem Ariobarzanes ertichtet / dieser aus Sinope halb rasend sich begeben / dem Polemon den Krieg angekündigt / der oberste Priester aber unsere Befreyung beweglichst gesucht / ja die Sache in ziemlich guten Stand gebracht hätte. Alleine es wäre der König / bey welchem er vorige Nacht im Vorgemache selbst die Wache gehabt / aus dem Bette aufgesprungen / hätte auf ihn geruffen / und umbständlich erzehlet / Es hätte ihn sein Schutz-Geist aufgewecket / ihm angedeutet: Es wäre nun nahe dabey / daß er von seinem Sohn aufgerieben werden solte. Also wolte er ihn nicht allein dem Thäter fürzukommen / und ehe er sich seines Gebietes entbräche / desselbten sich zu entbrechen vermahnet / sondern ihm auch hierzu seines Großvatern des Mithridatens Dolch eingeantwortet habẽ. Ich / sagte Nicomedes / wolte ihm dieses als einen eitlen Traum ausreden. Polemon aber widersprach es / bezohe sich auf seine wachende Augen /und insonderheit wäre das unfehlbare Kennzeichen der Dolch dar / derogleichen keiner im Zimmer nicht gewest wäre / ja er erkennete ihn auch für den / der auf Mithridatens Grabe gelegen hätte. Wenn aber auch diß gleich nur ein Traum wäre / bliebe es doch /aller Weisen Urthel nach / eine vom Himmel geschickte Warnigung der Götter. Socrates selbst hätte aus einem Traume erfahren / daß er in dreyen Tagen sterben würde / und es dem Eschines entdeckt. Der grosse Pythagoras hätte gelehrt / daß ein Mensch in seinen Träumen sich wie in einem Spiegel betrachten solte. Der weise Periogetes / welchen ich in der Eil hatte ruffen lassen / antwortete dem Könige: Ja / aber des Pythagoras Meynung wäre nicht / daß man / wie etliche tumme Atlantische Völcker nur den Morpheus für seinen Gott halten / und alles thun müste / was einem träumte. Denn sonst würde denen Sabinern /welchen alles träumte / was sie wolten / kein Laster zu verwehren gewest seyn. Träume könten wohl eine Nachricht von der Beschaffenheit des Leibes / und von den Neigungen des Gemüthes abgeben. Dahero ein Mensch nach dem Urthel des Zenon / sich aus den Träumen ausnehmen könte: Ob er in der Tugend zugenommen / oder nicht. Sintemal / wo dem Epicur zu glauben / ein Weiser ihm allezeit / ja auch / wenn ihm träumet / ähnlich ist. Indem aber / was vom Glücke oder Verhängnüsse herrührte / könte man ohne Aberglauben auf keinen Traum fussen. Daher auch der so erfahrne Hippocrates an die Hand gäbe / wie man durch Opfer sich von der Beschwerligkeit der Träume erledigen solle. Polemon vergaß aller sonst gegen dem Periogetes zu bezeigen gewohnten Bescheidenheit /und fuhr ihn an: Was bringst du vor ketzerische Lehre auf die Bahn? Verneinest du die Vorsorge der Götter /daß sie auch durch Träume uns für künftigem Unglück warnen? Verwirffst du die durch Träume geschehende Göttliche Weissagungen in des Amphiaraus Tempel bey Athen / und in dem Heiligthum der Pasithea zu Sparta? Meynst du auch / daß ich der erste sey / der den ihm im Traume gleichsam mit Fingern gezeigten Feind aus dem Wege geräumet habe? Smerdes muste über seines Bruders Cambyses Klinge springen / als diesem träumte / daß er sich auf seinen Stul setzte. Astyages gab seinen Enckel Cyrus dem Harpagus zu ermorden / weil er aus seiner Tochter Leibe einen gantz Asien überschattenden Wein-Stock wachsen sahe. Des Harpagus Ungehorsam aber brachte den Astyages umbs Leben und Reich / und erhärtete die Gewißheit so wichtiger Träume. Periogetes verlohr hierdurch nicht den Muth dem Könige[514] derogestalt zu begegnen: Es möchten die Götter ja wohl zuweilen durch Träume was offenbaren / aber sicherlich gar selten. Nimmermehr aber liesse er sich bereden /daß sie den Kinder-Mord billigen / weniger durch Träume verordnen solten. Zwar müste unter so viel tausend eitelen Träumen ja zuweilen einer eintreffen. Denn wenn tausend Blinde nach dem Ziele schüssen /würden schwerlich alle fehlen / sondern einige ungefehr treffen. Xerxes hätte seine Eitelkeit nicht genung zu bejammern gewüst / daß er / auf Verleitung eines zweyfachen Traumes / und seiner eiteln Ausleger den Krieg wider Griechenland angehoben. Wären die Träume Göttliche Warnungen / würde gewiß den Narren und Boßhaftigen nicht mehr / als den Frommen und Weisen / am wenigsten aber auch dem Viehe träumen. Ja sie würden ihre Meinungen viel deutlicher sagen / und sie nicht in so düstere Nebel verstecken /daß uns die über der Auslegungs-Art so sehr zwistige Wahrsager nicht entweder nach ihren Neigungen /oder uns nichts minder zu verführen / als Pflaumen zu streichen Anlaß nehmen könten. Worzu des Käysers Julius Traum / indem er seine Mutter beschlief / ein merckwürdiges Beyspiel abgibt. Sintemal die ihm liebkosenden Römer hierdurch ihm die Herrschafft über unser aller Mutter die Erde wahrgesagt zu seyn glaubten. Dahingegen Hippias / welcher ihm längst vorher diese Blut-Schande träumen ließ / nichts weniger als ein solcher Welt-Beherrscher ward. Polemon schien hierüber der Vernunfft wieder ein wenig Raum zu geben; warff aber ein: Sein Traum / wo ein so klarer Befehl der Götter auch so geringen Nahmen vertragen könte / wäre so deutlich / daß er keiner Auslegung dörffte. Auch wäre ausser Zweifel / daß Könige / und insonderheit etliche Geschlechter in gewissen Dingen was besonders über den Pöfel hätten. Ihre Schutz-Geister wären gewiß stärcker und sorgfältiger / als gemeiner Leute. Insonderheit hätte der Königliche Pontische Sta einen Traum zum Grund-Stein seines Glückes. Denn dem Antigonus in Syrien hätte geträumet: Er säete Gold / sein Diener Mithridates aber erndtete es ein / und führte die Frucht in Pontus. Dieses Traumes halber hätte Antigonus ihn zu tödten getrachtet / Mithridates aber sich in Cappadocien zu flüchten genöthigt gesehen / allwo ihm das Glücke die Hand geboten / sich des Pontischen Reiches zu bemächtigen. Eben dieser Traum / versetzte Periogetes /dienete zum Unterricht: Daß kein menschlicher Witz verhüten kan / was die Götter auszuüben im Schilde führen. Ausser dem vertrüge Polemons Traum allerdings eine und zwar sehr gute Auslegung; Sintemal die meisten Traum-Deuter festiglich darfür hielten /daß alle Träume auf das Widerspiel zielten. Polemon besänftete hierüber sein Gemüthe / und versprach dem Zeno kein Leid zu thun / wenn nicht der ihm von dem Geiste eingehändigte Dolch aus des grossen Mithridatens Begräbnüsse käme / welches ihm der grosse Pompejus zu Ehren in Sinope aufgerichtet hätte. Ich /sagte Nicomedes / hielt nichts weniger / als dieses glaublich / und erbot mich daselbst die Wahrheit zu erforschen. Aber Polemon fügte sich aus Mißtrauen selbst dahin / und wir befanden leider! zu unserer äusersten Erstaunung / daß auf Mithridatens Grufft der dargelegene Dolch fehlte. Dieses Wunder versetzte uns ins höchste Schrecken / den König aber brachte es / alles Einredens ungeachtet / zu der festen Entschlüssung / seinen Sohn auf selbsteigene Veranlassung der Götter hinzurichten. Wir sahen aber / fuhr Nicomedes fort / den König mit grösserer Bestürtzung aus dem Gefängnüsse zurück kehren. Er warff sich mit höchster Verwirrung auf sein Bette /befahl mir biß zu Tage nicht von ihm zu weichen. Wie ich nun eine Weile seiner[515] Unruh / welche ich für eine Bereuung seines Kinder-Mords annahm / zugesehen hatte / fing Polemon endlich an: Ach! ihr grimmigen Götter! ach! Nicomedes! wir sind verlohren! Nach unterschiedenen verwirrten Reden entdeckte er mir endlich auf meine Befragung: Er habe seinen Sohn nicht getödtet. Denn als er gleich ausgeholet hätte / ihm den Stoß zu geben / wäre eben der Geist /der ihm gleich vorhin den Dolch eingehändiget / mit grausamer Gestalt darzwischen gesprungen / habe ihm den Dolch aus den Händen gerissen / und gesagt: Halt! diß ist weder dein Sohn / noch ein Todschläger. Nach solcher Erzehlung wäre Polemon gegen den Morgen endlich eingeschlaffen / nach seiner Erwachung aber hätte er den Priester erfordern lassen / mit ihm eine lange Unterredũg gepflogẽ / und ihn endlich mit dieser Botschafft zu ihnen abgefertigt. Dynamis und ich entsatzten uns über Nicomedens Vortrag /sonderlich aber / da wir selbst den noch am Boden liegenden Dolch betrachteten / und selbten gleicher gestalt für Mithridatens erkenneten. Am allermeisten aber stieg mir zu Hertzen / daß der dem Polemon erschienene Geist mich zwar wider die besorgte Mord-Lust vertheidiget / mir aber zugleich seine Kindschafft abgesprochen haben solte. Dahero umbhalsete ich mit vielen Thränen die Königin / wüntschte / daß diesem meinem unschätzbaren Verluste / da ich mit einem so mächtigen Vater zugleich eine so holdselige Mutter einbüssete / mein Tod von der Hand des Königs zuvor kommen wäre. Dynamis aber küßte mich mit der hertzlichsten Empfindligkeit / als eine Mutter thun kan / und / umb mir diesen Kummer auszureden / fragte sie: Ob ich einem lügenhafften Gespenste mehr als dem wahrhaftesten Kennzeichen der inbrünstigften Mutter-Liebe Glauben geben wolte? Das Aufwallen ihres mütterlichen Hertzen gegen mich könte sie so wenig zu einem frembden Kinde ziehen /als die Magnet-Nadel für den Angel-Stern ein frembdes Gestirne erkiesen. Sie könte sich auf die Treue der tugendhaften Pythodoris so sehr / als auf ihr eigenes Augenwerck verlassen. Ja wenn es auch schon wahrhaftig heraus käme / daß ich nicht ein Sohn ihres Leibes wäre / so würde ich es doch ewig in ihrem Gemüthe bleiben. Sintemal der / welcher durch seine Tugend ein Königs-Sohn zu seyn verdiente / wenn er es schon nicht wäre / sich doch höherer Ankunfft rühmen möchte / als der / welcher es nur von Geburt / nicht aber durch Verdienste wäre. Ich / ob ich zwar über meiner Kindschafft selbst zweifelte / und auf den gebrechlichen Grund der von der Natur eingepflantzten Mutter-Liebe wenig fussete / wolte mich doch nicht selbst eines so hohen Ursprungs berauben / noch die Königin durch meine Enteuserung mehr betrüben. Und also brachten wir die übrige Zeit meines vergünstigten Darbleibens mit eitel liebreichen Umbarmungen zu / biß mit der niedergehenden Sonne nach und nach das Licht von der Welt / ich aber mit tausend Thränen von der Dynamis Abschied zu nehmen gezwungen ward. Salonine brach hier ein: Wir müssen nun auch die Würckung unsers neuen Pflasters erkundigen. Also muste Zeno mit seiner Erzehlung anhalten / und die Wundbinden auflösen lassen. Die Schwulst hatte sich zu aller Anwesenden Verwunderung in so kurtzer Zeit fast gantz gesetzt / und / des Zeno Andeuten nach / aller Schmertz gestillet / daher band ihm Salonine frische Raute auf. Die Fürstin Thußnelde aber fing an: Ich verwundere mich über dem so heftigen Liebes-Triebe der Dynamis / und weiß daher nicht: Ob die grosse Liebe der Eltern gegen ihre Kinder nicht mehr von der Einbildung / als einem geheimen Triebe der Natur eingepflantzt werde / nachdem ich gleichwohl aus der Königin Erato Erzehlung so viel erfahren / daß nicht er / Zeno / sondern Ariobarzanes für ihren und Polemons wahrhaften Sohn erkennet worden sey; also[516] die Zuneigung der Eltern ihre Kinder derogestalt nicht erkenne / wie die Wünschel-Ruthe von einer Hasel-Staude das vergrabene Gold und Silber / die von einem Eschbaume verborgenes Ertzt andeutet. Es ist wahr / antwortete Zeno / ich habe hernach bekümmert erfahren / wie Ariobarzanes den Polemon auf seinem Tod-Bette für seinen Vater erkennet / also diß Gespenste wahr geredet habe / und ich so arm worden sey / daß ich weder Vater noch Mutter zu nennen weiß / und wenn ich nicht zu dem allgemeinen Ursprunge der Menschen gehörete / mich aus einem Steine entsprossen zu seyn schätzen müste. Aber ich wil mich nicht versehen / daß mein und der Dynamis Irrthum die Gesetze der Natur zerreissen /oder die angeborne Zuneigung zu einer blossen Einbildung machen werde. Wenn das menschliche Gemüthe ausser der Kinder-Liebe sonst keine Zuneigung / sondern wie der Magnet nur zum Eisen / der Agstein nur zur Spreu einen Trieb hätte / würde sie ihre denen Augen unkenntliche Kinder Zweifels-frey erkiesen /und das Hertze über ihrer Erblickung viel anders zu schlagen anfangen. So aber werden wir von der Gleichheit unserer Geburts-Art / von der Tugend /von Aehnligkeit der Gestalt / oder von einem geheimen Einflusse des Gestirnes offt zu eines gantz frembden Menschens Liebe gezogen / also / daß da uns weder das Geblüte noch andere Gaben reitzen /wir mehrmals selbst die Ursache unserer Gewogenheit nicht finden können. Diese Vielheit der Gemüths-Regungen machet also unsere Unterscheidung schwer und zweifelhaft / hebt aber der Eltern innerlichen Trieb nicht auf. Uns würden sonst die unvernünftigen Thiere beschämen / wenn die wilden Bären für ihre Jungen biß aufs Blut kämpfen / wenn die Panther lieber in die Eisen der Jäger rennen / als ihre Frucht im Stiche lassen / wenn die Löwen gegen denen zu Lämmern werden / die ihnen zu ihrem Brute verhelffen; wenn die Störche die jüngern auf ihren Flügeln tragen; andere Vogel mit ihrem eigenen Blute heilen; die Adler die ihrigen gegen die Straalen der Sonne abrichten; wenn die Wallfische ihren Brut in ihren Rachen für sich nähernden Raubfischen wieder einschlüssen /und nach dem die Gefahr fürüber / selbte gleichsam zum andern mal gebähren. Zwar ist nicht ohne / daß eine kräfftige Einbildung der Natur mit ihren Würckungen ziemlich nahe kommet / daß offt Mütter fremde Wechsel-Bälge / und Väter die ihnen durch Ehebruch eingeschobene Kinder mit der zärtlichsten Empfindligkeit lieb gewinnen! aber deshalben ist dieser ihr unverfälschter Trieb so wenig zu verwerffen /als der Glantz denen Gestirnen abzusprechen / weil auch die Irrwische ihrer Straalen sich bedienen. Die Fürstin Thußnelda warff hierwider ein; Warumb aber fressen so viel Thiere ihre eigene Jungen? Warumb zerschlagen so viel Vögel ihre eigene Eyer? Warumb ermordet Lysimachus seinen tapfern Sohn Agathocles! Warumb nagelt Maleus seinẽ Sohn Cartalus ans Creutze? Warumb setzet Ptolomeus-Physcon seinen zergliederten Sohn Menephiten der Mutter Cleopatra für ein Gerüchte auf? Warumb richtet Laodice ihre fünff mit dem Ariarathes erzeugte Kinder mit Gifft hin! Und wer weiß alle Kinder- oder auch Vater- und Mutter-Mörde zu erzehlen? Nachdem gantze Völcker an dem Caspischen Meere ihre verlebte Eltern erhungern / die Bactrianer aber sie gar von den Hunden auffressen lassen. Freylich wohl / versetzte Zeno / giebt es unter den Menschen eben so wol undanckbare Kuckucke / grausame Nattern / Spinnen und Scorpionen /die ihres eigenen Geschlechts und Blutes nicht schonen. Dessen aber ungeachtet / bleibet doch der Natur gemäß / daß die Eltern und Kinder[517] einander lieben /und daß / so lange bey ihnen die Vernunfft recht auffgeräumt bleibt / dieses heimliche Feuer unausleschlich sey. Wo aber die Laster die Oberhand genommen / und die Menschen sich auff die Spitze des Glücks setzen / ziehen sie nicht nur ihre Menschheit / sondern die gantze Natur aus. Und also ist kein Wunder / daß die geilen Mütter ihre Töchter / die herrschsüchtigen Söhne ihre Väter nicht mehr kennen / und in Kerckern verfaulen lassen. Deñ die in dem menschlichen Gemüthe auffsteigenden lasterhafften Auffdampffungen verdüstern nicht nur die Vernunfft wie dicke Nebel die Sonne; sondern sie gebähren Ungeheuer / wie die Schwefel-Dünste feurige Lufft-Drachen. Ja da die wilden Thiere nur insgemein von einer übeln Neigung /als die Panther von Grausamkeit / der Fuchs von Betruge / die Natter von Undanck / der Hund von Geilheit / die Heydechse von Mißgunst beruffen sind; so ist ein mißrathener Mensch ein Begriff aller Laster. Aber nach diesen Mißgeburten muß der vernünfftige Mensch so wenig abgemahlet / als die in den faulenden Leichen wachsenden Würmer für eine rechtschaffene Menschen-Brut gehalten werden. Thußnelda antwortete: Ich gebe gerne nach / daß bey solchen Unmenschen die Regungen der Natur sich verlieren /diese auch nach einer so krummen Richtschnur nicht abzumessen sind; aber woher rühret es / daß vernünfftige Eltern einem Kinde geneigter / als dem andern /oder wohl gar so Spinnen-feind sind / daß sie es kaum für den Augen leiden können / daß auch tugendhaffte Söhne für ihren Eltern einen Abscheu haben; Massen ich in Italien einen Edelmann gekennet / der / wenn er seines Vaters ansichtig war / erblaßte / und sich mehr als der Elephant für dem Widder / der Löw für einem Hahne / die Hauß-Schlange für einem nackten Menschen / die Natter für einem Zweige von Buchen / der Agstein für Oel / der Weinstock für dem Epheu entsetzte. Fürst Zeno versetzte: Es sind dieses seltzame Absätze der Natur / welche so wohl Kriepel und Mißgeburten des Gemüthes / als des Leibes zuweilen gebieret; daraus man so wenig einen Schluß machen /als ergründen kan / warum ein Mensch keine Katze /ein ander keine Maus sehen / warum dieser keine Zwiebel essen / jener keinen Wein trincken könne? Hertzog Herrmann setzte bey: Sonder allen Zweiffel wird der seinem Vater so verhasste Sohn ihm an Gestalt und Gemüthe sehr unähnlich gewesen seyn. Denn wie die Aehnligkeit auch zwischen Fremden eine Vereinbarung stifftet; Also ist die Unähnligkeit so wohl zwischen Menschen als andern Geschöpffen eine Ursache des Hasses. Hiervon rühret die Uneinigkeit zwischen dem Magnet und Demant. Deßhalben stösset der Mohrische Stein Theamedes das Eisen so behertzt von sich / als es der Magnet an sich zeucht. Der Weinstock kan den Kohl nicht neben sich leiden /und ist dem Lorber-Baume so todtfeind / als das Rohr dem Farren-Kraute / und die Fische dem Oelbaume. Die Unähnligkeit pflantzet das Schrecken dem Schwane für dem Drachen / dem Meerschweine für dem Wallfische / dem Löwen für dem Hahne / dem Elephanten für dem Widder / dem Pferde für dem Kamele ein. Welch letzteres den Cyrus zum Uberwinder des Crösus machte. Das Geschrey des Esels tödtet so gar die Jungen der Flachs-Fincken und erschellet ihre Eyer. Ja dieses Vogels und der Goldammer Blut sollen sich nicht einst mit einander vermischen. Und die stärcksten Raub-Vögel müssen / wenn sie über den kleinen Camelion flügen / auff die Erde fallen. Keine andere Beschaffenheit hat es mit den Menschen / ja mit gantzen Völckern / derer einige einander / theils durch einen geheimen Zug geneigt / theils Spinnen-feind sind. Diese ihre Aehnligkeit und Ungleichheit rühret grossen Theils[518] von der Art ihrer Länder / noch mehr aber ihrer Eltern her. Daher vertragen sich die Meden und Armenier / wie auch die vielerley Scythen so wohl mit einander. Die Europeer und Asiatischen Völcker / wie auch die Mohren und Römer können zusammen gar selten stehen. Zwischen den Galliern und Celtiberiern / zwischen den Britanniern und Caledoniern ist fast ein unauffhörlicher Krieg; Weil der erstern Vaterland einander gantz gleiche / der andern gantz ungleiche ist; Auch von denen hierbey sehr viel würckenden Sternen unterschiedene Einflüsse hat.


Zeno pflichtete dem Feldherrn bey / und meldete: Er hätte auff seinen Reisen eben diß angemerckt / und so bald er über das Euxinische Meer kommen / den grossen Unterscheid zwischen desselbten Sud- und Nord-Nachbarn verspührt; Hingegen bey denen se weit entfernten Serern etlicher Völcker nahe Verwandniß mit seinem Vaterlande wahrgenommen. Weil nun der Anwesenden Stillschweigen ihm eine Andeutung ihres Verlangens zu seyn schien / fuhr er in seiner Erzehlung fort: Ich verfügte mich noch selbigen Abend mit zweyen Edelleuten / und einem Knaben / und zwar in meiner gewöhnlichen Frauen-Tracht / in ein Schiff / nicht so wohl / weil es an einen von mir erkieseten Ort fahren wolte / sondern weil es seegel-fertig war / um mich nur desto geschwinder dieses unglückseligen Ufers zu entbrechen. Nachdem wir bereits die gantze Nacht Nord-Ostwerts gesegelt hatten /erfuhr ich allererst vom Schiffer / daß der Lauff gegen der Moschischen Küste auff die berühmte See- und Handels-Stadt Dioscurias zwischen dem Flusse Anthemus und Charus gerichtet wäre; Allwo man täglich wohl dreyhunderterley Völcker anzutreffen pfleget /und die Römischen Kauffleute hundert Dolmetscher zu Auslegung dreyhundert alldar im Schwange gehender Sprachen unterhielten. Welches mir so viel lieber war / weil ich in einer Versammlung so vieler Völcker nicht nur desto unkenntlicher zu bleiben / sondern auch so viel mehr mein anderwärtig Glück zu finden verhoffte. Nachfolgenden Tag gegen Abend fing der auffm Mastkorbe sitzende Boots-Knecht an zu ruffen / wir solten die Waffen ergreiffen / und uns zum Streit fertig machen / denn er sehe ein Raub-Schiff seinen Lauff recht gegen uns zu richten. Dieser Ruff erregte im Schiffe ein nicht geringes Lermen / und / weil es nicht sonderlich zum Kriege ausgerüstet / darzu kaum dreißig bewehrte Männer darauff waren / bey den meisten empfindliches Schrecken. Diesemnach ich zu Verwunderung der Schiffenden nicht allein mich selbst zum Gefechte fertig machte / sondern auch denen Kleinmüthigen ein Hertze zusprach; nebst dem zugleich erkundigte: Woher man in solcher Ferne so genau erkiesen könte / daß diß eben ein Raub-Schiff seyn müste? Der Schiffherr / welcher aus der Stadt Tanais bürtig war / sagte mir: Es wäre dieses un schwer an der Art der Schiffe zu erkennen / welche die auff denen in dem Flusse Boristhenes sich befindlichen häuffigen Inseln / und an dem Strome Hippanis und Tyras wohnenden Räuber zu führen pflegten. Dieses wäre ein von Kind- auff zum Kriege abgerichtetes Volck / dessen Reichthum zu Hauße allein in Viehzucht bestünde / also alles andere auff dem Euxinischen Meere suchte / ja an die daran stossenden Länder mit seinen flachen Schiffen anländete / und mehrmahls reiche Beuten darvon brächte. Sie erkennten theils der Geten / theils der Sarmater König für ihren Ober-Herrn / aber mehr zum Scheine als wesentlich. Denn sie gäben ihm nicht allein keine Schatzung / erwehlten ihnen selbst ihre Obersten und Richter / sondern die Könige liessen ihnen auch selbst jährlich ein gewisses von allerhand Haus- und Krieges-Geräthe austheilen; iedoch hätte er in[519] Kriegen wider andere Feinde sich auff ihre Tapfferkeit zu verlassen / und wären durch sie unterschiedene grosse Thaten ausgewürcket worden. Unter diesem Gespräche näherte sich dieses Raub-Schiff / welchem ich wegen seiner Kleinigkeit noch nicht zutrauen konte /daß es uns antasten würde. Mir kam aber der Glaube zeitlich in die Hand; denn so bald uns der Feind nur erreichen konte / begrüßte er uns mit seinen Pfeilen /worvon einer alsbald in meinem Schilde stecken blieb / und einen neben mir in Arm verletzte. Sein Schiff war oben rings umher mit einem Tuche umspannet /Daß wir die Anzahl der uns anfallenden nicht erkiesen konten. Wir hingegen thaten mit unsern Bogen gleichfals das beste / wo wir nur einen unserer Feinde erblickten / und der Schiffer bemühte sich mit unserm als einem viel grössern Schiffe das feindliche zu übersegeln / aber wegen Schlau- und Geschwindigkeit der Räuber vergebens. Nachdem wir wohl eine Stunde gegen einander mit dem Pfeil-Gefechte zubracht /auch bey uns unterschiedene gefährliche Wunden bekommen hatten / und ich sahe / daß disseit der Herr des Schiffes die Seinigen nur zu eigener Beschirmung nicht zum Angriffe des Feindes anwieß / welches so viel ist / als einem wohl überwunden zu werden / aber nicht zu überwinden Macht geben; fing ich an: Wir hätten durch unsere Zagheit dem Feinde nur ein Hertze gemacht / würden auch dergestalt uns durch eigene Schuld gar verlieren. Denn wer im Kriege nur seiner Haut wehrte / und den Feind nicht in seinem eigenen Lager und Lande suchte / hätte schon halb verspielet. Also wäre mein Rath / daß / weil allem Ansehen nach sie uns an der Zahl nicht überlegen wären / wir unser Schiff an das ihrige feste zu machen trachten solten. Wie schwer er nun hierzu zu bereden war / so folgte er doch endlich meinem Rathe / als ihm selbst ein Pfeil in Schenckel zu stecken kam. Weil unsere bißherige Fechtens-Art einer Kleinmuth allzu ähnlich / und der Feind hierdurch vermessen gemacht war / gieng der Anschlag desto leichter / und hiermit der rechte Streit mit den Schwerdtern an. Dieser währete eine lange Zeit / ohne ein oder des andern Theils Vortheil /die Todten und verwundeten waren fast gleiche; Wiewohl die Geten durch ihren Eifer und Behendigkeit wiesen / daß sie das Kriegs-Handwerck wohl verstünden / und diesem Theile / darunter ihrer viel diesen Tag wohl das erstemahl die Waffen führten / weit überlegen gewest wären / wenn ich und meine zwey Edelleute nicht für die Lücke gestanden hätten. Wie ich nun mit dem Obersten der Räuber / und zweyen andern / welche mich ihnen allein fürnahmen / genugsam zu thun hatte / ward ich eines Frauenzimmers im feindlichen Schiffe gewahr / welche von unten empor stieg / einem Geten hinterrücks das Schwerdt aus der Hand riß / und seinem Nachbar einen solchen Streich versetzte / daß er todt zu Bodem fiel. Dieser Streich kehrte alsbald etliche Sebeln des Feindes gegen diß Frauenzimmer / die sich aber männlich vertheidigte. Weil ich nun sie ohne Schild / und daher in höchster Gefahr sahe / versuchte ich gegen meinen Feind das eusserste / brachte auch dem Obersten Räuber einen so glücklichen Streich an / daß er mit seiner Hand auch die Sebel muste fallen lassen. Ich wolte mich dieses Vorteils bey Zeiten bedienen / besprang daher das feindliche Schiff / und benahm mit einem andern Streiche einem Feinde das Leben / und das Frauenzimmer der ihr ziemlich nahenden Todes-Gefahr. Meine Geferthen wurden hierdurch behertzt / der Feind aber / nachdem mehr als die Helffte erlegt war /so verzagt / daß sie die Waffen wegwarffen / für mir /ich weiß nicht aus was für Ansehen / zu Fusse fielen /und das Leben baten / welche alsofort gebunden und verwahret wurden.[520]

Rhemetalces fiel ein: Diß sind die herrlichsten Merckmahle eines Gebieters / welche einem die Tugend und die Natur eingepräget. Zepter und Kronen hingegẽ nur Tockenwerck des Glückes / welches einẽ Knecht so wenig zum König / als ein Perlen Halsband einen Affen zum Menschen machen kan. Hingegen sahe man dem Cyrus auch in der Hirten-Höle seinen hohen Ursprung und sein Helden-Gemüthe an. Und als Käyser Julius gleich von den See-Räubern gefangen war / jagte er ihnen doch Furcht und Schrecken ein. Denn in Warheit / wer zum Herrschen gebohren ist / verliert auch in Ketten und Banden nicht seine Botmäßigkeit; einem dienstbaren Geiste aber machen auch hundert Kronen kein Ansehen. Zeno gab diß alles nach; entschuldigte diese auff ihn gemachte Auslegung / fuhr also fort:

Der Herr des Schiffes und alle andern wusten mir nicht genug zu dancken / noch auch was sie von mir als einem Weibsbilde urtheilen solten / wenn nicht einer unter den Schiffenden mich für die Fürstin Arsinoe erkennet / und mich also durch seine unzeitige Ehrerbietung allen Anwesenden bekandt gemacht hätte; Welche denn insgesamt mir zu Fusse fielen /darfür haltende / daß der Himmel mich ihnen zu einer absondern Schutz-Göttin zugeschickt hätte. Eben diesen Titel legte mir das erlösete Frauenzimmer bey /welches mich mit Thränen umbhalsete / und nicht genug ihre Verbindligkeit auszudrücken wuste / daß sie von mir aus den Klauen dieser Raubvögel erlöset worden wäre. Ich versetzte gegen ihr / daß ihre eigene Tapfferkeit ein Werckzeug unsers Sieges gewest wäre / und würde sie meinen geringen Dienst überflüßig abschulden / wenn ich allein wissen möchte / wie sie in diese Noth verfallen wäre / und wem ich dißmahl zu ihrer Freyheit geholffen hätte? Penthasilea / also nennte sie sich / gab mir zu verstehen: Wenn mit beliebte ihr einen Ort zu unserer Einsamkeit anzuweisen / wolte sie mir in allem Vergnügung leisten. Nachdem ich nun Vorsorge gethan / daß / was von dem Raube Penthasileen zuständig wäre / abgesondert / und ihr wieder zugeeignet / das übrige aber für gute Beute ausgetheilet würde / führte ich sie in mein Gemach des Schiffes / darinnen sie mir eröffnete: Sie wäre der Amazonischen Königin Minothea Schwester / und eine Tochter des Albanischen Königs Zober / welcher nebst dem Könige Pharnabazes in Iberien wider des Antonius Feldhauptmann Canidius Krieg geführet /und / als er von selbtem geschlagen worden / sich nach Ampsalis / der Amazonischen Haupt-Stadt / biß ihn Moneses mit dem Antonius wieder ausgesöhnet /geflüchtet / und daselbst ihre Mutter Androgyne geschwängert hätte. Bey welcher sie in ihrer Kindheit vermöge der Amazonischen Reichs-Gesetze / welche den Vätern alles Recht über ihre Töchter entziehen /hätte verbleiben müssen / hernach aber hätten sie die angewohnten Sitten / und die Süßigkeit ihrer Freyheit so eingenommen / daß ob wohl ihr Vater / König Zober / ohne Söhne gestorben / sie nach dem väterlichen Reichs Erbe nie gefragt / sondern eine Amazonin blieben wäre. Ich war begierig von dieser Fürstin die wahre Beschaffenheit ihres Reichs zu erforschen /welche sie sonst insgemein aus einer besondern Staats-Klugheit für den Ausländern auffs sorgfältigste verhölten. Daher gab ich ihr mit einem freudigen Antlitz zur Antwort: Ich vernehme mit grosser Vergnügung / daß die vertriebenen und unglückseligen Männer bey denen Amazonen / die doch in der Welt für die grausamsten Feinde des Männlichen Geschlechtes ausgeschrien würden / ihren Auffenthalt findeten; Also hätte vermuthlich eine verstossene Fürstin / und insonderheit ich / die ich zwar nicht vom Geblüte /aber wohl vom Gemüthe eine Amazonin wäre / dergleichen sich zu getrösten. Sintemahl ihr alle Anwesenden auff dem Schiffe würden erzehlen können /daß weil[521] ich den König der Meden und Armenier Ariobarzanes mit Verlust der güldnen Freyheit nicht hätte ehlichen wollen / hätte mich der Pontische König Polemon aus allen seinen Reichen verbannet /und also segelte ich nunmehro auff gutes Glücke dahin / wohin mich die Götter und mein Verhängniß beruffen würden. Penthasilea schüttete mitleidende gegen mich aus ihren kohlschwartzen Augen einen Hauffen nasser Perlen / umarmte und versicherte mich / daß die Königin Minothea mich als ihr Kind oder ihre Schwester auffnehmen würde / da ich meine Zuflucht dahin zu nehmen sie würdigen würde. Es wäre ihr zwar nicht unwissend / was der falsche Ruff den Amazonen für wilde Sitten andichtete / wie sie nehmlich alle neugebohrne Knaben Muttermörderisch tödteten / denen Mägdlein die rechte Brust mit einem glüenden Eisen versehrten / wormit die Brüste sie mit der Zeit nicht an dem Gebrauch des Bogens verhinderten / oder der rechte Arm dadurch desto mehr Stärcke bekäme / daß sie aus Erfindung der Königin Antianira die erwachsenen Männer lähmeten / wormit sie zum Kriege ungeschickt / zur Geilheit desto fähiger würden; Allein es würde mich mein erster Augenschein in ihrem Reiche ein anders bereden / indem ich darinnen viel wohlgestalte Knaben / die biß ins siebende Jahr sorgfältig aufferzogen / und so denn ihren Vätern heimgeschickt würden / die Amazonen meistentheils zweybrüstig / viel vollkommene Männer /welche nur nicht Waffen tragen / und die Reichs-Aemter bedienen dörfften / sondern der häußlichen Wirthschafft / der Kinderzucht / und anderer sonst den Weibern obliegende Geschäffte abwarten müsten / antreffen würde.

Flavius brach ein: Ich erinnere mich / daß ich derogleichen verkehrte Lebens-Art auch in der Numidischen Stadt Tesset angetroffen / wo nur die Weiber den freyen Künsten obliegen. Ja / sagte Rhemetalces: In Egypten ist es voriger Zeit üblich gewest / daß die Männer gesponnen / genehet und gewürcket / die Weiber aber männliche Geschäffte verrichtet haben. Nicht anders liegen auch die Gelones in Meden der Uppigkeit ob / schmincken und balsamen sich ein; ihre Weiber aber verrichten alles wichtige. Ich will nicht zweiffeln / sagte Zeno / daß weil die Amazonen lange Meden beherrschet / die Gewonheit von ihnen den Ursprung habe. Ubrigens ermunterte ich Penthasileen nicht nur durch mein fleißiges Auffmercken in ihrer annehmlichen Erzehlung fort zu fahren / sondern ich ersuchte sie auch beweglichst / mir den wahrhafften Ursprung ihres Reiches nicht zu verschweigen /nach dem ins gemein so unterschieden hiervon geredet würde. Penthasileens Willfährigkeit überwog mein Verlangen / also fing sie hierauff gegen mir an: Unser erster und warhaffter Ursprung rühret von der Fürstin Vandala her / des Deutschen Königs Alemans Tochter / welcher zu seiner Leibwache / oder vielmehr zum Zeichen seiner über Menschen und Thiere habender Herrschafft stets einen Löwen an der Hand führte. Als dieser starb / theilten seine drey Söhne / Norich /Hunnus und Bojus die väterlichen Reiche vom Boristhenes biß an Rhein alleine unter sich; Welches ihre mehr als männliche Schwester Vandala / welche am allerersten unter den Menschen zu Pferde gestiegen /und so wohl das Reiten / als Kämpffen zu Pferde erfunden hat / nicht verschmertzen konte / sondern als ihre Brüder ihr ein gewisses Erbtheil abzutreten weigerten / ein grosses Heer von allerhand Weibern versammlete / und zwischen denen Brunnen der Weichsel und des Guttalus mit dem Bojus eine Schlacht wagte / selbten auch aus dem Felde schlug. Dieser Sieg verursachte / daß aus allen Enden des deutschen Reichs eine unzehlbare Menge Weiber / welche entweder der männlichen Herrschafft überdrüßig waren /oder durch die Waffen Ehre einzulegen getraueten /der Fürstin Vandala[522] zulieff. Diese Macht / oder vielleicht auch die Abscheu für grösserm Blutvergiessen brachte zu wege / daß die drey Brüder ihrer Schwester Vandala den Strich zwischen der Weichsel und dem Guttalus einräumten. Es verliebte sich aber in diese tapffere Vandala des Bojus Sohn / Tanausis / welchen sein Vater zum Könige der damahls um die Meotische Pfütze wohnenden Gothen gemacht hatte. Diesen tapffern Held vergnügte zwar die Königin Vandala /iedoch war sie nicht zu bewegen / daß sie ihn als ihren Ehherrn bey sich behalten / und die Herrschafft über ihr männliches Frauenzimmer mitgetheilet hätte; sondern er muste darmit vorlieb nehmen / daß sie ihm alle Jahr einen Monat bey ihr zu bleiben erlaubte / die Söhne / die sie gebahr / ihm folgen ließ / die Töchter aber für sich behielt. Eben zu selbiger Zeit bemeisterte sich fast gantz Asiens der Egyptische König Vexores / Sesostres / oder Sethos. Nachdem dieser das Reich der Aßyrier unter dem Könige Sosarin / und der Sycioner unter dem Imachus ihm zinßbar gemacht /schickte er an den Tanausis einen Herold mit Befehl /daß er sich seiner Herrschafft gleichfals unterwerffen solte. Dieser Deutsche König der Gothen ließ dem Vexores zur Antwort wissen: Es wäre grosse Thorheit / daß eines so reichen Volckes König durch Krieg bey denen etwas suchen wolte / die die Sebel für ihr gröstes Reichthum hielten / also alldar zwar keine Beute /wohl aber Verlust und ein zweiffelbarer Kriegs-Ausschlag zu besorgen wäre. Nach dem ihn aber ja so gelüstete / mit den Gothen anzubinden / wolten sie selbsten ehestens bey ihm seyn. Weil nun Tanausis der Königin Vandala Ehrsucht wohl wuste / machte er alles diß ihr eilfertig zu wissen / welche mit ihrem Weiblichen Heere sich nicht säumete den Gothen zu Hülffe zu kommen. Die grossen Ströme des Boristhenes / des Pantycapes / des Pacyris / und Gerrhus / und der Cimmerische Bosphorus / waren ihrer Ruhms-Begierde allzu geringe Hinderniße in Asien zu dringen. Tanausis / welcher mit einem starcken Heere über die Flüsse Tanais / Marabius / Rhambites / Psöpis / und Varadan gesetzt / und solche unter dem Coraxischen Gebürge stehen hatte / kam ihr biß in die Stadt Apaturus mit den fürnehmsten seiner Gothischen Fürsten entgegen; baute auch hernach wegen ihrer daselbst genossenẽ Vergnügung der Liebe einen prächtigen Tempel. Hierauff zohen sie mit einander an der Nord-Seite des Caucasischen Gebürges / und kamen in Iberien /bey der Stadt Harmastis gegen der Egyptier Vortrab zu stehen. Die Fürstin Vandala bat ihr gegen diesem wollüstigen Feinde allein zu fechten aus. Der unversehene Anblick eitel gerüsteter / und so männlich anfallender Weiber jagte denen Egyptiern alsbald ein grausames Schrecken ein. Denn / weil sie nicht glaubten /daß dieses schwache Geschlechte solcher Tapfferkeit fähig wäre / sahen sie sie für Gespenster an. Weil nun in Schlachten das Auge am ersten überwunden wird /dieses aber so denn dem Hertzen leicht den Muth benimmt / schlug Vandala nach weniger Stunden Gefechte den Feind aus dem Felde; welches in das grosse Königliche Heer nicht einen geringen Schrecken vor her jagte. Dieses traffen die Deutschen in Colchis an dem Flusse Hippus an. Beyde Heere wurden des Nachts in Schlacht-Ordnung gestellet / wormit sie bald / wenn es begunte zu tagen / mit einander anbinden könten. Vandala führte den rechten / Tanausis den lincken Flügel. Die auffgehende Sonne warff durch ihren Widerschein von der Egyptier güldenen Waffen / goldgestückten Kleidern / und Pferde-Decken denen Deutschen und Gothen einen solchen Widerschein in die Augen / daß sie bey nahe verbländet /und daher so wohl Vadala als Tanausis die Stirne ihrer Schlacht-Ordnung etwas seitwerts zu lencken genöthigt wurden. Beyde Heerführer[523] nahmen daher Anlaß ihr Volck auffzufrischen; Vexores: daß der Feind nicht einst den Glantz ihrer Waffen vertragen könte; Vandala und Tanausis aber / daß sie mit keinen abgehärteten Kriegs-Leuten zu fechten / sondern nur auffgeputzte Tocken / und eingebiesamte Weiber zu erlegen haben würden. Alleine den Egyptiern schauerte für Schrecken schon die Haut / als sie die deutschen Amazonen auff eitel schwartzen Pferden /und mit schwartzen Schilden gerüstet / die Gothen aber auff weißen Pferden mit Kohlen-berähmten Gesichtern und Armen wie der Blitz andringen sahen. Es ist freylich wohl rathsamer / fing Rhemetalces an / mit starcker als prächtiger Rüstung versehen seyn. Denn das Eisen / nicht das Gold ist von der Natur zu Waffen gezeuget. Und die Federn dienen wohl den Vögeln zur Flucht / aber nicht den Kriegsleuten zum Gefechte. Es wäre wahr / sagte Hertzog Herrmann / und wüsten die Deutschen insonderheit nicht viel von dieser den Feind nur zum Raube reitzenden / und an sich seilbst beschwer- und hinderlichen Eitelkeit. Gleichwohl aber wäre die Auffputzung der Kriegs-Leute nicht schlechterdings zu verwerffen; und hätten die zwey grossen Helden Philopömen und Käyser Julius die ihrigen prächtig ausgerüstet. Der köstliche Granat-Aepffel-Safft steckte in schönen / die Diamanten in heßlichen Schalen / und ein Helden-Hertze thäte in beyden Wunder. Zeno meldete / diesesmahl in dem schlechtesten Auffzuge. Uberdiß ereignete sich / daß /als die Schlacht nur angegangen war / Vexores von dem obersten Priester aus Memphis die traurige Zeitung bekam / daß des Königs Bruder und hinterlassener Stadthalter die Königin verächtlich hielte / mit des Königs Buhlschafften sich befleckte / und die Herrschafft an sich zu reissen trachtete. Dieses Unglück verwirrte den Vexores derogestalt / daß er seinen Kriegs-Obersten gantz widrige Befehl ertheilte / und also sein eigenes Heer in Unordnung brachte. Hingegen fiel auff einer Seite Tanausis / auff der andern Vandala die Egyptier wie Löwen an / an denen sie aber mehr zu schlachten / als mit ihnen zu kämpffen hatten. Alles was sich nicht an das Taurische Gebürge / oder die Nacht versteckte / kam durch die Schärffe des Schwerdtes um. Der König kam mit Noth auff den Fluß Phasis / und auff selbtem über das Euxinische Meer / in den Fluß Halys / daselbst stieg er aus /ging zu Lande durch Galatien / und Lycaonien / biß an den Fluß Cydnus / auff dem er in das Cilicische Meer schiffte / und bey Cypern vorbey gleichsam ohne Umschauen in Egypten ankam. Polemon fing an: Es ist diß ein merckwürdig Beyspiel / daß ein Feldherr mit einem unbekandten Feinde nicht leicht schlagen / auch nicht alles an die Spitze einer einigen Schlacht setzen solle. Ja / sagte Hertzog Hermann /auch / daß ein Heerführer nicht allein ein grosses Hertze / sondern auch in der grösten Verwirrung einer Schlacht einen auffgeräumten Kopff haben müsse; welcher alle böse Zeitungen verdäuen und verhölen /ja Zufälle und das / Unglück selbst zu seinem Vortheil gebrauchen könne. Also munterte der hertzhaffte Brennus seine bey währender Schlacht von einem Erdbeben erschreckende Deutschen auff: Sie solten nur tapffer ansetzen. Denn wie solte der Feind gegen denen stehen / für welchen die Erde zitterte. Und der großmüthige Marcomir hielt einsmahls sein Heer /von welchem etliche Geschwader durchgingen / mit diesen wenigen Worten in gutem Stande: Es ist gut /daß sich die Weiber bey zeite von den Männern absondern. Hertzog Jubil setzte bey / daß Ariovist zu der dem Käyser Julius gelieferten Schlacht einem ihm die Zeitung bringenden Kriegsknechte / daß seine Gemahlin getödtet wäre / unverändert geantwortet habe: du wirst mein Kebs-Weib meinen. Denn ich weiß von keiner andern Gemahlin / als meinem Reiche; diß aber[524] bestehet nicht in Berg und Thälern / sondern in denen hier hertzhafft fechtenden Seelen. Zeno fing an: Also hätte ihm Vexores auch helffen / und mit seinem Glücke nicht alsbald gar die Vernunfft verlieren sollen. Der Königin Vandala / und dem Tanausis hingegen wuchs mit dem Glücke die Klugheit / allen Deutschen aber durch diesen so leichten Sieg der Muth /und durch die reiche Beute die Begierde mehr zu erlangen. Dahero bemächtigte sich Vandala der zwischen dem Taurischen / und Moschischem Gebürge /wie auch dem Euxinischen Meere gelegener Länder /besetzte die Stadt Phasis / Sebastopolis an dem Flusse Acinasis / die Stadt Absyrtus an dem Fluße Absarus / Baute Xylina zwischen dem Flusse Pyxites / und Pritanus / besetzte die Flüsse Adienus / Ophis / Nyssus / und Melanthius / ja brachte biß an den Fluß Halys die gantze See-Küste unter ihr Gebiete; zwischen die Ströme Iris / und Thermodon aber baute sie ans Meer zu ihrem Königlichen Sitze die Stadt Themiscyra. Tanausis aber theilte sein Heer in zwey Theil / mit einem drang sein Bruder Parthes über den Caucasus in Hircanien / und durch die Caspischen Pforten in Meden / welchem sich des Vexores Unter-König Sorim gutwillig unterwarff. Dieser richtete daselbst von seinem Nahmen das berühmte Volck und Herrschafft der Parthen und Bactrianer auff. Das andere Theil führte Tanausis in Cappadocien und Lycaonien / daselbst liessen die Gothen ihre Weiber / Kinder und Alten unter dem Schirm der beyden Fürsten Ylinos und Scolopitus zurücke / überschwemmeten nicht nur das kleinere Asien / sondern auch Syrien / Mesopotämien und Assyrien; Sie wären auch biß in Egypten gedrungen / wenn sie die Pfützen von dem überlauffenden Nil nicht zurücke gehalten hätten. Tanausis baute in Syrien Hierapolis uñ Bethsan / und die Liebligkeit selbiger Länder verursachte / daß die Gothen nicht nur ihres kalten Vaterlandes / sondern auch der ihrigẽ in Cappadocien vergaßen; Ungeachtet sie ihre verlassenen Frauen beweglich zurück rufften /und aus den Nachbarn andere Männer zu erkiesen dräueten. Die Königin Vandala führte inzwischen mit den Sacken / einem Scythischen Volcke Krieg / überwältigte sie / und drang ihnen zur Königin ihre Base /die schöne und streitbare Zarina auff / welche hernach die Meden / und andere rauhe Völcker demüthigte /selbten mildere Sitten angewöhnete / und unterschiedene Städte bauete / also auch unter den Scythen die Frauen-Herrschafft / unter den Amazonen aber die Tugend und Tapfferkeit durch dieses Gesetze befestigte / daß keine / die nicht drey Feinde erlegt / und zwar nur alsdeñ / weñ sie vorher ihren Gottesdienst verrichtet / mit einem Manne Gemeinschafft haben dorffte. Weßwegen sie nach ihrem Tode vergöttert /und mit Auffrichtung einer Himmel-hohen steinernen Säule verehret ward. Als Vandala mit den Sacken kaum fertig ward / bey diesem Kriege aber sie fast alle ihre Macht aus dem kleinern Asien zurück gegen Norden gezogen / und zu Ampsalis ihren Sitz erkieset hatte / kriegte sie von denen in Cappadocien gelassenen Gothischen Frauen Nachricht: Nachdem die benachbarten Pamphilier / Paphlagonier und Armenier /die Gothischen Weiber in Cappadocien aller Mannschafft entblösset / und von ihren Männern gantz verlassen gesehen / wären sie mit gesamter Hand bey ihnen eingefallen / hätten auch beyde Fürsten Ylinos und Scolopitus erlegt / also wäre es um sie geschehen / da sie ihnen nicht schleunige Hülffe leistete. Vandala machte sich unverrücktes Fusses mit einem Theile ihrer streitbaren Weiber auff / über das Euxinische Meer / stieg zu Themiscyra aus / und traff die Gothischen Frauen an dem Flusse Iris in einem hitzigen Gefechte mit ihren Feinden an. Ihre schneidenden Schwerdter gaben dem zweiffelhafftem Siege bald einen Ausschlag; Die Feinde wurden meistentheils[525] nieder gehauen / und hierdurch daselbst ein neues Weiber-Reich auffgerichtet. Vandala baute auff der Wallstatt eine Stadt / und nennte sie zum Gedächtnisse / daß bey währender Schlacht sich ihr die Haarlocken auffgeflochten / sie aber solche biß zum Ende fliegende gelassen hatte / nach angenommener Griechischen Redens-Art Komana. In dieser Stadt richtete sie von eitel rothem aus dem Taurischen Gebürge gehauenem Marmel der Kriegs-Göttin unter dem Nahmen der Taurischen Diana einen prächtigen Tempel auff / ordnete hundert Priesterinnen dahin / darunter die Oberste nach der Königin die höchste Gewalt im Reiche hatte; Sechs tausend Gefangene machte sie zu Opffer-Knechten / welche aber auff gewisse Feyer einander selbst auffreiben musten. Die Griechen und alle andere Völcker verehreten hernach dieses Heiligthum für allen andern / und Agamemnon wiedmete darein das Opffer-Messer / wormit seine Tochter Iphigenia abgeschlachtet worden war. Weil auch einige bey ihnen nachbliebene Männer nicht mit in die Schlacht kommen waren / tödteten die Gothischen Weiber sie vollends / und nahmen hiervon den Nahmen der Amazonen und die erstern Gesetze der Vandala an; welche ihnen die zwey tapffersten Frauen Marpesia und Lampeto zu Königinnen fürsetzte / die ihnen ihre rechten Brüste den Bogen desto besser zu gebrauchen weggebrennet hatten / und sich des Krieges-Gottes und der Diane Töchter nannten / die erste auch einem Theile des Caucasischen Gebürges / aus dem die Flüsse Corax und Astelephus entspringen /ihren Nahmen zugeeignet hatte / weil sie die daselbst einbrechenden Scythen so hertzhafft zurück geschlagen. Vandala selbst aber kehrte wieder in ihr Nordliches Reich / alldar sie nach vielen Siegen endlich starb / von den ihrigen aber für eine Göttin und Fürbild der Tapfferkeit in unerleschlichem Gedächtniße behalten ward. Lampeto und Marpesia aber übten ihr Frauenzimmer an statt des verächtlichen Spinnens in Ritter-Spielen / theilten sich in zwey Heere ab; Marpesia bemächtigte sich Armeniens / und nennte denselbigen gantzen Strich des Caucasus nach ihrem Nahmen das Marpesische Gebürge / wiewohl sie hernach bey einem Einfall der Assyrer durch einen Pfeil tödtlich verwundet ward / iedoch erst nach erlangtem Siege ihren Helden-Geist auffgab. Dieser ihre Tochter Gorgonia verfolgte ihre Siege / fuhr auf dem Tigris über das Persische / und nach Erlegung der Araber über das rothe Meer / allwo sie dem Egyptischen Könige Horus der Isis Sohne ihre Tochter Myrina auff eine gewisse Zeit vermählte / und ein Bündniß auffrichtete. Von dar zohe sie durch die Cyrenische Wüsten in Numidien / baute zu dem Tritonischen See eine Stadt / und unterwarff ihr theils durch Tapfferkeit / theils durch Schrecken / indem die von ihr so genannten Gorgones ihre Schilde und Waffen mit Schlangen behingen / viel Völcker; Ward aber endlich durch Arglist vom Perseus erlegt. Nach ihr maßte sich der Herrschafft die Königin Myrina an / schlug die Einwohner in Cercene / worauff sich die andern Atlantischen Völcker ihr gutwillig untergaben. Von dar drang sie wieder in Arabien / bemächtigte sich der Syrer durchs Schwerdt / der Cilicier durch Schrecken /baute die Städte Cyme / Pitame / Priene und Mitilene. Blieb endlich in der Schlacht mit den Thracischen Königen Sipylus und Mopsus; Nach welcher Tode diese Amazonen wieder in Lybien zurück kehrten. Lampeto eroberte inzwischen auff der andern Seite Galatien / Pisidien / Cilicien / und ein Theil Syriens /baute die Stadt Smyrna / Cuma / Myrina / Paphus /Ephesus / und der Diane Wunder-Tempel; Ja endlich drang sie biß in Thracien. Vandalens Nachfolgerinnen aber machten ihnen auff der Nord-Seite des Euxinischen Meeres biß an den Einfluß der Tanais alle Völcker dienstbar. Marpesien folgte ihre Tochter Orithia /[526] welche ewige Jungfrauschafft gelobte / und die Stadt Sinope baute; der Lampeto ihre Tochter Antiope /welche zwey mit ihren Thaten die Welt also erfülleten / daß es eine Amazone zu überwinden so unmöglich /als den Himmel mit den Fingern zu erreichen gehalten ward. Wie denn deshalben Bacchus in dem Tempel zu Samos etlicher von ihm erlegter Amazonen Gebeine als ein grosses Wunderwerck aufhenckte. Daher als Hercules in Griechenland nach unterschiedenen grossen Verrichtungen / und insonderheit / daß er das goldene Fell aus Colchis geholt / und den an dem Caucasus angeschmiedetẽ Prometheus loßgemacht hatte / sich beym Könige noch grösserer Streiche vermaß / legte dieser ihm auf / einer Amazonischen Königin Gürtel zu bringen. Hercules nahm dieses auf sich / und die Gelegenheit in Acht / als Orithia mit den meisten Amazonen über den Phrat gesetzt war /zohe den Kern des Griechischen Adels / unter denen Theseus / Enneus / Thoas / Sokoan / Artolicus / Demeleon / Phlogius die fürnehmsten waren / an sich /segelte mit neun langen Schiffen durch die Thracische Meer-Enge über das Euxinische Meer in den Fluß Thermodon / schlug also des Nachts unvermuthet bey der Stadt Themiscyra ein Läger auf. Des Morgens schickte Antiope zu den Griechen / sie für Freunde haltende / welche nach Gewohnheit ihrer Landes-Art ihrer Liebe zu genüssen dahin kommen wären / allerhand Erfrischungen sie zu bewillkommen. Hercules und Theseus nahmen selbte an / luden die Amazonen mit allerhand Liebes-Bezeugung auf ihre Schiffe /wordurch sich der Königin Schwester Hippolyte nebst etlichen andern blenden / und also vom Theseus / der sich Augenblicks in sie heftig verliebte / fangen ließ. Hierauf forderte Hercules noch den Gürtel der Königin / oder er wäre entschlossen solchen mit Gewalt zu nehmen. Die Amazonen / wie wenig ihrer gleich ein heimisch waren / wolten ehe rühmlich sterben / als ihrem Ruhme durch Zagheit einigen Schandfleck anbrennen / oder auch nur sich in die Mauren zu Themiscyra einsperren lassen. Daher fielen sie auf die in voller Schlacht-Ordnung stehenden Griechen aus /nach dem sie vorher geloset / wie sie hintereinander auf den großmüthigen Hercules treffen solten. Die Griechen aber überfiel eine solche Furcht / daß Hercules dem Schrecken als einẽ Gotte opfern muste. Ismene fing hierüber an zu lächeln / und zu melden: Die Schwachheit unsers allzuviel redenden Krancken veranlassete mich die Thorheit der sonst so klugen Griechen zu verlachen / daß sie diß für Gottheiten verehren / was wir Deutschen für Schwachheiten / oder gar für Laster haben. Dergleichen allerdings die von dem schrecklichen Hercules angebethene Furcht ist. Ja /sagte Rhemetalces / und zu Athen stehen noch zwey Tempel / derer einer der Verachtung / der andere der Unschamhafftigkeit gewiedmet ist. Thußnelde fragte halb-entrüstet hierüber: Heist diß aber nicht unverschämt seyn? und ist es nicht eine offenbare Gottes-Verachtung / wenn man durch eine so lächerliche Andacht nur des Himmels spottet? Rhemetalces als ein Griechischer Nachbar röthete sich ein wenig über diesem Eifer. Wormit er nun nicht für einen / der an diesem Aberglauben Theil hätte / angesehen haben möchte / hob er an: Er wüntschte / daß die Athenienser ehe / als sie so verda liche Tempel gebaut / mit den Eleaten den weisen Xenophanes zu Rathe gefragt hätten; welcher auf ihre Befragung: Ob sie länger der Morgenröthe mit Heulen und Wehklagen opfern solten? ihnen vernünftig antwortete: Wenn sie die Morgen-Röthe für eine Göttin hielten / wären die Thränen nichts nütze; wäre sie aber eine Verstorbene / so verdiente sie kein Opfer. Ismene fragte: Was richtete Hercules aber mit seinem furchtsamen Opfer aus? Zeno sagte: Mit seinen von der Medea empfangenen Zaubereyen / welche ihn unverwundlich[527] machten /sonder Zweifel mehr / als mit seinem thörichten Gottes-Dienste. Wiewohl ich darfür halte / daß der gewüntschte Ausschlag weder eine falsche Andacht rechtfertige / noch ein widriger den rechtmässigen verwerfflich mache. Denn die gerechten Götter haben mehrmals so viel Ursache uns / als die Eltern ihren Kindern ihre Bitten zu versagen; denen Bösen aber ihre sie ins Verderben leitende Wüntsche zu gewehren. Ismene versetzte: Kriegte denn aber Hercules keine Wunde? Zeno antwortete / aus Penthafileens Berichte: Keine / aber wohl viel heftige Streiche /deren aber keiner durchdrang. Rhemetalces brach ein: Ich traue gleichwohl dem Hercules nicht zu / daß seine Festigkeit von Colchischen Künsten hergerührt haben solle / weil die Gemsen- und Siegwurz / die in dem Hertzen der Gemsen gefundene Kugel / und etliche andere natürliche Kräuter einen für allen Wunden versichern sollen. So müssen / sagte Jubil / die für Troja verwundete Venus / und andere Götter schlechte Kräuter-Verständige / und ohnmächtiger als die Zauberin Medea gewesen seyn / daß sie sich auch nicht unverwundlich haben machen / und Jupiter selbst seinen Sarpedon nicht erretten können. Zeno antwortete: Dem sey / wie ihm wolle / so blieb er doch fast alleine nur unversehret. Denn Antiopens Schwester Malpadia traff auf den Theseus / welcher der Griechen lincken Flügel führte / verwundete ihn auch zwar an dreyen Orten / sie ward aber von der Menge der Griechen umringet und gefangen; Aella traff auf den Hercules / von welchem sie aber verwundet / und aus dem Treffen zu weichen genöthiget ward. Dieser folgte die tapfere Philippis / welche Hercules bald im ersten Anbinden erlegte. Nach diesem griffen ihn Prothoe / welche auf einmal hinter einander sieben Helden überwunden hatte / Euribea / Celeno / Eurybia / Phobe / welche sonst mit ihren Pfeilen auf ein Haar traffen / ferner Deianira / Asterie / Marpe / Tecmessa / Auge / und die zu ewiger Jungfrauschafft verlobte Alcippe an. Alle diese wurden entweder vom Hercules verwundet oder erschlagen / also / daß sie alle darfür hielten / es müsse mit Kräutern zugehen /oder er kein verwundlicher Mensch seyn. Endlich wolte Antiopens andere Schwester Manalippe ihr letztes Heil an ihm versuchen / verwundete ihn auch an die Hüffte; sie fiel aber endlich auch in seine Hände / also / daß die Königin Antiope sich mit den übrigen Amazonen in Themiscyra flüchten / und /wolte sie anders ihre Schwester Menalippe loß haben / sie mit ihrem Gürtel bey dem Hercules auswechseln muste / welcher denn nach erlangtẽ Siegs-Zeichen mit seinen grösten theils auch verwundeten Griechen nach Hause kehrte / unterwegens aber gleichwohl durch eine Krieges-List sich der Stadt Sinope bemächtigte /und daselbst den Artolycus zum Fürsten einsetzte /dessen Schiff an einer Steinklippen zerbrochen ward. Die andere Schwester Hippolyte aber / wegen welcher sich Soloon aus verzweifelter Liebe in den Fluß Thermodon stürtzte / war durch kein Mittel zu befreyen /sondern sie ward dem Theseus / die wunderschöne Auge auch dem Hercules selbst vermählet. Als Orythia diesen Raub und schimpfliche Niederlage vernahm / munterte sie ihre Amazonen zur Rache auf / ihnen vorhaltende / wie vergebens sie sich des Pontus und Asiens bemächtiget hätten / da die Griechen aus ihrem Hertzen einen solchen Raub zu holen sich unterwinden möchten. Sie ersuchte auch der Königin Vandala Tochter Hipsierate / und den Gothischen König der Parthen Sagil des Parthes Sohn umb Hülffe / jene versprach ihr in kurtzer Zeit / so bald sie nur aus ihrem Scythischen Kriege zurück kommen würde / 20000. auserlesene Amazonen zuzuschicken; alleine weil König Sagils Sohn Panasagor mit 40000. Pferden zur Orythia stieß / wolte sie Hipsicratens Hülffe nicht erwarten / sondern zohe geraden Weges in Phrygien / und weil Priamus ihr den Durchzug verwehrte /schlug sie sein Heer aus dẽ Felde / worüber aber ihre Tochter Myrnita todt[528] blieb. Hierauf setzte sie über den Hellespont / und drang von dar biß in Peloponnesus. Gantz Griechenland hatte daselbst unter der Haupt-Fahne der Athenienser seine Kräffte versammlet / als es aber zum Treffen kam / gerieth Orythia mit dem Fürsten Panasagor wegen des Vorzugs in Zwist /und zohe dieser sich in sein Läger zurücke. Dessen ungeachtet / band Orythia und ihre Amazonen mit den Griechen tapffer an / und blieb der Sieg einen halben Tag zweiffelhafft / biß daß Orythia nach eigenhändiger Aufopfferung vieler Feinde / und insonderheit Hippolytens / welche für ihren Ehherren Theseus der Griechen Feldherrn an der Spitze wider ihre Schwestern am verzweiffeltesten fochte / tödtlich verwundet ward. Ob sich nun wol hierauf das Glück wendete; brachten doch die hertzhafftesten Amazonen ihre Königin aus dem Gedränge der Feinde / und zohen sich zurück-weichende in Panasagors Läger / darinnen Orythia mit Vergnügung / weil sie Hippolyten erlegt hatte / nach Vermahnung der Amazonen zur Tapfferkeit / und Benennung ihrer Tochter Penthasilea zum Reiche dieses Leben gesegnete. Die abgematteten Griechen wolten sich nicht wagen das Läger anzutasten / sondern liessen den Feind ohne einige Verfolgung wieder über den Hellespont in Asien setzen /und bauten zum ewigen Gedächtnüß auff den Siegs-Platz die Stadt Amazonia. Penthasilea verliebte sich im Rückwege in den König der Mysier Telephus / des Hercules und der Auge Sohn / und behielt ihn etliche Monat bey sich. Welche Liebe denen Amazonen aus Rachgier gegen dem Hercules höchst verdächtig und also verdrüßlich war / ungeachtet Telephus ihnen beym Ubersetzen allen Vorschub gethan / hingegen den Griechen / als sie zur Belägerung der Stadt Troja zohen / sich entgegen gesetzt / den Fürsten Timander getödtet / und / als er dem flüchtigen Ajax und Ulysses nachrennende mit dem Pferde stürtzte / von den Pfeilen des Achilles eine tödtliche Wunde bekommen hatte / die auch anders nicht / als mit Verbindung des verwundenden Eisens / zu heilen war. Dieser Liebes-Zwist kam endlich so weit / daß Penthasilea Monotapen / als sie ihr allzu hefftig einredete / durchstach /und hierdurch das Amazonische Reich in offentlichen Aufstand wider sich versetzte / also / daß sie mit einem Theile der ihr wohlwollenden Amazonen sich in Mysien flüchten muste. Wie nun Troja von den Griechen aufs ärgste bedränget / Hector auch schon vom Achilles erlegt war / meinte Penthasilea sich so wol an den Griechen zu rächen / als einen unsterblichen Nahmen zu erwerben; Zohe also den Trojanern zu Hülffe / erlegte daselbst etliche tausend Griechen /das unveränderliche Verhängnüß aber schickte es /daß sie nur auch von dem Schwerdte des grimmigen Achilles fallen muste. Unterdessen wurden die Amazonen in Cappadocien wegen der Herrschafft uneins /die benachbarten Völcker hingegen fielen von ihnen ab / und machten wider sie / als welche gleichsam zu ewiger Schande der Männer sie so lange mit Füssen getreten hatten / starcke Bündnüsse; also / daß sie sich endlich entschlossen selbige Länder zu verlassen; zohen daher durch Colchis zu ihren Schwestern / die unter den Nachkommen der Königin Vandala zwischen dem schwartzen und Caspischen Meere noch über viel Völcker herrschen. Unter der Reyhe dieser Königinnen war auch die hertzhaffte Tamyris / welche dem Scythischen Könige Madyes / mit dem sie einen Sohn Rhodobates gezeuget hatte / wider den Cyrus zu Hülffe kam. Denn nachdem dieser Asien und alle Morgenländer überwältiget hatte / stach ihn auch der Kützel der Scythen Meister zu werden. Madyes schickte seinen Sohn Rhodobates mit einem ansehnlichen Heere an den Fluß Araxes den Persen die Uberkunfft zu verwehren; Tamyris aber rieth / den Feind unverhindert überzulassen / und selbten zwischen die Engen des Taurischen Gebürges[529] zu locken. Rhadabates folgte im ersten / als aber Cyrus nach zweyen Tagereisen aus angenommener Furcht sein mit Wein und köstlichen Speisen angefülletes Lager verließ / bemächtigte sich dieser junge hitzige Fürst desselbten / darinnen sein gantzes Heer in Wein und Schlaff alle Tapfferkeit vergrub / des Nachts von den Persen überfallen / und biß auff den letzten Mann nieder gemetzget ward. Die Königin Tamyris suchte den Trost über den Verlust ihres einigen Sohnes nicht in weibischen Thränen / sondern in Rache; wiech daher mit ihrem Heere biß über den Fluß / welcher nicht weit von dem Caspischen Meere in Araxes fällt / und von des Cyrus erfolgter Niederlage hernach seinen Nahmen bekommen. Die übermüthigen Persen nahmen ihnen für nicht zu ruhen / biß sie ihr Reich biß an den Jaxartes oder Tanais erstreckt hätten / setzten also unbedachtsam über den Fluß Cyrus / allwo die Königin Tamyris mit ihren Amazonen sie aus allen Ecken des Gebürges überfiel / und zweymahl hundert tausend Persen niedersebelte / also / daß nicht einer darvon kam / der die Nachricht von dieser Niederlage in Persen zu bringen vermocht hätte. Cyrus selbst ward gefangen / und an ein Creutz genagelt / hernach ihm der Kopff abgeschlagen / welches Tamyris in einen Kessel voll Blutes warf / mit den Worten: Sättige nun allhier du unersättlicher Wüterich deinen Blutdurst. König Amorges / welcher mit seinen Sacken den Persen zu spät Hülffe leisten wolte / ward gleichfals aufs Haupt geschlagen / daß er mit Noth entran. Wie nun derogestalt die Amazonen mit ihrem Ruhm und Thaten die gantze Welt / mit ihrem Geblüte die grösten Reichs-Stüle erfülleten / daß sie nicht leicht von Feinden mehr angetastet wurden / sondern auch andere Völcker sie zu ihrer Herrschafft erkieseten; massen denn die Königin Semiramis in Assyrien / Cleosis in Indien des Amazonischen Uhrsprungs sind; Also haben unsere Königinnen genau beobachtet / daß sie keinen / der nicht ein König / oder aus Königlichem Geblüte ist / ihrer Liebe'genüssen lassen / wormit kein unedles Blut auff den Amazonischen Stul komme. Nach der Zeit trug sichs zu / daß die Königin Thalestris auff bewegliches Flehen des Persischen Königs Arses / dessen Vater Artaxerxes Ochus von seinem verschnittenen Bagoas ermordet / sein Fleisch den Mäusen zu fressen gegeben / die Beine zu Degen und Messergriffen verbrauchet worden waren / wider diesen Fürsten-Mörder und den auffgeworffenen König Darius Codomann / selbtem tausend Amazonen zu Hülffe schickte. Diese führte des Gothischen Königs Sitalces hertzhaffte Tochter Syeda / welche aus Begierde der Tugend zu den Amazonen kommen war. Alldieweil aber die furchtsamen oder meineidischen Persen den Arses und die Amazonen im Stiche liessen / wurden sie von den Feinden umringt; Bagoas / und die fast tödtlich verwundete Fürstin Syeda mit noch hundert Amazonen vom Medischen Unter-Könige Atropates gefangen / von diesem aber kurtz hernach dem den Darius überwindenden grossen Alexander verehret. Dieser großmüthige Fürst nahm sie mit grosser Höfligkeit an / und versetzte sie noch selbigen Tag in die Freyheit; wiewohl sie selbst Lust hatten eine Zeit unter seinen Fahnen zu kriegen. Weil nun die Macedonischen Fürsten sie täglich bedienten / und über ihrer Tapfferkeit sich verwunderten / ward die wieder genesene Fürstin Syeda mit einem Deutschen Fürsten Anthyr bekandt / dessen Vater noch über die Heruler herrschte / die Mutter aber aus dem Königlichen Amazonischen Stamme herrührte / und mit der Königin Thalestris Geschwister Kind war. Dieser junge Fürst war mit der Deutschen Gesandschafft zum Alexander kommen / welche zwischen ihm und dem[530] Getischen Könige Syrmus vermittelte / auch ihm unter Augen sagte / daß die Deutschen sich für nichts als für Einfallung des Himmels fürchteten. Weil nun dieser junge Fürst Anthyr grosse Gewogenheit von Alexandern genossen / und unter einem so grossen Helden durch tapffere Thaten sich berühmt zu machen begierig war; zohe er mit drey hundert deutschen Edelleuten ihm in Asien nach / und erlangte durch seine Hertzhafftigkeit nicht mindern Ruhm / als des Königs Gewogenheit. Welcher denn auch / als ihm Anthyr sein Anliegen eröffnete / bey der Fürstin Syeda ihre Gegen-Liebe / und endlich eine Heyrath zwischen beyden Deutschen Fürstlichen Personen zu wege brachte. Anthyr aber ward bald nach dem Beylager von denen Herulen und Varinen zur Herrschafft beruffen / weil seines Vatern Todt ihm diese eröffnet hatte; welcher denn mit denen Amazonen nach genommenem Urlaub von Alexandern unter einer Begleitung zwey tausend Macedonier biß an unsers Reiches Gräntze / bey der Königin Thalestris glücklich ankam / von dar aber mit seiner Gemahlin Syeda durch Sarmatien und über das Venedische Meer in ihr Vaterland verreisete. Ob nun diese zwey / fuhr Zeno fort / in Deutschland ankommen / wuste mir Penthasilea nicht zu sagen; Ich solte aber vielleicht allhier hiervon einigen Grund erlangen. Es ist wahr / antwortete die Fürstin Thußnelda alsofort: Denn dieser zwey Helden-Leute wird Deutschland nimmermehr vergessen; weil sie nicht nur Stargard / und andere Städte gebauet / sondern durch ihre Thaten verdienet / daß die Heruler ihnen zwey steinerne Ehrenbilder aufgerichtet; Welche noch als Anreitzungen zu rühmlicher Nachfolge von denen Deutschen in hohen Ehren gehalten werden. Des Anthyrs Bild ist in Riesen-Grösse / hat auff dem Helme einen güldenen Greiff. Der Schild aber bildet halb einen Ochsen / halb einen Pferde-Kopff ab / welchen ihm der grosse Alexander aus köstlichem Ertzte etzen lassen / und zum Gedächtnüsse verehret / weil er den Marden das abgenommene Pferd Bucephal wieder abgeschlagen. An dem Bilde der Königin Syeda hencken die Haare biß an die Waden herab / beyde Hände hält hinter dem Rücken / in einer einen güldenen Apffel / in der andern grüne Wein-Reben mit Trauben. Weil sie diese Früchte mit aus Asien gebracht / und zum ersten in Deutschland an der Donau zu pflantzen gelehrt haben soll. Dahero sie von den Herulen fast als eine Ceres verehret / und jährlich ihr geopffert wird. Diesen seinen Eltern folgte ihr Sohn / Anar / nicht nur im Reiche / sondern auch in Tugenden nach; welcher die Sarmatische Fürstin Oraja zur Ehe nahm / und mit ihr nicht geringere Ehren-Säulen verdiente. Ja dieses Geblüte und Tugenden leben noch itzt in dem Helden-Stamme der Herulischen / Rugischen und Varinischen Hertzoge / welche noch alle obigen Bucephals Kopff in ihren Schilden führen. Diese gute Nachricht / sagte Zeno / bekräfftigt mir gewaltig Penthasileens gantze Erzehlung; welche denn mir zugleich vermeldete / daß Alexander der Fürstin Syeda an die Königin Thalestris einen freundlichen Brieff überschickt / und sie zu sich beweglich eingeladen hätte. Aus dieser Veranlassung wäre die Königin Thalestris / welche doch vorher seinen Feld-Obristen Sopyrion mit seinem gantzen Heere in Albanien erschlagen hatte / mit drey hundert Amazonen dem grossen Alexander biß in Hircanien nachgezogen / und dreyzehen Tage / biß sie sich von ihm schwanger befunden / bey ihm verharret. Von dieser Thalestris wäre sie und ihre Schwester die Königin Minothea des Iberischen Königs Pharnabazes Tochter[531] noch übrig. Die andern Amazonen pflegten meist im Frühlinge auf die Gräntzen ihres Reiches sich zu verfügen / und alldar den Albanern / Iberiern /Gargarensern und Scythen beyzuwohnen. Die Amazonen hätten auch noch dem Mithridates wider den Lucullus ansehnliche Hülffe geleistet unter seinem Feld-Hauptmanne Taxiles / und dem grossen Pompejus nebst dem Iberischen Könige Artocus / und dem Albanischen Orezes nicht geringen Abbruch gethan.


Die Fürstin Thußnelda fiel dem Zeno in die Rede: Ich höre wol / es habe Zeno sich so sehr in die Tugend der streitbaren Amazonen verliebet / daß sein Gedächtnüß nicht eines von den Geschichten ihrer Tapfferkeit ihm entfallen lassen. Denn / ob schon Freundschafft und Liebe einander so gar nahe verwand sind / daß selbte offt Geschwister abgeben /jene auch gegen dieser mehrmals Mutterstelle vertrit; so sind sie doch / was das Andencken betrifft / einander insgemein himmelweit entfernet / indem die Freundschafft ihre der Ewigkeit würdige Wohlthaten nur in leichten Staub / die Liebe aber ihre ungefährliche Handlungen in den Marmel der Unvergeßligkeit eingräbet. Aber / warum vergisset Fürst Zeno den Uhrsprung seiner geliebten Erato auch denen Amazonen zuzurechnen / nachdem ihre gegen mich ausgeübte Thaten schon ihr Geschlechte verrathen hat. Die Königin Erato färbte sich über diesem Lobe / und versetzte: Sie könte nicht leugnen / daß ihre Vor-Eltern von mütterlicher Seite ihren Stamm von Amazonen herrechneten / und es wäre in Morgenland fast kein Fürstliches Hauß / welches nicht etliche Amazonische Schilde zwischen ihren Geschlechts-Kleinoden zeigete. Aber sie würde durch das Andencken ihres Zweykampfs nicht allein ihrer Unfähigkeit halber beschämt / also / daß sie entweder an so streitbarer Ankunfft zweiffeln / oder / ob sie nicht als eine Mißgeburt ihres Ursprungs Tugenden nicht geerbet hätte / sich über das Verhängnüß beklagen müste / sondern würde zugleich gezwungen in ihrem Hertzen der tugendhafften Thußnelda einen solchen Siegs-Krantz aufzusetzen /dessen keine behertzte Tamyris würdig wäre; weil sie mit ihren Waffen sich zwar ihrer Glieder bemächtiget / durch ihre gegen eine überwundene Feindin aber gebrauchte Sanfftmuth sich zu der Gebieterin ihrer durch euserliche Gewalt unzwingbaren Seele gemacht hätte. Diese ihre Tugenden beglaubigten ihr mehr / als das Zeugnüß der bewährtesten Geschichtschreiber /daß die Amazonen aus deutschem Geblüte entsprossen. Denn in ihren Augen wäre Thußnelda zwar nicht an Grausamkeit / wol aber an Tapfferkeit die vollkommenste Amazone. Thußnelda begegnete der Königin: Es hätten alle irrdische Dinge zweyerley Farben / nachdem man selbte entweder gegen dem Schatten /oder ans Licht stellte; alles menschliche Beginnen aber zweyerley Gesichter / also / daß sie uns bald schön / bald ungestalt fürkämen / nachdem nehmlich entweder die Klugheit / oder die Zuneigung der Menschen / oder auch wol gar der blosse Zufall eines für dem andern hervor zeigte. Diesem letztern alleine /nicht eigener Geschickligkeit habe sie beyzumessen /daß sie von einer so vollkommenen Königin nicht wäre überwunden worden. Das Glücke habe die Gewohnheit / daß es dieselben / welche es ohne Schuld mit vielen Ubeln drücket / zuweilen mit Zuwerffung eines unverdienten Obsieges von gäntzlicher Verzweiffelung zurück ziehe. Oder / daß ihre Unglücks-Wolcke durch einen entgegen gesetzten Sonnenschein so viel mehr scheinbar werde. Ja ein Loth des Glückes überwiege einen Zentner der Geschickligkeit. Also wäre es eine Ubermaß ihrer Gewogenheit / nicht ein Verdienst eigener Wercke / daß man Thußnelden nur mit dem Titel einer Amazonin würdigen wolte. Nein / nein / Durchlauchte Fürstin / fing Rhemetalces[532] an; auch ich muß ihr ihrer gegen die Römer ausgewürckter Thaten halber unter allen die Oberstelle bedingen. Ja ich wundere mich nun nicht mehr über die hertzhafftige Teuta / nun ich von dem Wunder unserer Nachbarschafft so viel lebendige Abrisse in der Schoos des streitbaren Deutschlandes finde. Die Königin Erato vergaß aus Begierde dieser Neuigkeit /der Fürstin Thusnelda Gegensatz zu beantworten; Lag daher Rhemetalcen mit einer beweglichen Höffligkeit an: Er möchte ihr doch die ihr unbekandte Teute bekandt machen. Rehmetalces erklärte ihr die Begierde zu gehorsamen; Aber sie würden entweder hierüber die annehmlichere Erzehlung des Fürsten Zeno vergessen / oder ihn doch in selbter irre machen. Zeno schlug sich also fort auff die Seite seiner Erato / und bat: Er möchte nicht allein sie hierinnen vergnügen /sondern ihm auch hierdurch Gelegenheit eröfnen ein wenig zu verblasen. So wird mein Verlangen des Fürsten Zeno selzamere Begebenheiten vollends zu vernehmen eine beqveme Verdeckung meiner Unberedsamkeit seyn / sagte Rhemetalces / denn ich werde mit einer unverhofften Kürtze abbrechen / und mich bescheiden / daß kurtze Reden / wenn sie gut sind /zweyfache Güte haben; ungeschickte aber durch ihre Kürtze die Helffte ihres Tadels verlieren. Diese Teuta hat zur Zeit / als Arsaces ein verstossener Sohn des Königs Aschki in Scythen und einer Amazonischen Königin der Parther Reich in Persien aufgerichtet / als eine Königin gantz Illyricum beherrschet. Ihr Vater soll Basan / eines Sicambrischen Königs Sohn gewesen seyn; von dem / und wie es mit Verheyrathung der Teuta hergegangen / uns der Feldherr besser / als ich iemanden unterrichten wird. Hertzog Herrmann übernahm alsofort diese Vollführung / und berichtete: Es wäre König Basan des Sicambrischen Fürsten Melo Anherr / ein Feldherr der Deutschen / und ein so strenger Handhaber der Gerechtigkeit gewest / daß /seinem Urtheile nach / er dem Lucius Brutus / und dem Spurius Caßius vorzuziehen wäre; indem diese wegen ihrer wider das gemeine Wesen verübte Verbrechen ihre Kinder / Basan aber / weil er eines Sicambrischen Edelmanns Ehfrau durch Ehbruch beflecket / seinen Sohn Sedan getödtet hätte. Da es doch bey andern Völckern nicht ungemein wäre durch Unzucht und Ehebruch gleichsam sich als einen Sohn des Fürsten sehen zu lassen. So unglückselig nun König Basan in diesem seinem Sohne war; so viel mehr Freude sahe er an seiner Tochter Teuta / welche nicht nur alle Tugenden des weiblichen Geschlechtes vollkommentlich besaß / sondern es auch an Tapfferkeit denen streitbarsten Helden zuvor that. Ihre Vollkommenheit erwarb ihr die Liebe des Volckes / ihre Tugend den Ruhm der Ausländer / und dieser die Beruhigung des Vaterlandes. Denn nachdem König Basan an seinem einigen Sohne Sedan das strenge Todes-Urthel ausgeübt hatte / hoben unterschiedene deutsche Fürsten ihre Häupter nach der Würde der Feldhauptmannschafft empor. Also gebahr dieser Ehrgeitz nicht allein einen bürgerlichen Krieg / sondern brachte auch die Sarmater und Dacier mit ins Spiel /daß Deutschland als ein siecher Leib nicht nur von innerlichen Würmern gefressen / sondern auch von euserlichen Pfriemern zerfleischet ward. Ja Rache und Mißgunst verbländete die Deutschen so sehr / daß sie über Vertilgung ihrer eigenen Mitglieder jauchzeten /das in ihren eigenen Städten und Saaten wütende Feuer mit Freuden toben sahen / und lieber eines nur Knechte unter sich leidenden fremden Fessel küssen /als eines einheimischen Fürsten väterliche Herrschafft erdulden wolten. Basan steckte derogestalt zwischen Thür und Angel; Denn die Ausländer wüteten auf die euserlichen Glieder Deutschlands / seine eigene[533] Landsleute aber in seinen Eingeweiden; wiewol er sein graues Haupt mit Abtretung seiner Würde zur Ruh zu legen mehrmals entschlossen war / wenn ihn nicht die Freyheit und Liebe seines zu seinem Verderben gleichsam sporenstreichs rennenden Vaterlandes zurück gehalten / und ihm alle Beschwerligkeiten erleichtert hätte. Die gantze Sache stand nun schier auff der Spitze / König Basan führte seine Sicambrer / das Haupt seiner Widerwärtigen / Thabor der Sedusier und Vangionen König mit seinen ihm anhängenden Daciern und Sarmatern / stellten ihre Heere gegen ein ander in Schlacht-Ordnung / und es hatte bey Gegeneinanderwägung beyderseitigen Machten das Ansehen / daß der seinen Feinden schwerlich an Macht gewachsene Basan den kürtzern ziehen würde; Alls ihm der Illyrier König Agron seine Freundschafft und Beystand zuentbieten ließ / welcher er ihn dreyen Tagen mit seiner Heeres-Krafft würcklich zu leisten versicherte. König Basan zohe zu König Thabors Verwunderung nebst seiner streitbaren Tochter Teuta sein Heer durch eine besondere Krieges-List über den Mäyn zurücke; vereinbarte sich auch mit den Illyriern so unvermerckt / daß die ihn gleichsam als einem verzagten flüchtigen hitzig-folgendem Feinde dessen nicht einst inne wurden / biß König Basan in einer neuen Schlacht-Ordnung sein fast zweyfach vergrössertes Heer dem unvorsichtigen Feinde entgegen stellte. Dieser unvermuthete Anblick siegte anfangs denen Augen / hernach die Klugheit Basans / die Tapfferkeit der Fürstin Teuta / und die Streitbarkeit des Königs Agron denen Waffen der Feinde ob. Basan erlegte eigenhändig den König Thabor / Teuta den Heerführer der Sarmaten / und Agron verdiente durch seine Helden-Thaten / daß ihm die Fürstin Teuta auff der Wallstatt vermählet ward. So viel weiß ich von dieser Heldin deutschen Verrichtungen zu erzehlen; das beste wird Fürst Rhemetalces fürzutragen wissen.

Dieser fuhr fort: Der Illyrer Reich hat Riphat gegründet / welchen einige irrig Illyrius heissen / und für des Cyclopen Poliphemus und Galateens Sohn halten. Ihre Tapfferkeit ist von uhralten Zeiten berühmt; also / daß sie denen behertzten Molossen in Epirus mehrmahls obgesieget / und in einer Schlacht ihrer über zehn tausend erleget. Hierauff haben sie den Meister über die streitbaren Macedonier gespielet / und ob sie zwar einsmahls von diesen / als sie der Anblick ihres mit in die Schlacht genommenen Königs Europus eines noch zarten Kindes zu verzweiffeltem Gefechte veranlaste / eine schwere Niederlage erlitten; so haben sie gleichwohl ihr Haupt wieder empor gehoben / den König Amyntas ihnen zinsbar gemacht / und ein Theil Macedoniens erobert. Nach dem aber die Illyrier unter einander selbst zwistig waren / also / daß die Scordiscier die Triballen aus dem Lande und biß über den Ister an das schwartze Meer verjagten / ja die Andierer und Liburnier /wie auch die Taulantier und Parthiner solch Reich gar unter einander theileten / und jene den Clitus / diese den Bardylis zu ihrem Könige erwehlten / brauchte sich der schlaue Philipp dieser Gelegenheit / und zwang nach einer blutigen Schlacht / in welcher er zwar siegte / aber nebst dem Verlust seines besten Adels verwundet ward / und nach Eroberung der Stadt Lissus am Flusse Drinus und dem Meere / dem Bordylis alles / was er in Macedonien besaß / abzutreten. Wie nun aber ein Fluß nur so lange sein Ansehn / daß man selbten nicht durchwaten könne / behält / biß man einen Furth dardurch gefunden; Also hält man ein Reich nicht länger für unüberwindlich / als biß selbtes einmahl einen Hauptstreich versehen. Dieses bewog Philippen[534] denen Illyriern immer ie länger ie mehr auff den Fuß zu treten; diese Geringschätzung aber die Illyrier / daß sie wider Philippen mit meinen Thraciern und Poeoniern ein Bündnüß machten. Aber König Philipp / welcher zu aller benachbarten Fürsten geheimen Rathhäusern einen güldenen Schlüssel hatte / kam ihnen mit seinem auserlesenen Heere zuvor /und schlug / ehe sie sich mit einander vereinbarten oder in Ordnung stellten / anfangs die Thracier / hernach die Illyrier und Poeonier. Ja weil das Verhängnüß durch diesen Philip zu der grossen Welt-Herrschafft Alexanders den Grundstein legen wolte / dessen stählernem Rade menschlicher Witz und Tapfferkeit vergebens zwischen die Speichen trit / und so wenig als ein Fels die Ausbrechung eines Qvelles oder die Herfürwachsung eines Cederbaumes verhindert; so brachte er es durch seinen glücklichen Parmenio so weit / daß sie ihn grossen theils für ihren Oberherrn erkennen musten. Wiewohl sie nun bey seinem Tode nach ihrer Freyheit seuffzeten / und unter dem Könige der Taulantier Glaucias nach dem Degen die Banden ihrer Dienstbarkeit zu zerschneiden grieffen; so war ihnen doch Alexander als ein Blitz auf dem Halse / und legte durch Besetzung ihrer Festungen ihnen einen solchen Zaum an / daß sie nur der Noth /und dem Verhängnüsse stille halten / also unter ihren Uberwindern den Ruhm ihrer Tapfferkeit zu erhalten trachten musten. Massen sie denn Alexandern in dem Persischen Kriege ansehnliche Dienste gethan / und für der erstern Schlacht mit dem Darius von Alexandern mit einer absonderlichen Rede beehret worden. Nach Alexanders Tode ward ein Theil des Königreichs Illyris dem Philo zu theile; welchen aber König Glaucias bald wieder des Reiches entsetzte. Dieser beherrschte seiner Vor-Eltern Reich mit grosser Klugheit / und setzte sich bey seinen Nachbarn in grosses Ansehen; also / daß nach dem der König in Epirus Eacides wegen unaufhörlicher Kriege mit den Macedoniern dem Volcke verhast / und aus dem Reiche verjagt / ja sein nur zwey Jahr alter Sohn Pyrrhus zur Auffopfferung vom Volcke gesucht ward / Androclites und Angelus diesen Knaben zu ihm flüchteten. Welcher / als er für den Glaucias und seine aus der Eacider Geschlechte entsprossene Gemahlin Beroe auff die Erden nieder gesetzt ward / und der König aus Beysorge den Macedonischen König Cassander allzu sehr zu beleidigen / ihn anzunehmen anstand /von der Erden aufstand / anfangs das Altar / hernach des Glaucias Mantel ergriff / und durch seine Thränen erweichte / daß er den Pyrrhus nicht allein aufnahm /und mit seinen Söhnen auferziehen ließ / sondern auch Cassandern / welcher gegen seine Ausfolgung ihm zwey hundert Talent bot / abweiste / und wie er zwölf Jahr alt war / ihn mit einem mächtigen Heere in Epirus führte / den König Alcetas erlegte / den Pyrrhus aber auff seinen väterlichen Stul setzte. Dem Glaucias folgte sein Sohn / Pleuratus / welcher denen Atheniensern behülflich war / daß sie die ihnen vom Demetrius auffgedruñgene Besatzung ausschlugen /und sich in Freyheit versetzten. Dieser verließ nach einer friedsamen Herrschafft / ob schon sein benachbartes Macedonien und Epirus sich gleichsam täglich in frischem Blute badete / den König Agron; dessen Kindheit schon den Illyriern grosse Hoffnung feine zu Land und Wasser aber in Bereitschafft stehende Land- und See-Macht den Nachbarn grosses Aufsehen verursachte. Denn er bemächtigte sich im ersten Jahre seiner Herrschafft des Eylands / Pharos und Corcyra / der herrlichen Stadt Epidamnus an dem Flusse Palamnus / und eines grossen Theils von Epirus. Welches alles noch mehr vergrössert ward / als er aus Deutschland sieghafft zurücke kam / und zum Siegs-Preiße die streitbare Fürstin Teuta zur Gemahlin nach Hause brachte.[535] Denn sie waren kaum in dem Königlichen Sitze ankommen / als die Mydionier durch eine herrliche Gesandschafft sich über ihre unruhige Nachbarn die Etoler beklagten / daß / weil sie sich ihrer Pöfel-Herrschafft nicht hätten untergeben wollen / sie von ihnen mit grosser Heeres-Krafft belägert würden / und dahero wider diese unrechte Gewalt Hülffe baten. Weil nun Königen die Vergrösserung bürgerlicher Herrschafft ohne diß stets ein Dorn in Augen ist; Uberdiß König Demetrius in Macedonien ihm ein grosses Stück Geldes für diese Hülffe darschoß; rüstete Agron in aller Eil hundert Schiffe mit fünf tausend außerlesenen Kriegsleuten aus. Die Königin Teuta wolte alsbald bey ihrer Ankunfft ihr einen Nahmen machen; Und daher verkleidete sie sich in einen gemeinen Kriegsknecht / und segelte ohne Vorbewust des Königs aus dem Hafen zu Narona mit darvon. Wie sie nun nach dreyen Tagen um Mitternacht an das Mydionische Vorgebürge kamen / gab die Königin sich dem verordneten Kriegs-Haupte zu erkennen / und befahl ihr allhier sein Ampt abzutreten. Hiermit befahl sie alsofort sich dem Ufer zu nähern /und auff Booten das Kriegsvolck in möglichster Eil und Heimligkeit auszusetzen; Alsofort aber alle Schiffe und Nachen vom Ufer wegzuführen / mit der Andeutung / daß sie entweder auff dem Lande siegen /oder sterben / keines weges aber sich ihres Schifzeuges zu schändlicher Flucht mißbrauchen wolte. Nach diesem machte sie die Schlacht-Ordnung / untergab dem Cleomenes das Fußvolck / sie aber führte die Reuterey. Die Etolier sahen zu ihrer höchsten Bestürtzung / als es anfing zu tagen / ein fremdes Krieges-Heer harte an ihrem Walle stehen. Ihre Vermessenheit verleitete sie gleichwol / daß sie ihr Kriegsvolck gegen die Illyrier aus dem Läger führten. Alleine dieser / und insonderheit der einer Löwin gleich kämpffenden Teuta Tapfferkeit brachte die Etolier /welchen die belägerten Mydionier auch in Rücken fielen / bald im ersten Angrieffe in Verwirrung / und kurtz hierauf in die Flucht. Von denen aber wenig Reuter entranen / alles Fußvolck ward erschlagen oder gefangen / und unter diesen auch der Etolische Zunfft-Meister. Also kehrte die Königin mit reicher Beute /aber grösserm Ruhme eilfertig zurücke; welcher die Mydionier eine Ehren-Säule aus Ertzt aufrichteten /mit der Beyschrifft: Der göttlichen Teuta / der Mydionier Erlöserin. König Agron / der inzwischen um die verlohrne Königin sich halb todt gegrämet hatte /ward durch ihre sieghaffte Zurückkunfft mit so übermäßiger Freude überschüttet / daß er davon / und nicht wie die mißgünstigen Etolier von ihm aussprengten / an dem durch Schwelgerey verursachtem Seitenstechen den Geist aufgab. Also kan das Gemüthe zu seinem Verderb nichts minder mit etwas gutem überschüttet / als der Leib durch gesunder Speisen Uberfluß gekräncket werden. Er verließ einen zwey jährigen Sohn Pines / welchen er vorher mit einer Griechin erzeuget hatte; die Königin Teuta aber ungesegnet. Denn es schien / als hätte die Natur diß /was es an Gemüths-Gaben ihr zuviel gegeben / durch Unfruchtbarkeit am Leibe wieder abbrechen / und jene Ubermaß mit diesem Gebrechen ausgleichen wollen. Teuta verwaltete das Reich mit einer männlichen Klugheit / und einer heldenmäßigen Tapfferkeit. Denn als die Messenier und Einwohner in Elis / welche in dem Illyrischen oder Jonischen Meere ihr Gewerbe und Schiffarth trieben / sich weigerten auf Corcyra den gewöhnlichen Zoll abzugelten / und deßhalben etliche Schiffe als verfallen eingezogen wurden; schickten die Eleer mit Zuziehung der Epirer unterschiedene Raub-Schiffe aus / welche auf der Liburnischen Küste so gar die königlichen Segel antasteten. Die Königin befahl hingegen alle fremde Schiffe auffzubringen / eilte selbst mit einer Kriegs-Flotte[536] in Peloponnesus / durchstreiffte und verwüstete der Eleer und Messenier Landschafft / rückte hierauf in aller Eil für die Stadt Phönice in Epirus / und nahm selbte durch Hülffe der darinnen liegenden 800. Gallier / mit welchen sie heimliches Verständnüß hatte / mit stürmender Hand ein. Zu der Uberwundenen Erinnerung /daß / wer Verräther zu seinen Gehülffen würdigt / von selbten billich betrogen werde. Denn diese von ihnen höchst unvernünftig zur Besatzung eingenommene Gallier waren wegen Untreu aus ihrem eigenen Vaterlande / und wegen Beraubung des Erycinischen Tempels aus den Römischen Diensten verstossen worden.

Ob nun wohl hierüber gantz Epirus die Waffen ergrieff / und an dem bey Phönice flüssenden Strome ein Läger gegen der Königin aufschlug / so musten sie doch ihre mächtige Heeres-Krafft theilen / und gegen der Enge bey Antigonia ein Theil abfertigen /weil der Illyrische Feldhauptmann Scerdilaidas mit 5000. frischen Illyriern daselbst einzubrechen im Anzuge war. Als Teuta dessen / und daß die sichern Feinde im Schlaf und Schwelgerey vertiefft wären /vernahm / machte sie des Nachts eine Brücke über den Fluß / gieng mit ihrem Volcke in höchster Stille über / überfiel mit dem Tage die Epirer / und schlug sie durch eine grosse Niederlage aus dem Felde. Diese rufften mit grossem Wehklagen und Fürstellung eigener Gefahr die Etolier und Achäer zu Hülffe; als nun aber die Königin Teuta mit dem Scerdilaidas im Wercke war / ihre Feinde anzugreiffen / kriegte sie von Hause Nachricht / daß die Insel Issa / die Stadt Epidamnus und ein Theil Illyriens sich den Dardanern unterworffen hätte. Dieses nöthigte die Königin mit den Griechen einen ehrlichen Frieden zu schlüssen /welche denn mit unsäglicher Beute an Silber / Vieh und Sclaven in Illyris zurück kehrete / nachdem für ihren Waffen gantz Griechenland erzittert war. Nach ihrer Heimkunfft brachte sie die meisten Aufrührer alsofort in die Flucht / und alles / ausser Epidamnus und Issa / zum Gehorsam. Sie schickte auch nach Rom eine Bothschafft / umb sich über den ihren aufrührischen Unterthanen geleisteten Beystand zu beschweren; welche aber schlechtes Gehör / und alleine diß zum Bescheide kriegte / daß die Illyrier durch Antastung etlicher Brundusischer Schiffe zum Kriege Anlaß gegeben hätten. Hierentgegen als Teute wider ihre Abtrünnigen zum Gehorsam zu bringen bemüht war / kamen Coruncanius von Rom / und Calemporus von dem Eylande Issa als Gesandten bey ihr an / welche beyde sie bey der Verhör mit ziemlich harten Worten antasteten. Daher sie den Gestanden der Insel Issa / die sie für Aufrührer und keiner Gesandschafft fähig zu seyn hielt / aus Eifer mit eigener Faust durchstach; den Römischen zwar fortreisen / auf dem Wege aber gleichfalls hinrichten ließ. Alldieweil auch die Stadt Dyrrachium mit dem Demetrius unter der Decke lag / segelte sie mit hundert Schiffen dahin ab / welche unter dem Schein frisch Wasser zu holen / mit ihren in den Kannen versteckten Degen sich zweyer Stadt-Thore bemächtigten / endlich aber / als sie wider die allzu grosse Macht sie nicht länger behaupten konten / zurücke zohen / und umb das Ceruanische Vorgebürge auf das Eyland Corcyra zusegelten. Nach ihrem Aussteigen / und für genommener Belägerung der Stadt / schickten die Etoler / Achäer / die Städte Appollonia und Dyrrachium eine ansehliche Kriegs-Flotte nach Corcyra; welcher aber die Königin Teuta mit ihrer und der Acarnaner ihrer Bundsgenossen Schiffen begegnete / unterschiedene feindliche und darauf den berühmten Acheer Marcus von Caryna versenckte / viel eroberte / und nach dem alle übrige die Flucht nahmen / das Eyland und die feste Stadt Corcyra zum Siegs-Preiße bekam. Wie sie nun hierauf Issa und Dyrrachium aufs neue belägerte / lendete der Römische Burgermeister[537] Cajus Fulvius mit 200. Schiffen unversehens zu Corcyra an / welchen der Königin Stadthalter daselbst / aus Verdruß einem frembden Weibe zu gehorsamen / und weil er aus etlicher Verläumdũg die Königliche Gnade gegẽ ihn etwas sincken sahe / dahin beruffen hatte / und den Römern nicht nur Corcyra und Pharos einlieferte / sondern auch verhalff / daß sie / nach dem Arlus Posthumius noch mit 22000. Mann von Brundusium übersetzte /die Stadt Apollonia / Dyrrachiũ / und Ißa / nach aufgehobener Belägerung die Pforten öffneten / die Parthiner und Atintaner / den Römern sich ergaben / die Stadt Nutria / wiewohl mit grossem Verlust / stürmend einnahmen. Teuta ließ bey der Untreu der Ihrigen und so widrigem Glücke gleichwol nicht den Muth fallen / sondern setzte sich an dem Flusse Rizon und der Stadt Buthoa feste / brachte es auch dahin /daß die Römer gegen Abtretung dessen / was sie Sud-Ostwerts gegen Epirus erobert hatten / welches alles sie dem Demetrius zur Verwaltung einräumeten / und gegen Versprechen / daß die Illyrier die frembden Küsten nicht mehr durch Raub-Schiffe beunruhigen wolten / mit ihr einen noch erträglichen Frieden eingiengen. Muste also diese streitbare Königin dißmal zwar / wiewohl sonder ihre Verwahrlosung / in einen sauren Apfel beissen; iedoch erwarb sie daraus den Ruhm einer besondern Klugheit / weil doch der Friede denen Siegern zwar schön anstehet / denen schwächern aber den meistẽ Nutzen schafft. Wie nun die Römer hierauf mit den Celten am Po in Krieg verfielen / verrauchten bey dem undanckbaren Demetrius der Römer Wolthaten; daher verleitete er nicht allein die Istrier und Atintaner der Römer Joch von den Achseln zu streiffen / sondern unterstund sich auch der Königin Teuta seine Liebe und Ehe anzutragen. Diese nahm solche Kühnheit für eine unverschämte Beschimpfung an / und ließ dem Demetrius zur Antwort wissen: Deutsche Fürstinnen wären ungewohnet sich zu ihren Knechten zu legen / noch weniger aber Teuta einen Verräther zu umbhalsen. Dieser schlechte Bescheid verwandelte seine Liebe in ärgste Galle. Denn diese beyde sind so nahe / als Honig und Stachel an der Biene beysammen. Wormit er aber seine Rache so viel leichter ausüben möchte / gewan er das Hertze der Tritevta des jungen Fürsten Pinnes Mutter. Dieser bildete er anfänglich für: Mit was Unrechte die Stief-Mutter Teuta sich der Illyrischen Herrschafft mit ihrer Ausschlüssung anmaßte / und wie ihr Sohn in äuserster Reichs- und Lebens-Gefahr schwebte; sintemal die Stiefmütter weniger als die Nattern ihr Gift von sich ablegen könten. Hiermit brachte er anfangs zuwege / daß auf ihr bewegliches Anhalten die Römer den Demetrius / welcher die Larve eines keiner schädlichen Gemüths-Regung unterworffenen Weltweisen ihm meisterlich fürzumachen wuste / zum Vormünden des Fürsten Pines erkläreten / und ihm seine Auferziehung nebst der Tritevta anvertraueten. Allein seine Wercke entlarveten zeitlich seinen Drachen-Kopf /und wiesen / daß die / welche von der Tugend und der Unempfindligkeit die grösten Streiche machen / meist der Stein-Fels aller anstossenden Neigungen / und der Strudel aller Laster sind. Denn er verleitete die einfältige Tritevta / nach dem das weibliche Geschlechte insgemein den Schimmer für die Güte einer Sache hält / in kurtzer Zeit dahin / daß sie die unvergleichliche Königin Teuta durch ein paar zugeschickte vergiftete Handschuch / wiewohl unwissend / tödtete / hernach diesen Meuchelmörder in ihr Ehe-Bette nahm /und den / welcher vorher die Königin Teuta als eine Stiefmutter verdächtigte / als einen Stiefvater aus blinder Liebe umbarmete / ohne Nachdencken / daß die Tyger durch keine Kirrung vollkommen zahm werden; sondern daß sie so denn / wenn sie ihre Zähne verstecken / mit ihren Klauen die Unvorsichtigen zu zerreissen gedencken; und daß die Schlangen /wenn sie schon[538] bey ihrer Beschwerung ihr Gift weglegen / selbtes doch bald / wenn sie aus dem Zauber-Kreisse kommen / wieder an sich ziehen. Dieses war das traurige Ende der wunder-würdigẽ Teuta / iedoch war von den Hochzeit-Fackeln der einfältigen Tritevta so wenig verbrennet / daß der Uberrest ihr noch konte zu Grabe leuchten. Denn weil die Herrschens-Sucht der Ursprung dieser Heyrath war / ward Tritevta fast ehe Leiche als Gemahlin. Der Hochzeit-Tag / der doch auch Sclaven heimlich ist / und ihren Ketten einen annehmlichen Klang zueignet / umbwölckte sich schon mit tausenderley Unvergnügen. Ja sie war in des Demetrius Bette kaum warm worden / als sie von seiner eigenen Faust durchstochen schon in dem Sarche erkalten muste.


O ihr Götter! rieff hierüber die holdselige Königin Erato. Warumb ist das Verhängnüß dem weiblichen Geschlechte so aufsätzig? Oder warumb ist das Glücke gegen die Tugend so eifersichtig? Warumb preßt das Elend die Thränen aus den schönsten Augen? Und warumb verdüstert der Rauch der Betrübnüsse die reinesten Kertzen edelster Seelen? Die behertzte Thußnelda antwortete ihr: Lasset uns weder dardurch der Tugend was ab- noch dem Verhängnüsse was auflegen. Jene hat ihre Vergnügung nicht in dem Tocken-Wercke des Glückes / sondern in der Ruhe des Gemüthes; nicht in der Ergetzligkeit des Pöfels / sondern in der Freude des Gewissens. Auch die durch gerechteste Göttliche Versehung in eine untadelhafte Ordnung versetzte Natur hat ihren herrlichsten Geschöpfen gleichsam eine Unglückseligkeit angekleibet. Keine gemeine Sternen / sondern nur die zwey grossen Lichter des Tages und der Nacht haben ihre scheinbare Flecken / und sind der Verfinsterung unterworffen. Der Blumen Königin die Rose pranget zwar mit dem schönsten Purper / sie wird aber von den Dornen am ärgsten verwundet / sie leidet am meisten von der Hitze des Mittags / und von den Sturmwinden der Mitternacht. Die Perlen werden in der Schoß des Ungewitters gezeuget / und die Corallen wachsen in dem bittersten Meer-Wasser. Hingegen blühen Napell und andere giftige Kräuter auf keinen Distel-Stengeln / und was der Pöfel für Glückseligkeit hält / ist eine Dienstbarkeit der Wollüste. Durch diese werden wir verderbet; ja sie hecket in uns schädlichere Würmer / als ein stets unbewegter Leib Maden. Das Unglück aber ist nicht nur die Artzney wider die Wassersucht des Gemüthes / sondern die Anleitung zur Tugend. Keine Laster haben eine solche Anmuth /daß sie nicht endlich ihre eigene Liebhaber anstincken. Und wenn ein Boßhafter auf Sammet liegt / so foltert ihn doch sein Gewissen; wenn sein Nahme gleich mit Gold an marmelnen Ehren-Säulen stehet /so verwandelt sie doch die Zeit in Kohlen. Ein unschuldiges Leben aber gibt einen so annehmlichen Geruch von sich / welcher auch in den garstigsten Kerckern die fauleste Lufft einbisamt / also / daß wir keinen Athem an uns ziehen; welcher nicht zugleich unserer reinen Seele ein Labsal / der Nachwelt aber ein erquickend Gedächtnüß abgebe. Dahero mag die Boßheit es uns so sauer machen / als sie kan / weil die Hoffnung zu siegen alle Verdrüßligkeit des Kampfes verzuckert / so zeucht die Tugend ihre Ruhe aus der Widerwertigkeit / und sie findet ihre Erlustigung mitten in der Unruh. Also hat die Zeit in ihrem Rade keinen Unglücks-Nagel / welcher der Unschuld nicht einen Weiser auf eine glückselige Stunde abgebe; und das Glücke kan auf sie kein so schäles Auge haben /welches sie nicht in einen Sonnen-Schein zu verwandeln wisse; denn auch das schli ste muß ihr zu Ausübung ihrer Gedult dienen.[539] Wenn endlich auch Glücke und Natur ihr gar viel abgewinnt / so sind es eitele Tropfen Wasser. Denn die Tugend zwinget ihre Feinde / daß sie sich mit Thränen oder einer Handvoll Bluts vergnügen müssen / welche sie aber vorher von der Natur überko en. Ja selbst in der Verzweifelung unter glüenden Zangen und siedendem Oele tröstet sie doch ihr Gewissen / und die Hoffnung eines herrlichern Lebens. Der Hencker selbst wird wider Willen ihr Erlöser / und der letzte Schlag zerbricht ihre Fessel / endiget ihre Pein / nicht aber ihr Leben. Denn in Wahrheit / so wenig ein Fürst sein Bild aus Golde giessen läst / daß er es in einen finstern Stall setze /so wenig hat die Göttliche Weißheit ihr Bildnüß in reine Seelen gepräget / daß es nur in der Welt in dem Elemente der Thränen und Dörner / zur Schaue / oder vielmehr zur Plage stehen solte; sondern sie werden in dem Schmeltz-Ofen dieser finstern Eitelkeit von den Schlacken ihrer Schwachheiten gesaubert / wormit sie in einer unendlichen Ewigkeit desto herrlicher gläntzen mögen.


Die Königin Erato umbarmte Thußnelden mit diesen Worten: Ich empfinde aus ihren heilsamen Lehren- nichts minder ein grosses Licht / als aus ihrem Beyspiele eine freudige Aufrichtung meines Gemüthes / wider die Verfolgungen des Glückes. Freylich muß man / wenn ich es recht bedencke / dem Göttlichen Verhängnüsse / wie ein Blinder seinem Leiter an die Hand gehen. Das Licht unsers Verstandes ist so tunckel / daß / wenn wir dardurch uns selbst erleuchten wollen / nicht weit ohne tödtlichen Fall kommen können. Diesemnach muß ich aus eigener Erfahrung enthängen / daß das Wehklagen über unsere Trauer-Fälle nicht weniger unrecht / als unnütze ist. Wir machen unsern Unverstand zum Laster / wenn wir der Göttlichen Versehung anmuthen / ihre unveränderliche Rathschlüsse umbzustossen. Wir sind mit sehenden Augen stock-blind / wenn wir zu Erleuchtung unsers abschüssigen Lebens ein heller Licht begehren / als dasselbte / welches die Sonne erleuchtet / und die Circkel der Sternen abmißt. Aber mich verlangt / hertzliebster Zeno / daß er nun wieder durch Verfolgung seiner Zufälle nicht so wohl unserer Begierde der Neuigkeit abhelffe / als mein zuweilen kleinmüthiges Gemüthe durch sein beständiges Beyspiel aufrichte.


Fürst Zeno antwortete ihr: Sie wäre geschickter andern ein Vorbild ihrer Standhaftigkeit abzugeben / als es von andern zu nehmen; und er vermerckte wohl /daß weil ihre Thaten nichts weibisches an sich hätten / belustigte sie sich zuweilen ihre Reden ihrem Geschlechte ähnlich zu machen. Er wolte aber durch Fortsetzung seiner unterbrochenen Erzehlung ihnen willigst gehorsamen; nur wüntschte er / daß sie derogestalt von seiner Erzehlung vergnügt würden / als er von Penthasileens. Denn dieser ihre hätte alsofort in ihm eine heftige Begierde gewürcket das Reich der streitbaren Amazonen selbst zu beschauen / welches er der liebreichen Penthasilea auch alsofort zu verstehen gegeben / iedoch vorhero / wie sie in die Hände der rauberischen Geten verfallen wäre / ihm vollends zu eröffnen gebeten.


Diese / fuhr Zeno fort / bemühte sich aufs beste mich zu vergnügen / fuhr dahero fort zu erzehlen: Es hätte des Getischen Königs Cotiso Tochter Syrmanis /welchem Käyser Augustus seine Julia hätte verheyrathen wollen / sich deshalben / daß sie des Käysers Gemahlin oder vielmehr sein Kebs-Weib werden sollen / zu den Amazonen geflüchtet / dieser hätten ihre Sitten so beliebt / daß / ob wol Cotiso vielmahl[540] mit Versicherung: Es hätte sich alle Feindschafft zwischen dem Käyser und ihm zerschlagen / sie zurück begehret / sie doch diese edle Freyheit zu verlassen nicht zu bereden gewest wäre. Wie nun ihr Vater alle Hoffnung seine Tochter in Güten wieder zu erlangen verzweiffelt / habe er solches durch List / nachdem er durch offentlichen Krieg es gleichfals nicht wagen dörffen / auszuüben getrachtet / und weil ihm verkundschafftet worden / daß die vornehmsten Amazonen um diese Jahres-Zeit den sehr alten an dem Ufer dieses Meeres dem Achilles zu Ehren gebauten Tempel zu besuchen / darbey allerhand Ritterspiele zu üben / und Ergötzligkeiten zu suchen pflegten / etliche Schiffe auff den Anschlag seine Syrmanis wegzunehmen ausgerüstet. Diese hätten sich etliche Tage vorher zwischen die am Ufer sich häuffig befindenden Stein-Klippen versteckt; Und als die Amazonen nach verrichteten Opffern und Ritterspielen gegen dem Abende um frische Lufft zu schöpffen an dem Meere gantz unbewaffnet sich erlustiget / wären die Geten mit blancken Degen herfür geplatzet / da denn sie fast am ersten wäre erwischt / und weil die Räuber sie ihrem nachmaligen Berichte nach / wegen ihrer prächtigen Kleider für die Königin angesehen hätten / auff das Schiff mit Gewalt getragen / und hierauff fort geführet worden; Ubrigens wüste sie nicht / wie es mit den andern abgelauffen seyn würde.

Mit diesen und andern annehmlichen Erzehlungen vertrieb mir Penthasilea / sagte Zeno / die Zeit / biß wir nach etlichen Tagen endlich glücklich in die herrliche Stadt Dioscurias ankamen. In dieser sind noch unterschiedene Denckmahle von den Argonauten / insonderheit aber der Tempel der Medea / und ihre aus Ertzt gegossene und rings umher mit Schlangen umflochtene Seule zu sehen. Nebst derselben stehet eine andere des jüngern Marsus / des Gothischen Königs Tanausis Sohn / welcher Meden / nachdem sie am Jason und seinen Kindern die grausame Rache ausgeübt / dem Hercules aber von seiner Raserey geheilet hatte / geehlicht / und mit sich in Deutschland geführet / allwo sie von den Marsen unter dem Nahmen Anguicia noch verehret werden soll.

Hertzog Herrmann fiel dem Fürsten Zeno allhier ein / und sagte: Es wäre wahr / daß die Marsen der Medea Gedächtniß verehrten / und insonderheit von ihr rühmten / daß sie sie wider die Schlangen / wegen welcher ihr Land damahls fast nicht zu bewohnen gewest wäre / ein bewährtes Mittel gelehret hätte. Ausser dem aber berichteten die Marsen / daß Hercules /Jason / und Medea selbst bey ihnen ausgestiegen weren. Denn wie sich die Argonauten mit dem entwendeten güldenen Widder geflüchtet / habe der Colchische König Eetes alsobald mit einer Schiffs-Flotte den Mund der Thracischen See-Enge besetzet; Weßhalben sie durch die Cimmerische See-Enge in die Meotische Pfütze / von dar auff dem Flusse Tanais nahe biß zu seinem Ursprunge gefahren / daselbst ihre Schiffe über Land in den Fluß Rah / aus dieser in den Fluß Vagus getragen / darauff in das grosse Nord-Meer / endlich bey Gades wieder in das Mittelländische Meer / und ferner in Griechenland geschiffet wären.

Fürst Zeno kam hiermit wieder in seine Erzehlung /daß er und Penthasilea / wie sie alle Seltzamkeiten zu Dioscurias beschauet hätten / nach der Stadt Pytius über den Fluß Corax / von dar endlich durch die vier hundert und achzig Stadien lange Mauer / welche die Colchier wider den Einfall der Amazonen an dem Berge Caucasus gebauet / ihren Weg über ein Theil selbigen Gebürges genommen / auch den andern Tag glücklich auff die Amazonischen Grentzen ankommen / und Penthasilea mit grossen Freuden bewillkommet; von dar in die am Flusse[541] Borgis liegende Stadt Ampsalis begleitet worden wäre. Das Geschrey / sagte Zeno / kam unserer Ankunfft zuvor / und also die Königin Minothea von Masetica uns entgegen; Welche mich als eine Erlöserin ihrer Schwester gleichsam auff den Händen trug / und uns erzehlte: wie sie bey dem Einfalle der Geten zu den Waffen kommen / selbte überwältiget / ja König Cotisons eigenen Sohn den Fürsten Oropastes selbst gefangen bekommen hätten. Die erste Frucht unserer Ankunfft war / daß Oropastes seiner engen Bestrücknis erlediget ward; nachdem sie sich bloß seiner um ihn gegen Penthasileen auszuwechseln so wohl versichert hatten. Hierdurch erfolgte / daß dieser tapffere Fürst zu mir eine ungemeine Zuneigung gewann / weil ich sein Volck überwunden / und ihnen seine Beute abgeschlagen hatte. Denn die Freyheit ist alleine der unschätzbare Schatz unter den Irrdischen. Ich würde etliche Tage dörffen zu Erzehlung aller Ergetzligkeiten / die uns die Amazonen mit Hirsch-Luchs- und Biber-Jagten / welche sich auch in dem See-Strande aufhalten / mit Reiger- und Phasan-Beitzen / die allhier ihr rechtes Vaterland haben / mit Ritter-Spielen und Durchschwemmungen der Flüsse / darinnen sie es allen andern Völckern zuvor thun / anstelleten; Also daß weder ich mich anders wohin / noch auch Oropastes nach Hause sehneten / und daher die Entschlagung ihres Vaterlandes der Fürstin Syrmanis nicht für übel haben konten. Mich vergnügte insonderheit / daß diese Amazonen viel anderwerts herrschende Laster auch mit den Nahmen nicht kannten / und also dieser ihre Unwissenheit viel heiliger / als sonst in der Welt die Erkentniß der Tugend ist; daß ihre Sitten mehr gutes / als anderwerts heilsame Gesetze stifften. Insonderheit ist ihnen die Anbetung Gold und Silbers / des Abgottes so vieler Menschen gantz unbekandt; daher sie in die Bäche / welche vom Caucasus abschiessen / und vielen Goldsand mit sich führen / zwar Schaaff-Felle hencken / und damit Gold sammlen; solches aber mehr zur Lust / als zum Geitze anstellen. Denn ihr gröstes Reichthum ist ein schnelles Pferd / ein guter Bogen und ein Zobelner Peltz. Unter dieser ihrer Unschuld aber / sind gleichwohl Liebe und Rache die hefftigsten Gemüths-Regungen. Diese verwandeln unsere Vergnügung allzu geschwinde in ein klägliches Trauer-Spiel. Denn die Königin Minothea und Penthasilea verliebten sich in den Fürsten Oropastes; Oropastes aber / ich weiß nicht aus was für einem seltzamen Triebe / in mich. Ich merckte diese Regung dem Oropastes zeitlich an / iedoch verstellte ich meine Wahrnehmung so lange / biß er seine Neigung nun nicht mehr mit Veränderung der Farbe und Seuffzern / sondern mit deutlicher Ausdrückung zu verstehen gab. Da ich mich denn Anfangs seiner Gesellschafft auff alle ersinnliche Wege entschlug / hernach seiner Liebe durch bewegliche Abmahnung abzuhelffen mich bemühete / und den Oropastes zu behertzigen ermahnte / daß ich aus Haß gegen die Liebe meine Eltern und Vaterland verlassen / und den Ariobarzanes verschmähet / inzwischen zwar Erde und Lufft / nicht aber mein Gemüthe verändert hätte. Aber ich befand /daß die / welche eine hefftige Liebe mit allzu grosser Kaltsinnigkeit zu stillen vermeinen / eben diß ausrichten / als die mit Oel das Feuer leschen; und daß es rathsamer sey / selbte mit Glimpff nach und nach abzukühlen / und sie sich an laulichter Begegnung wie die Wellen des stürmenden Meeres auff dem weichen Bette des kleinen Sandes abschlagen lassen. Weil nun Oropastes derogestalt sein gantz Hertze mir gewiedmet hatte / blieb nichts für die brennende Minothea und Penthasileen übrig / welche beyde für Liebe hätten zerschmeltzen mögen / sonderlich aber die letztere / welche ihren Brand für der Königin auffs vorsichtigste verdecken muste. Minothea konte sich endlich nicht enthalten / auff einer[542] Jagt in einer erkieseten Einsamkeit für dem Fürsten Oropastes / welcher zeither von allen ihren Anmuths-Blicken die Augen nieder schlug / für ihren Seuffzern die Ohren verstopffte /ihr gantzes Hertze auszuschütten / ihm alle ihre Schönheiten zu entblössen / alle ihre Annehmligkeiten zusammen zu raffen / und endlich ihre Rede zu schlüssen: Vermöchte er sie nicht aus Zuneigung zu lieben / so solte er aus Erbarmung sie nicht sterben lassen / oder doch selbst der annehmliche Werckzeug ihres Todes seyn / und mit ihren eigenen Pfeilen /(diese legte sie ihm mit Bogen und Köcher zun Füßen) ihrem elenden Leben abhelffen. Oropastes erschrack über dieser verzweiffelten Entschlüssung /wuste auch nicht / wie er der so hefftigen Königin vernünfftig begegnen solte. Nach etlicher Zeit Nachdencken / ersuchte er sie: Sie solte dem Verhängnisse nicht in den Zügel fallen / sondern seinen weisen Schickungen in Gedult und Hoffnung den Lauff lassen. Vernunfft und Zeit wären die zwey Dinge / ohne welche weder die Vergnügung noch die Glückseligkeit reiff werden könte. Er wäre des Stromes ihrer Gewogenheit / mit der sie ihn überschüttete / nicht würdig / und er bejammerte sein Unglücke / daß ein unversehrliches Gelübde / das er auff gewisse Zeit in dem berühmten Tempel Dianens an dem Ausflusse des Flusses Tyras bey seiner Absegelung gethan hatte / ihn hinderte dieser ihm angebotenen Süßigkeiten nicht zu geniessen. Ja weil er bey einer so vollkommenen Königin eine solche Ubermaß ihrer Gnade nicht verdienet hätte / trüge er nicht unbilliges Nach dencken / daß die Götter ihn hierdurch versuchten: Ob er seine Vergnügung nicht ihrer Furcht vorziehen würde? Die Königin Minothea muste sich mit dieser wichtigen Entschuldigung beruhigen; stieß also nach langem Stillschweigen die Worte aus: Ich nehme es für bekant an / Oropastes / daß dein Gelübde nur auff eine gewisse Zeit ziele / und daß ich in Hoffnung der Zeit und dem Verhängniße auswarten solle. Glaube aber / daß ich dich aus meinen Reichs-Grentzen nicht lassen werde / biß das Ziel deines Gelübdes erreichet worden sey. Hiermit verfolgte die Königin die Jagt /und ließ Oropasten nicht in geringer Bestürtzung zurücke; Welcher in tieffem Nachsinnen fast ausser sich gesetzet war / als ihn ein durch das Gestrittig dringender Hirsch gleichsam aus dem Schlaffe erweckte /welchem Penthasilea sporn-streichs nachsetzte / und selbten mit einem Wurffspiesse glücklich erreichte /gleichwohl mit dem in seinẽ Rücken steckenden Eisen seine Flucht verfolgete. Oropastes redete Penthasileen an: Ihr Wurff wäre gewiß ein Meisterstreich gewest /und müsse er sich wundern / daß dieses so hefftig verwundete Thier noch so flüchtig seyn könte. Penthasilea versetzte: Wunder dich vielmehr Oropastes über mir / daß ich noch lebe; denn ein viel schärffer Geschoß steckt mir nicht nur im Rücken / sondern im Hertzen. Wie nun aber Oropastes nur stille schwieg /und sie starr ansahe / hob sie abermahls an: O unbarmhertziger Oropastes! wie bistu doch viel grimmiger wider meine Seele / als wir Amazonen gegen das flüchtige Wild. Uber diesen Worten erblickte sie von ferne ihre einen Luchs verfolgende Schwester die Königin; Daher sie zu Vermeidung Verdachts sich Oropastens entbrechen / und der Spur ihres Hirschens nacheilen muste. Oropastes sahe nun wohl / daß Minotheens Hefftigkeit ihm nicht mehr Zeit ließ Fuß für Fuß in dem Liebes-Gewerbe gegen mich fort zu schreiten; Daher drückte er in einem mir bestimmten Schreiben die Pein seines Hertzens mit so brünstigen Worten aus / daß selbte gleichsam für Feuer raucheten / und / da ich nicht selbst seines Geschlechts gewest wäre / mich / wo nicht zur Liebe / doch zum Mitleiden bewegt haben würden. Unter andern klagte er darinnen über meine schwartze Augen / aus derer Finsterniß ein unauffhörlicher Blitz seine Seele verwundete; Wie sie denn wohl wissen / daß die Verliebten[543] nicht nur beredsam sind; sondern auch aus mittelmäßigen Dingen unvergleichliche Wunderwercke zu machen und aus gemeinen Brunnen Nectar und Honig zu schöpffen wissen. Zuletzt schloß er: Ich möchte doch den nicht ohne Hoffnung vergehen lassen / welchen eine Königin fruchtloß anbetete. Mir ging Oropastens Zustand zu Hertzen / und ich hätte ihm so gerne von seinem Irrthum und Gemüthskranckheit /als der in ihn verliebten Penthasileen zu ihrer Vergnügung geholffen; wenn ich anders mich hätte wagen dörffen die Larve meines Geschlechtes von dem Gesichte zu ziehen. Diesem nach entschloß ich mich dieses Schreiben Oropastens der Fürstin Penthasilea /welche überaus schöne schwartze Angen hatte / durch eine unbekandte Person unter seinem Nahmen zuzufertigen / theils ihr Gelegenheit zu geben sich dessen zu ihrem Vortheil über den Oropastes zu bedienen /theils durch meine so scheinbare Untreu ihm seine Liebe gegen mich zu vergällen / und also zweyerley Wunden vielleicht mit einem Pflaster zu heilen. Höret aber / wie mein Wohlmeinen so unglücklich ausschlug! Die Königin und Penthasilea waren nebst denen fürnehmsten Amazonen an dem Flusse Icarusa auff einem Lusthause / allwo sie ein Göttermahl angerichtet / und / was diese oder jene für eine Person vertreten solte / geloset hatten. Penthasilea ging allezeit in grüner Kleidung / und wie die Diana ausgeputzet; Zu allem Unglück aber war dißmahl das Loß derogestalt gefallen / daß Penthasilea die Juno / Minothea aber Dianen fürstellte. Der von mir zum Bothen erkiesete Edelknabe kommt bey schon anbrechender Nacht in der Demmerung dahin / wo sie in einem Garten sich mit allerhand Spielen erlustigten / verkennet in solcher Tracht die Königin für Penthasileen / welche ohne diß ausser den schwartzen Augen einander sehr ähnlich waren; Giebet also im Nahmen Oropastens sein Schreiben der Minothea. Diese nimmt / voller Freude und Begierde den Inhalt aus einer so ungemeinen Bothschafft zu erfahren / solches an / sondert sich alsbald von ihren Geferthen ab / erkennet aber bey dessen Durchlesung alsbald den Irrthum des Abgebers / wendet sich also unverrückten Fusses zu ihm /und fraget: An wen Oropastes diß Schreiben abzugeben befohlen? Dieser giebt nach meinem Befehl in voriger Meinung / er rede mit Penthasileen zur Antwort: An niemanden / als an Penthasileens selbst eigene Hände. Wohl! antwortete ihm die Königin /bringe deinem Herrn zur Antwort wieder / was dich deine Augen bald selbst unterrichten werden. Hiermit wandelte Minothea ihr Antlitz in ein Gesichte einer rasenden Unholdin / ging hierauf in den Hauffen ihrer Gespielin und fing an: Es ist nun genug gekurtzweilt /wir müssen auch ein Trauer-Spiel beginnen; Greiffet und bindet diese hochmütige Juno / welche uns nicht so wohl die Krone vom Haupte / als das Hertze aus unser Brust zu reissen gedencket. Alle Amazonen erstarrten / und hätten diesen Befehl für eine lustige Erfindung zu einem neuen Spiel angenommen / wenn die Augen der Königin nicht für Grimme Feuer ausgelassen / und ihr Mund für Boßheit gegeiffert hätte. Also / nachdem bey denen Amazonen der Ungehorsam / oder auch nur die Ursach oder Auslegung über einen Königlichen Befehl zu begehren ein sterbenswürdiges Laster ist / musten sie Minotheens Urthel an der für Schrecken erstummenden Penthasilea vollziehen. Die wüttende Königin aber ergriff einen Pfriemer / und stach der unschuldigen Schwester ihre wunderschöne Augen aus mit beygesetzten Worten: Thut mir nun mehr Eintrag bey dem unbesonnenen Oropastes. O des grausamen Urthels! O der kohlschwartzen Rache über die weisse Unschuld dieser schwartzen Augen! fing die Fürstin Thußnelda überlaut an zu ruffen. O der unmenschlichen Schwester / gegen welcher Panther- und[544] Tiger-Thiere für zahm und gütig zu halten sind! Ich gestehe es / sagte Jubil / daß ich kein rasendes Thier dieser Caucasischen Wölffin / ausser dem eyversüchtigen Wald-Esel zu vergleichen weiß; welcher alle seine von der Mutter nicht bey zeite versteckte männliche Jungen aus der Beysorge entmannet / daß sie seine Neden-Buhler werden würden. Auch diese Vergleichung / sagte Zeno / reichet noch nicht an die Grausamkeit der Minothea; Weil es sonder Zweiffel ärger ist / iemanden die Augen ausstechen /als entmannen. Wiewohl sie / um sich zu einem Muster einer vollkommenen Unholdin zu machen bey ihren eigenen Augen und Haaren schwur: daß sie Oropasten eigenhändig entmannen wolte. Hertzog Jubil versätzte: Minothea müste eitel Eigenschafften einer Schlange / und ausser der euserlichen Gestalt nichts Menschliches an sich gehabt haben. Jedoch wäre sei nem Urtheil nach der Schwur uñ der Fürsatz ihren kurtz vorher so sehr geliebten Oropastes so schändlich zu verstümmeln eine unmenschlichere Grausamkeit / als die Beraubung der Augen. Denn ob zwar diese dem Menschen der Beschauung tausenderley Schönheiten insonderheit der Sonnen / weßhalben etliche Weisen das menschliche Geschlechte erschaffen zu seyn geglaubet / entsetzte; so gereichte doch dieser Verlust zu einer Entfernung mehr Verdrüßligkeiten und Aergerniße. Derer gäbe es in der Welt so viel /daß einige die Schlaff-Zeit / da man die Augen zuthäte / für das beste Theil des Lebens hielten. Viel durch das Gesichte sich sonst zerstreuenden Kräfften der Seelen blieben in den Blinden beysammen / verbesserten ihre andere Sinnen / ja so gar ihre Vernunfft; also / daß weil die Natur / als eine gütige Mutter den Gebrechen in einem / mit andern Vortheilen zu ersetzen beflissen wäre; Die Blinden insgemein leiser höreten / empfindlicher fühlten / und überaus verschmitzt wären. Weßwegen der alle Weltweisen übertreffende Democritus sich selbst des Gesichts beraubet haben soll / damit seine verschlossene Augen des Gemüths zum Nachdencken geschickter werden möchten. Der blinde Tiresias hätte in die Begebenheiten künfftiger Zeiten einen so reinen Blick als kein Sehender / und aus allen diesen es eben so wenig iemand dem blinden Homerus nachgethan. Appius Clodius hätte zwar den Staar / aber wenn ihm iemand fürkommen wäre / dem er es hätte nachthun sollen / in Ergründung wichtiger Dinge mehr / als Luchs-Augen gehabt. Die weise Natur machte in Mutterleibe die Augen am letzten / als welche der Mensch unter allen Gliedern noch am besten entbehren könte. Viel kleine Thiere hätten gar keine Augen / des Maulwurffs wären mit einem Felle überzogen / also nichts nütze; und das grosse Wunder der Wallfisch wäre so übersichtig / daß er einen kleinen Fisch zum Führer dörffte. Im Scythischen Chersonesus kämen die Kinder /wie man von Hunden glaubte / blind auff die Welt; In Iberien unterm Caucasus solten ihrer viel nicht im Tage / sondern nur des Nachtes sehen. Ja unsere Lüsternheit suchte gar offt mit der Dido in Finsternissen ihre Ergetzligkeit / und die Andacht in den düsternen Tempeln ihre Entzückung von der Eitelkeit. Hertzog Herrmann setzte seuffzende bey: Wir blinde Menschen sind auch nicht einst fähig in die Sonne zu sehen; Wenn uns aber der Tod unsere blöde Augen wird zugeschlossen haben / hoffen wir ein so verklärtes Gesichte zu erlangen / welches in das grosse Licht der ewigen Gottheit zu sehen fähig seyn wird. Flavius fing an: Auff diß Geheimniß muß sonder Zweiffel die bey so vielen Völckern angenommene Gewohnheit zielen / daß die Priester denen auff die Holtzstösse gelegten Leichen / ehe sie verbrennet werden / die vor her von ihren Freunden zugedrückte Augen auffsperren. Zeno wendete sich gegen die zwey letztere Fürsten / meldende: Es wären dieses heilige Gedancken;[545] aber hoffentlich nicht zu Verminderung deß von der Minothea durch Ausstechung so schöner Augen begangenen Lasters angesehen. Wiewohl er versichert wäre / daß ein so edler Fürst / wie Jubil wäre / seine Vergnügung in keinem andern Finsterniße / als zweyer so schwartzen Augen / wie sie die unglückselige Penthasilea gehabt und geliebt / finden könte. Das Gesichte wäre im Leibe der edelste Sinn / wie der Verstand in der Seele; Und darum stünden die Augen auff einer so ansehlichen Höhe. Es wäre der gewisseste und geschwindeste Sinn. Denn das Gehöre wäre mehrmahls denen Verleitungen der Unwarheit unterworffen / und die Augen kämen mit ihrer Botschafft bey dem gemeinen Sinne viel zeitiger an / als die Ohren und das Fühlen. Alle andere Sinnen wären irrdisch / das Fühlen hätte die Eigenschafft der Erde /das Rüchen des Feuers / der Geschmack des Wassers / das Gehöre der Lufft; das Auge alleine wäre den Sternen ähnlich / und also was Himmlisches; Ja weil es in einem Augenblicke aus der Tieffe der Erden über viel tausend Sternen einen unbegreifflichen und geschwindern Flug als die Sonne selbst thun könte /gleichsam was göttliches. Die Natur hätte sonder Zweiffel auch das Gehirne als den Sitz der Vernunft von dem Brunnen des Lebens / nehmlich dem Hertzen nur deßhalben ins Haupt entfernet; Wormit sie nur eine Nachbarin der Augen / als Fenster der Seele seyn möge / zwischen beyden aber wäre eine sichtbare Verknüpffung. Sintemal die eusserste weisse Schale des Auges von der eussersten und härtern Haut des Gehirnes; die innwendige dünnere schwärtzlichte Trauben-Haut des Auges von der weichern Haut des Gehirnes das ädrichte Augen-Netze und Spiegel aus dem selbständigen Wesen des Gehirnes durch die Augen-Spann-Ader den Ursprung hätten / und also beyde aneinander hingen. Ja die Augen wären die Leiter und Pforten der Liebe; Ohne welche man die Welt für eine Wüsteney / das Leben für einen verdrüßlichen Traum halten müste. Wer wolte nun zweifeln /daß einen blind machen eben so viel sey / als einen Lebenden in ein Grab verschlüssen? Denn ob zwar der Verlust eines Auges im Menschen nicht / wie in einem Schweine / den Verlust des Lebens nothwendig nach sich zeucht; So wäre doch das Leben der Blinden nur ein Schatten des Lebens / und ein Blinder nichts besser als die in denen unter-irrdischen Flüssen befindliche Fische / welche Anfangs blind / hernach gar zu Steine würden / ja ein Todter unter den Lebenden. Die Natur hätte die Augen / um diese unschätzbare Werckzeuge in Sicherheit zu setzen / so tieff zwischen die Gebeine versetzt / auch mit Augenbrauen / Liedern / und zweyfachen Augen-Wimpern verwahret / über diß fast alle Thiere mit zweyen Augen versehen / wormit / wenn ja eines Schaden litte / das andere ihnen das unschätzbare Sehen erhielte / und das unvergleichliche Meisterstücke das Haupt um keiner andern Ursache wendbar gemacht / denn daß die Augen allenthalben sich umschauen könten. Ihre Runde wäre ein Zeugniß ihrer unwidersprechlichen Vollkommenheit / ja die Stoischen Welt-Weisen gäben dem Gesichte gar den Nahmen eines Gottes. Ein entmannter Mensch hingegen litte an nichts / als an seinen Nachkommen und an Wollust Abbruch. Wie viel aber wären nicht von Natur / sondern aus eigener Willkühr und Gelübde unfruchtbar? Zudem wären jene nicht aller Vergnügung entnommen / wo die allem Vieh gemeine Wollust bey dem Menschen nicht mehr in Verachtung / als in Werth zu ziehen ist. Die geilesten Weiber vergnügten sich mehr mit der Verschnittenen Langsamkeit und dem Schatten der Wollust / als mit einer männlichen Zuthat. Unter diesen wäre Cambabus bey der Syrischen Königin Stratonica so beliebt[546] gewest / daß sich ihm und ihr zu Liebe die meisten Höfflinge hätten verschneiden lassen. Die Assyrier hätten denen Persischen Königen jährlich eine gewisse Anzahl ausgeschnittener Knaben zinsen müssen. Alle diese behielten nicht nur ihre Haare und helle Stimme lebenslang unversehrt / ihre Schönheit und gesunden Kräffte biß ins hohe Alter; Weßwegen auch die allen andern unentmannten Menschen und Thieren tödtlichen Schwefel-Dünste bey Hieropolis in Asien ihnen nichts schadeten / sondern ihr Gehirne der Sitz der Weißheit bliebe ihnen unvermindert / welches sonst zu Zeugung des Saamens seine beste Kräffte beytragen müste. Daher wären sie iederzeit bey allen Morgenländischen Reichen die höchsten im Brete; ja nicht nur oberste Räthe / sondern auch Heerführer gewest / und von den Persischen Königen ihre Augen und Ohren genennet worden. Zu geschweigen / daß ihrer viel aus Andacht sich selbst verschnitten / weil sie in solcher Beschaffenheit eben so den Göttern reine Opffer zu bringen vermeinten /als die verschnittenen Thiere viel niedlichere Speisen als andere abgeben. Dahero die Mutter der Götter in dem Weltberühmten Phrygischen Heiligthume nur Verschnittene zu ihren Priestern würdigte. Ja der weise Aristoteles hätte den Hermias / dieses seines Mangels unbeschadet / so hoch gehalten / daß er ihm wie einem Gotte zu opffern kein Bedencken gehabt. Jubil begegnete dem Fürsten Zeno mit einer besondern Annehmligkeit: Er merckte wohl / daß Fürst Zeno mehr aus den Gesetzen seines Vaterlandes / als der Natur urtheilete / und hierdurch unvermerckt seinem Asien das Wort reden müste. Alleine die Deutschen hielten nichts minder als die Römer die Entmannung für eine härtere Straffe / als den Tod selbst. Daher Käyser Julius sich nicht hätte überwinden können des grossen Mithridates Sohn Pharnaces zu begnadigen / weil er von denen gefangenen Römern etliche hätte verstimmeln lassen. Die zu ewiger Fortpflantzung so begierige / ja keinen Augenblick ohne Bezeugung sich befindende / sondern stets schwangere und zugleich gebährende Natur müste für dieser Verstimmelung nothwendig die eusserste Abscheu haben. Daher sie auch in Zubereitung des Weiblichen Geschlechts so vorsichtig gewest wäre / daß zwar /wie Semiramis die Männer / also Andramytis die Weiber zu verstimmeln am ersten bemüht gewest / sie doch hierdurch ihrer Fruchtbarkeit nicht können beraubet werden. Wer vernünfftiges möchte auch den Raub der nichts minder edelsten / als zu Erhaltung der Welt höchst nöthigen Geburts-Krafft gegen den Gewinn einer glatten Haut / etlicher gekräuselten Haar-Locken / und einer weibischen nur zur Würtze der Uppigkeit dienenden Stimme verwechseln? und sich zu etwas machen lassen / was weder den Nahmen eines Mannes / noch eines Weibes führen kan / und in dem die Natur sich suchet / aber nicht findet? Wer wolte sich bereden lassen / daß durch ein Messer etwas schöner werden solte / welches / wenn es so gebohren würde / eine Mißgeburt hiesse? Uber diß wäre die Unfruchtbarkeit des Gemüthes meistentheils mit der des Leibes verschwistert; ja es schiene schier wider die Vernunfft zu seyn / daß ein Entmannter die männliche Tugend der Tapfferkeit an sich haben solte. Weniger schickte sich was so gebrechliches zum Gottesdienste; Und könten bey den Deutschen so wohl als bey den Hebreern weder die gekappten Thiere Opffer / noch die Verschnittenen Priester abgeben. Sintemal was in den Augen der Menschen unvollkommen wäre / Gott ohne Verkleinerung nicht gewiedmet werden könte. Hierdurch aber meinte er keinesweges denen schwartzen Augen der schönen Penthasilea einigen Abbruch zu thun / noch dem Fürsten Zeno zu verargen / daß[547] er über der Verfinsterung zweyer so schöner Gestirne seinen gerechten Eyver ausläst; wo anders nur die schwartzen zwey Sonnen der Königin Erato nicht eyversüchtig zu werden vermeinten. Zeno ward gezwungen über diesem Schertze zu lächeln / Erato aber sich zu röthen; Und zwar jener zu seiner Schutzrede anzuführen: Er liebte die Königin Erato so sehr /daß sie mit niemanden als ihrem eigenen hohen Stande zu eyfern uñ zu besorgen Ursache hätte; dieser habe etwan so viel Theil an meiner Seele / als ihre andere Vollko enheiten. Erato versetzte: das erstere wäre ein blosses Glücks-Geschencke; alles andere aber an ihr so mittelmässig / daß sie nicht schweren wolte: Ob die aus den schwartzen Augen der schönen Amazone gepflogenen Pfeile des Fürsten Zeno Schlüsse fiederten; Ihr aber würde ja niemand zutrauen / daß sie mit einer so unglückseligen Todten eyfern solte. Ja wenn Penthasilea auch noch gegenwärtig den Fürsten Zeno mit ihren schönen Augen beglückseligte / würden ihre kleinen Lichter so wenig mit ihren zu eyfern die unbesonnene Vermessenheit / als die Sternen in der Mittel-Strasse mit dem grossen Auge des gestirnten Ochsens sich zu vergleichen Ursache haben. Flavius brach ein: Unsere Augen widerlegen zwar der Königin von ihren eigenen Augen gefälltes Urthel / und wir sehen wohl / daß sie sie auch im Ansehen der Sonne gleich wissen will; welche / wenn sie über unserm Wirbel stehet / am kleinesten zu seyn scheinet. Alleine ist es denn der Eiversucht Eigenschafft / daß sie nur mit ihres gleichen in Krieg ziehe? Weil sie eine Schwester der Mißgunst ist / solte ich meinen / daß sie mit dieser die geringen Gestirne verachten / aber die grossen Monden-Kugeln anbellen solte. Die Königin antwortete: Ich halte diß für eine unrechte Schwester der Eyfersucht / oder vielmehr für eine Mißgeburt blinder Begierden. Wenn ein Kampff nicht zur Tollkühnheit / oder zum Gelächter werden soll / muß er gegen seines gleichen seyn. Eine Juno und Pallas mag wohl mit einer Venus / aber keine Arachne mit einer Minerve / kein Marsyas mit einem Apollo / und kein Thersites mit einem Achilles eifern. Thußnelde brach mit einem Uberflusse ihrer angebohrnen Anmuth ein: Ich begehre mich zwar nicht wider diß Gesetze der Gleichheit auffzulehnen; dennoch dörffte sie dieser tieffsinnigen Gesellschafft nicht verschweigen / daß die blauen Augen ihr eine Vollmacht auffgetragen hätten / zu erforschen: Warum die schwartzen ihnen allenthalben den Vorzug zueigneten? Sintemahl die blauen ja mit der Farbe des Himmels / die schwartzen mit der Hölle prangeten; jene vielmehr Feuer / diese mehr Wasser in sich hätten. Die schwartzäugichte Erato ward durch solche Höffligkeit genöthiget / die Seite ihrer eigenen Augen zu verlassen / und denen blauen Augen Thußneldens das Wort zu reden. Daher sagte sie: Ihre angeführte Ursachen sprächen den Himmelblauen Augen billich den Preiß zu. In ihren Augen wären auch keine schönere Edelgesteine / als die Saphire; keine schönere Blumen als die Hyacinthen / in der Mahlerey nichts kostbarers / als das vom Lasurstein kommende blaue /an welcher Farbe / und der ihr gantz nahe ko enden grünen die Augen selbst sich allein erqvickten; Hingegen weisse Dinge das Gesichte zerstreueten /schwartze die Augen-Strahlen zu sehr in die Enge drängten / die Röthe aber die Augen entzündete und blendete. Gleicher gestalt stächen die Pfauen mit ihres Schwantzes blauen Augen der Schönheit aller andern Vögel die Augen aus. Das schöne blaue wäre gleichsam der Schmeltz der Regenbogen; ja die schwartzen Augen selbst könten in ihrem den Aug-Apffel umgebenden Regenbogen dieser Himmel-Farbe niemahls gantz entbehren. Nein / nein / rieff die Fürstin Ismene. Die Königin wolte mehr ihren deutschen Augen / als der Würde der schwartzen liebkosen / welche schon für allen Richter-Stülen[548] das Recht wider alle andere Arten erlanget hätten. Diesem nach wäre es nun nicht mehr umb den Innhalt / sondern nur umb die Ursache des allenthalben / insonderheit aber von der Liebe angenommenen Urtheils die Frage. Aller Anwesenden Augen nöthigten die Königin von Ismenen das Wort zu nehmen / und sich zu erklären: Sie wüste weder von angezogenem Ausspruche / noch weniger von der Beypflichtung der Liebe etwas; welche / wenn es anders wahr wäre / daß die Mutter aus dem blauen Meere ihren Ursprung hätte / von Rechtswegen für schwartzen die blauen zu erkiesen schuldig gewest wäre. Salonine fiel ein: Soll sie denn die / welche sie unter ihrer eigenen Stirne getragen / selbst andern verächtlich nachgesetzt habẽ; da sie keiner andern Göttin den Preiß der Schönheit zu enträumen willens gewest ist? Erato antwortete: Ich erinnere mich wohl / daß Pallas von ihren grossen blauen Augẽ berühmt ist /und daß der Glantz blauer Augen eines tieffsinnigen Geistes Merckmal sey; daß aber die Liebe schwartze gehabt / darvon hab ich keine Gewißheit / ungeachtet die Mahler / welche ihre Unwahrheiten zu vertreten einen alten Frey-Brief haben / solche / ich weiß aber nicht aus was für einem Grunde schwartz bilden. Auch weiß die gantze Welt / daß das uns vom Apelles hinterlassene Ebenbild der Venus aus vielen schönen Antlitzen zusammen gezogen / des Praxiteles nach der Phryne / und des Adimantus nach des Königs Demetrius Schwester Phile gebildet worden. Wenn ich aber ja für die schwartzen Augen was vorträgliches sagen muß; weiß ich nichts anders / als daß sie wegen ihres vielen Wassers bey Tage / die blauen aber wegen mehrern Feuers in der Nacht heller sehen sollen. Aber auch die Sternen leuchten nur bey Nacht. Thußnelda fiel ein: Und die Sonne nur bey Tage; ja wo Sonnen und schwartze Augen sind / kan und darff keine Nacht seyn. Daher ich glaube / daß wie diß die schönsten Diamanten sind / welche die schwärtzesten Straalen von sich werffen / weswegen man auch denen allzu lichten schwartze Folgen unterlegt; also auch die diesen Edelsteinen gleiche Augen der Ausbund aller andern. Erato versetzte: Ich verstehe mich zwar nicht auf die Edelgesteine / welches die reinsten sind; diß aber bestätigen alle Naturkündiger / daß in schwartzen Augen die Crystallen-Feuchtigkeit viel Erde in sich habe / welche von der angebornen Wärmbde nicht genung geläutert werden kan. Dahero die in heissen Ländern wohnende Mohren / Indianer und Syrer fast alle schwartze / die Nordländer aber meist graue und blaue Augen haben; wenn ich aber von Gleichheit solcher Dinge die Schätzbarkeit der Augen messen solte / würde ich / meiner Neigung nach / auch hierinnen den blauen Augen den Vorzug zu geben gezwungen /weil in meinen Augen die Perlen schöner als alle Edelgesteine sind / dieser Schönheit aber meist in blaulichtem Glantze bestehet / als in einem scheinbaren Zeugnüsse / daß die Perlen mehr vom Himmel als vom Meere an sich haben. Fürst Zeno meynte seiner Erato beyzuspringen / meldete also / daß die klugen Serer die vielfärbichten Augen für die vollkommensten hielten / und insonderheit von ihrem hoch-schätzbaren Könige Yaus rühmten / daß er so gar vielfärbichte und wie Regenbogen spielende Augenbrauen gehabt hätte. Ismene fing an: Unter die Fürtreffligkeit der Augen wird fürnehmlich gerechnet: daß ein ander sich darinnen wie in einem erhobenen Spiegel besehen könne. Weswegen man die Verschwindung dieses Gegenscheins für ein unfehlbar Sterbens-Zeichen hält / und glaubt / daß drey Tage für iedes Menschen Tode man sich nicht mehr in des Sterbenden Augen bespiegeln könne. Weil nun die aus tunckelem Stale geschliffene / alle gläserne Spiegel übertreffen / ja diesen durch Anschmeltzung düsternen Bleyes noch geholffen werden muß / ist ausser allem Zweifel: daß die schwartzen Augen denen[549] sich bespiegelnden ihr Antlitz viel vollkommener / als andere / entwerffen müssen. Welches die Königin Erato / wenn sie daran zweifelte / alsbald in den schwartzen Augen ihres Zeno versuchen könte. Ja / allerdings / sagte Thußnelde / denn sie wird zugleich in diesem lebendigen Spiegel ihren Glücks-Stern wahrhafter erkiesen können / als die / welche in Achaien für dem Tempel der Ceres in einem biß an das Wasser eines heiligen Brunnes gelassenen Spiegel ihre künftige Kranckheit /Tod oder Genesung zu erfahren verlangen. Zeno war begierig nun wieder an seine Erzehlung zu kommen /fing also an: Er sehe wohl / sie würden über ihrem Augen-Stritte nicht einig werden / es wäre denn / daß die / welche vollkommen schön seyn solte / wie der Serische König Fohi / und Xunus / und etliche Scythische Völcker das grosse Glücks-Zeichen / nemlich /in iedem Auge zwey Aug-Aepfel / und zwar einen schwartzen und blauen hätte. Ihm aber hätten die erstarreten Augen seines zurückkommenden Edel-Knabens schon seine unglückliche Verrichtung wahr gesagt / ehe er noch berichtet / daß in der Königin Minothea grauen Augen Grimm und Rache / nicht nur Pferde / (wie die Thibier im Pontus in ihren Augen haben sollen /) sondern eitel Tyger und Drachen gebildet hätten / also aus ihnen eitel Mord und schwartzes Unglück gefahren wäre / und die in ihrem Gesichte aufgezogenen kohlschwartzen Wolcken ihm und dem Oropastes nichts als Blitz und Untergang dräueten. Weil nun / der Naturkündiger Meynung nach / in den Augen keine eigentliche Farbe wahrhaftig seyn /sondern nur zu seyn scheinen solte; überdiß die Verliebten meist übersichtig wären / und nicht so wohl was schönes liebten / als was sie liebten / für schön hielten / würde die hohe Versa lung ihm hoffentlich erlauben / von ihrem Augen-Streite Urlaub zu nehmen; wormit sie erfahren möchte / wie er und Oropastes sich von den tödlichen Basiliskẽ-Augen der erzürnten Taube Minothea entfernet hätten. Ich lasse aber / fuhr Zeno fort / so viel empfindliche Hertzen urtheilen: In was für eine Bestürtzung mich der Bericht meines Spornstreichs zurückkommenden aber kaum zu reden mächtigen Knabens versetzt habe /daß mein unvorsichtiges Beginnen der so holdreichen Penthasilea ihre Augen / und mit selbten wohl gar das Leben genommen hätte. Weil ich denn den Fürstẽ Oropastes ebenfalls in nicht geringer Gefahr zu seyn achtete / entschloß ich mich / ihm meinẽ Zustand /und diesen seltzamẽ Verlauff völlig zu entdecken. Wie ich nun in sein Zimmer kam / traff ich seine Schwester Syrmanis an / welche die gantze Nacht geritten war / und ihm bereit seine Gefahr berichtet hatte. Wir entschlossen uns also ohne lange Berathschlagung mit einander / und zwar umb so viel sicherer durchzukommen / nicht gegen das Euxinische Meer / sondern in das Taurische Gebürge zu flüchten; welches wir auch / nachdem wir zwey Tage und zwey Nächte nicht von Pferden gesessen waren / hernach mit erhandelten andern Pferden nach dreyer Tage und Nächte möglichster Forteilung erreichten / und in einer Höle / unter welcher der Fluß Borgis entspringet / bey etlichen Wurtzel-Weibern einen Tag ausruheten. Wir gaben für / daß wir nach Gewohnheit der dort herumb wohnenden Völcker / aus einer besondern Andacht den Tempel des Prometheus besuchen wolten / der auf denselben Stein-Fels gebauet ist / worvon ihn Hercules soll loßgemacht haben; erlangten auch unter diesem heiligen Scheine etliche Amazonische Weiber zu Wegweisern. Diesen Vorwand bestärckten wir durch die denen Amazonen / Massageten und Armeniern gewöhnliche Aufopferung unserer Pferde der Sonnen zu Ehren / als welche wir ohne diß über die steilen Klüffte nicht fortbringen konten / sondern Schuh aus rauchem Ochsen-Leder umb nicht zu gleiten[550] anziehen / und nur zu Fusse unsere Reise fortsetzen / ja uns mit Wurtzeln / Kräutern und Milch etliche Tage behelffen musten. Nach dem wir zehn Tage über die höchsten Gebürge / und unserm Bedüncken nach offtmals durch die Wolcken gestiegen waren /auch unterweges aus den Brunnen der berühmten Flüsse Abascus / Corax und Astelephus zu trincken das Glücke gehabt hatten / kamen wir endlich in ein sehr fruchtbares / und zu unserer höchsten Verwunderung mit Reben und Oelbäumen überdecktes Thal /darinnen ein einfältiges Volck wohnhaft ist / welches uns mit allerhand Erfrischungen erquickte / und diesen Winckel der Welt für das glückseligste Land preisete / darein von undencklicher Zeit die Begierde der Menschen keinen Feind geführet hätte. Wir traffen über die in unsern Landen bekanten herrlichen Früchte und Thiere allerhand uns unbekante Arten / und unter andern einen mit unzehlbaren Farben Federn geschmückten und einen Purpur-rothen Schnabel habendẽ Vogel an / welcher von einer Blume wächst / und nicht länger lebet / als die Blume tauret / also / daß er gleichsam für eine fliegende Blume zu halten ist. Gleicher Gestalt fanden wir ein Gewächse in Gestalt eines Lammes / das auf einem Stengel wuchs; eine den Jaßminen im Geruch gleich kommende / an Grösse und Vielheit der Blätter sie aber weit übertreffende Blume Mogorin / derer eine ein gantz Haus einzubisamen genung ist; Rosen / welche ihre Farben bald in Schnee / bald in Purpur verwandeln; eine Frucht /da Citronen und Pomerantzen streiffweise sich in einem Apfel vermählen; und endlich ein Kraut / dessen Genüssung traurige lustig macht / ja die Tieger-Thiere / die es allhier gab / waren gantz zahm / und die Schlangen eben so wohl von keinem Gifte / als die Einwohner / ausser der Liebe / von den schädlichsten Gemüths-Regungen / nehmlich / Ehrsucht / Geitz und Rachgier nicht eingenommen / also / daß diese Landschafft mit Rechte der Garten der Welt / und ein Meister-Stücke der Natur genennet zu werden verdiente. Auch Oropastes und Syrmanis daselbst so gar ihr Leben zuzubringen schlüssig wurden; mir auch / welchem ohne diß der Himmel meines Vaterlandes so ungütig gewest war / und dem in Abwesenheit meiner Erato alle Gestirne finster und schrecklich fürkamen /leicht die übrige gantze Welt vergället haben würde /wenn mich der innerliche Magnet nicht gezogen hätte meine Sonne auch unter dem eysichten Wirbel-Sterne aufzusuchen. Gleichwol schlug ich nicht aus mich in diesẽ Paradise von meinen überstandenen Verdrüßligkeiten ein wenig zu erholen. Denn wo wir hinkamen /waren wir angenehme Gäste / die Gärten und Aecker waren so wenig durch Gräntzmale / als alle Bedürftigkeiten durchs Eigenthum unterschieden / sondern der Uberfluß aller Dinge machte hier alles gemein / diese Gemeinschafft aber stellte die Wahrheit der ertichteten güldenen Zeit / das von Milch und Honig flüssende Land der glückseligen Inseln oder des so sehr beruffenen Eylands Taprobane für; also / daß wir seines Reichthums halber derselben Vorwitz verlachten / die umb die unnützen Spitz-Thürme Egyptens zu sehen /oder einen güldenen Widder zu holen alle Unlust und Gefahr des Meeres ausstünden / wegen seiner Einwohner aber es uns nicht anders als jenem von Corinth nach Sparta kommenden fürkam / daß wir alldar die ersten rechten Menschen sehen. Die Einwohner wusten wenig von unsern Göttern / sondern stunden wegen etlicher von andern Völckern erfahrner Nachrichten in denen Gedancken / daß / ausser ihnen / die gantze Welt das Glücke für seinen Gott anbetete / und ieder Mensch nach dem Triebe des blinden Glückes insgemein aus seiner thörichten Einbildung / offtmals auch aus schändlicher Mißgeburt ihm einen Abgott /die meisten Laster aber zu einem Gottes-Dienste machte. Es ist wunder / sagte Hertzog Herrmann / daß[551] diese heiligen Leute / da ihnen niemand anderer Völcker Thun aufrichtig entdeckt / glauben / daß sie Menschen sind / weil sie insgemein im Bösen andere Thiere übertreffen. Noch mehr aber befrembdet mich /daß sie in den Kreiß ihrer Ruhe aus der andern stürmerischen Welt einigen Frembden einlassen. Allein ich bin wohl begierig dieses unschuldigen Volckes Gottes-Dienst zu vernehmen. Zeno fuhr fort: Als wir eben diß von ihnen verlangten / führten sie uns in die Mitte ihrer Landschafft / und zeigten uns auf einem lustigen mit fruchtbaren Bäumen und kräfftigen Kräutern bewachsenem Hügel ihren einigen Tempel. Dieser war ein von dreyhundert Himmel-hohen Cedern umbsetzter Umbkreiß. In der Mitte stand das alabasterne Bild ihrer einigen Göttin / nemlich der Natur. Den einen Fuß hatte es auf einer ertztenen / den an dern auf einer gläsernen Kugel / hiermit auf den Erd- und den Wasser-Kreiß zielende. Das Haupt war mit der Sonne bekleidet / an der Stirne hing der Monde /das Halsband war eine Reye fünckelnder Sterne; umb den Leib trug sie einen Gürtel / darauf die zwölff hi lische Zeichen gepräget waren. Aus der rechten Brust spritzte sie Wein / aus der lincken Milch / aus dem Geburts-Gliede Wasser / welches sich in einer Schale von Agat zusammen vermischte / und in einer verborgenen Röhre auf das Altar der Göttin geleitet ward. Auf der äusersten rechten Hand stand das Zeichen des Schwefels / und in selbter hielt sie eine nie verleschende Ampel; unter dem lincken Arme ein Horn des Uberflusses / welches mit tausenderley Früchten und Blumen erfüllet war. In dem lincken Hand-Teller war das Zeichen des Saltzes / und aus einem Glase troff fort für fort Oel in die Schale. Auf dem rechten Fusse stand das Zeichen des Quecksilbers in der Mitten /und umb selbtes herumb des Goldes / des Silbers /des Kupfers / des Zienes / des Eisens / und des Bleyes. Auf dem lincken Fusse des Spießglases / des Salpeters / und anderer Berg-Gewächse. Zwischen den Zehen stachen Corallen-Zapfen / Purpur- und Perlen-Muscheln / rauhe Diamante und andere Edelgesteine herfür. Der Rücken war über und über / nach Pythagorischer Art mit eitel Ziffern bezeichnet; als welcher lehrte / daß die gantze Natur von nichts als Zahlen bestünde. Dieses Sinne-Bild der Natur / und die Freundligkeit des uns anweisenden Priesters vergnügte uns überaus / veranlaßte auch uns ihn so wohl umb den Ursprung dieses Gottes-Diensts / als die Art der Verehrung zu fragen. Der Priester unterrichtete uns: Dieser Gottes-Dienst wäre so alt als die Natur selbst /und darumb auch der reineste / ja nicht allein den Menschen / sondern allen Geschöpfen gemein. Denn nicht nur der Mensch mit seiner Sprache / die Nachtigal mit ihrem Gesange / sondern auch die Löwen lobten mit ihrem grausamen Brüllen / die Pferde mit ihrem Wiegern / die geringschätzigen Raben mit ihrem unartigen Geschrey / das Gewürme mit seinem ohnmächtigen Athem-holen ihren Schöpfer. Nicht nur die Sonnenwende durch ihre Umbwendung / das Gewächse Acacia / wenn es seine Blätter von Mitternacht biß an Mittag aufnach der Zeit aber zuschleust; ein ander Kraut / wenn es mit der untergehenden Sonne verwelcket / mit der aufgehenden wieder grünet / ein anders bey untergehender Sonne seine hohe Farbe in blaue Trauer-Farbe verwandelt / ein anders des Abends seine Blätter in eine Knospe zusammen zeucht / früh aber wieder ausbreitet / bezeugeten ihre Andacht gegen ihrem Ursprunge; sondern auch der Trauer-Baum / der des Tages seine Blätter abwirfft und welck wird / des Nachts hingegen frische wohlrüchende Blumen[552] beko t / der Glantzbaum der des Nachts mit seinem Scheine die Finsternüß erleuchtet /ja alle und iede Kräuter gäben mit ihren wunderwürdigen und dem unachtsamen Menschen noch grossen theils verborgenen Würckungen ihre Danckbarkeit gegen ihrem ewigen Schöpffer zu verstehen / und dienten Gott unbefleckter als die alberen Menschen /welche das durch eine unzertrennliche Einigkeit in einander verknüpffte Wesen der Natur / oder vielmehr den einträchtigen Einfluß des Schöpffers zergliederten / und wenn dieser die Sonne / ein ander die Sternen /der dritte die Erde / der vierdte das Wasser / der fünffte das Feuer / etliche nur Bäume und Steine anbeteten / das Stückwerck für das gantze verehreten / oder vielmehr Gott den alles beseelenden Geist in ein so enges Gefässe einsperreten. Da doch sie mit Augen wahrnehmen / daß die Zeder einen grössern Raum zu seinem Wachsthum / als der Isop bedürffe. Ja der Mensch / das unvollkommene Nachbild Gottes liesse sich nicht in einen Wald wie der Elefant / nicht in eine Wiese / wie das Pferd / nicht in einen Seebusem /wie der Wallfisch / nicht in einen Teich / wie der Schwan / nicht in eine Pfütze / wie der Frosch / noch auch allein in die weite Lufft / wie der Adler einriegeln / sondern die Erde sey ihm zu seichte; er durchgrabe ihre innersten Eingeweide / daß Gold und Silber seinen Geitz sättige; Er baue Wolcken-hohe Schlösser in die Lüffte / seinen Hochmuth zu vergnügen; Er fahre über / und in die Tieffen des Meeres /um seiner Eitelkeit Perlen / Corallen und Ambra zu opffern; ja seine Gedancken meisterten den Lauff und die Würckung der Gestirne; sein Nachdencken lösete die Rähtsel auff / die die ewige Versehung mit verborgenen Ziffern in die Himmels-Kreisse verzeichnet; und die Schrancken der Natur wären der Grösse seines Gemüthes / oder seinen unmäßigen Begierden zu enge. Wie viel weniger könte nun ein Stern / oder was geringers / ein genungsamer Begriff einer unermäßlichen Gottheit seyn? Diesemnach wäre zwar eine Eichel / aus der so ein grosser Baum wüchse / eine Biene / die so künstlich baute / eine Ameisse / die so sorgfältig wäre / eine Schnecke in ihrem Wunder-Hause / eine Muschel / in der die Natur mit so viel Farben spielet / ein kleiner Stein / der das Zu- und Abnehmen des Monden fürbildet / ein gläntzender Nachtwurm mit seinem Wunder-Lichte ihnen ein genungsamer Beweiß einer wahrhafftigseyenden / kein Geschöpffe aber / ja die gantze Welt selbst nicht ein anständiges Behältnüß einer unumspannlichen Gottheit. Es sey zwar die Grösse der Himmels-Bogen mit der Geschwindigkeit der darinnen geschehenden / und die Blicke der Augen übereilenden Bewegungen unbegreiflich; Die Schönheit und Eigenschafften der zwar nicht nach der Schnur oder dem Zirckel eines Feldmessers gesetzten- aber mit einem gewissen Lauff und durchdringenden Tugenden begabten Gestirne / in dem wie iedes Kraut / also auch ieder Stern seine absonderliche Würckung hat / unermäßlich; die zwey grossen Lichter Sonne und Monde / derer jene die Erde erwärmte und trocknete / dieser die Meere benetzte / und die Pflantzen bethaute / jene den Tag /dieser die Nacht erleuchtete / jener dem Jahre / dieser den Monaten ihr Maaß gäbe / wären zwar die zwey Wagschalen der Zeit / die zwey Pfeiler / an denen die Wunder der göttlichen Versehung geschrieben wären; Alleine wie ein hundertäugichter Mensch viel zu wenig Augen hätte den Himmel genungsam zu betrachten; also wären die fünff Sinnen viel zu wenig die Fruchtbarkeit der Erde / welche täglich mit neuen Gewächsen unserer eckelnden Zärtligkeit abhülffe / zu genüssen / oder nur in einer Rose die Schönheit zu beschauen / die Vielheit der Blätter zu zehlen / mit dem Geruche sich zu erqvicken. Der Uberfluß der unzehlbaren Gewächse wäre ein Kennzeichen ihrer Freygebigkeit / der grosse[553] Unterscheid / da kein Kraut dem andern / kein Blat eines Baumes / keine Feder eines Sperlinges einem andern gantz ehnlich ist / sey ein Merckmal der göttlichen Weißheit / die Abwechselung der Zeit / des Gewitters / und daß die Stauden nicht auff einmal / sondern nach und nach ihre Blüten und Früchte brächten / wormit es uns so viel mehr genoßbar würde / bezeichne seine väterliche Liebe. Die Lufft flösse uns zwar mit iedem Athem-holen einen Hauch der göttlichen Gnade ein; Befruchte mit ihrem Anblasen die Erde / ergötze und speise uns mit dem Gesange und dem Fleische so unzehlbarer Vögel; ja die göttliche Versehung habe zweiffelsfrey den Vogeln alleine für allen andern Thieren eine so annehmliche Stimme / keinem einigen aber das wenigste Gifft beygelegt / um den Menschen zu ermuntern / daß er so viel mehr seine Zunge zum Lobe Gottes anwenden / und seine Seele für allem Giffte / welches allein denen auf der Erde krichenden Thieren anklebet / rein behalten; Und wie das männliche Geflügel allezeit schöner als das weibliche ist; also auch unser Geschlechte aller weiblichen Schwachheiten frey / und diesem ein Leitstern zur Tugend seyn solle. Es wären die Gebürge die Gebeine der Erden eine Kette der Natur / welche derselben Glieder aufs künstlichste an einander hielte; Ein Behältnüß des göttlichen Reichthums / darinnen das Ertzt geschmiedet / die Brunnen von dem Meer-Saltze geleutert / von denen die Wolcken zertheilet / auf denen die hohen Bäume zu Häusern und Schiffen gefället würden. Es sey zwar das Meer ein Spiegel der göttlichen Allmacht / dessen gethürmte Wellen / welche die Sternen zu bekriegen schienen / doch keinen Fußbreit Erde verschlingen könten / da ihnen doch die Natur nichts als Staub zu einer Mauer entgegen gesetzt hätte / dessen unergründliche Tieffe niemahls überlieffe / ob gleich so viel tausend schifbare Ströme so viel tausend Jahr hinein gelauffen wären. Es wäre eine unerschöpfliche Speisekammer / welches dem Menschen so viel unzehlbare Fische gebieret / daß / nachdem sie der gantze Erdkreiß nicht aufzuzehren mag / sie einander selbst auffressen müsten; Es wären die nimmer verseugenden Flüsse ein Fürbild der göttlichen Ewigkeit / die Artzt- und Heilbrunnen seiner Barmhertzigkeit /die Wunder-Qvellen ein Anweiser / daß etwas sey über den gemeinen Lauff der Natur / nehmlich ein verborgener / und seinem Wesen nach in seine unerreichliche Unbegreiffligkeit eingehülleter / aber in den Geschöpffen augenscheinlich offenbarter Schöpffer /der zwar unsern Augen entfernet / seinen Wercken nach aber uns so nahe / als wir uns selbst wären / dessen Willen wir so sehr in unserm Thun widerstrebten / so sehr er unser Hertz durch einen innerlichen Trieb zu seiner Liebe und Erkäntnüß nicht anders als der Nordstern die Magnet-Nadel / der Mittelpunct die Schwerde / die Höhe das Feuer an sich züge / also /daß man zwar Länder ohne Feuer / keines aber ohne die Wissenschafft / daß ein Gott sey / angetroffen hätte; und noch niemahls ein Vernunfft-fähiger Klügling gefunden worden / der das geringste Geschöpffe zu tadeln gewüst / oder an der so vollkommenen Natur etwas zu verbessern ihm getrauet hätte. Denn die / welche die so gütige Natur nicht für eine Rechte / sondern für eine Stieff-Mutter zu schelten sich erkühnet; und die Thiere alles Giftes / das Feld alles Unkrautes / die Lufft aller Mücken / die Zeit alles Winters befreyt zu seyn verlanget / wären nicht ihre Kinder / sondern unvernünfftige Wechselbälge. Die sie aber tadelten / daß sie den Flöhen mehr Beine als den Elefanten / der Raupe mehr Geläncke als dem Krokodil / der Krähe ein viel grösseres Alter als dem Menschen gegeben / verdienten als Unsinnige mehr als Prometheus in stählernen Fesseln auff dem Caucasus angeschmiedet zu werden. Ich fiel / fuhr Zeno fort / dem Priester[554] in die Rede / und sagte; So höre ich wohl / dieses Bild sey nicht das Abbild euerer Göttin / und ihr haltet die Natur auch selbst nicht darfür. In keinerley weise / antwortete mir der Priester. Diese Säule ist ein Spiegel der Natur / die Natur aber Gottes. Jene ist die Harffe / welche dieser stimmet; jene eine Strahl seiner überschwenglichen Herrligkeit /nicht aber die selbstständige Gottheit / welche / ob sie zwar alles erfüllt / erhält / erleuchtet / erwärmet / erfreuet / beseelet / schwängert / doch keine Verwunderung in ihrem Wesen / keinen Abfall in ihren Kräfften leidet. Ob sie zwar auch in der Seele des Menschen mit Kräfften des Verstandes / in den Gestirnen durch Wärmde / Licht und andere Einflüsse in der irrdischen Welt durch Bewegung und Fruchtbarkeit würcket / ja iedem Kraute etwas absonderliches einflöst / so bestehet sie doch nur in einer einigen Einigkeit / als aus welcher so vieler widriger Dinge Eintracht rinnet. Diese Einigkeit ist eine Mutter eines so unzehlbaren Vorraths / welcher nirgends einigen Gebrechen zeigt /gleichwol aber in aller dieser Menge keinen unnützen Uberfluß hat. Sie würcket in dem grossen mit nicht beschwerlicher Bemühung / als in dem kleinen; Sie reget so leicht einen Wald voll Elefanten / und ein Meer voll Wallfische / als einen Ameiß-Hauffen. Alleine sie ist in grossen Dingen nur derogestalt eine so grosse Künstlerin / daß sie gleichwol nicht kleiner in dem kleinen sey. Ja sie hat in dem kleinen mehrmahls solch Belieben / daß sie nirgends mehr gantz / als in den kleinsten Geschöpffen zu seyn scheinet. Wormit aber gleichwol diese Gottheit sich nicht selbst verkleinere / noch ihre Unermäßligkeit gegen das grosse eine Abneigung zeigen möchte / hat sie in der Welt die grosse Sonne / das Hertze und Mittelpunct der Welt /das unverseigende Qvell alles Lichtes zu ihrem Spiegel aufgethürmet. Denn wie diese allein machet / daß man alle Sachen siehet / sich aber doch selbst nicht recht sehen läst / wie dieser ihr Glantz alle andere Lichter verdüstert; Also eröfnet auch Gott allen Thieren die Augen / und dem Menschen den Verstand /beydes aber kan ihn nicht sehen / und alle andere Abgötter sind gegen ihm verdüsterte Schatten. Herentgegen ist der Monde der Spiegel der kleinern Welt /nehmlich des Menschen / in dem beyde bald ab- bald zunehmen / bald gebohren / bald begraben werden /bald alles / bald nichts sind / beyde ihr Licht nicht aus sich selbst / sondern von der Sonne nehmen; wenn sie am vollkommensten sind / die meisten Flecken haben / und von der Erde verfinstert werden. Wie der Monde allezeit sein Antlitz gegen der Sonnen kehret / und seinen Morgenthau der Sonnen zu einem täglichen Opffer liefert; also soll das menschliche Hertze auch sich niemals von dieser Sonne der Gottheit abwenden / sondern seine Seufzer und Gedancken ihr zu einem süssen Geruch andächtig abliefern. Dieses ist das rechte von GOtt verlangte Opffer / welcher ihm nur zu einem euserlichen Kennzeichen das siebende Theil ihres Zuwachses auf dem nahe alldar stehenden Altare darreichen läst; massen die Kinder im Frühlinge die siebende Blume / die mannbaren Jünglinge und Jungfrauen im Sommer die siebende Garbe alles Getreydes / die Männer das siebende Theil aller Baum-Gewächse zu bringen pflegen. Mit diesem wenigen seines eigenen Geschenckes vergnügt sich Gott / damit der Mensch so viel mehr ihm sein gantzes Hertze zu wiedmen Ursach haben möge. Wir hörten diesen Eisgrauen (erzehlte Fürst Zeno ferner) mit grosser Vergnügung an; und weil er so wohl Griechisch redete /bat ich ihn meinem Vorwitze zu vergeben / und mir zu sagen: Ob er ein Eingebohrner in diesem Lande /oder ein Fremder wäre? Dieser antwortete: Er wäre Meherdates / ein gebohrner Armenier / des Comanischen Priesters Archelaus / mit dem Sylla und Gabinius verträuliche Freundschafft gepflogen hätte / leiblicher Sohn / dem Pompejus nicht allein zu diesem Priesterthume verholffen / sondern auch ein[555] ansehnliches Gebiete unterworffen hätte. Diese Würde wäre der Königlichen in vielem so nahe / daß er jährlich auch zwey Tage die Königliche Krone trüge / und alle Königliche Gewalt ausübte / daß er Fürstliche Einkommen genüsse / und allein sechs tausend Opffer-Knechte unterhielte; in vielem giengen sie auch gar über den König / indem dieser ihn als einen Vater verehrete / von ihm nicht allein Erinnerungen annehmen / sondern er auch die Beschwerden des Volckes wider den König entscheiden müste. Uberdiß wäre das Glücke ihm so an die Hand gegangen / daß durch sein Anstifften der König in Cappadocien Ariarathes vom Antonius wäre getödtet / ihm aber selbigen Reiches Krone aufgezetzt worden. Ja / ob er wol in der Schlacht bey Actium dem Antonius beygestanden /hätte er sich doch bey dem Augustus ausgesöhnet /und derogestalt eingeliebet / daß er ihm noch das kleinere Armenien und Cilicien geschencket. Wie er aber derogestalt dem Glücke gar in der Schooß zu sitzen vermeinet / hätte es ihn über Hals und Kopff herab gestürtzet / indem ihn der Landvogt in Syrien Titus beym Käyser derogestalt vergället / daß er sich für den Römischen Waffen und des Titus Nachstellungen in das Taurische Gebürge flüchten müssen / über welches ihn ein Armenier in diese glückselige Gegend geführet; Gottes wunderbare Versehung aber und die mehr hieraus / als aus seiner Geschickligkeit sich entspinnende Zuneigung dieses hier wohnenden Volckes ihn zu einem Priester der Natur gemacht / also seinen vorigen eitelen Gottesdienst allhier in einen viel heiligern und glückseligern verwandelt hätte. Allhier habe Gott und die Natur allererst seiner angenommenen Blindheit abgeholffen / die Larve dem Glücke vom Gesichte gezogen / und mit dem Elende zeitlicher Würden und königlicher Höffe die Herrligkeit der Gemüths-Ruh / und einer vergnüglichen Einsamkeit entdecket; also / daß ihn nun nach nichts weniger als seinem mit so viel Seufzern erworbenem / und so unverhofft ihm aus den Händen gewundenem Zepter gelüstete. Wormit er auch hierüber für uns so viel mehr sein Gemüthe ausschüttete / führete er uns zu einem nahe darbey gelegenen Steinfelß / darein er nachfolgende Gedancken / von denen ich mir gegenwärtige Abschrift auffgehoben / mit grosser Mühe eingegraben hatte:


Du Wetterhahn der Welt / du Fallbret unsers Lebens /

Du Gauckelspiel der Zeit / Gelücke / gute Nacht!

Die Menschen zünden dir den Weyrauch an vergebens;

Und dein taub Ohr giebt nie auf Wunsch und Andacht acht.

Wenn du einmal dein Rad / wir eine Hand umdrehen /

Sehn wir Colossen falln / und schweres Ertzt verwehen.


Ich aber schätze dich weit über Gangens Schätze /

Du irrd'sches Paradiß / du Hafen süsser Ruh /

Weil hier kein Wüterich giebt knechtische Gesetze /

Weil die Natur uns hier läst allen Willen zu /

Wo die Begierde nie aus dem Geschirre schläget /

Vergnügung und Vernunfft sich in ein Bette leget.


Verdammter Heyrath-Schluß / unselige Vermählung!

Wo Geitz ein gülden Aas bebrütet Tag und Nacht;

Wo der sonst todte Schatz nur lebt zu unser Qvälung /

Wo Uberfluß uns arm und unersättlich macht;

Wo wir wie Tantalus beym Reichthum Hunger leiden /

Des Nachbars dicke Saat' / und fettes Eyter neiden.


Hier herrschet die Natur / die wenig nur verlanget /

Die läst die Wurtzel nicht des Bösen wurtzeln ein.

Kein Berg-Marck ist das so wie Pomerantzen pranget /

Woran die Früchte Gold / die Blüte Perien seyn;

Ja eingebalsamt Gold / das Ambra von sich hauchet /

Und Perlen die man recht zur Hertzens-Stärckung brauchet.


Die güldnen Berge sind kein Merckmal güldner Länder /

Wo Gold in Flüssen schwimmt / da rinnt auch Uppigkeit.

Diß Ertzt heckt aus den Geitz / der Geitz gebiehrt Verschwender;

Wo man das Gold nicht kennt / da ist die güldne Zeit.

Und da die eiserne / wo man schärfft Stahl zu Degen /

Und nicht das Eisen schmeltzt zu Pflugschar'n und zu Eegen.


Wiewol der Acker trägt hier Weitzen und Getreide /

Wo gleich kein Pflug streicht hin / die Eege nicht fährt ein.

Der Baum / der anderwärts bringt Wolle / giebt hier Seide /

Die Kiefer köstlich Oel / der Schleedorn süssen Wein.

Der Zucker wächst auff Schilff / die Buche trägt Muscaten /

Die Mantel Dattelkern / der Apffelbaum Granaten.


Die Ameiß sammlet hier zusammen Weyrauch-Körner /

Die Holder-Staube treifft von Balsam und Jasmin /

Die Disteln stehn voll Lilg- und Rosen ohne Dörner /

Und auf Wacholdern sich't man Nelck' und Zimmet blüh'n /[556]

Die Mäuse nehr'n Ziebeth / der Mosch schmiltzt von den Ziegen /

Der Hirsch zeugt Bezoar / den Honig machen Flügen.


So herrlich lebt man hier / wenn dort der Tisch der Fürsten

Das kaum erschwitzte Brodt oft halb verschimmelt giebt;

Wenn oft selbst Könige bey voller Taffel dürsten /

Aus Sorge: Daß iemand wo ihnen Gifft einschiebt.

Wenn man für eigner Wach' und Sklaven sich erschüttert /

Und als ein Aspenlaub für Schatten bebt und zittert.


Hier aber wohnt die Ruh und sicheres Vergnügen /

Die Einfalt weiß vom Mord und vom vergifften nicht.

Die Tieger sind hier zahm / der Wolf spielt mit den Ziegen /

Und keine Natter kan hier bleiben / welche sticht.

Betrug und Arglist heist bey Hof' ein Meisterstücke.

Hier weiß man nichts von List / als wie man's Wild berücke.


Bey Hofe weiß ein Greiff zur Taube sich zu machen /

Ein Fuchs ist mit der Haut der Lämmer angethan /

Der Panther scheint ein Schöps / die Geyer und die Drachen

Sieh't man für Vögel offt des Paradises an;

Alleine dieses Fell / die Federn und die Sitten /

Sind Angeln nur / wofür sich niemand weiß zu hütten.


Oft wenn das Auge weint / da kützelt sich das Hertze /

Ein Todfeind macht ihm dort die Freundschaffts Larve für.

Der Mord-Dolch wird versteckt in eine Hochzeit-Kertze /

Und in Liebkosenden steckt offt ein Tieger-Thier.

Uns schwimmt das innerste des Hertzens auf dem Munde /

Dort geust man Oel in Glut / hier aber in die Wunde.


Die Liebe selber wird bey Hof' ein Ungeheuer /

Die Tochter der Natur zur Mißgeburt der Welt.

Geitz / Ehrsucht / Geilheit macht da nur ein todtes Feuer /

Das nicht zum Hertzen dringt / und selten Farbe hält.

Denn niemand frey't der Braut / die ihm / er ihr zugegen /

Der buhlet um ein Ampt / ein ander ums Vermögen.


Hier aber weiß man nichts von so verfälschten Lieben /

Gestalt und Tugend ist hier nur das Heyrath-Gut.

Die Ehberedung wird dort aufs Papier geschrieben /

Das Hertz' ist hier der Brieff / die Tint' ist beyder Blut;

Ja man vergräbet hier auf einmal und zusammen /

Die Asche der Gebein' und auch der Liebes-Flammen.


Den sonst verhasten Nord hör'n wir mit Anmuth wütten /

Weil er gesunde Lufft / uns keinen Schiffbruch bringt.

Wir dörffen Haab und Gut niemals in's Wasser schütten /

Weil uns kein Vorwitz sticht / auch kein Gebrechen zwingt /

Noch zu nichts-nützem Glaß und ungesunden Speisen /

Den Erdkreiß zu umfahr'n nach Ost und West zu reisen.


Granaten-Aepffel geh'n für Königliche Zierden /

Ihr Krantz sticht Kronen weg / die Knospe den Rubien /

Wenn jener ihr Besitz schafft ängstige Begierden /

Kan man aus dieser Safft und kräfftig Labsal ziehn.

Der / und die Rosen sind dem Purpur uberlegen;

An diesem klebet Blut / an jenem Thau und Segen.


Der Sorgen-Wurm heckt sich in Seiden-Wurms Geweben /

Die Unschuld fühlt kein Leid in unser schlechten Tracht.

Wo Gold und Schnecken-Blut die Achseln rings umgeben /

Wird offt das Hertze kalt / das Antlitz blaß gemacht.

Wir hülln zwar nur den Leib in weisse Lämmer-Felle;

Doch fühl'n wir in der Seel' auch keine Pein und Hölle.


Last Fürsten im Pallast auf glattem Marmel gleiten /

Von Sammet und Damast früh ohne Schlaff aufstehn /

Wozu sie ihnen doch Maah-Träncke zubereiten;

Wir woll'n auf Kräutern ruhn / auf weichen Rosen gehn /

Mit der itzt müden Sonn uns froh zu Bette machen /

Und mit der Morgenröth' erst wiederum erwachen.


Bey Hofe trinckt man Gifft aus kostbaren Krystallen /

Wir süssen Wein aus Tohn / rein Wasser aus der Hand.

Die Mißgunst schenckt dort ein der Tugend ärgste Gallen /

Auf unsern Wiesen ist auch Wermuth unbekandt.

Dort sticht der Scorpion des Neides / hier nur Bienen /

Wofür ihr Honig uns doch muß zum Labsal dienen.


Ein Hencker prest uns dort den Safft aus Marck und Beinen /

Ein Bluthund saugt das Blut aus unser Adern-Qvell;

Weiß Künste fettes Oel zuziehn aus dürren Steinen;

Und endlich übers Ohr den Nackten auch ihr Fell.

Hier milckt man bloß die Milch / und läst die Woll' abscheren /

Die Küh und Schaffe nur durch Uberfluß beschweren.


Ein allgemeiner Brunn / der eine Stadt vergnügen /

Der ein volckreiches Land zur Nothdurfft träncken kan;

Wird dort vielmal erschöpfft / ist oft wol gar versiegen /

Wenn ein verschnitten Knecht setzt seine Gurgel an.

Der Stein und Ertzt verdeut / das keine Glut verzehret /

Und wie die Egel sich mit fremdem Blute nehret.


Man sieht Verleumdung dort der Unschuld Lilgen schwärtzen /

Der Heuchler falscher Firnß verwandelt Koth in Gold.

Hier fälscht kein Honig nicht den Mund / kein Gifft die Hertzen /

Niemand ist Tugenden gram / noch den Lastern hold.

Ein häßlich Antlitz prahlt dort gar mit Fleck und Mahlen /

Allhier ist nichts geschminckt / auch keine leeret Schalen.


Der Wind ist nicht so sehr veränderlich im Mertzen /

Als sich des Hofes Gunst des Glückes West verkehrt.

Wenn er mit Zweigen scheint zu spielen und zu schertzen /

Sieht man / daß er wie Blitz in Stämm' und Zedern fährt.

Die früh des Pöfels Gott / der Fürsten Schoßkind waren /

Die schleppt ein Henckers Knecht des Abends mit den Haaren.


Der Rosen Purpur-Haupt / der edlen Lorbern Wipffel /

Entgehn des Hofes Sturm / des Glückes Wettern nicht.

Denn es sucht Ruhm daraus / wenn's Himmelhohe Gipffel

Zerschmettert / Riesen fäll't / und grosse Maste bricht;

Wenn's denen / die sich hülln in Gold und Edelsteine

Giebt Ruder in die Hand / legt Ketten an die Beine.


Ja wem gleicht sich der Hof mehr als gemahlten Schiffen /

Die Fessel scheinen Gold / die Ruder Helffenbein.[557]

Ob diese gleich von Schweiß / auch offt von Blute trieffen /

Mein't ieder doch ein Herr / kein Ruderknecht zu seyn /

Ob dessen Fuß gleich nur von Banden wird gekräncket /

Ein Höfling aber liegt an Seel und Geist umschräncket.


Bey uns ist iederman sein Herr / sein Fürst / sein König;

Man dringet uns kein Joch / auch wir niemanden auf.

Jedweder ist vergnügt / und keiner uns zu wenig /

Der Tugend lassen wir den Preiß / der Zeit den Lauff.

Wer für's gemeine Heil wil Schweiß und Witz anwenden /

Dem hilfft man selbst ans Bret und trägt ihn auf den Händen.


Es ist des Glückes Rad recht eine Töpffer-Scheibe /

Die aus geringem Lett' oft güldne Götzen dreht.

Und ihre schnöde Gunst gleicht einem geilen Weibe /

Die Kriepel hälß't und küß't / und Zwerge nicht verschmäht.

Hier ist die Tugend nur gesehn und hoch erhoben /

Dort schimmert Schein und Spreu / hier Schwerdt und Wesen oben.


Auch der drey Kronen trägt / den Stul auf Tugend gründet /

Verfäll't in Staub und Koth / wird aller Pracht beraubt.

Dem man itzt Weyrauch streut / und Sieges-Kräntze windet /

Dem trit ein Scherge noch für Morgens auf sein Haupt.

Hier fürchtet niemand nicht / Volck / Richter / Hencker / Büttel /

Ein einig Wechsel hängt uns zu / der Sterbekittel.


Von dem sind aber auch Palläste nicht befreyet /

Und zwar mit herberm Ach und ängst'ger Furcht umhüllt.

Denn sie sind zu Altarn der Eitelkeit geweihet;

Ihr sterblich König ist ihr schnödes Götzen-Bild.

Wir aber seh'n dem Tod' hertzhafftig ins Gesichte /

Denn er versetzt das Bild der Tugend erst ins Lichte.


Dort tobet Glück und Neid auch auf die Ehren-Mahle;

Zermalmt Ertzt und Porphir / wirfft Bilder in den Schach.

Der Schutz-Herr gestern hieß / der steckt heut auff dem Pfahle /

Der ihn vor segnete / rufft ihm itzt / Schelme / nach.

Hier weiß man nichts von Fluch der andrer Ruhm versehre.

Die Andacht klimmt zu Gott / die Tugend strebt nach Ehre.


Saloninen lieffen über diesen Reimen tausend Thränen über die Wangen / welche bey derselben Schlusse sie mit diesen Worten rechtfertigte: Warlich / dieser Meherdates muß den Hoff gewiß auch in- und auswendig haben kennen lernen / weil er ihn mit so lebendigen Farben abzubilden gewüst. Aber ach! nein / wer wil diese Mißgeburt abbilden / welche die Larve niemals vom Gesichte legt / und gleichwol alle Stunden verwechselt / welche durch allerhand falschen Schein das Antlitz verstellet / und ihr Hertze auszuschütten für ärgsten Schiffbruch hält / welche nichts mehr zu verlangen sich angebehrdet / als worfür sie die heftigste Abscheu hat / ja niemanden bey ihr seinen freyen Willen läst / als alleine darinnen / daß sie sich zu freygelassenen Knechten des Hoffes machen mögen. Aber auch dieses thun sie aus keiner Freyheit / sondern aus dem Nothzwange der sie fässelnden Begierden. Denn keine Fliege strebet so sehr nach Honige / kein Raubvogel eilet so sehr nach einem Aasse /keine Egel dürstet so sehr nach Blute / keine Ameisse eilet so sehr mit dem gefundenen Weitzen-Korne in ihr Läger / ungeachtet sie ihrer Grösse nach die Geschwindigkeit der Sonne übereilet; als die Höflinge sich nach ihrer erbärmlichen Dienstbarkeit sehnen /welche doch von grossem Glücke zu sagen haben /wenn sie sich ihr Lebtage mit dem Traume süsser Hoffnung / dem Brodte der Elenden speisen können /nicht aber ihrer unerträglichen Folterung durch das Messer der Verzweiffelung abzuhelffen gezwungen werden. Rhemetalces fing an: Diese Gedancken des Meherdates sind sicher / weiser und heiliger / als das Thun seines Vaters' Archelaus / da er in Armenien sich bey seiner Priesterlichen Würde in die weltliche Herrschafft einmischete / ja diese Süßigkeit ihn endlich so gar lüstern machte / daß er an den Cappadocischen Zepter die Hand zu legen / und seinen rechtmäßigen König Ariarathes darvon arglistig zu verdringen sich unterstanden. Seiner Boßheit aber hätte des Himmels gerechter Rache seine wolverdiente Erniedrigung ein Ziel gesetzt / und dardurch seinen Sohn angewiesen / daß die Priesterliche Würde nicht mit die Hand im Spiele irrdischer Dinge / keine Stimme im Fürsten-Rathe / und den Fuß nicht auff dem Richterstuhle haben solle. Hertzog Zeno begegnete dem Feldherrn mit einer sonderbaren Bescheidenheit: Er könte dem Archelaus freylich das Wort nicht reden / daß er den Ariarathes aus eigener Herrschenssucht ein Bein untergeschlagen / und sich in seinen Purpur gehüllet hätte;[558] Aber die Priesterliche Würde so enge einzusperren / oder vielmehr sie gar unter die Füsse zu treten / schiene ihm nicht rathsam zu seyn. Sie wären die Boten und Ausleger des göttlichen Willens / ja gleichsam die Unterhändler und Friedens-Stiffter zwischen GOtt und den Menschen; Sie wären Schutzsäulen der Reiche / nichts minder als die Könige / welche das Volck mit ihrer Andacht / Gebete und Fasten beschirmeten / als Könige mit den Waffen. Die Aufhebung ihrer Hand hätte wol ehe unter den hochmüthigen Feinden eine grössere Niederlage verursacht / als viel tausend Lantzen und geharnschte Helden-Armen. Ihre Hirtenstäbe hätten wol ehe Meere zertheilet / Mauern nieder gerissen / Erdbeben / Blitz und Hagel aus den Wolcken erreget; Wie der wütende Brennus mit seinen Galliern bey dem Delphischen Tempel erfahren. Wie viel mal hätte eines einigen Priesters blosses Ansehen dem grimmigsten Feinde den Muth genommen /und seine Rachgier in Sanfftmuth verwandelt? Wie offt hätte ihre Aufmunterung den allerverzagtesten ein Hertze gemacht? Ihre bewegliche Einredung zwistige Fürsten mit einander versöhnet. Ja den unbändigen Pöfel / für welchen die grösseste Macht kein genungsamer Kapzaum wäre / vermöge ein Priester gleichsam mit einem Nasen-Bande zu leiten / wohin er wolle. Daher könne er der Cappadocier alles Herkommen so sehr nicht verdammen / daß sie dem Comanischen Priester so grosse Gewalt eingeräumet hätten. Die benachbarten Königreiche / Albanien / Iberien und Cappadocien verehreten seine Hoheit / erholeten sich bey ihm / wie bey einer göttlichen Wahrsagerey Rathes / liessen ihnen auch von ihm alle ihre Priester benennen / oder zum minsten bestätigen. Diese Verehrung der Priester wäre fast allen andern Völckern gemein. Bey denen Egyptiern wären die Priester alleine der geheimen Weißheit würdig geschätzt worden. Sie hätten für allem andern Volcke eine absondere Schrifft und Sprache. Zu der Königlichen Hohheit hätte daselbst niemand gelangen können / der nicht vorher ein Priester gewest wäre. Die Könige richteten sich nach ihren Maßgebungen / und es hätte Darius /als gleich die Persen Egypten unter ihre Botmäßigkeit gebracht / sich nicht erkühnen dörffen wider eines Priesters Willen sein Bild über die Säule des Sesostris zu setzen. Ja die Egyptier trauten ihren Priestern zu / daß sie über die Götter selbst nicht geringe Gewalt hätten / und diese auf ihre Beschwer- und Dräuungen / daß sie die Geheimnüsse der Isis verrathen / die zerfleischten Glieder des Osiris dem Tiphon fürstreuen wolten / nicht geringes Absehen haben müsten. Wie viel Völcker / und so gar die durchtriebenen Römer glaubten / daß der oberste der Priester auch der oberste unter den Menschen sey /weßwegen er nicht nur keiner Mißgunst / keinem Hasse / keiner Eigennützigkeit / sondern auch alleine dem Verhängnüsse unterworffen wäre / und die Sternen über sein Thun keine Gewalt hätten. Bey den Egyptiern / Persen und Griechen / zu Sparta und anderwärts sey nichts minder die Priesterliche Würde der Königlichen gleich. Die Römer hielten den Priester des Jupiters für ein lebendig und heiliges Ebenbild seiner Gottheit / für eine Zuflucht aller Bedrängten; also / daß wenn ein Ubelthäter zu seinen Füssen sincke / müsse er seiner Fessel erlediget / und er dörffe selbigen Tag weder geschlagen noch getödtet werden. Bey den Mohren habe nicht nur König Sabacus auf der Priester Befehl Zepter und Krone weg gelegt /sondern alle ihre Herrscher entäuserten sich solcher Gewalt / wenn es ihr oberster Priester für gut befindete. Diesemnach hätten die Juden / die Egyptier / und letzlich die Römischen Käyser die königliche Gewalt mit der Priesterlichen Würde als einem festen Pfeiler unterstützet. Auch wäre ihm anders nicht wissend /als daß wie bey den Britañ- und Galliern die Druyden /[559] also bey den Deutschen ihre Priester in höchster Ehre / und den Fürsten gleich gehalten würden; also daß sie nichts minder als die Könige keinen Gesetzen / und keinem weltlichen Gerichts-Zwange unterworffen wären. Der Fürsten Kinder würden wie bey den Persern und Serern ihrer Auferziehung anvertrauet / sie schlichteten der hohen und des Volckes Zwistigkeiten durch Urthel oder Vermittelung; insonderheit richteten sie über Todt-Schlägen / über Erbschaffts- und Gräntz-Streitigkeiten / sie setzten den Tugendhafften ihre Belohnung / den Bösen ihre Straffen aus; und fürnehmlich die grösseste unter allen /nehmlich die Ausschlüssung von dem offentlichen Gottesdienste; weßhalben solche Menschen von den andern wie die Pest geflohen würden. So wären sie auch aller Anlagen / aller Ritterdienste und Frohnen befreyet; und sie erkennten in der Welt niemanden /als das von ihnen selbst erwehlte Haupt / dieser aber niemanden als Gott über sich. Daher könte man nicht die Priesterschafft von der obersten in eine so niedrige Staffel herab setzen / zugleich aber eines der festesten Bande / wormit der Pöfel in Furcht und Gehorsam gehalten würde / zerreissen. Hertzog Herrmann hörete den Fürsten Zeno wol aus / nahm sich aber Rhemetalcens derogestalt an: Ihm wäre die Fürtreffligkeit des Priesterlichen Amptes so wohl als das Ansehen bey den meisten Völckern nicht unbekandt. Alleine wie der Könige Macht in euserlicher Gewalt / und in Beherrschung der Leiber bestünde; also hätten die Priester nur mit den Seelen der Menschen zu thun. Weil nun aber diese nicht mit Stahl und Eisen / sondern nur durch Vernunfft und der Warheit ehnliche Schlüsse beherrschet würden / masten sich die Priester irrdischen Zwanges zu Unrechte an. Ihr Ampt zielte nicht auf Krieg / sondern auff den Friede des Gemüthes; Daher wäre auch ihr Stab nicht spitzig zum beleidigen / sondern oben krum gebogen / daß die Fallenden sich daran anhalten könten. Priester versetzten durch den Glantz ihrer Tugenden sich in eine solche Herrligkeit / machten ihnen hierdurch so viel Gemüther verbindlich / daß sie keines weltlichen Armes nicht bedürfften / zumahl es ieden Fürstens Pflicht wäre /selbte zu vertheidigen. So übel es nun jene empfindeten / wenn diese ihren Fuß aufs Altar erhüben / so ungeschickt wäre es / wenn jene für eine Mütze einen Helm aufsetzten. Weßwegen auch die alten Römer für abscheulich hielten / daß die / welche einmahl auch bey gerechten Verdammungen eines Ubelthäters gesessen hatten / den Göttern ein unbesudeltes Opffer darreichen solten. Des Hercules Priester bey den Coern / und des Alcis bey den Naharvalen müsten seinem Bedüncken nach deßhalben in weiblicher Tracht opffern / daß sie sich aller männlichen Sorgen zu entschlagen indenck leben solten. Auch wäre er versichert / daß bey der ersten Welt die Priester weder in den geheimen Rath der Könige eingedrungen / noch den Richterstuhl über das Volck betreten / noch mit fliegenden Krieges-Fahnen aufgezogen wären. Etlicher Priester Ehrsucht und Vorwitz / unterschiedener Fürsten Unachtsamkeit / oder auch etlicher / die sich mit Unrecht und Mord auf den Thron gesetzet / ihre Furcht und Gewissens-Angst / und endlich des Pöfels Aberglaube habe der Priesterschafft das Hefft grosser Länder und Königreiche in die Hände gespielet / und ihre einsamen Grüffte in hohe Paläste verwandelt. Der Schein / daß geistliche Stifftungen von Blut und fremdem Raube reinigten / hätte vieler Könige Schatzkammern erschöpffet. Die Lehre / daß / was man in die Hand der Priester legte / in die Schooß der mildreichen Götter fiele / hätte gantze Länder arm / die Priesterschafft wollüstig gemacht. Der Fürwand / daß Heyrathen und Eyde Gewissens-Sachen wären / und von denen untersucht werden müsten / welche die Sorge der Seelen über sich hätten / hätte ihnen den Schlüssel[560] zur Gerichts-Stube eingehändigt. Der Eifer des Gottes-Dienstes habe sie zu Reichs-Cantzlern / zu Hertzogen / Fürsten / und geheimsten Räthen gemacht / und die / welche fürzeiten nur denen Kriegsheeren ein Hertze zugesprochen / wären endlich gar zu Heerführern worden. Ja etlicher der Freyheit gehässigen Fürsten eigene Anstalt hätte mit Händ und Füssen geholffen / daß die Priesterschafft unter sich selbst gewisse Häupter empor gehoben / weil sie diese als Werckzeuge der Dienstbarkeit wider die Freyheit des Volcks zu brauchen angezielet / welche bey durchdringender Gleichheit der gehorchenden erhalten wird / ihrer weniger Bothmässigkeit aber der Königlichen Macht am nähesten ko t und am dienlichsten ist. Wolte aber Gott! es wäre die Priesterschafft noch in diesen mittelmässigen Schrancken blieben. Denn wo haben sie nicht ihnen fast alle liegende Gründe zinsbar gemacht? In wie vielen Ländern besitzen sie nicht das dritte Theil des fettesten Bodens / und der gewissesten Einkünfte? Wo aber entziehen sie sich nicht von den allgemeinen Mitleidungen anderer treuen und viel ärmerer Unterthanen? Wo machen sie nicht das Seil der weltlichen Herrschaft von ihren Hörnern loß? An wie vielen Orten lassen sie sich die allgemeinen Richtschnuren nicht binden? Aus wie vielen Richter-Stülen verstossen sie nicht alle Weltliche / und wo schwingen sie ihre Flügel nicht über die Grund-Gesetze der Reiche / und über die Hoheit der Könige? Haben sie nicht die ersten Stimmen bey ihrer Wahl? An wie viel Kronen empfangen Fürsten Kron und Zepter aus ihren Händen? Ich wil der üppigen Priester auf der Atlantischen Insel / denen aller Bräute Jungfrauschaften geopfert werden müssen / der gri igen in Mohrenland / auf derer Befehl sich sein König hinrichten muß / geschweigen / und allein von dem Comanischen Priester in Armenien fragen: Ob Sesostris für so übermüthig zu schelten sey / daß er vier Könige an seinen Siegswagen angespannet / oder Tigranes /daß er ihrer vier zu seinen Aufwärtern hatte / oder auch jener Scythe / der einen grossen Fürsten zum Fuß-Schemmel brauchte / als dieser Comanische Priester / welcher nicht nur seinem / sondern auch fremden Königen Gesetze fürschreibet / und ihnen in Anstalten des Gottes-Dienstes die Hände bindet? Welchem Ariarathes die Füsse küssen / und seine Ferse auf seiner Königlichen Scheitel erdulden müssen? Zu geschweigen / daß übermässiges Reichthum und Gewalt sich mit inbrünstiger Andacht / und also mit der Priester eigenen Pflicht nicht verträget / sondern sie bey dem Besitzthume zur Uppigkeit verleite; Ehrsüchtigen aber Anlaß gebe nach diesem güldenen Apfel durch alle verbotene Künste zu streben. Julius hatte gegen dem Lentulus das Recht gebeuget / den Pöfel angebetet / und nahe sein gantzes Vermögen verschencket / daß er nur den Quintus Catulus / und Publius Isaurius / welche nebst ihm sich umb das Priesterthum bewarben / wegstechen konte. Diese Pest sey auch leider bey den Deutschen eingerissen. Denn seine Vorfahren hätten nicht nur aus einer allzugrossen Gutwilligkeit verhangen / daß die Missethäter zu binden / zu schlagen / oder zu tödten niemanden als den Priestern freystehe; sondern es habe auch Segesthes sein Gewissen an Nagel gehenckt / die deutsche Freyheit auf die Schippe gesetzt / daß er seinem Sohne Siegmund nur das Ubische Priesterthum zuwege gebracht. Endlich wäre es so weit kommen / daß solche ehrsüchtige hohe Priester sich selbst vergöttert / ihnen selbst gewisse Priester / welche diese Würde vorher theuer erkauffen müssen / angenommen / und die niedlichsten Opfer von Samischen Pfauen / Persischen Hünern / Fasanen / und Phönicopter-Zungen zu liefern angeordnet hätten. Diese Mißbräuche zu unrecht angemaßter Gewalt hätte jener König zu Meroe mit Hinrichtung aller[561] Priester / die sich der Gewalt des Lebens und des Todes über ihn angemaßt / nicht ohne Ursache abgestellt / und er wüste nicht / ob die Albaner so sehr zu tadeln wären / daß sie ihre Priester / wenn sie sie vorher wohl aufgemästet und eingebalsamt hätten / selbst zum Opfer schlachteten. Weil aber diese Leute insgemein gefährlicher als glüendes Eisen anzurühren wären / hätte der kluge Aristobul bey den Juden / der weise Anius bey den Lateinern /der verschmitzte Midas bey den Phrygiern / und die Römischen Käyser durch klügere Erfindung sich selbst zu obersten Priestern gemacht / und die entwendete Gewalt wieder an sich gebracht. Käyser August hätte mit Schmertzen nach dem Tode des Priesters Lepidus geseufzet / weil er ohne sein Priesterthum sich noch nicht des Römischen Reiches völlig versichert zu seyn erachtet. Der fünfte deutsche Feldherr sein Uhr-Anherr Alemann habe gleicher gestalt schon wahrgenommen / daß die allzu grosse Gewalt der Priester / und die allzusehr umbschränckte Herrschafft der Feldherrn der deutschen Macht einen grossen Abbruch thäte. Dahero / wenn Alemann / seinem Absehen nach / das oberste Priesterthum hätte an seine Krone heften / und auf seine Nachkommen fortpflantzen können / wären die Deutschen hierdurch erschrecklicher / als durch seines Enckels des glückseligen Marcomirs unzehlbare Siege und Helden-Thaten worden. Ja er würde sein Vaterland mehr / als durch Beysetzung etlicher Königreiche vergrössert haben /wenn er nur seine heilsame Anschläge ins Werck zu setzen durch den ihn übereilenden Tod nicht wäre verhindert worden. Denn es war bereit unter der Hand /daß dieselben Stifftungen / die von denen unverwendlichen Gütern des Reiches wider die alten Grund-Gesetze geschehen waren / zurück gezogen / iedoch die er hobenen Nutzungen vergessen / und wo die Priesterschafft ja ohne solche ihr Auskommen nicht haben möchten / andere Güter erkaufft / und ihnen zugeschlagen werden solten. Nebst diesem solte man alle bereit besessene geistlichen Güter in die Land-Taffel einzeichnen und untersuchen: Ob selbte auskommentlich oder nicht; jenen so denn weder durch Behandlung noch durch einige Freygebigkeit mehrere an sich zu bringen erlauben / diesen aber den Mängel durch anderer Uberfluß und derselbten Zuschlagung ersetzen. Ferner solten die kostbaren Wallfarthen und Gelübde nach Carnutum dem berühmten Sitz der Druyden in Gallien / wordurch nicht alleine Deutschland aller Mittel erschöpft / sondern denen weibischen Galliern gleichsam zinsbar gemacht würde / abgestellet seyn; am wenigsten auch von dar einige Bestätigung unserer Priesterthümer gesucht / sondern von dem Feldherrn / welcher von der Fähigkeit derer darzu beruffenen besser / als Ausländer urtheilen könte / erlanget werden. Nichts minder hatte Alemann für / die übermässige Anzahl der Priester / wordurch dem Vaterlande / an dessen Erbauung und an nöthigen Kriegsleuten viel entginge / auf die Helffte einzuziehen / der unbedachtsamen Jugend / welche ins gemein entweder durch Uberredung / oder durch eigene Ubereilung sich allzu frühzeitig dem Altare wiedmete / bey ihrẽ reiffen Alter aber vergebens bereuete / das fünf und zwantzigste Jahr zur Fähigkeit ein Gelübde zu thun auszusetzen / die denen Geistlichen zufallenden Erbtheile dem gemeinen Wesen zum Besten anzuwenden / und die Eltern / die ihre Kinder in solchen Stand treten liessen / mit alsbaldiger Abstattung in den Reichs-Kasten zu bebürden. Seit der Zeit sind unterschiedene Häupter zwar auch auf diese Gedancken gefallen; aber es hat selbte entweder die innerliche Unruhe gestöret / oder die Mißbräuche haben durch Länge der Zeit so feste Wurtzel gefaßt / daß sie solche auszurotten selbst verzweifelt. Zumal man in diesen Kranckheiten stürmerische Artzneyen ohne diß mit höchster Gefahr[562] brauchet; vielmehr aber man diese vorher durch allerhand Liebkosungen einschläfen muß / denen man unempfindlich ein- oder ander Glied abschneiden wil. Zeno fing hierauf an: Die Priester hörten nicht auf Menschen zu seyn / und also wäre kein Wunderwerck / daß einige zu weit gingen /oder sich in etwas vergriffen. Wären doch die Könige leicht zu zehlen / und die Nahmen der grossen Staats-Diener hätten in einem Ringe raum / welche nicht über die Gräntzen ihrer rechtmässigen Gewalt geschritten wären. Diesemnach liesse sich wegen etlicher oder vieler Priester mißbrauchten Macht / oder übel angewehrter Güter der sämtlichen Priesterschafft weder die Ehren-Staffeln verschliessen / noch die Brunnen der Freygebigkeit verstopfen. Am allerwenigsten hätte Deutschland Ursache darzu; allwo die meisten Priester sich selbst der dürftigsten Armuth und der gehorsamsten Demuth verlobten. So hätte er auch bey denen fürnehmsten Druyden / welche gleich mit bey dem Steuer-Ruder des Vaterlandes / unter den Fürsten sässen / eine in Asien ungemeine Bescheidenheit / und eine solche Liebe des gemeinen Wesens gefunden / daß sie mit Freuden ihre älteste Stiffs-Ein kunfften für das Heil des Volckes ausgeleeret / und das Armuth mit ihrem Uberflusse versorgt hätten. Also wäre die Priesterschafft wohl ein Meer / in welches viel Flüsse ihr Wasser zinseten; aber aus selbtem auch alle Brunnen ihr Wasser / entweder durch offene Röhren ihrer Freygebigkeit / oder durch die verborgenen Adern des Göttlichen Segens / welche die Priester durch ihre Andacht immer rinnend machten. Wie viel unglückseliger wäre Asien und Comagene / wo die Priester tausend Götter verehrten / und durch tausenderley Erfindungen sich müheten blutsäugende Aegeln des Volckes zu seyn. Welche Priester wären in der Welt berühmter / als die nackten Brachmanen Indiens? Gleichwohl aber bestünde bey ihnen nicht nur die Fürstliche Herrschafft und Oberkeitliche Gewalt /sondern ihr Wille wäre eine strenge Richtschnur aller andern Menschen / und dieser Willkühr an jener Gesetze durch ein Seil des allerstrengsten Gehorsams angefässelt. Die Hände wärẽ ihnẽ gebunden / ihre Vernunft verdüstert / daß niemand nichts / als durch die Augen der Brachmanen zu sehen glaubte. Ohne ihr Erlaubnüß dörfften sie nichts essen / ihnen nicht die Haare abschneiden / noch sich in dem heiligen Ganges baden / noch sonst einig Gelübde abgelten. Sie verkaufften nicht nur denen Heyrathenden das Wasser dieses unerschöpflichen Stromes zehnmal theuerer /als anderwerts den besten Wein; sondern auch den Küh-Mist wiegen sie den Einfältigen als ein groß Heiligthum gegen zweymal so viel Gold aus. Die Dürstenden müsten ehe erdürsten / als ohne eines Brachmans Einwilligung aus einem offenen See trincken; und die wohl zwantzig Tage-Reisen weit vom Ganges entlegene Leute wären von denen Brachmanen ihr versiegeltes Wasser gegen einer schweren Schatzung zu ihrem Labsal zu holen verpflichtet. Wenn ein Indianer was verliere / müste er zur Straffe seiner Unachtsamkeit eben so viel seinen Priestern bezahlen / oder er würde bey Nachbleibung dessen als ein Verfluchter aus der Gemeine gestossen / aus welcher ohne diß wenig in ihre Tempel kommen / und niemand auser denen Brachmanen ihrer Götter Bilder anrühren dörffte / gegen welche Deutschland wegen seiner bescheidenen und glimpflichen Priesterschafft sich glückselig zu schätzen / und ihren zuweilen mit unterlauffenden Schwachheiten / wie kluge Aertzte gewissen Kranckheiten / etwas nachzusehen hätte. Denn das hohe Priesterthum mit Gewalt an sich zu reissen / oder ihnen die Flügel allzu sehr zu verschneiden / wäre ein im Gewissen nichts minder bedenckliches / als in der Ausübung schweres und der gemeinen Ruhe gefährliches Werck. Daher wolte er dem Feldherrn nimmermehr[563] rathen diese Flamme anzurühren. Was lange Jahre so weichlich gehalten worden / wäre schwer zu etwas härterem ohne Gefahr zu gewehnen. Und also sey es besser ein Auge zuzudrückẽ / als ohne Frucht etwas verzweifeltes verneuern. Denn die Wieder-Einführung der altẽ Schärffe und besserer Sitten sey schädlich und unzeitig / wenn selbte erstarret / unsere Kräfften aber abgenommen hätten. Und es sey so denn mit einer solchen Herrschafft / wo die Gebrechen zu Sitten worden / wie mit alten siechhaften Leibern beschaffen; da die Artzney die schädlichen Feuchtigkeiten nur rege machte / und den sonst noch eine gute Weile angestandenen Tod beschleunigte. Das Volck selbst sey durch die Länge der Zeit schon dahin gebracht / daß sie die Gebrechen der Priester ietzt so sehr liebten / als sie für Alters ihre Andacht und Tugenden werth gehalten. Den Adel kitzelte es / daß sie dem ältesten Sohne ihre Güter verlassen / die jüngern durch die Würde eines Priesterthums abstatten / und derogestalt den Glantz ihres Geschlechtes erhalten / oder auch erhöhen könten. Daher würde unter seinen Räthen und den Werckzeugen seines Vorhabens niemand seyn / der nicht Theil an diesem Ubel / und zu diesem Berge einen Karn voll Erde getragen hätte. Auch gäbe es unter den Unterthanen solche Leute / welche den Veränderungen so gram wären / daß ihnen für ihrer erlangten Freyheit eckelte. Die von der grausamsten Dienstbarkeit kaum erlöseten Römer hätten die Tarquinier wieder einzuruffen sich gelüsten lassen. Und ein verwehntes Volck fluchtete nichts minder dem / der seine Wolfarth suchte / als die am Feber kranck liegenden denen / welche ihnen bey währender Hitze das schädliche Wasser zu geben verweigerten: Er wüste zwar wohl / daß auch durch linde Mittel kluge Fürsten vielem Ubel abhülffen. Alleine auch alle eingewurtzelte Kranckheiten des Leibes nehmen selbte nicht an / sondern erforderten Stärcke / Reinigungen und scharffes Aderlassen. Wie viel weniger wären die so hoch entbrennten Begierden des Gemüthes mit laulichten Säfften zu leschen. So fühlete auch keine Spinne so geschwinde / wenn nur ein Finger einen Faden ihres Gewebes anrührete / als die Priesterschafft / wenn man ihren Freyheiten mit einem Tritte zu nahe käme. Also sey es besser bey so zweifelhaftem Ausschlage so kräfftige Schwachheiten nicht anrühren / als es durch unzeitigen Eifer offenbar machen / daß wir selbten nicht gewachsen sind. Denn für derogleichen Gesetzen wird noch immer mit Furcht / es werde verboten werden / gesündigt. Wenn es aber nach dem Verbot den Verbrechern ungenossen ausgehet / verschwindet nicht nur alle Furcht und Scham bey den Unterthanen / sondern auch alles Ansehen bey dem Fürsten.

Aber / fuhr Zeno fort / ich muß wieder auf den Lust-Garten meines Gebürges kommen; darinnen Oropastes / Syrmanus / und ich / zwar eine gute Zeit unser Ergetzligkeit pflegtẽ / endlich aber theils aus Andacht / theils aus Begierde der Neuigkeit / auf die Spitze des Caucasus / und in das Heiligthum des Prometheus zu kommen verlangten. Wir reiseten einen gantzen Tag in diesem lustigen Thale über allerhand mit Wein / Oel- und Granat-Aepfel-Bäumen bedeckte Hügel; des andern Tages kamen wir auf ein neues Gebürge / welches zwar überaus hoch / gegen der aber uns nun für dem Gesichte liegenden Spitze des Caucasus / nur gleichsam für Maulwurffs-Hauffen anzusehen war. Mit dem Abende kamen wir an den Fuß des Berges / und nach dem wir nur etliche Stunden geruhet / stiegen wir mit unsern Maul-Thieren Berg-auf / weil die Hitze des Tages daselbst fast nicht zu reisen verstattet. Am[564] Morgen musten wir wegen angehender Gehigkeit die Maulthiere zurücke / und unsere Erfrischungen durch etliche Bergleute tragen lassen. Gegen Mittag verminderte sich die Wärmde nach und nach / und wir kamen endlich in eitel Schnee und Eiß; die Lufft war auch so kalt gegen Abend / daß wir ein Feuer machen / uns und unser bey nahe gefrornes Geträncke wärmen / und bey einem hellen Qvell / welches eines Armes dicke / und wohl drey Männer hoch aus der Spitze eines Stein-Felsens empor spritzte /übernachten musten. Befunden auch / daß unsere Krafft-Wasser alle Stärcke verlohren / der Wein aber mehr Krafft bekommen hatte. Folgenden Tag fingen wir mit auffgehender Sonnen an wieder empor zu klimmen / kamen in einen dicken Nebel / welcher unsere Kleider fast durch und durch annetzte / nach Mittages aber in eine helle sehr dünne / aber / weil die Sonnen-Stralen so hoch von der Erde nicht zurück schlagen können / überaus kalte Lufft / und eine Stunde vor Abend auff die verlangte Spitze des Caucasus /welche dem Bley-Maße nach vier hundert und acht Stadien / oder ein und funffzig tausend Schritte hoch ist. Diese hat eine Fläche etwan einer halben Meile in sich / wir empfanden den wenigsten Wind nicht / und zu unser höchsten Verwunderung oben in dem weissen Sande mit einem Stabe folgende Reime gantz unversehrt geschrieben:


Der hohe Fels hier ist des Weisen Ebenbild.

Man lacht hier wenn es blitzt / wenn Schloß und Hagel fållt;

Wenn bald der heisse Sud versengt die Unter-Welt /

Bald sie der kalte Nord in Frost und Schnee einhůllt.

So macht den Weisen auch kein Unfall kalt noch heiß /

Kein Neid / kein Schwamm der Zeit / lescht seine Zirckel aus.

Denn Tugend ist sein Thun / ein himmlisch Geist sein Hauß /

Das stets hat Sonnenschein / und nichts vom Winter weiß.


Diese Beschaffenheit bestetigte unsern Glauben /daß die Opffer-Asche auff dem Peloponesischen Berge Cylene ein gantz Jahr unverwehet bliebe; und daß beyde Gipffel den dritten Strich der Lufft erreichten / wegen welcher Abtheilung halber die Griechen sonder Zweiffel den Tempel der Lufft dreyen Gottheiten eingesegnet hätten. Wir konten von dieser unglaublichen Höhe zu unser höchsten Belustigung beyde das schwartze und Caspische Meer / nicht aber die Meotische Pfütze / wie nach des Aristoteles Bericht insgemein von diesem Berge geglaubet wird / erblicken; Welche beyde aber ein viel düsterners Ansehen hatten / als die herum liegende Berge / weil diese die Sonnen-Strahlen fester und gewaltsamer zurück schlagen / jene aber solche gleichsam in sich schlucken / und also keinen Widerschein geben. Die andern Taurischen Berge / auff welchen die weit unter uns schwebenden Wolcken lagen / kamen uns wie schneeweisse niedrige Hügel / und ein Regenbogen wie unser Fuß-Schemmel für; Auser der uns nach Sud recht gegen über liegende Berg Ararat / auff dem ein grosses Schiff stehen sol / worauff sich der Scythische Deucalion mit seiner Asia und Kindern / auff Einrathung seines Vaters Prometheus für der allgemeinen Sündfluth soll errettet haben. Wovon die Griechen hernach getichtet / daß dieses Schiff nach Wegweisung einer ausgelassenen Taube auff dem Berge Parnassus angelendet / ja das übrige Wasser zu Athen in einen Schlund eingeschlucket worden wäre / worüber sie hernach dem Olympischen Jupiter einen Tempel gebauet / darein sie jährlich einen von Honig und weitzenem Mehle gebackenen Kuchen als ein Opffer zu werffen pflegen. Dieser Berg Ararat / sagte Zeno /schien so hoch / wo nicht höher / als der Caucasus zu seyn / soll aber / nachdem durch Erdbeben etliche Klüffte davon abgespalten sind / nicht mehr bestiegen werden können.

Nach dem wir nun auff dieser stillen Höhe uns nicht lange auffzuhalten vermochten / weil uns der Athem wegen Dünnigkeit der Lufft überaus verlag /also daß wir nasse Tücher für den Mund halten musten / hieraus also wahr[565] befunden / daß man durchs Athemholen von der Lufft / als durch Speise und Tranck aus Erd und Wasser Nahrung schöpffete /überdiß es auch allbereit ziemlich finster zu werden anfing / und wir unwahr zu seyn erfuhren / daß auff dem Gipffel dieses Berges die Sonnen-Stralen fast die gantze Nacht durch schimmerten / und es darauff vier Stunden länger Tag seyn solte; so machten wir uns auff der Seite gegen Sud in ein Thal herunter / zu dem uhralten Tempel des Prometheus / darinnen zu übernachten. Der abschüssige Weg nöthigte uns gleichsam von der Höhe eben so springend herunter zu eilen / wie man in Africa einen gewissen Berg tantzend zu übersteigen genöthiget seyn soll / wenn man nicht vom Feber befallen werden will / oder vielmehr eines Weisen Lebens-Art seyn soll / daß er den Pfad aller Beschwerligkeiten mit einem freudigen Geiste wandele / und durch keine Unruhe die Ruhe seines Gemüthes stören lasse. Vorerwehnter Tempel ist in einen gantzen auff der Fläche dieses Thales liegenden Stein-Felß entweder von einem künstlichen Werck-Meister gehauen / oder von der Natur selbst ausgehölet. Er ist groß / inwendig kugelrund / und empfängt von einem oben durch den sich zusammen welbenden Felß gebrochenem Lufft-Loche nur ein weniges Licht. Wenn Agrippa diesen Tempel / oder seinen Abriß gesehen hätte / wolte ich kühnlich sagen / daß er nach diesem Muster zu Rom sein Pantheon gebauet. In der Mitte stehet ein steinern Altar / darauffliget eine Erdkugel / welche über die uns bekandte Länder / Meere und Flüsse mit vielen neuen bezeichnet ist; Ungeachtet diese Kugel sonder allen Zweiffel viel älter ist / als die ins gemein für die älteste gehaltene Land-Charte Anaximanders. Sie übertrifft an Vollkommenheit auch die kupfferne Taffel des Ariftagoras / und die vom grossen Alexander in den Tempel des Ammonischen Jupiters verehrete goldene / welche doch alle Länder /Meere und Flüsse auffs genaueste für Augen stellen solte; wo anders unsere itzige Abrisse nicht mangelhafft sind. Der Fuß / darauff die Kugel liegt / ist mit einer Eins beziffert; Gleich als diese dem Menschen bekandteste Kugel der Meßstab aller andern Cörper seyn solte. Uber der Erd-Kugel stehet das aus dichtem Golde gegossene Bild der Sonne / auff seinem rechten Fusse die Ziffer 140. weil sie so vielmahl grösser als die Erde seyn soll. Wiewohl einige Weltweisen sie für hundert sechs und sechzig tausend mahl grösser halten. Hingegen Epicur ihm hat träumen lassen / daß weder die Sonne noch andere Sternen grösser wären /als sie uns unser Augen-Maaß fürbildete; ja einige gar auff den Wahn gerathen sind / daß wie der Stern im Auge keine wesentliche Kugel / sondern nur ein rundes Loch in der mitlern Augen-Haut sey; Also die Sonne nur ein kleiner Platz des obersten Feuer-Himmels / welcher so weit in die Runde eröffnet stünde. Auff dem lincken Fuße ist ein Jahr verzeichnet / weil sie in dieser Zeit alle zwölff himmlische Zeichen durchlauffet / also / daß kein Theil des Erdbodens länger oder weniger als das andere bestrahlet wird; Ob schon unter den Angel-Sternen das gantze Jahr nur ein Tag und eine Nacht eines halben Jahres lang zu verspühren ist. Auff dem Nabel sind sieben und zwantzig Tage vermercket; weil in so vielen sich die Sonne um ihren eigenen Mittelpunct herum drehet /wormit sie nicht nur der Erde / aus allen ihren vielfältigen Schatzka ern ihren Reichthum zu neigen / und sie mit ihrer tausendfachen Besämungs-Krafft überschritten; sondern auch einem ieden Irrsterne seiner Eigenschafft gemässe Strahlen und Tugenden / aus ihren unzählbaren Röhren nicht anders / als das Meer durch seine Bewegung und Eindringung[566] in die Höhlen der Berge die Erde bey Kräfften erhält / einflössen möge. An der Seite hänget ein Bogen mit Köcher und Pfeilen / ihren für unsern Augen noch mehr als Pfeil geschwinden Lauff / und ihre durchdringende Krafft darmit abzubilden. Sintemal / da gleich die Sonne nicht um den Erdkreiß rennet / wie die Weltweisen insgemein glauben / daß ihr geschwinder Lauff vom menschlichen Verstande nicht zu begreiffen sey; In dem sie in einer Stunde über neun hundert / drey und funffzig Breiten des Erdbodens weit fortrennen müsse; So kömmt doch ihre Herumweltzung um ihren eigenen Wirbel und Mittelpunct / welches längsten in sieben und zwanzig Tagen / oder vieler Meinung nach alle 24. Stunden geschiehet / aller irrdischen Geschwindigkeit zuvor. Ihre Wirckung aber dringt biß in den Abgrund des Meeres / biß in den Mittelpunct der Erde / und schwängert gleichsam durch eine angenehme Vermählung alle fruchtbare Dinge / die verborgensten Ertzt-Adern / die kältesten Kristallen und Schnecken / und das Marck der rauesten Felsen. In der lincken Hand hat es eine Leyer / weil die Bewegung der Sonne nicht allein einen angenehmen Klang von sich abgeben; sondern auch die widrigen Würckungen anderer Gestirne / und gegeneinander streitenden Eigenschafften der Elemente vereinbaren soll; Also daß die Sonne selbst so wohl aus dem Erdbodem / als aus denen andern sechs Irr-Sternen ihren Einfluß annimmt / von welchen ihr rinnendes Meer nach Erheischung der Natur zuweilen als durch einen Sturmwind beweget / zuweilen auch sein übermäßiges Auffsieden besänfftiget wird. Nebst diesem Sonnenbilde stehet das himmlische Zeichen des Löwen / als ihr rechtes Erhöhungs-Haus abgebildet. Mit den Armen hält es über dem Haupte eine überaus grosse von Berg-Cristallen zwar geschliffene / an sich selbst aber nicht glatte / sondern hin und wieder nichts minder als die Erde von Bergen / Thälern / Meeren und Flüssen gantz höckrichte Kugel / durch welche man etliche Reyhen Berge gleich als einen Rückgrad / Rippen und Gebeine / als Behältnisse ihrer Vereinbarung gehen /auch aus solcher Kugel offtmahls Strahlen / Dampff und Wolcken ausschiessen siehet. Welches mir der Priester selbigen Tempels dahin auslegte / daß die Sonne / das warhaffte Element des eigentlichen Feuers / dieses aber in seiner warhafften Eigenschaft sonst nirgends / sonderlich aber unter dem Monden nicht zu finden wäre / und dannenhero die Sonne theils aus einem harten feurigen Kalcke / theils aus einem flüssenden Flammen-Meere bestünde / welches dem im Schmeltz-Ofen glüendem Golde zu vergleichen wäre; und dannenher bey seiner mehrmals hefftigen Bewegung nicht nur feurige Dünste ausdampffte /sondern wie die Feuerspeyenden Berge grosse Ströme Glutt von sich ausstiesse; welche hernach sich entweder in einen Feuer-Regen verwandelten / und sich also wieder zu ihrem Ursprunge zügen / und der Soñe gleichsam zur Speise dieneten / hierdurch aber die vielfältigen Flecken an der Sonnen-Kugel / wie auch ihre Erblassung / und daß sie ihre gütige Einflüsse nicht so leichtlich der Erde mittheilen könte / verursachten; Oder gar ihr hartzichtes Wesen also zusammen kleibten / daß daraus Schwantz-Gestirne erwüchsen / welche / nachdem ihr Talg geschwinde oder langsam sich einäscherte / ihre Dauerung / und gleich als auff Erden die Irrwische oder die flügenden Drachen ihren Untergang hätten. Dieser Erzehlung nach /sagte Rhemetalces / fehlen die Stoischen Weltweisen sehr weit / weñ ihrer Meinung nach die Sonne aus dem Meere / der Mond aus süssen Wassern / die andern Sternen aus den Dünsten der Erde ihre Nahrung ziehen sollen. Noch ärger aber irret Cleanthes / wenn ihm die Sonne deßhalben nicht den Krebs- und Stein-Bocks-Kreiß überschreiten kan / daß sie[567] sich nicht von ihrer Speise entferne. Allerdings / fuhr Zeno fort /ist beydes weit gefehlt. Sintemahl iedem Dinge nur diß / woraus es seinen Ursprung bekommen / zur Nahrung dienet; die Sonne aber eben wie die Erde in ihrem eigenen Kreyße ihren Unterhalt findet. Sonsten ist / des Priesters Angeben nach / das dicke Wesen in der Kugel des Sonnenbildes aus Amianten-Stein / und Jambolischem Holtze / das flüssende aber von dem Oel derselbigen Feuer-Würmer / die in den Schmeltz-Oefen gezeuget werden / bereitet; Also / daß es unauffhörlich ohne einige Verminderung brennet / zum Zeichen / daß die Sonne zwar nichts minder als die Erde und andere Gestirne aus verzehrlichem Wesen bereitet ist / auch ihr Abnehmen / Gebrechen / und jährliche Kranckheiten erduldet / derogleichen sie allererst für weniger Zeit gelitten / und ein gantz Jahr gantz verblaßt geschienen hätte; Gleichwohl aber einen solchen Talck an sich hätte / welcher dem dünnen Sonnen-Feuer eine beständigere Nahrung giebet. Da aber auch gleich solch Feuer etwas abnähme /würde es durch die häuffigen Sonnen-Röhren nicht anders / als der abnehmende Schwefel in denen unauffhörlich brennenden Bergen / von dem Zuflusse aus denen fernen Berg-Adern reichlich wieder ersetzet. Der Priester stellt die / welche der Soñe opffern wollen / und eine Hand voll Weyrauch in eine güldene mit Rubinen und Chrysolithen versetzte Schüssel / etliche Handvolln Weyrauch und Myrrhen streuen müssen / um das Altar herum; Hierauff zündet er eine mit Lorber-Zweigen umflochtene Fackel an / reichet sie dem / welcher ihm am nächsten ist / dieser dem folgenden / biß sie wieder an den Priester zurück kommt. Alsdenn zündet er den Weyrauch an; da denn zugleich zweiffels frey durch ein verborgen Rohr das Oel oder der Zunder in der Sonnen-Kugel vermehret wird / weil sich alsdenn derselben Glantz vergrössert. Diese hat an sich nichts minder / als das durch sie abgebildete grosse Tage-Licht von dreißig biß an funfzig scheinbare Flecken / welche gantz beständig bleiben / und die dichten nicht flüssenden Glieder oder Gebeine der Sonne sind / zwischen welchen vielmehr gläntzend und flüssendes Wesen sein Behältniß hat; Wiewohl / weil die Sonne und diese Kugel sich um ihren eigenen Mittelpunct umwendet / auch diese Flecken einmal anders als das andere ins Gesichte fallen / aber doch nach sieben und zwantzig Tagen wieder kommen. Ausser diesen giebt es unzehlbare / bald vergängliche / wiewohl gegen anderer Gestirne Dünsten sehr helle Flecken / welches nichts anders als aus ihren Hölen und von dem aufschwellenden Meere aufschüssende Fackeln sind / durch die die innern Sonnen-Kräffte in ihren eussersten Rand getrieben werden; zum Theil auch durch ihren Dampff verhindern /daß die flammenden Sonnen-Strahlen die Erde und andere Irrsterne nicht zu hefftig entzünden. Hinter dem Altare stehet eine zugespitzte Seule / an der folgende Uberschrifft zu lesen ist:


Des grossen Gottes Bild / der / weil er dem Gesichte

Unsichtbar ist / sich uns in diesem Spiegel weist.

Das Auge dieser Welt / das Sud und Nord macht lichte /

Das ieden Tag sein Kind / die Nåchte T \chter heißt.

Das Hertze der Natur / der Brunn der Lebens-Geister /

Die Himmel / Erd und Meer beseel'n mit ihrer Krafft.

Des Sch \pffers milder Arm / sein reich Almosen-Meister /

Der Bettlern Speise giebt / und Raben Nahrung schafft.

Der Ursprung allen Licht's / von dessen Fackel zůndet

Der tunckeln Ampeln Oel iedweder Irrstern an /

Für welchem der Gestirn' entlehnter Glantz verschwindet /

So weit der Flůgel sie der Nacht nicht decken kan.

Das unerschöpffte Qvell der Wårmde / die in Thieren /

In Pflantzen / in Gewůrm' / in Ertzt und Steinen steckt.

Der Schatz / wo Perlen / Gold und edle Stein herrůhren /

Das Thier / das Purpur hegt / Zibeth und Ambra heckt.

Der Strohm der Fruchtbarkeit / der / daß auf Sarg und Bahre

Nicht Welt und Vorwelt liegt / durch sein Gesäm' erhålt.

Die Richtschnur ieder Zeit / der Måßstab aller Jahre /

Der Früling / Sommer / Herbst und Winter giebt der Welt /

Das Meer / aus welchem Freud und Reichthum k \mmt geroñen /

Ist's Bild / dem man allhier steckt Weyrauch an:

Der Sonnen.[568]


Um dieses herrliche Sonnen-Bild sind um den rundten Tempel herum in einer wohl abgetheilten Entfernung sechs andere zu sehen. Das erste Bild war silbern / stand auf zwey weissen Ochsen / hatte auff dem einen Fuße 29. Tage / 12. Stunden / und 44. sechzigtheil; Auff dem andern 27. Tage / 7. Stunden / 42. sechzig theil zum Merckmahle seines Lauffs. So hoch ist der Vorwitz des Menschen gestiegen / daß er den Himmel auff einen Finger / die Erde auff ein Haar /und die Zeit gleichsam auff einem Augenblick abzumessen vermist! Seine gläserne Kugel über dem Haupte war kaum das zwey und vierzigste Theil so groß als die Erd-Kugel; denn so viel kleiner soll der Monde seyn; Wiewohl ihm ihrer viel auch das neun und dreißigste Theil der Erde zueignen. Diese hatte in sich so wol ein irrdisches als ein wässerichtes Wesen; welches letztere gegen dem Sudlichen Rande sich als ein grosser Brunn in viel Bäche zertheilete / und gleichsam unterschiedene helleuchtende Spiegel abbildete. Sie ware auch voll Meere / Flüße / Inseln /Berge / Wälder und Thäle / und daher entspringender unzehlbarer Flecken / welche theils daraus / daß die Strahlen von der Sonnen-Kugel in solche Tieffe nicht fallen können / theils aus dem Monden-Meere entspringen; auch / weil dieses sich nichts minder als das irrdische Meer aus seiner eigenen Natur / und von der Krafft der Sonnen-Strahlen / bald hin bald her beweget; ja der Monde sich von Ost gegen West / und wieder zurücke weltzet / nicht einmal wie das andere aussehen / sondern / nachdem die Monden-Kugel gegen den Sonnen-Strahlen / oder dem Auge des Menschen stehet / sich verändern. Gleichwohl war sein silberfarbener Schein / nicht nur wenn er voll / sondern auch /wenn er nur wie eine Sichel aussah / der schönste und dem Augenmasse nach / grösseste nach der Sonnen für allen andern Stern-Kugeln. Zu den Füssen dieses Bildes stand das himmlische Zeichen des wäßrichten Krebses; In der rechten Hand hatte es eine weisse Wachs-Fackel / in der lincken einen Wasser-Krug oder Thau-Horn. Sintemal der Monde nicht nur die Nacht erleuchtet; sondern auch die gantze Erd-Kugel /welche sonst von der Hitze der Sonne bald zu Staube werden würde / anfeuchtet; und zwar alsdenn / wenn die Sonne das Monden-Meer im Neu- und Voll-Monden am hefftigsten bewegt / am meisten bethauet; also / daß aus der Monden-Kugel nichts minder als aus der Erde viel / iedoch weit dünnere Dünste auffsteigen /das Meer sich bey Epp und Flut höher auffschwellet /Flüsse anlauffen / die Pflantzen mehr Safft kriegen /Krebse und Muscheln völler werden / das Gehirne feuchter wird / und insonderheit die Blutlosen Dinge den Geist des Monden empfinden.

Das andere Bild des Mercurs war von einem aus getödtetem Qvecksilber zusammen gefügten Talcke bereitet; welches mit einem Fusse auff einem steinernen Hahn / mit dem andern auff eine Ertztene Schlange trat. Seine über dem Haupte schwebende Kugel war neunzehn mahl kleiner als die Erd-Kugel / und kriegte auch nur zuweilen / wenn die Sonnen-Kugel am aller dunckelsten leuchtete / einen Ascherfarbenen Gegenschein. Auff einer Seiten standen die gestirnten Zwillinge / auff der andern die Jungfrau. Diß Bild hatte in der lincken Hand einen Zirckel / in dessen Mitte das Bild der Sonnen stand; weil dieser Irr-Stern seinen Lauff um die Sonne verrichtet / und von selbter sich keinmahl über acht und zwanzig Staffeln entfernet / wird also er gleichsam in ihre und der Venus Stralen stets eingehüllet; daher auch seine Kugel meist auff beyden Seiten lichte ist / wenn die Venus nicht zuweilen zwischen ihn und die Sonne tritt. In der rechten Hand trug diß Bild einen Herolds-Stab /mit zwey gegeneinander gekehrten Schlangen / weil dieses Gestirne / sonderlich[569] wenn es mit der Sonne vereinbaret ist / oder sein Geist durch ihre gerade einfallende Strahlen beseelet wird / denen irrdischen Dingen eine Lebhafftigkeit einflöst / die Thiere / und voraus den Menschen tieffsinnig machet. Auff dem einen Fuße dieses Bildes stand die Ziffer sechs; weil dieser Stern in so wenigen Stunden sich um seinen eigenen Mittelpunct umdrehet / und also auff der Erden gleichfalls bald voll bald hörnricht zu seyn scheinet.

Das dritte Bild der Venus war von Kupffer / stand mit einem Fuße auff einem Marmelnen Schwane / mit dem andern auff einer Alabasternen Taube. Die rundte Kugel über seinem Haupte war zwar nur das sechste Theil so groß als die Erd-Kugel / iedoch nimmt selbte gleicher gestalt ab und zu; übertrifft aber mit dem Glantze seine weißgelblichten Strahlen alle andere Sterne / ausser denen zwey grossen Welt-Lichtern; also / daß selbter so gar einen ziemlichen Schatten von sich wirfft. Dieses Bild hatte auff einer Seiten den himmlischen Ochsen / auff der andern die Wage / in der Hand einen Zirckel / in dessen Mittelpuncte gleichfals die Sonne abgebildet war; weil dieser Irr-Stern um die Sonne lauffen / bald über bald unter ihr stehen / auch sich keinmahl allzu weit von ihr entfernen soll; sondern bald ihr Vorläuffer / bald ihr Nachfolger / bald Morgen- bald Abend-Stern ist / und dahero seinem Stande nach auff der Erde bald klein /bald groß / und wie der Monde Monatlich; also dieser jährlich bald voll / bald halb / bald wie eine Sichel sich sehen läst; Auch nach Art der Sonne bald ihre höckrichten gleichsam aus Diamanten bestehenden Gebürge / bald ihr aus rinnendem Crystall sich sanffte rührendes Meer beweget / Zierde und Annehmligkeit denen irrdischen Dingen einflösset / und gleichsam eitel Musch und Ambra von sich hauchet.

Das vierdte Bild des Mars war auß hellgeschliffenem Stahle / stand mit einem Fuße auff einem Bocke /mit dem andern auff einem Wolffe; Weil dieser Irr-Stern allerhand stinckende Einflüsse hat / und wölfichter Art ist / in den Adern schwartzes Geblüte / im Hertzen Gifft und Galle kochet. Auff dem rechten Fuße stand die Ziffer 14. als das Maß / wie viel mahl er grösser als die Erde seyn soll. Auff der lincken sein Bewegungs-Ziel / nehmlich / 1. Jahr / 321. Tage / 22. Stunden / und 24. Sechzigtheile; Auff der Seiten das Zeichen des himmlischen Schützens und der Fische /als seine zwey Häuser. In der lincken Hand hatte dieses Bild einen rundten gantz glüenden und die obere Kugel bestrahlenden Schild / in der rechten einen Pfeil / wormit dieser Irr-Stern auch sonst bezeichnet wird. Mit dem ersten zwar / weil er nebst der Sonnen auch zum Theil sich durch sein eigenes Feuer erleuchtet; daher auch sein Schein / welcher sonst blasser als der Mond seyn würde / blutroth ist; Auch wegen dieses seines eigenen Scheines seine Kugel zuweilen als halb gespalten scheinet / nachdem er sich nehmlich um seinen eigenen Mittelpunct herum drehet / und dem Erdbodem ein oder andere Seite zeiget / wormit er seine schädliche Würckungen über die Erde nicht allezeit in gleicher Hefftigkeit ausübe. Massen er denn über diß in der Mitten einen rundten so grossen Wirbel und Schlund / als wohl gantz Africa ist /ingleichen ein finsteres schwartz-gelbes Pech-Meer hat / darinnen der Zunder / den dieses feurige Gestirne zu täglicher Zehrung darff / zwischen denen Schwefel-Bergen / und der aus Hüttenrauch und funckelnder Ertzt-Erde gemachtem Gerippe erhalten / und durch die geheimen Röhren in die unterirrdischen Hölen dieses Feuerspeyenden Etna geleitet wird. In der rechten Hand führete diß Bild einen Pfeil /[570] und aus dem Munde fuhr der Blitz / weil er nicht alleine kein mahl rund aussiehet / vielmehr aber allezeit grosse Spitzen oder Borsten aus seinem Cörper vorragen hat; sondern weil seine Schärffe allenthalben durchdringet / er gleichsam als ein wüttender Vulcan alle schädliche Waffen zum Verderb der Welt schmiedet / das Haupt schwindelnd / die Glieder zitternd / die Leber hitzig /das Hertze klopffend / die Thiere rasend macht / die Gewächse versänget / die Brunnen versäugen läßt /früh alles verbrennet / des Abends alles austrocknet /gifftige Winde / aussaugende Lufft / Donner und Wetter verursacht. Daher er auch von einigen Weisen das kleine Unglück der Welt / und ein Gott der Zerstörung geheissen worden. Auff den Achseln trug diß Bild eine blaugelbe höckerichte Schweffel-Kugel /oder vielmehr einen Feuer-ausspeyenden Berg; weil der hiedurch bezeichnete Irr-Stern unauffhörlich stinckenden Rauch und Feuer schäumet / das wässerichte Theil eitel siedendes Hartzt kochet / um seine Kugel schwartze Nebel und Wolcken erreget / und durch solche unauffhörliche Auffschwellung seine Eigenschafften als aus einem Schmeltz-Ofen heraus flösset / auch allen andern. Geschöpffen eindringet; Wiewohl diese Dünste sich endlich in einen Regen verwandeln / und also um dieses Wüten ein wenig zu besänfftigen / wieder zu ihrem Ursprunge absincken. Jedoch kriegte diese grausame Kugel von denen für ihm stehenden erstern und dritten / wie auch von dem hinter ihm folgenden Irr-Sterne offtmahls einen annehmlichen Gegenschein. Denn wie die grosse Harffe der Welt zu ihrer annehmlichen Zusammenstimmung allerhand ungleiche und widrige Seiten erfordert / die Erde aus unterschiedenen streitbaren Dingen vereinbaret ist; also hat der Himmel auch dieses kriegerischen Gestirns von nöthen / um im Winter die Kälte zu miltern / und der offtmahls gleichsam Wassersüchtigen Erde zu Hülffe zu kommen. Ja wie kein Gifft zu finden /daß nicht auch zur Artzney werde / wie das gifftige Gewürme seinen Nutzen schafft / die Spinne in der Lufft / die Kröte auff der Erde / der Scorpion aus den Wunden / die grünen Käfer aus den Pest-Drüsen das Gifft an sich ziehen; Also zeucht auch dieser Stern die schädlichen Einflüsse aller andern wie ein rechter Miltz an sich / und verbraucht selbte zu seinem Zunder. Auch hat die Natur weißlich geordnet / daß der Zirckel dieses Sternes / der in seiner Näherung zuweilen beym Eintritt des Wassermanns und der Fische ein grosser Haar-Stern zu seyn scheinet / um die Sonne /die Venus und den Mond gehe / womit er zuweilen von der Erde sehr weit entfernet werde.

Das fünffte Bild des Jupiters war aus fünckelndem Zihn / stand mit einem Fuße auff einem mit Blitz ausgerüstetem Adler / mit dem andern auff einem Hirschen. Auff dem Fusse war das Ziel seines Lauffes mit 11. Jahren / 315. Tagen / 17. Stunden / und 14. Sechzigtheilen bezeichnet; Neben diesem Bilde war das Zeichen des gestirnten Schützen und der Fische. Auff dem Nabel sahe man 284. Tage eingepreget /weil dieser Irr-Stern in solcher Zeit sich um seinen eigenen Mittelpunct / wie ein Rad um die Axe umwenden soll; Wormit er die heilsamen Kräffte beyder Seiten den andern Gestirnen und der Erde mittheilen möge. In der Hand trug diß Bild einen mit Oel-Laube umflochtenen Zepter; denn dieses Königlichen Gestirnes Einflüsse (wenn selbte nur nicht durch den dazwischen tretenden Cörper des feindlichen Kriegs-Sternes auffgehalten werden) wigen den Menschen Ehre /Herrschafft / einen freudigen Geist und Klugheit zu; Sie ermuntern in Thieren die Lebens-Geister / in Gewächsen stifften sie Fruchtbarkeit / in der Lufft heimliches Wetter / sanffte Regen / anmuthige Winde; im Auffgange[571] vermehren sie die Wärmde / im Niedergange die Feuchtigkeit; Im Sommer mäßigen sie die Hitze / im Winter den Frost; ja weil die Tieffen dieses Gestirns mit eitel Ambragriß angefüllet sind / bestehen seine Ausdampffungen in eitel wohlrüchendem Balsam / welche in der Erden alle kräfftige Gewürtze / Oele und Hartzte zeugen / und alle der Indier Stauden einbiesamen. Daher er nicht unbillich der grosse Glücks-Stern / und das Horn des Uberflusses geheissen wird. Dieses Bild trug über seinem Haupte einen absonderlichen Himmel mit vier unterschiedenen Zirckeln. In der Mitte stand eine hellgläntzende / auch die Erde wohl vierzehn mahl an der Grösse übertreffende / um den eussersten Rand etwas höckrichte Kugel / welche gegen der Sonnen mit ihrem Liechte dem Abends-Sterne nichts nachgiebt. Auff der abgewendeten Seite war sie gleichwohl auch ziemlich lichte / weil dieser Irrstern nicht nur von der Sonnen /sondern auch von seinem eigenen Liechte erleuchtet wird. Umb diese Kugel von Ost gegen West gingen unterschiedene etwas tunckele theils gerade theils gebogene Gürtel; Weil dieses Gestirne von solchen dem Taurus verglichenen Gebürgen in gewisse Striche abgetheilet / zwischen diesen das dariñen mehr gläntzende / und sich unauffhörlich bewegende Silber-Meer bewahret / auch nur an etlichen Orten von etlichen See-Engen durchschnitten wird. Diese Stern-Berge / welche schmal / bald breit / bald weit / bald nahe beysammen / bald schnurgleiche / bald gekrümt scheinen / nach dem diese sich von Nord gegen Sud sich umweltzende Kugel uns im Gesichte stehet / halten in sich allen Saamen der herrlichen Tugenden /welche allen andern Elementen desselben mitgetheilet / und gleichsam von eitel lieblichen West-Winden ausgehauchet werden. Diese schöne Kugel krieget ferner noch einen absonderlichen Glantz von ihren vier in denen vier Zirckeln um sie herum stehenden Stern-Geferthen / welche sämtlich von West gegen Ost /und zwar die innersten und nechsten immer geschwinder als die eussersten herum lauffen / und ihrem Haupt-Gestirne ihr theils eigenes / theils von der Sonne geborgtes Licht mittheilen; sonderlich der erste und dritte / welche überaus helle schimmern / und gleichsam gegen den andern zweyen Monden zwey kleine Sonnen sind. Ja weil die Sonne dieses grosse und hohe Gestirne nicht völlig erleuchten kan / zum theil ihre Stelle verderben / und aus der Tieffe desselbten alle Kräfften empor ziehen: wiewohl der erste und nächste an Grösse den rechten Monden / der andere dem Mercur / der dritte der Venus / der vierdte der Erde gleich kommt; iedoch nachdem sie ihrem und dieses grossen Gestirnes Lauffe nach zu stehen kommen / bald nahe beysammen / bald weit von einander / gegen Nord groß / und als wenn sie unten / gegen Sud viel kleiner / und als wenn sie über dem Jupiter stünden / auch nach dem Stande der Sonnen bald wie volle / bald wie wachsend- oder abnehmende Monden aussehen / auch zuweilen vom Schatten des Jupiters verdeckt; hingegen / weil aus dieser Gestirne hellen Dünsten sich auch auff eine zeitlang neue Hartzt-Sternen zeigen / zuweilen an ihrer Zahl vermehret werden.

Das sechste Bild / war ein aus Bley gegossener alter Greiß; seine Stirne voller Runtzeln / die Wangen eingefallen / alle Glieder schwach und sonder Lebhafftigkeit; Die Augen hatte er unter sich geschlagen /und die Beine schienen zur Bewegung gantz ungeschickt. Deñ der hiermit fürgebildete höchste und langsamste Irr-Stern hat an sich alle Schwachheiten des langsamen Alters / daher auch 29. Jahr / 162. Tage / 7. und 36. sechzigtheil Stunden verstreichen /ehe er einmal um seinen Zirckel herum ko t. Diß Bild stand auff einem Drachen und[572] Bären / hatte auf dem Fusse die Ziffer 22. als das Maaß seiner Grösse /wiewol andere diesen Irr-Stern mit seinen zweyen Armen oder Geferten 165. mal grösser als die Erde schätzen. Auf der Seite stand der gestirnte Steinbock /und der Wassermann. In der rechten Hand hatte es eine Sichel / in der lincken einen Rauch-Topf / weil die in diesem Irr-Sterne sich befindende graue Erde und Bley-Berge / wie auch das gleichsam aus eitel Spießglase sich langsam bewegende todte Meer aus seinen Hölen / und aufkochendem Hartzte unaufhörlich stinckendẽ schwartzen Rauch ausdampfet / als die rechte Kugel der Verwirrung alles verdüstert / mit seiner Todten-Sichel aber alles heilsame abmeyet /durch seine Kälte die Lebens-Wärmde auslescht /Feber gebieret / die Feuchtigkeiten zähe machet / giftige Nebel / Ungewitter / Schiffbruch / Unfruchtbarkeit und Kälte verursachet / sonderlich / wenn er sich unserm Scheitel nähert / oder mit dem kriegerischen Irr-Sterne in ein Horn bläßt; daher er billich der grosse Unglücks-Vogel / der kalte und trockene Feind der Natur / und das Vorbild der Zeit / welche ihre eigene Kinder auffrißt / genennt wird. Uber dem Haupte schwebte eine grosse dunckele Kugel / welche vorwerts von der Sonnen / auf der Seiten aber auch von zwey kleinen Kugeln / die ihn gleichsam zu einem dreyleibigten Geryon machen / erleuchtet wird; wiewohl beyde Geferten / nach dem man stehet nicht stets als von der mittelstẽ grossen Kugel gantz abgesondert / sondern nur / als angefügte Armen / handhaben /und halbe Monden; also die mitlere Kugel wie ein länglichtes Ey / oder / wenn die eine kleinere Kugel vor- die andere hinterwerts stehet / gar nicht gesehen werden. Sintemal umb diesen Irr-Stern zwey kleinere Irr-Sterne / derer ieder nur halb so groß ist / ieder in seinem absondern Circkel von West gegen Ost aufwerts herumb lauffen / wormit sie mit ihrem eignen Lichte / weil die überaus weit entfernte Sonne seinen grossen Cörper nicht genungsam erleuchten kan / alle seine ihnen nach und nach zugewendete Theile /indem sie und dieser Irr-Stern sich ebenfalls umb ihren Mittel-Punct umbweltzet / erhellen / und seine traurige Einflüsse durch ihre absondere Würckungen beseelen helffen; ohn welche die schwere Bley-Kugel gantz unbeweglich und finster seyn würde; wiewohl /wenn sie diesem Irr-Sterne ihre ebenfalls an sich habende irrdische dunckele Seite zuwenden / selbter gleichsam verschwindet / oder er auf seinen beyden Seiten mit zwey wesentlichen / nicht aber von einem blossen Schatten herrührenden düsternen Henckeln umbgeben wird; hingegen wenn eine Kugel gleich mit ihrem lichten Theile vor ihm steht / selbten so wenig als ein kleines Licht einer grössern Flamme Schimmer verfinstert. Diesen Irr-Stern als den allerschädlichsten hat die Natur in eine unermäßliche Höhe / nehmlich nahe funfzig tausend Breiten der Erde weit / über die Erdkugel gesetzet / womit seine mächtige Würckungen desto schwächer wären / auch von Heilsamkeit des Jupiters / von der Lebhaftigkeit der Sonne / und der Feuchtigkeit der Erden gelindert würden. Wiewohl sie nichts minder als Napel / Wolffs-Milch und dieselbigen Artzney-Kräuter / welche übel rüchen / in Eingeweiden reissen / dem Magen Eckel schaffen /oder auch die gifftigen Brunnen / die Schwefel-Bäder / und siedende Flüsse auf Erden / ja Nacht-Eulen und Fleder-Mäuse nöthig und nütze sind. Denn ob die Saturnischen Einflüsse zwar in denen Leibern / welche einen ihres Giftes fähigen Zunder in sich haben / grossen Schaden thun; so saubern sie doch andere ihnen nicht so sehr Zugethane darvon / und treiben die bösen Feuchtigkeiten in das ihnen von der Natur besti te Glied zum Heil der andern Eingeweide. Sintemal was in dem Menschen der Magen ist / der die Speise verdäuet / und iedem Eingeweide sein zuständiges Theil zueignet / das ist in der Welt die Erde; die[573] Werckstatt der Feuchtigkeiten ist in den Thieren das Gehirne / in dem Himmel der Monde; der Austheiler der Lebens-Geister ist in der kleinen Welt das Hertze / in der grossen die Sonne; die Leber theilet den Gliedern mit dem Geblüte Krafft und Stärcke mit / der gestirnte Jupiter allen Geschöpfen / die Lunge schöpfet Lufft / und kühlet die Hitze des Hertzens ab / wie der Mercur unter den Gestirnen; die Nieren sind das Sieb / welches das reine von dem unreinen unterscheidet /und der Werckzeug der Fruchtbarkeit; dieses würcket auch in der Welt die gestirnte Venus; und wie die Galle das bittere und schweflichte Geblüte an sich zeucht; also macht es im Himmel der Kriegs-Stern; ja wie der Miltz alle andere schädliche Feuchtigkeit dem Leibe zum besten theils in sich zeucht / theils durch die Stulgänge abtreibet; also ist es in der grossen Welt mit dem gestirnten Saturn beschaffen; zu geschweigen / daß er auch die flüchtigen Geister hemmet / alles überflüssige zusammen zeucht / und den Menschen zu Erforschung nachdencklicher Dinge bereitet.


Alle diese sechs Kugeln waren nur vorwerts gläntzend / ausser daß die des Saturn und Jupiters von den Geferten / des Mars aber von seinem eigenen Feuer auf der Abseiten etwas erhellet wurden / weil sie von der Sonnen-Kugel ihren Schein bekommen / und alle als kleiner hinter sich einen zugespitzten Schatten werffen. Man nahm in allen diesen Kugeln gleichsam Erde / Lufft / Feuer und Wasser wahr / ob wohl dieser Dinge Vermischung bey einem Sterne viel anders / als beym andern / zu seyn schien. Sintemal iedes Element in einem ieden Gestirne eine besondere Eigenschafft haben soll. Daher auch so wohl die Irr- als andern Sterne ihre Ausdampfungen haben / daraus zuweilen Schwantz- oder Haar-Gestirne / nach dem die Sonne sie durchstraalet / entstehen; welche / ob sie wohl lange Zeit / ja biß zwantzig Jahr scheinen / nach dem ihr Wesen nehmlich feste und hartzicht ist / wie man in der Cassiopea / auf der Brust des Schwanen und andern Gestirnen wahrgenommen / doch endlich verschwinden; nach dem der Mittelpunct iedes Sternes eine magnetische Krafft in sich hat / welche / wie es die Erde und alle Eingeweide in den Thieren thun /alles seinem Wesen gleichgeartete an sich zeucht; also daß da ein Stück von dem Monden mit Gewalt auf die Erde käme / selbiges so wohl zu dem Monden klimmen / als ein Stein aus dem Monden zur Erde fallen würde. Und daher für ein blosses Getichte zu haltẽ wäre / wenn Licinius Silanus gesehen haben wil / daß ein Mägdlein aus den Sternen gefallen / und selbtes nahe bey der Erde in eine Fackel verwandelt worden wäre; Wie auch / daß einst ein Löwe aus dem Monden in Peloponnesus abgestürtzet hätte. Hingegen billichte der Priester dieses Ortes nicht nur die Meynung des Pythagoras und des Xenophanes: daß es im Monden Städte / vollkommenere Menschen / und funfzehen mal grössere Thiere gäbe als auf der Erden. Ja daß daselbst in der Höle der Hecate der hier abgelebten Seelen über ihr Thun Rechenschafft geben / und ihre Straffe oder Belohnung empfangen müsten /indem daselbst das rechte Elysische Thal anzutreffen wäre; sondern es würden auch die übrigen Gestirne /gegen derer Herrligkeit unsere Erde für Koth / und gegen ihrer unbegreifflichen Grösse für ein Saam-Korn zu achten wäre / bewohnet / welche aber ihren Leibern und Gemüthern nach / uns gantz ungleich /hingegen ihrer Wohnung nach geartet wären. Gleicher gestalt sind die Seren und Scythen von dieser Meynung nicht entfernet / daher der Tatter Xaucung den Serischen König Hiaorus unschwer beredete / daß er ihm seine verstorbene[574] und im Monden wohnende Changoa alle Nacht zu seinem Beyschlafe herunter lockte. Als auch gleich dessen Betrug offenbar ward /wolte er doch biß in den Monden einen Thurm bauen lassen. Welche Thorheit ihm nicht ehe auszureden war / als biß der Bau-Meister das gantze Serische Reich zur Grundlegung forderte. Hertzog Herrmann brach Schertz-weise ein: Ich erinnere mich / daß die Einwohner des Atlantischen Eylandes nach ihrem Tode in die Sternen versetzt zu werden gläuben; also werde diese vermuthlich ihre Bürger seyn. Alleine hat Democritus diese bewohnte Stern-Kugeln auch unter seine viel Welten gerechnet? Oder hielt dieser Priester / des Plato Meynung nach / die Welt / die Erde und Sterne für beseelte / und mit allen Sinnen begabte Thiere? Zeno antwortete lächelnde: Es würde Pythagoras diesem Priester solche Geheimnüsse unter dem Siegel des Stillschweigens vertrauet haben / weil er gegen ihn damit hinter dem Berge gehalten. Es mangelte aber gleichwohl noch zur Zeit nicht an Vertheidigung beyder Meynungen. Und erinnerte er sich / daß etliche das eine Nasen-Loch der Erde / in das Thronische Nord-Meer / andere in die Mitte des Caspischen Nord-Meeres versetzten / und daß die Erde durch selbte Athem holete / erhärteten; andere Epp und Fluth des Meeres für der Erde Lufft-Schöpfung / das Erdbeben für die Schütterung dieses Thieres hielten /alle aber aus der Hegung so vieler beseelten Dinge ihr eigenes Leben behaupten wolten. Des Democritus Meynung aber hätte nicht nur unzehlbare Nachfolger /sondern Epicur hätte gar gelehret / daß täglich neue Welten entstünden und untergingen. Ja Metrodor hätte ihm dieses so fest eingebildet / daß er es so ungereimt zu seyn geachtet / wenn nur eine Welt alles All begreiffen solte / als wenn auf einem grossen Felde nur eine Aehre wüchse. Daß auch dessen von langer Zeit nicht etwan der albere Pöfel / sondern die grösten Leute beredet gewest / gibt uns der grosse Alexander ein merckwürdiges Beyspiel / welchem des Anaxarchus hierüber geführter Beweiß so tieff zu Hertzen ging / daß er bittere Thränen darüber vergoß.

Nach Betrachtung dieser Bilder / fuhr der Fürst Zeno fort / zeigte uns der Priester ein in dem Tempel hängendes Muster des grossen Weltbaues / darüber ich mich zum höchsten verwunderte. Denn nach dem ich zumeinem Lehrmeister einen Chaldeischen Sternseher / einen Griechischen Weltweisen / und einen Egyptischẽ Priester gehabt / bin ich vom ersten unterrichtet worden / daß die Erde der Mittel-Punct der Welt sey / und diese lieffe im ersten Circkel der Monde / im andern Mercur / im dritten Venus / im vierdten die Sonne / im fünften Mars / im sechsten Jupiter / im siebenden Saturn herumb. Eben dieses fast hat mich der Platonische Weltweise gelehrt / ausser daß er die Sonne in andern / den Mercur in dritten /die Venus in vierdten Circkel setzte. Der Egyptische Priester hat in dem mich nur etwas sonders bereden wollen / daß die Sonne zwar im andern Circkel umb die Erde lieffe; aber Mercur und Venus rennten nicht umb die Erde; sondern ihre zwey Circkel / derer innersten Mercur / den äusersten Venus inne hielte /gingen mit ihrem Lauffe umb die Sonne / als ihre Trabanten / welche sich keinmal weit von ihr entferneten. In diesem Welt-Gestelle aber war alles verrückt. Denn der Mittel-Punct war die Sonne / umb diese lieff im ersten Kreisse Mercur / im andern Venus / im dritten rennte die von mir für den unbeweglichen Mittel-Punct gehaltene Erde / und umb diese in einem absondern kleinen Circkel der Monde herumb. Den vierdten Kreiß hatte Mars / den fünften Jupiter / umb welchen[575] in vier Circkeln vier Sternen umblieffen / den sechsten Saturn / umb den in zwey Circkeln zwey Sterne umbeileten / inne. Mein Vorwitz trieb mich dem Priester einzuhalten / daß es ja wider den Augenschein lieffe /wenn man die täglich auf- und nieder gehende Sonne unbeweglich machen / die Erde aber / ausser dem Mittel-Puncte der Welt / welches aus denen rings herumb darauf fallenden schweren Dingen zu ermessen wäre / rücken wolte. Wie solten auch auf der wanckenden Erde Menschen und Thiere sicher stehen /oder daraus so viel Bäume und Pflantzen wachsen /da sie sich bewegen solte / nachdem das Wesen / in welches die Kräfften aller Gestirne einflüssen solten /ja ruhig seyn müste? Der Priester antwortete mir lächelnde: Ich solte meinen blöden Augen nicht zutrauen / das Mittel des unermäßlichen Welt-Gebäues zu erkiesen / welches sie ohne ein Circkel-Maaß in keinem Kreisse eines Fingers lang so genau treffen könten. Meinen falschen Augenschein die Bewegung der Dinge zu unterscheiden / solte ich aus einem Schiffe wahrnehmen / da mich bedüncken würde: Das Ufer fliehe für mir / und ich nicht für ihm. So geschehe auch die Bewegung der Erde in viel mehrer Gleichheit / als eines Schiffes bey dem besten Winde / darinnen alles so unverrückt bliebe / wenn es auf der See fort segelte / als wenn es im Hafen angebunden stünde /ob schon die Erde wohl mehrmals sich erschütterte /offtmals nicht nur Berge einbrächen / sondern auch an einen fernen Ort gar fortgesetzet würden. Und die /welche gantze Jahre auf dem Meere sich herumb schüttelten / würden sich über keinen Abgang der einflüssenden Sterne zu beschweren / vielmehr aber zu bezeugen haben / daß in denen darauf stehenden Gefässen die irrenden Pflantzen nichts minder als die in der grossen Erdkugel eingewurtzelt wären / wüchsen. Über dis hätte nicht nur die Erde / sondern auch die Sonne und alle Sternen ihren absonderen Mittel-Punct / in welchen alles zurück fiele / was aus ihr empor kommen wäre. Hingegen wäre es nicht allein möglicher und der Vernunfft gemässer / daß die Erdkugel alle vier und zwantzig Stunden sich umb seinen Würbel umbwendete / alle Jahre aber einmal umb die Sonne herumb lieffe; als daß dieses unbegreifflich-grosse Geschöpfe und so viel tausend unmäßliche Gestirne sich so geschwinde / als es menschlicher Verstand nicht fassen kan / umbrennen solten; sondern es würde nach fortgesetztem Grunde / daß die Welt hier wahrhaftig abgebildet wäre / die Rechnung mit der Bewegung der Sternen / der Mond- und Sonnen-Finsternüsse viel genauer eintreffen.


Wie wir nun / sagte Zeno / mit unser Verwunderug dieses Priesters Unterricht für eine unzweifelbare Wahrheit anzunehmen schienen / gab er uns Anlaß das Gewölbe des Tempels genauer zu betrachten /und zu schauen: Ob das daran gebildete Gestirne mit unsern gestirnten Himmels-Kugeln überein treffe? Ich ward aber bald gewahr / daß die mir bekandten 48. oder 50. hi lischen Bilder unzehlich viel mehr Sternen in sich hatten / indem meine Lehrmeister mit dem Ptolemeus ihrer nur 1022. gezehlet. Insonderheit nahm ich in dem neblichten Theile des Orions ihrer zwölff / zwischen seinem Gürtel und Degen achzig /zwischen seinen Schenckeln mehr als fünf hundert / in der Krippe sechs und dreissig / umb das Sieben-Gestirne vierzig / und in allen Zeichen eine grosse Menge neuer Sternen wahr; in der Milch-Strasse war die Zahl unzehlbar / und der Priester versicherte mich / daß im einigen Orion mehr Sternen / als man ihrer ins gemein[576] am gantzen Himmel zehlte / ja ihrer in dieser Strasse allein über hundert tausend wären; derer keiner doch so wenig als das kleineste Aederlein in dem menschlichen Leibe umsonst geschaffen / sondern in der Welt seine absondere Würckung / ja iedes Kraut seinen eigenthümlichen Stern hätte. Ich erstarrte aber / als er mir gegen Sud funfzehn gantz neue Sternbilder / davon ich vorhin nichts gesehen noch gehöret hatte / zeigte. Daher ich für grosser Begierde alsofort ihre Nahmen zu wissen verlangte / aber zur Antwort bekam: Es wohnte in diesem Tempel weder Heucheley noch Ehrgeitz / welche sich nicht vergnügten / Huren / Ehebrecher / Mörder in Marmel und Helffenbein zu bilden / sondern sie auch nebst wilden Thieren unter die Sternen versetzt hätten; daher hätten auch weder diese noch andere Sternen in diesem Tempel so irrdische Nahmen / noch so eitele Eintheilung; Er könte aber aus ihrem Stande leicht wahrsagen /daß man mit der Zeit Schlangen / Flüsse / Fliegen /Fische / Dreyecken / Thiere / Krähen / Phenixe / Pfauen und andere Geflügel daraus machen würde. Er machte auch unter diesen Sternen / welche insgemein für unbewegliche in einen Crystallenen dichten Himmel eingeschraubte Cörper hielte / aber in der daselbst durchdringlichen dinnesten Lufft eben so wol ihre richtige / wiewol unsern entfernten Augen unsichtbare Bewegung hätten / nur nach ihrem Wesen und Eigenschafften einen Unterscheid / daß etliche rechte Sonnen / unter denen der Sirius die gröste /wären / welche die um sich herum irrenden wiewol in unser Gesichte nicht fallende / und von unserer Sonne zu erleuchten unmögliche Monden mit ihrem Lichte betheilten / auch aus ihren feurigen Ausdampffungen viel durchsichtige Schwantz- und Haar-Sterne zeugeten / wiewol man ihren Schwantz und Haare nicht so wie unter denen Irrsternen erkiesen könte; weil sie mehr als hundert mal weiter von der Sonne / als die Sonne von der Erden stünden. Diese Weite verursachte gleichfals / daß nachdem diese stillstehenden Sternen sich zwar nicht von Ost gegen West alle Tage umwendeten; Gleichwohl aber der gantze gestirnte Himmel jährlich ein gutes Stück von West gegen Ost / wie die Erdkugel alle Tage fortrückte / man kaum in hundert Jahren solche Fortrückung mit den Augen vermerckte. Dessen wäre ein klares Zeugnüß der mitternächtige Angelstern / welcher sich kaum drey Himmels-Staffeln weit um seinen Mittelpunct zu drehen schiene; Da doch dieser enge Umkreiß in Warheit mehr als der Zirckel des Mars in sich begrieffe. Aus welchen Geschöpffen wir die Unermäßligkeit des ewigen Schöpffers / welcher ist der rechte Mittelpunct der gantzen Natur / und der vernünfftigen Seele ermessen / und also wie die vernunfftlosen Dinge nach ihrem /also so viel mehr wir / in derer Gemüthern Gott ein so grosses Licht des Verstandes aufgesteckt hätte / nach unserm Mittelpunct uns ziehen solten.

Wir hatten uns über dem unzehlbaren Gestirne schier müde gesehen / als der Priester uns wiederum zum Altare führte / und uns das Marmelbild des Scythischen Königs Prometheus zeigte / welches mit beyden Händen die zwey Hörner desselben faßte / die Augen aber starr auf die Sonnen-Kugel richtete. Die ser / sagte der Priester / ist es / der auf diesem hohen Gebürge sein gantzes Leben in Betrachtung der Sonne und Sternen / gleich als wenn er nach jenes Weltweisen Meinung hierzu alleine geschaffen wäre / zubracht hätte; worvon das Getichte entsprungen wäre / daß er auf dem Caucasus vom Mercur an eine steinerne Säule gefässelt worden. Dieser Steinfels wäre die Säule / seine himmlische Gedancken wären die Fessel / und er habe einem hierbey nistenden Adler / wenn er sich ausser seinem Gesichte in die Höhe geschwungen / mißgegönnet / daß er nicht / wie dieser unverständige Vogel / dem Gestirne näher kommen[577] könte. Dieses wäre der Adler / welcher ihm täglich sein Eingeweide gefressen zu haben gedichtet würde. Hier habe Prometheus nicht nur durch den Augenschein / wie in denen niedrigern Wolcken aus dem Dampffe der schweflichten Dünste und salpetrichten Feuchtigkeiten Donner und Blitz gezeuget würde / sondern auch durch sein tieffes Nachsinnen und künstliche Schau-Gläser die Eigenschafften der Sternen / und den Abgrund der hellen Himmels-Lichter erforschet / und andern Menschen entdecket. Deßhalben hätte die Nachwelt fürgegeben: Er wäre durch Hülffe der Minerva in Himmel gestiegen / hätte an dem Wagen der Sonne eine Ruthe angezündet / und hiermit das Feuer auf den Erdbodem bracht.

Uber dieser Unterred- und Betrachtung des Tempels / war der Abend nahe herbey kommen / und wir hätten darüber schier des Essens vergessen / wenn uns der Priester nicht ein gutes Theil den Berg hinab in eine zu seinem Auffenthalt dienende Höle / zu seiner gewöhnlichen Kräuter-Speise eingeladen / und mit dem köstlichen Wasser eines daselbst aus einem rothen Felsen entspringenden Brunnens erqvicket hätte; welches uns in Warheit besser schmeckte / als das Wasser aus dem Flusse Lyncestis / das wie der Wein truncken machen soll; oder auch aus dem Brunnen des Bacchus selbst / wenn es schon den siebenden Tag gewest wäre / da er allemahl mit Wein qvellen soll. Hertzog Herrmann fing an: Es ist gleich Zeit / daß wir auch unser deutsches Wasser kosten. Denn der Graf von Leuningen hatte dem Feldherrn gleich angemeldet / daß auff seinen Befehl in des Zeno Vorgemach die Taffel / und zwar dem noch schwachen Zeno zu Liebe auf Römische Art bereitet wäre / daß ieder Gast sich zur Taffel auff einem Bette legte. Hiermit verfügte sich die sämtliche Versammlung dahin. Der Feldherr entschuldigte bald anfangs / daß zwar der Tisch / aber nicht die Gerüchte nach Römischem / weniger nach Asiatischem Uberflusse bereitet seyn würde. Sintemal er selbst zu Rom gesehen / daß bey einer Mahlzeit zweytausend seltzame Fische / und sieben tausend Vögel aufgesetzet worden wären. Die Persischen Könige aber solten auf ein Abend-Essen viertzig Talent aufwenden / und tausend Thiere abschlachten lassen. Denn die Deutschen wären nicht gewohnt / wie diese wollüstige Fürsten / in die Welt Ausspürer niedlicher Speisen auszusenden / noch grosse Silber-Preisse für die Erfinder neuer Wollüste aufzusetzen / sondern hielten vielmehr dafür / daß der Gerüchte Uberfluß Eckel verursachte / und das Essen hinderte. Hierauf ward zum ersten von frischen Neun-Augen vorgelegt; Erato / welche ihr Lebtage keine solche Fische gesehen / hatte Bedencken sie anzunehmen / und fing an: was sie mit diesen Würmen machen solte? Rhemetalces / ob sie ihm gleich eben so fremde waren / fing lächelnde an: Es wäre nichts ungemeines / daß man Würmer ässe. Seine Nachbarn / die Thracier / hielten die weissen Holtzwürmer mit den schwartzen Köpffen für Leckerbißlein. Flavius setzte bey: Und die Africaner nicht nur die Heuschrecken / sondern auch die grünen Heydächsen. Zeno bestätigte es / und meldete /daß sie um den Berg Athos die Nattern ässen / und deßhalben insgemein biß hundert und viertzig Jahr zu leben glaubten. Die Candeer in Africa speiseten auch meistentheils Schlangen. Nachdem aber der Feldherr die Fremden versicherte / daß die Neun-Augen Fische wären; genassen sie selbte mit sonderbarem Vergnügen. Noch vielmehr aber hielten sich Zeno und Erato an die aufgesetzten Biber-Schwäntze und Klauen /welche sie für die köstlichste Speise des Euxinischen Meeres / Deutschland aber für das rechte Vaterland der seltzamsten Köstligkeiten hielten; als sie Aescheu / uñ ein Stücke von einem Stör auftragen sahen / und selbten aus denen gegen den Kopf gekehrten Schupffen erkenneten. Rhemetalces fing auch[578] an: Es hätte diß schöne Stücke wol verdienet / daß sein Kopf wie zu Rom mit einem Krantze / und von bekräntzten Schallmeyern wäre aufgetragen worden. Wie denn auch die Beotier die Aale mit Kräntzen ziereten / und sie ihren Göttern opfferten. Rhemetalces hatte kaum ausgeredet / als man auf des Feldherrn Winck eine Schüssel rothe Aale aufsatzte; Welches die fremde Gäste noch mehr verwundernd machte. Hertzog Herrmann aber befahl einem ieden Gaste eine Schale mit einem köstlichen am Flusse Pathissus gewachsenem Weine zu geben / und erinnerte sie solche zu genüssen; weil nur die lebenden Fische im Wasser / die todten aber in etwas heisserem schwimmen. Daher müsten sie des Fürsten Zeno seinem Wasser ertheilten Ruhm für dißmal etwas miltern. Rhemetalces fing an: Er hätte gleichwol in Pannonien bey Saline in brüh-heissem Wasser Fische schwimmen sehen. Auch solte das Wasser zur Verdäuung besser seyn / als der Wein. Fürnehmlich aber wäre der Hunger der beste Koch /und der Durst der beste Kellermeister. Daher dörfte man sich nicht wundern / daß schlechtes Wasser dem Fürsten Zeno nicht nur besser als der so hoch beschriehne Nectar geschmecket hätte / sondern auch wol bekommen wäre. Er hätte sich gleichfals offt darmit gelabet / und er könte dem Pindarus ohne grosses Bedencken enthengen / daß das Wasser unter den Elementen / was das Gold unter den Metallen wäre. Unterdessen aber wäre doch dem so grossen Geschencke der Natur dem Saffte der edlen Reben sein Vorzug für dem Wasser nicht zu entziehen / sondern vielmehr zu enthengen / daß der Wein eine Milch der Alten und der Liebe / ja ein Oel des Lebens / und eine Artzeney der Krancken genennet zu werden verdiente. In welchem Absehn Bacchus zu Athen als ein Artzt; ja sein Gewächse selbst in Africa für einen Gott verehret würde. Jederman müste den Wein für einen Zunder der Hertzhafftigkeit / und für ein heilsames Mittel wider die Traurigkeit gelten lassen. Dahingegen das Wasser betrübt / und etliches gar / wie das aus dem Brunnen Salmacis / weibisch machte. Zeno versetzte: Er wäre kein abgesagter Feind des Weines / und hielte es für Verleumdung / daß einige ihn für ein im Holtze der Reben verfaultes Wasser schielten. Er hielte ihn auch für eine Hertzstärckung / und eine der köstlichsten Artzneyen; aber nicht für ein dienliches Geträncke. Denn er grieffe die Lebens-Geister an / erhitzte das Geblüte / zerrüttete das Gehirne / zerstörete die Fruchtbarkeit / und schwächte die Kräfften der Vernunfft. Daher die Griechen die Schrifften des Demosthenes dem / was Eschines schrieb / nicht wegen seiner bessern Geburts-Art vorzohen / sondern weil dieser Wasser / jener Wein tranck. Und ob zwar hierinnen die Maßhaltung eine Gräntzscheidung zwischen dem Nutzen und Schaden seyn solte; so bezeugte doch die Erfahrung / daß diesen Unterscheid zu beobachten schwerer als die Aus-Eckung eines Zirckels wäre. Die uns angebohrne Lüsternheit setzte dem Glase der Gesundheit einen Becher der Freundschafft bey / und das dritte schenckte man zu Erfreuung des Gemüthes ein. Hiermit erschlieche uns ein halber Satz zur Trunckenheit / wordurch ein Mensch schon nicht mehr seiner mächtig wäre / sondern dem Schwelgen freyen Zaum verhienge. Auf diese Art hätte die Trunckenheit sich gantzer Völcker bemächtiget / daß sie bey ihnen den Nahmen der Sitten / und das Vermögen viel zu trincken den Ruhm einer Tugend erlangt. Da doch der Mensch dardurch sich gleichsam zu was ärgerm / als einem Vieh machte; sintemal / kein Thier auser dem Menschen / ohne und über den Durst trincke. Daher die Römer allen Weibern / die Carthaginenser allen Kriegesleuten das Weintrincken so scharf verboten / daß es bey ihnen dem Ehebruche / bey diesen der Verrätherey gleiche gestrafft ward. Pythagoras hätte die / welche sich des Weines nicht[579] gäntzlich zu enthalten gewüst / aus seiner Schule gestossen; und Pittalus ein Gesetze gegeben / daß ein in der Trunckenheit begangenes Laster zweyfach gestrafft werden solte. In den Opffern der Sonne / welche doch diesen Safft selbst allein kochte / und zubereitete / wäre es nicht zuläßlich einigen Tropffen Wein beyzumischen /und in den Tempel der Juno dorfte man keinen dem Bacchus gewiedmeten Epheu bringen; Zu einer heilsamen Lehre / daß insonderheit Fürsten / und die /welche über andere Menschen Aufsicht haben / sich dessen zu enthalten hätten. Daher der grosse Alexander mit seinem Heere einen weiten Umweg genommen hätte / wormit er es nicht über den weinreichen Berg Nysa führen dörfte / weil er solches unversehrt darüber zu bringen nicht getrauete. Denen über die Gesetze sonst erhabenen Königen in Indien wäre der Wein durch ein Gesetze verboten / und ein Weiser hätte den Weinberg nachdencklich die Haupt-Stadt der Laster genennet. Hertzog Herrmann lächelte /wendete sich gegen den Hertzog Arpus / und fing an: Ich mercke nun allererst / daß Zeno sich bey den Catten aufgehalten / und ihm ihre Sitten nicht übel gefallen haben müssen / welche eben so wenig / als die von ihnen entsprossenen tapfferen Nervier in Gallien einigen Wein / als wordurch man nur weibisch und zur Arbeit untüchtig gemacht würde / in ihr Land zu führen bey Lebens-Straffen verbieten. Hertzog Arpus antwortete: Ich besorge vielmehr / daß seine Scheltung der Trunckenheit nichts minder meine Catten /als alle andere Deutschen zu treffen anziele. Sintemal wir fast in der gantzen Welt deßhalben schwartz find /es auch in Warheit wenig anders ist / als daß es bey den Deutschen keine Schande sey / Tag und Nacht mit trincken zugebracht haben. Hertzog Herrmann setzte bey: Es ist leider wol wahr / daß die Deutschen im Truncke ihre Schwäche zeigen. Gleichwol aber würde ihnen viel über die Warheit beygemessen; insonderheit wäre es eine offenbare Verläumdung der Römer /daß sie einen Knaben um einen Eymer Wein vertauschten; Bey denen Gastmahlen ihnen die Stirne aufritzten / das Blut daraus in den Wein rinnen liessen / und aus ihren Hörnern zu Bestätigung ihrer Freundschafft einander zubrächten. Und ob er wol seiner Landsleute Laster nicht entschuldigen / weniger zu Tugenden machen wolte; so hielte er doch das Trincken nicht für das ärgste. Den Deutschen wäre angebohren / aufrichtig und streitbar zu seyn. Nach des Plato Berichte aber / wären alle streitbare Völcker / als Scythen / Persen / Zelten / Spanier und Thracier zum Truncke geneigt / und die Warheit solte im Weine begraben liegen. In welchem Absehn die Griechen die Sieger auf den Spielen des Bacchus mit dreyfüßichten Trinckgeschirren beschenckten / gleich als wenn die Trinckenden so wahr / als die Wahrsagerinnen aus dem Dreyfusse des Apollo redeten. Zeno entschuldigte sich in alle Wege / daß er die Deutschen anzugreiffen nie gemeint gewest wäre; auch nicht glaubte / daß sie im Trincken allen andern Völckern überlegen seyn solten. Die Parthen suchten Ehre aus vielem Trincken / und hätten der Scythen Gesandten von ihnen geurtheilt / daß ie mehr sie in sich schütteten / ie mehr dürstete sie. Die Persen hätten ihrem Erlöser dem tapffern Darius als eine besondere Lobschrifft auf sein Grab geetzt / daß er ohne sein Ungemach viel zu trincken vermocht. Der grosse Alexander hätte Säuffern ein Talent zum Siegs-Preisse aufgesetzt / mit dem Proteus in die Wette getruncken / und durch den Wein ihm selbst den Tod verursacht / gleich als sich Bacchus hierdurch an ihm wegen Zerstörung der Stadt Thebe hätte rächen wollen. Die Sybariten hielten für Schande / diß was sie auff dem Bretspiele gewonnen / anders wohin / als auf Wein anzulegen. Sie nöthigten einander so viel mal ihre Schalen auszuleeren / als der Würffel ihnen[580] ein Gesetze fürschriebe. Sie schämeten sich nicht dem sich ausschüttenden Magen Gewalt anzuthun / und diß zu füllen / was die Natur leer zu haben sich mühte; gleich als wenn sie zu Verderbung des Weines gebohren wären / und dieser edle Safft nicht anders als durch ihren Wanst ausgeschüttet werden könte. Unter diesem versoffenen Volcke hätte sich Sminderydes gerühmet / daß er in zwantzig Jahren nie hätte gesehen die Sonne aufgehen. Bey den Griechen wäre das Trincken ein uhraltes Handwerck / und es hätte Homer nicht so eigentlich den Schild Achillens als das Trinckgeschirre des zum Truncke geneigten Nestors beschrieben. Bey ihren Gastmahlen würde aus einem grossen Kessel iedem Gaste durch ein absonderliches Silberröhr so viel Wein zugeflöst / daß selten einer genung schlingen könte. Alcibiades selbst hätte nicht nur wegen seiner Tapfferkeit in Schlachten / sondern auch im Sauffen einen berühmten Nahmen erlangt. Die zwey grossen Weisen Socrates und Plato wären von ihrem Trincken beruffen; Arcesilaus und Lacydes hätten sich gar zu tode gesoffen / und Solon wäre hundert mal über sein eigenes Gesetze gefallen / darinnen er die Trunckenheit der Obrigkeit bey Lebens-Straffe verboten. Eben so sehr wäre dieses Laster bey den Römern eingerissen; welche allererst eine Kunst erfunden / ihn durch einen Lagersack zu seigen / also dem Weine seine Stärcke zu nehmen / und ihn gleichsam zu entmannen / daß sie dessen nur so viel mehr trincken können. Marcus Antonius hätte von seiner Trinck-Kunst ein gantz Buch geschrieben. Des Cicero Sohn wäre zu Rom für einen so grossen Säuffer / als sein Vater für einen Redner gehalten worden. Tiberius selbst wäre ein so grosser Held in Gläsern / als im Felde / und hielte den Torqvat nur wegen seiner selzamen Sauff-Künste in seiner Bestallung. Rhemetalces fing an: Er solte seinen in diese Zeche gehörigen Thraciern nur nicht heucheln / als bey welchen so wol Weiber als Männer das Volltrincken / und so gar die Kleider mit Weine netzen / den Titel des glückseligsten Lebens verdiente. Hertzog Arpus versetzte: seinem Bedüncken nach / wäre die Trunckenheit diesen Völckern /welchen die Natur durch den Weinwachs einen so reichen Zunder hierzu verliehen hätte / ehe als den Deutschen zu verzeihen / derer euserste Gräntzen / und zwar nur noch für weniger Zeit durch blosse Lüsternheit mit Reben wären belegt worden; da die Deutschen doch vorhin geglaubt / daß sich bey ihnen so wenig Wein pflantzen / als auf dem Eylande Tenos sein Brunnwasser sich mit Weine vermengen liesse. So aber hätten die Deutschen mit vielem Nachdencken ergrübelt / wie sie auch das Wasser truncken machen / und diß also die Eigenschafft des starcken Flusses Erganes überkommen möchte; da sie nehmlich ihr Bier aus Gersten und Hopffen kochten. Welche Erfindung alleine seinen Wunsch zurücke hielte /daß alle Wasser in der Welt die Eigenschafft des Clitorischen Brunnes haben möchten / dessen der / der nur einmal daraus getruncken hätte / nicht einmal den Wein rüchen könte. Jedoch wolte er gerne zu frieden seyn / wenn die Deutschen sich mit den Königen in Persien vergnügen wolten / welche sich des Jahres nur einmal an dem Feyer ihres Gottes Mithra voll trincken dorften. Antiochus in Syrien / und Mydas in Phrygien hätten gantze Brunnen mit Weine angefüllt / wormit jener seinen Uberfluß zeigen / dieser den Silenus berauschen könte. Alles diß aber wäre Kinderspiel gegen der Verschwendung des Serischen Königs Rieus / mit welchem auch der erste königliche Stammbaum Hiaa untergegangen. Denn er hätte einen grossen / und zur Schiffarth fähigen Teich graben /und mit Weine füllen lassen; woraus immer wechselsweise drey tausend Menschen auff Hundes-Art sauffen / und hernach im nechsten Walde die an die Bäume gehenckten und gebratenen[581] Ochsen / Hirsche und wilde Schweine verzehren müssen. Zeno fing an: Hertzog Arpus erinnerte ihn durch sein Verlangen der Mäßigkeit dessen / was die Serer von ihrem unvergleichlichen Könige Yvus rühmten; daß / als sie ihm den neuerfundenen aus Reiß gemachten köstlichen Tranck zu kosten gebracht / kläglich geruffen hätte: Wehe meinem Stamme und dem Königreiche / welche beyde durch dieses süsse Gifft vergehen werden! Rhemetalces sagte: Derogestalt sind die Deutschen nicht die ersten / oder wenigstens nicht alleine / die ihnen neue Träncke erdacht haben. Denn über die Serer kochten die Mohren aus Hierse / die Pannonier / Spanier und Egyptier aus Weitzen eben dieses Geträncke / welche letztern es gar von ihrem Osiris gelernt haben wolten. Seine Thracier machten aus Gesäme gewisser Kräuter / die Babylonier aus Pflaumen / die Illyrier aus Baumknospen / die Indianer aus Datteln und Zucker-Rohre / die Africaner aus Granat-Aepffeln starcke Geträncke. Ja die Scythen trincken sich auch durch den Rauch gedörreter Kräuter voll. Hertzog Herrmann setzte bey: Diese Einzieh- und Ausblasung des Rauches wäre fürnehmlich in dem Atlantischen Eylande gemein / woher sie die Friesen auch in die Wasser-Länder Deutschlandes gebracht hätten; und wüste er nicht / ob die Atlantier von den Scythen /oder diese von jenen / diesen dürren und stinckenden Tranck bekommen hätten. Am allerselzamsten aber wäre / daß die Einwohner des Eylands Thule ihren Fischthran / oder die von den Wallfischen geschmeltzte Fettigkeit allen Weinen der Welt weit fürziehen. Sonst aber müste er nur von seinen durstigen Deutschen gestehen / daß sie zu Unterhaltung der Trunckenheit noch aus gepresten Aepffeln und Honige einen starcken Meth jähren liessen; zu ihrem gemeinsten Geträncke aber Milch und Wasser brauchten. Diese zwey / sagte Zeno / sind sonder Zweiffel wol die ältesten / und daher auch die gesündesten Träncke. Massen denn der Wein so gar von eingemischtem bittern Meer-Wasser / oder wenn man die mit Most gefülleten Fässer eine weile im Meere schwimmen läst / besser werden soll. Thales Milesius hält das Wasser gar für den Uhrsprung aller Dinge /die Egyptier für einen Gott / und die meisten Völcker verehren die warmen Brunnen / und die Qvelle grosser Flüsse. Ja in dem Heiligthume des Clarischen Apollo / wie auch des zu Colophon macht das aus seiner Höle getrunckene Wasser auch die ungelehrten Priester so geschickt / daß sie in gebundener Rede aufs zierlichste wahrsagen. Seine Artzney-Kräffte sind nicht zu zehlen. Daher Melampus die Vermischung des Weines mit dem Wasser aufbracht hat; und sein Genüß ist so kräfftig / daß nicht nur die Heuschrecken davon alleine leben / sondern auch viel Menschen /ohne andere Speise / sich lange erhalten haben. Denn wie Philinus von lauter Milch; also haben Moschus /Anchimolus und Lamprus von eitel Wasser neben wenig Feigen und Myrthen-Früchten gelebt. Der Feldherr fing hierüber an: Er wäre ebenfals nicht nur ein Freund / sondern auch ein Koster der Wasser; wiewol niemand eines oder des andern Güte durch den Geschmack besser als die / welche keinen Wein trincken / zu unterscheiden wüsten; Es wären aber die Meinungen von Gesundheit derselben so unterschieden / daß er sich nicht recht daraus zu wickeln wüste. Die Griechen rühmten das Attische / die Persen ihr Euleisches / die in Asien das Donyleische / die Phrygier ihr warmes bey Tragasta / die Sicilier ihr kaltes im Brunnen Arethusa / die Sarmater ihr dinnes im Borysthenes /die Stadt Nissa ihr fettes Wasser / welches sie so gar an statt des Oeles brauchten / für das beste. Zwar wären die Wasser aus schlammichten und gegrabenen Brunnen / wie auch die Salpeter- und saltzichten / und die das Ertzt angreiffen / oder langsam das Gesäme kochten /[582] wie auch das stillestehende verwerflich. Daher die Corinther aus dem eißkalten Brunnen beym Contoporischen Vorgebürge das Wasser nicht ehe trincken / als biß es ziemlich weit aus selbtem hervor geflossen wäre. Und das köstliche Achillische Wasser bey Milet solte / wenn es stille stehen müste / saltzicht werden; Das unterirrdische aber / welche die Sonne nie beschiene / taugte noch weniger; also / daß in Cappadocien das gesündeste Wasser / welches gleich stehende gut bliebe / verdürbe / wenn es unter die Erde lieffe. Eben so wenig hielte man von den färbichten. Denn wie der rothe Wein / der gelbe Honig /das grüne Oel / der schwartze Balsam / also wäre das Milch-weisse Wasser auch das beste. Ja auch den wolrüchenden Brunn in Mesopotamien zu Cabura wolten wenig loben; weil eben so wol das gar nichts rüchende / als das nichts schmeckende Wasser das beste seyn solte. Hertzog Malovend bestätigte es /und zohe als was merckwürdiges an / daß da die Sonne sonst das Wasser so sehr verbesserte / gleichwol das von denen Sonnenstrahlen empor gezogene /und hernach aus der Lufft herab fallende so wenig nütze wäre. Sintemal das aus Schnee und Schlossen zerlassene so gar eine Gifft bey sich haben / der Tau die Krätze verursachen / das Regenwasser aber wegen bey sich habenden Schlammes am geschwindesten faulen / und also auf die Schiffe nichts taugen solte. Alleine diese geschwinde Fäulnüß / versetzte Jubil /halten viel Aertzte für ein Merckmal ihrer Heilsamkeit. Daher sie das Regenwasser etliche mal mit Fleiß faulen lassen / und allemal reinigen / also hernach solches für gesünder / als alle andere rühmen. Uberdiß hätten die Alten / insonderheit aber / wenn sie truncken gewest / Schnee zu trincken / oder auch solchen mit Weine zu vermischen / grosses Belieben gehabt. Des grossen Alexanders Taffel wäre niemals leer davon gewest; und hätte er im heissen Indien / bey Belägerung der Stadt Petra / in dreißig mit Eichenem Laube bedeckten Gruben den Schnee zu seinem Geträncke aufs sorgfältigste verwahren lassen. Es wäre diß nichts altes / antwortete Hertzog Herrmann /indem er zu Rom etliche hundert Eiß-Gruben und Behältnüsse des Schnees gesehen / welchen zu erhalten die Spreu eine deßhalben so viel mehr wunderwürdige Eigenschafft hätte; weil sie in sich durch ihre Wärmde das unzeitige Obst reif machte. Den Schnee aber und das Eiß brauchten die Römer bey ihren Mahlzeiten /nicht nur des Sommers den Wein damit in Flaschen aufzufrischen / sondern sie würffen beydes / und zwar auch im Winter / nach dem sie die vom Rooste noch glühenden Biltze oder andere scharf gepfefferte Speisen siedendheiß verschlingen / in ihr Geträncke / wormit sie mit dem noch unzergangenen Eiß und Schnee ihre erhitzte Magen abkühleten. Ja es wäre diß nicht etwan was besonders grosser Leute zu Rom / sondern der Pöfel wäre auch so lüstern / daß der Schnee ihme zur Unzeit eine Würtze seiner Uppigkeit abgeben müste. Wordurch man denn daselbst eine Gelegenheit ausgesonnen hätte / das gemeine Wasser zu kauffen; nachdem es dieser wuchersüchtigen Stadt verdrüßlich wäre / daß man die Lufft / die Sonne / oder sonst etwas umsonst haben solte. Allein es wären alles diß nur Erfindungen der verschwenderischen Wollust /welche ihrer Lüsternheit so wol das Leben und die Gesundheit willig aufopfferte. Zeno fing an: sonder allen Zweiffel muß dieses kalte Geträncke die natürliche Wärmde sehr dämpffen / und die Rohigkeit des Eises und Schnees sehr schädlich seyn; wo es anders wahr ist / daß die gekochten Wasser am gesündesten sind / die Schmertzen der Wunden stillen / und daß auch die schädlichen Wasser / wenn man sie halb einsieden läst / trinckbar werden. Ja ich halte nichts gesünders zu seyn / als das Geträncke der Seren / welche nichts als über ein gewisses Kraut siedend-heiß gegossenes Wasser / so warm es ihr Gaumen und Zunge[583] vertragen kan / niemals aber nichts kaltes trincken / und daher auch nicht einst die Nahmen der Darm- und Glieder-Gicht / des Steines / und etlicher anderer unserer schmertzhafftesten Kranckheiten kennen. Hertzog Herrmann wunderte sich hierüber / und fragte: Ob sich denn mit so heissem Geträncke der Durst wol leschen liesse? und wie es den Ausländern zuschlüge? Beydes gar wol / antwortete Zeno; und hätte ihm hernach die Aenderung vom warmen zum kalten / als die erste vom kalten zum warmen Geträncke viel bänger gethan. Sonst hätten sie in Asien wol auch eine gute Art / daß sie gutes Wasser abkochten /hernach in Brunnen oder Hölen abkühleten; aber es käme der Serischen nicht bey. Ja / sagte Flavius /auch zu Rom wird diß itzt für eine tiefsinnige Erfindung gehalten / daß sie / um den schädlichen Beysatz des gemeinen Schnees und Eises abzusondern / abgekochtes Wasser in Gläsern zu Eiß oder Schnee gefrieren lassen / und sodenn in anderm Getränke mit genüssen; auch glauben / daß es so denn nicht nur gesünder / sondern das gekochte Wasser viel schneller gefriere / im Gewichte leichter sey / auch viel kälteres Eiß daraus werde. Solte denn aber / fragte Fürst Catumer / ein Wasser leichter als das andere / und zwar das leichtere das gesündeste seyn? An dem ersten /antwortete Rhemetalces / ist nicht zu zweiffeln; das Wasser des Boristhenes schwimmt im Flusse Hippanis seiner Leichtigkeit halber augenscheinlich oben; das Pangaische ist im Winter um ein dritte Theil schwerer als im Sommer. Und die Griechen / welche auff einer gewissen Wasser-Wage alle Wasser in Griechenland gewogen / haben das Wasser im Brunnen Pirene das leichteste zu seyn befunden. Es meinen zwar etliche / antwortete der Feldherr / daß weil das Eretrische gute / und das Amphiaratische böse Wasser einerley Schwere hätte / nicht das Gewichte / sondern diß das gewisseste Kennzeichen gesunden Wassers sey / wenn selbtes geschwinde warm / und bald wieder kalt würde / oder im Winter lau / im Sommer Eiß-kalt wäre. Aber die meisten prüfften seine Güte aus der Leichtigkeit / als einem Merckmale / daß es keinen irrdischen Beysatz habe. Daher denn das Flüßwasser denen Brunnen / fürnehmlich aber den felsichten Qvellen vorzuziehen wäre. Unter den Flüssen aber verdienten den Preiß / welche / wie unsere gesunde Donau / von Abend gegen Morgen lauffen / weil diese die Sonne für andern herrlich läuterte und leichter machte. Ja / sagte Rhemetalces / deßhalben lassen die Könige in Thracien ihr Thrinckwasser aus dem Ister bringen. Alleine die von Mittag gegen Mitternacht lauffenden Flüsse haben eben so gesund- oder noch gesünder Wasser. Weßwegen die Egyptier ihr leichtes / und nur halb so viel Feuer als andere / zu seiner Abkochung dörffendendes Nilwasser für das gesündeste in der Welt / und welches so gar unfruchtbare Frauen fruchtbar / und ihre Leibes-Früchte stärcker machte /halten / diesen Strom ihren Goldfluß / ihren Jupiter heissen / und göttlich verehren. Daher schickte Ptolomeus Philadelphus seiner dem Antiochus verheyratheten Tochter Berenice das Nil-Wasser stets in Assyrien mit grossen Unkosten zu. Zeno versetzte: die Persier halten gleichwol das Wasser ihres Flusses Choraspes bey Susa noch viel leichter und besser / welches nicht nur der König alldar trincket / sondern auch abgekocht auf seine ferneste Reisen in silbernen Gefässen auff Maul-Thieren mit sich führen läst. Hertzog Malovend brach ein: Er hätte sich berichten lassen / daß die Persischen Könige ihr grünes Wasser / welches nur sie und ihre ältesten Söhne trincken dörfften / aus Brunnen schöpfften. Zeno antwortete: Es könte beydes wol beysammen stehen / und würden diese wollüstige Könige ihr Geträncke zweiffelsfrey nicht seltener / als ihr Hof-Lager verändert haben; indem sie zu Susa den Winter / zu Eebatena den Sommer / zu Persepolis den Herbst /[584] und zu Babylon den Frühling hingebracht. Die Indianischen Könige aber trincken beständig das Ganges-Wasser / dessen ieder Becher eine Untze leichter seyn solte als alle andere Wasser der Welt. Allein ich habe doch hernach bey den Serern / (welche meines Erachtens die dinnschälichsten Zungen Wasser zu kosten haben / und nicht leicht aus einem Brunnen trincken / ehe sie das Wasser auff einer künstlichen Wage abgewogen /) in der Landschafft Xensi zwey Flüsse Jo und Kiemo angetroffen /welche wegen Leichtigkeit keine Spreu oder Holtz /weniger einiges Schiff tragen. Welche Umstände mich bereden / daß in selbten das leichste Wasser der Welt sey. Ich möchte wissen / sagte der Feldherr: Ob biß schwerer oder leichter sey / welches unsere Friesen in dem Mittags-Theile der Atlantischen Insel über dem Andischen Gebürge angetroffen / und auff der Wage viel leichter / im Geschmacke viel köstlicher / und zweiffelsfrey viel gesünder / als das Nil / das Choraspes / und Ganges-Wasser befunden haben.

Ich will / sagte Zeno / weder mit den Friesen / noch mit sonst iemanden wegen ihres Geschmacks einen Rechts-Streit anfangen / wormit wir nicht jenen Philoxenus / der ihm zu dieser Prüfung eines Geyers Kehle / und eines Kranchens Hals wünschte / oder die wegen ihrer scharffen / und zum Theil drey gespitzten Zunge alle andere Thiere am Geschmack übertreffende Schlangen zu unserm Schieds-Richter zu erkiesen gezwungen werden. Dem Jupiter aber kan schwerlich sein Nectar besser schmecken / als mir das Wasser des Caucasus / dessen Süßigkeit mich wieder zu dem Fürsten Oropastes / und der Syrmanis zu kehren reitzet; ungeachtet wir hier hundert mahl köstlicher / als auff dem Caucasus / oder auch Apicius bey seinen Kamel-Füssen / Hüner-Kämmen / Pfauen- und Nachtigal-Zungen gessen haben / und dieser edle Wein mit allen in der Welt um den Vorzug kämpffen kan; Hin gegen uns dort die von dem Priester genossene Kost bald ziemlich versaltzen ward. Der Feldherr danckte für die Willfärigkeit des Fürsten Zeno / entschuldigte / daß ihr Wasser-Gespräche Ursache gewest wäre /daß sie weder satt gessen / noch auch getruncken hätten. Weil aber die allermäßigsten Griechen bey ihren Mahlzeiten ein Glaß voll Wein den Gratien / das andere der Venus / das dritte dem Dionysius / und zum Beschlusse noch wohl das vierdte dem Mercur zu ehren; Die Asiater aber das erste zur Gesundheit / das zweyte zur Wollust / und endlich eins zum Schlaffe /oder den sie versorgenden Göttern zuzutrincken pflegten; möchten sie doch ihnen ein wenig wohl seyn lassen / und durch allzu strenge Mäßigkeit seiner Sparsamkeit keinen Vorruck thun. Alle anwesende / ausser der seiner Wunden halber für sich selbst entschuldigte Zeno / trancken ein Glaß auff gutes Glücke des Feldherrn aus; welcher hiermit die Taffel auffheben hieß. Erato aber verwunderte sich über dem entdeckten Tischblate / welches von wellichtem Flaser-Holtze war / und mit seinen Augen zugleich einen Pfauen-Schwantz fürbildete. Daher rieff sie: wie die seltzame Panther-Taffel in Deutschland kommen wäre? Der Feldherr antwortete ihr lächlende: Aus dem nächsten von Orlen-Bäumen gar reichen Walde / aus derer Stämmen oder Wurtzeln derogleichen Flasern Brete häuffig geschnitten würden. Rhemetalces fing an: Ich selbst hätte diß für außerlesenes Zeder- oder Zitronen-Holtz angesehen; ja ich muß auffrichtig gestehen /daß dieses Blat die zwey zu Rom für unschätzbar gehaltene Taffeln beschämet / derer iede König Juba für 15000. Sestertier verkaufft. Noch weniger reichen ihm die zwey kostbaren Taffeln des Käysers / die er aus des Cicero Erbschafft / und vom Asinius Gallus bekommen / das Wasser. Es ist wahr / sagte Zeno: auch die Heilffenbeinern Taffeln der Indianer wären hier der Zierde halber in keine Gleichheit zu ziehen. Thußnelda warff ein: Aber jene sind nicht / wie unsere / der Fäulniß[585] unterworffen. Zeno versetzte: Ich glaube / daß diese beständiger als jene sind; weil das Helffenbein mit der Zeit gelbe wird. Alleine welchem irrdischen Dinge lässet sich mit Bestand einige Beständigkeit / ausser in dem Unbestande / zueignen? Würmer und Fäulnis sind nicht nur Werckzeuge der Eitelkeit / und Scharffrichter der alles fressenden Jahre. Was kein Holtz-Wurm ausfressen / keine Feuchtigkeit verfäulen kan / wird durch Sturmwinde zerdrümmert / durch Blitz eingeäschert / durch Erdbeben zernichtet. Die Brunnen vertrocknen / die Steine werden zu Staube / und gantze Gebürge werden über einen Hauffen geworffen: wie mir der grosse Caucasus ein grausames Schauspiel für Augen gestellet hat. Denn nachdem wir bey unserm wohlthätigen Priester des Prometheus die Nacht über wohl ausgeruhet hatten / nahmen wir früh Abschied / gingen durch ein steinichtes Thal / stiegen hierauff einen andern gähen Berg hinauff / in willens daselbst eine Höle zu beschauen / in welcher Hercules / und seine nach Colchis gereisete Gefärthen ihre Gedächtnisse verlassen haben sollen. Wir waren noch nicht gar auff der Spitze / als der Fels unter uns zu beben / und der gantze Berg gleichsam wie eine hängende Wagschale hin und wieder zu wancken anfing. Der Himmel war helle und heiter; die uns rings umher umgebende Berge aber speyten mit grossem Gekrache Blitz und Flammen aus. Der höchste Gipffel des Caucasus brach entzwey / und überschüttete mit seinem Grause die darbey liegenden Thäler; mit dem Rauche aber / den er aus seinem itzt auffgespaltenen Rachen ausstieß / verfinsterte er das weite Gewölbe des Himmels / und die durchdringenden Strahlen der Sonne. Der Tempel des Prometheus fiel mit seinem felsichten Fusse in das Thal herab / durch welches wir erst gegangen waren; also daß das grosse Welt-Gebäue sich nunmehr in sein Nichts zu verwandeln schien. Ich stelle zu iedes Nachdencken / wie wir gezittert / da die Klippen zitterten / und wir die Berge zerbersten / die Steine zerschmeltzen sahen. Unser Antlitz erblaßte / die Zunge verstummte / das Hertze schlug / als wenn es sich aus dem in so grosser Lebensgefahr schwebenden Leibe reißen wolte / und unsere Beine waren nicht mehr starck genug uns auff den Füssen zu erhalten; daher wir auff den Erdbodem fielen / und unter der Furcht /daß wir von denen einfallenden Gebürgen bald in dem Abgrunde der Erden würden begraben werden / aller Sinnen beraubet wurden. Ich weiß nicht zu sagen /wie lange wir in dieser Ohnmacht gelegen / oder wie lange der Lauff unsers Lebens allhier gehemmet gewest. Gleichwohl kriegte ich zum ersten meine Siñen wieder / und raffte mich aus dieser Asche / darmit wir inzwischen gantz waren bedeckt worden / wieder auff; Oropastes aber und Syrmanis blieben noch gantz für todt liegen. Weil ich nun den Göttern für Erhaltung meines Lebens nicht besser als durch hülffbare Beyspringung und Liebe gegen meinen Geferthen zu dancken wuste / eilte ich einer unferne von dem Berge abschüssenden Bach zu / schöpffte daselbst in meine Hände Wasser / brachte auch endlich durch Kühl- und Reibung zuwege / daß anfangs Oropastes / und hernach die Fürstin Syrmanis wieder zu sich selbst kamen; wiewohl sie eine lange Weile kein Wort reden konten. Endlich sprachen wir einander wieder ein Hertze zu / fielen auf unsere Antlitzer / um unsern Schutz-Göttern Danck zu sagen / und für fernere Beschirmung andächtig anzuruffen. Wir verwunderten uns hierauff über der seltzamen Veränderung der gantzen Gegend / welche wir nicht gekennt / sondern uns vielmehr in ein ander Land versetzt zu seyn gemeinet hätten / wenn nicht wir die Stücke von dem herab gestürtzten Promethischen Tempel erkennet hätten. Weil denn der Berg / darauff wir waren / auff der Seite /dahin wir wolten / auch abgespalten und unwegbar worden war / kehrten wir / theils aus Noth / theils aus Vorwitz / den Graus des herrlichen Tempels[586] zu beschauen / wieder in das Thal / fanden aber alles denckwürdige entweder in Staub verwandelt oder unter die Klippen vergraben; Ausser des Prometheus Leichenstein / den wir doch im Tempel nie wahr genommen hatten / lag an einen Stein angelehnet / dessen oberste Seite uns mit seiner Schrifft benachrichtigte / wo er herkommen wäre. Denn es war darauff zu lesen:


Prometheus nicht / sein Staub liegt nur in dieser H \le;

Sein lebend Leib war schon in dieses Berges Klufft

Versperrt; die Sternen warn die Wohnung seiner Seele.

So war er halb gebohrn dem Himmel / halb der Grufft.


Auff der andern und inwendigen Seite war eingegraben:


Schilt nicht / o kleine Welt / auff Untergang und 's Grab;

Dein Talg ist ja nur Staub / dein Grund ein Th \nern Fuß

Auch stůrmst du auff dich selbst / vergiebst durch Uberfluß

Gesunder Speisen dir; frist's Hertze dir selbst ab

Durch Ehrsucht / Rache / Geitz. Dein långster Måßestab

Hålt dreyzehn Spannen kaum; da der Verhångniß- Schluß

Der grossen Welt nicht schont / wenn auch's Gestirne muß

Verschwinden / das der Nacht so Licht als Leben gab.

Die Sonn' ist selbst nicht frey von Fleck und Eitelkeit /

Der Himmel schrumpffet ein / wird ein vermodernd Kleid /

Der Sternen Oel versengt / die Tempel stehn entweih't

Die Flůsse trocknen aus / der Berge Marck verstäubt.


Allhier war ein Stücke vom Steine abgebrochen /und also mangelte der Schluß dieser Reyme. Weil wir denn ohne diß wegen Mattigkeit uñ einbrechender Nacht allhier übernachten musten; grub ich mit einem daselbst befindlichen spitzigen und harten Steine folgende Worte darzu:


Die Gräber fall'n in's Grab. Was frißt nun nicht die Zeit?

Nun auch die Asche nicht uneingeäschert bleibt.


Ob wir nun wohl nach der mehr durch unruhige Träume / als durch sanfften Schlaff hingebrachte Nacht / nicht Ursache hatten / an diesem gefährlichen Orte viel Zeit zu verspielen; so weiß ich doch nicht: ob unsere Erbarmung über dieser Verwüstung / oder unser Vorwitz / welcher auch in denen Einäscherungen und in zermalmetem Grausse herrlicher Gebäu etwas schönes zu finden ihm eingebildet / uns noch einen halben Tag in Beschauung des zerdrümmerten Tempels aufhielt. Hierauff erinnerte uns die Begierde unsers Magens auf unsere Speise und hiermit auch auff Enderung unsers Ortes vorzusinnen. Dem erstern Vergnügung zu schaffen / fanden wir nichts / als etliche Wurtzeln. Dahero hätten wir uns gerne in das von uns verlassene Paradiß zurück gezogen / wenn uns das Erdbeben durch Abspaltung so vieler Stein-Klippen nicht alle Wege verschrenckt hätte. Die Fürstin Syrmanis kam in dieser Einöde wiederum die Liebe ihres Vaterlandes an / für welcher ihr so lange geeckelt hatte. Daher rieth der ihr beysti ende Oropastes /wir solten unsern Weg nach Nordwest einrichten / da wir entweder an die Bruñen des Flusses Hippus oder Agrus ko en würden / welche beyde in diesem Gebürge ihren Ursprung hätten / und durch das Land Colchis in das Euxinische Meer ihr Wasser ausschütteten. Wir befahlen unsern wenigen Bedienten an den Felsen hinauff zu klettern und zu erkundigen: Ob wir daselbst aus diesem steinernen Gefängniße einige Ausflucht finden könten? Aber nachdem sie mit eusserster Lebens-Gefahr sich verstiegen / wurden sie theils durch die Unmögligkeit ferner zu kommen genöthiget / theils durch unsere Zeichen verursachet mit noch grösserer Gefahr zurück zu kehren. Weil wir nun durch unsere eusserste und beynahe verzweiffelnde Mühwaltung nirgend anders / als Ostwerts aus dem Crantze dieser unsäglich hohen Berge endlich einen Weg selbte zu übersteigen fanden / musten wir hier nur den Leitungen der Natur / nicht unsers Willens folgen. Wir kamen den dritten Tag an eine ziemlich starcke Bach / welche gegen der Sonnen Aufgang von den Gebürgen abschoß. Dieser folgten wir / als unser Einbildung nach einer Wegweiserin zu dem Caspischen Meere / und dannenhero auch in eine von Menschen bewohnte Landschafft; Welche letztere wir auch nach zweyer Tage beschwerlicher Reyse erlangten / auff der uns gleichwohl etliche von unsern Pfeilen erlegte Gemsen zur Speise aushalffen. Daselbst nahmen wir wahr / wie diese Bach nebst etlichen andern[587] hieher zusa enlauffenden Flüssen von einer überaus hohen Tieffe mit schröcklichem Geräusche verschlungen wurden. Es grausete einem / wenn man in diesen Strudel sahe; die sonst einfältigen Einwohner aber versicherten uns / daß diese Tieffe ein Theil der unterirrdischen Höle wäre / durch welche das Caspische uñ schwartze Meer unsichtbar sich mit einander vereinbarten. Wir hielten diß zwar für einen Traum der einfältigen Iberier / bey denen wir uns nunmehr befanden; und glaubte ich dieser zweyen Meere Verbindung so wenig als vorhin / daß der Griechische Fluß Pyrrhus zu Syracusa in den Brunnen Arethusa /der Phrygische Fluß Meander in dem Peloponesischen Strome Asopus / der sich verschlingende Phrat in dem Flusse Nilus seinen Ausgang haben solte; wie wir aber gleichwohl mehr aus Schertz als Ernst nach dem Grunde dieser Meinung fragten / berichtete uns ein Eißgrauer Mann / daß man offtmahls in diesem Strudel eine gewisse Art Schilff / welches nur im Caspischen Meere wüchse / und eine gewisse Art Fische /die nur im schwartzen Meere sonst zu finden wären /finge. Uber diß hatte er in seiner Jugend auff seinen Reisen selbst angemercket / daß das Caspische Meer bey wehenden Westwinden sich hoch angeschwellet /hingegen das schwartze bey dem Ostwinde überaus hefftig sich beweget und gebrauset hätte. Welches keine andere Ursache seyn könte / als daß der ordentliche Ausfluß des Caspischen Meeres durch die Westwinde gehindert / durch die Ostwinde aber gewaltig befördert würde. Uberdiß nehme das Caspische rings um mit der Erde umfangenes Meer funffzehn Haupt-Flüsse ein / gleichwol aber lieffe es nicht über; also diese unbegreiffliche Menge Wasser sich ja irgends wohin verlieren müste. Endlich wäre ein unfehlbares Zeugniß dieser verborgenen Zusa enflüssung / daß für etlichen Jahren ein Fisch im Caspischen Meere wäre gefangen worden / an dessen Schwantze ein güldener Ring gehangen hätte / mit dieser Uberschrifft: Mithridates gab mir zu Sinope die Freyheit und dieses Geschencke. Der Feldherr fiel dem Fürsten Zeno in die Rede / meldende: Es wäre die Zusammenverbindung der Wasser eines von denen grösten Wundern der Welt / und glaubte er: daß wie in dem menschlichen Leibe keines der kleinesten Aederlein wäre / das nicht seinen richtigen Gang zum Hertzen hätte; also wäre auch in der Erdkugel kein Bruñ /keine Bach / keine See / die nicht an dem grossen Welt-Meere hinge / und daher müsten alle Flüsse / die nicht ins Meer sich ergiessen / sondern unter die Erde sich verschlingen / alle Meere und Seen / welche keine eusserliche Einfarth ins Meer hätten / durch unterirrdische Vereinbarung an selbtes verknüpfft seyn. Ja ihn habe sein Lehrmeister aus wichtigen Gründen beredet / daß das Caspische Meer nicht nur mit dem Schwartzen / sondern gar mit dem Persischen / das rothe mit dem Mittel-Meere / in ihrem Deutschlande die West- mit der Ost-See / und viel andere mit einander verborgene Gemeinschafft hätten. Zu Alexandria habe ihm auch ein Priester erzehlet / daß ein schöner Delphin / welchem Ptolemäus eine güldene Taffel mit seinem Namen angehenckt / und wieder ins rothe Meer versetzt / wenig Tage hernach bey dem Einflusse des Nils im Mittel-Meere gefangen worden wäre. Fürst Zeno pflichtete dem Feldherrn bey / und sagte: die Natur wäre freylich wohl der rechte Baumeister /die Kunst nur ein Pfuscher / oder ein Affe. Denn sie hätten unterweges noch die ohnmächtigsten Merckmahle derer von Selevcus Nicaner geführter tieffen Graben gesehen / in welchen er das Caspische und Euxinische Meer hätte zusammen leiten wollen. Nach dieser und der Einwohner Anleitung wären sie in Albanien zu dem Flusse Cyrus ko en / auff selbigem zu Schiffe hinunter gefahren / auf der lincken Seite die berühmte Stadt Cyropolis lassende / biß wo dieser Fluß in den Arares fällt / mit welchem er sich hernach durch einen Mund in das Caspische Meer stürtzet. Weil mir aber bedencklich war / allzu tieff in das Medische Gebiete uns[588] zu machen; reiseten wir Nord-Ostwerts zu Lande zu der berühmten Stadt Terebynth /welche der grosse Alexander an das Caspische Meer /und an das Ende des von dem Caspischen Gebürge sich dahin erstreckenden Armes / nebst noch einer Mauer über das Gebürge / vierhundert Stadien lang /wider die Amazonen und andere Nord-Völcker gebauet hat. Allhier wurden wir schlüssig über das Caspische Meer gegen dem Flusse Rha / der mit siebenzehn Strömen in selbiges Meer fällt / und auf selbtem biß dahin / wo er sich dem Tanais auf wenige Meilen nähert / alsdenn auf diesem Strome über die Meotische und das Euxinische Meer zum Boristhenes / oder Hippanis als des Fürsten Oropastes und seiner Schwester Syrmanis Vaterland zu schiffen. Wir segelten anfangs mit gutem Winde; des Nachts aber wurden wir von dem starcken hin und wieder schlagen des Schiffes erwecket / indem sich ein harter Nord-West-Wind erhob / welcher sich in weniger Zeit in den grausamsten Sturm-Wind verwandelte. Das brausende Meer hob uns mit seinen Wellen bald biß an die Wolcken empor / welche uns theils mit einer neuen See zu besäuffen / theils mit unaufhörlichem Blitze einzuäschern dräueten; bald stürtzte es unser Schiff in den abscheulichsten Abgrund / an welchem in wenigen Stunden der Mast abbrach / und zu unserm ärgsten Schrecken den umb die gemeine Wohlfarth äuserst bemühten und wohlerfahrnen Schiffer tödtete. Das Steuer-Ruder ging kurtz hierauf auch entzwey / die Ancker waren nicht zu gebrauchen / und die Boots-Knechte liessen aus Verzweifelung Hände und Muth sincken; zumal ohne diß nichts mehr auf dem Schiffe zu thun war / als daß wir das darein spritzende Wasser ausplumpeten / und hin und wieder die Fugen der Schiffs-Taffeln verstopften. Kein Mensch war zu sagen auf dem Schiffe / welcher noch einige Hoffnung des Lebens übrig behielt; ja ihrer viel wüntschten nur einen geschwinden Untergang / umb sich nur der mehr empfindlichen Todes-Furcht zu entbrechen / welche allemal empfindlicher ist / als der Tod selbst. Ja die Fürstin Syrmanis selbst brach nach zweyer Tage Ungewißheit: Ob wir lebendig oder todt wären / die Gedult aus / daß sie sich übers Verhängnüß beschwerete: Warumb sie die zornigen Götter nicht lieber durch Erdbeben unter den Promethischen Tempel begraben hätten / als daß der Schlag iedweder Welle ihr den Tod nicht anders als eine Schlag-Uhr die Zeit andeutete? Ich redete ihr also ein: Sie möchte doch ihr Klagen mässigen / um durch Ungeduld den gerechten Zorn der Götter nicht mehr zu erheben. Diese müsten durch derogleichen Sterbens-Glocken uns zuweilen unserer Sterbligkeit erinnern / weil wir auf die Anzeigung der von der Natur in unsere Brust gepflantzten Uhr so wenig Achtung gäben. Denn ieder Schlag unsers Hertzens deutete uns nicht weniger / als die wütenden Wellen die Näherung unsers Endes an. Jedwedes Athemholen solte nichts minder als der uns schreckende Donner in Ohren klingen / und uns zum Schiffbruche zubereiten. Welche Vorbereitung bey den Sterblichen alle Augenblicke fertig seyn solte /weil unser Hertz und Lunge ein Compaß ohne Nadel /und eine Uhr ohne Weiser wäre / nachdem wir weder Ort noch Zeit unsers Ablebens vorsehen könten. Wer aber derogestalt bereitet wäre / und durch die Tugend sein Gewissen beruhigt hätte / der schwebete mit lachendem Munde zwischen Donner und Sturmwind; er blickte mit einerley Gebehrdung den Rachen des Abgrunds und den Hafen des Lebens an; er zwinckerte mit keinem Augenliede für dem Tode / und er veränderte nicht einst die Farbe für dem Hencker. Fürst Oropastes sti te meinen Tröstungen mehrmals bey /und Syrmanis entbrach sich ja zuweilen ihrer Traurigkeit; aber die Länge der Gefahr / und die Schwachheit ihres Geschlechtes rieß ihr bey Zeite wieder ihre Wunden auf. Sie hätte wohl / sagte sie / ehemals mit unverwendetem Aug-Apfel dem Tode[589] das blaue in Augen gesehen; aber diß wäre ja allzu schrecklich /wenn man weder sterben / noch genesen könte; wenn der Tod uns als ein Gespenste vor dem Gesichte herumb irrete / das Leben aber durch blasse Furcht uns beunruhigte. Dieses wäre das grausamste aller schrecklichen Dinge / und ein unvermeidliches Fallbret der beständigsten Gemüther. Oropastes versetzte ihr: Die schon einmalige Beunruhigung ihres Gemüthes ziehe so viel Dünste niedriger Einbildungen empor. Der kläreste Brunn würde durch wenigste Aufrührung / das edelste Gemüthe durch geringe Ungedult trübe; und / wie ein Quell sich durch nichts besser / als wenn man selbtes in Ruh liesse / ausklärete; also besänftigten sich Zorn / Furcht / und andere trübe Gemüths-Regungen nicht besser / als mit der Zeit von sich selbst. Die Gedult wäre eine Mutter der Hoffnung / diese der Klugheit. Ein Kluger aber siegete über alles / und er machte sich zum Meister über Wellen und Sterne. Biß in fünften Tag währete dieser elende Zustand / als sich der Sturm nach und nach legte / uns aber noch zur Zeit schlechte Hoffnung unserer Erlösung machte / nachdem wir des Mastes und des Steuer-Ruders beraubt / und also in der blossen Willkühr dieses ungütigen Meeres lebten. Ob wir uns nun derogestalt als ein aller Spann-Adern beraubter Leib weder mit Segel noch Rudern forthelffen konten; so vermerckten wir doch aus dem hin- und wieder schwimmenden See-Schiffe / daß unser Schiff durch den noch strengen Nord-West-Wind starck fortgetrieben ward. Nach vier Tagen erblickten wir von ferne ein Gebürge / iedoch unter zweifelhafter Beysorge: Ob es nicht Wolcken wären / biß wir nach der zwischen dem Angel der Furcht und Hoffnung bingelegter Nacht uns nahe am Ufer sahen / kurtz aber darauf mit unserm Schiffe am Boden feste zu stehen kamen; welches denn auch alsofort von den Wellen zerstossen ward / und sanck / also / daß ein ieder nunmehr mit Schwimmen sich zu retten gezwungen ward. Oropastes und ich / hätten leicht ans Ufer kommen können /wenn die Vorsorge für die zwar sonst des Schwimmens wohl erfahrne / aber durch bißherigen Sturm und Kummer gantz abgemattete Fürstin Syrmanis zurück gehalten hätte; welche / ungeachtet unserer Hülffe / so viel Wassers eintranck / daß wir sie für todt ans Ufer / und durch viel Müh kaum wieder zum Athem-holen brachten. Wir hatten uns bey einem gemachten Feuer kaum ein wenig abgetrocknet und gewärmet / als wir einen Schwarm Reiter mit verhencktem Zügel dem Rauche nach auf uns zurennen sahen; Weil wir nicht wusten / an welchem Ende der Welt wir wären / konten wir auch von diesen Leuten nichts urtheilen. Ihre Kleidung aber verrieth sie also fort /daß sie Nomades / ein Scythisch Volck waren. Diese rechtfertigten uns alsofort anfangs in ihrer / hernach in der etwas veränderten Parthischen Sprache / wer wir wären / und wie wir dahin kommen? Wie sie nun unsern Schiffbruch / und daß wir Armenier wären /(denn hierfür hielte ich rathsam / uns auszugeben /weil die Scythen der von ihnen ausgetriebenen Parthen / diese aber der Armenier gleichsam angebohrne Feinde sind /) verwandelte sich die ihnen von uns zugedachte Raubsucht in Mitleiden. Dahero verständigten sie uns / daß wir in der Landschafft Sogdiana /zwischẽ dem Flusse Oxus und Japartes / nicht ferne von der Stadt Zahaspa uns befindeten. Dieses Land hätte für Alexandern nebst denẽ auf der linckẽ Hand des Flusses Oxus gelegenẽ Bactrianern Oxyartes beherrschet / dessen Tochter Roxanen Alexander geehlichet. Nach Alexanders Tode hätte sich Theodotus über tausend Bactrianische Städte / und über alles /was zwischen dem Oxus und Jaxartes lieget / zum Könige aufgeworffen. Diesem hätte sein Sohn gleichen Nahmens / und endlich Encratides gefolget /welcher letzte wider den Indianischen König Demetrius unerhörte Tapferkeit ausgeübet / indem er 60000. Feinde / welche ihn[590] in der Festung Maracande 5. Monat belägert / mit 300. Reitern zernichtet / hernach sich Indiens biß an Ganges gar bemächtiget hätte. Wie aber des Encradites Sohn und Reichs-Geferte Zariaspes die Unterthanen allzu harte gehalten /wären die Sogdianer von ihm abgefallen / und als Zariaspes endlich gar seinen Vater ermordet / über seinen blutigen Leib / gleich als über einen besiegten Feind mit den Pferden gesprenget / und die Leiche zu begraben verboten / hätten die über dem Jaxarthes wohnenden Nomades / und Mithridates / der Parther König / das Bactrianische Reich unter einander getheilet / und den unferne von dar flüssenden Oxus zu ihrer Reichs-Gräntze gemacht. Itzo beherrschte dis Land der grosse König der sä tlichen Scythen / dessen Gebiete sich von dem Flusse Rha biß an das Reich des Königs Sophites / welcher sich dem grossen Alexander ohne Schwerdt-Streich unterworffen /erstreckete. Hierauf deutete uns der ansehlichste unter diesen Scythen an / daß wir ihnen zu ihrem von dar nicht weit entfernten Fürsten folgen müsten; wordurch die mit uns gestrandetẽ Gefärthen nicht wenig erschrecket wurden. Dieses nahm vorerwehnter Scythe wahr; daher redete er uns aufs freundlichste zu: Wir möchten kühnlich alle Furcht und Verdacht sincken lassen. Sie wüsten gar wohl / daß einige Ausländer sie nur für Halb-Menschen hielten / welche alle Frembdlinge schlachteten / sich mit ihrem gerösteten Fleische speiseten / und aus ihren Hirnschälen träncken. Alleine die Erfahrung würde ihnen die Scythen nicht nur als vollkommene Menschen / sondern auch als die gerechtestẽ unter allen Sterblichen fürbilden. Insonderheit solten sie nicht gläuben / daß man daselbst wider sie grausamer / als die ihrer verschonende wilde Wellen seyn würde. Wir kamen nach ein paar Stunden an den berühmten Strom Oxus / an dessen Ufer der Königliche Stadthalter über Sogdiana sein Zelt aufgeschlagen hatte. Dieser bewillko te uns mit freundlichen Geberden / und nachdem er unser Vaterland und Unfall verstanden / ließ er uns alsofort eine Trachtvoll Speisen / unter denen gesäuerte Pferde-Milch und gebratenes Cameel-Fleisch die köstlichsten Gerüchte waren / auftragen. Hierauf tranck er uns dreyen selbst eine Schale Wasser aus dem See Kia zu / woraus der Fluß Ganges entspringet / welches alle Grossen bey den Scythen holen lassen. Nach vielen erwiesenẽ Höfligkeiten sagte er uns: Weil der grosse König der Scythen Huhansien gegen die Seren einen mächtigen Zug für hätte / zu dem er bey dem Ursprunge des Flusses Ganges zu stossen befehlicht wäre /müsten wir zwar nach ihren Reichs-Gesetzen / welche alle streitbare Frembdlingen in Königs-Dienste nöthiget / dem Königlichen Heerlager folgen; er versicherte uns aber / daß der König / als ein Liebhaber der Ausländer / uns gnädig empfangen / und ehrlich verhalten werde. Als wir nun aus der Noth eine Tugend machen / und also unsere Freywilligkeit dem Zwange vorkommen muste / ließ er uns etliche schöne Pferde / und einen Vorrath Scythischer Waffen herzu bringen /wordurch wir uns nach eigener Wahl ausrüsteten. Wir reiseten also drey Tage harte an dem Ufer des Oxus /aber weil wir alles Wasser mit uns führen musten /nicht ohne grosse Beschwerligkeit / und derogestalt bey einem so grossen Strome in grosser Armuth des Wassers. Sintemal das in dem Flusse Oxus so schwer und so trübe / daß man von dessen offterẽ Genüß gefährlich erkrancket. Den vierdten Tag lenckten wir uns Nordwerts / und reiseten über eine sändichte Fläche / welche aber durch unzehlich viel aus dem Flusse Oxus abgeleitete Bäche / die seinen berühmten Strom so sehr vermindern / daß seine gäntzliche Versändung mit der Zeit zu besorgen / bewässert / auch sein sonst untrinckbares Wasser durch so vielen Sand mercklich geläutert und verbessert ward. Den siebenden Tag lendeten wir nicht ferne von dem Sogdianischẽ Steinfels an / welcher 30. Stadia hoch seyn soll / und eine unüberwindliche Festung auf sich hat / die Alexander durch Verrätherey erobert. Wir übernachteten[591] in der Stadt / oder / vielmehr in dem Steinhauffen der von Alexandern eingeäschertẽ Stadt Branchis; folgenden Tag aber erreichten wir die berühmte Stadt Buchara /bey welcher sich ein ander Sogdianischer Fürst mit 10000. Mann zu uns schlug. Nachdem wir einen Tag ausgeruhet / kamen wir nach dreytägiger Reise in der Sogdianischen Haupt-Stadt Samarcanda an dem Flusse Isarlo an. Allhier stieß die gantze Sogdianische in mehr als 100000. streitbaren Männern bestehende Macht zusammen / welche der Königliche Stadthalter musterte / hernach der Lebensmittel halber / die ohn dis großen theils auf Kamelen mitgeführet werden muste / wieder in drey Hauffen vertheilte / und gegen die Landschafft der Tacken ihren Zug einzurichten befehlichte. Wir reiseten wohl zwantzig Tage / biß wir nach Cascar unter das Gebürge Imaus kamen / welches sich von dem Mitternächtischen Welt-Meere an /bis an das Gebürge Paropamisis / welches die Macedonier / Alexandern zu Ehren / den Caucasus hiessen / und von dar biß über den Fluß Oxus / als ein Rückgrad / sich erstrecket / auch endlich in Bactriana mit dem Taurischen Gebürge sich verknüpfet. Allhier stieß das Heer wieder zusammen / als welches durch eine gefährliche Enge über das Gebürge / von welchem etliche hundert fehltretende Cameele und Pferde in die tieffsten Abgründe stürtzeten / ziehen muste. Wir brachten hierüber zehn Tage zu; iedoch nach dem das Heer an den Fluß Caradrus kam / auf welchem alles Heer-Geräthe zu Schiffe geführet werden konte /ward selbtes einer grossen Last entbürdet / und dadurch der Zug mercklich beschleuniget. Wo dieser Strom sich nun mit dem Ganges vereinbaret / traffen wir den König Huhansien an / welcher mit 200000. Scythen / darunter aber auch viel Sarmater und Deutsche waren / an dem Flusse Jaxarthes Strom- auf gezogen war. Dieser grosse König gab uns unter einem baumwöllenẽ Gezelt Gehöre. Auf dem Haupte hatte er statt einer Krone einen güldenen Wieder-Kopf /sein Kleid war ein purpurfärbichter Seidenrock / mit schwartzen Füchsen durchfüttert / die Sebel hatte allein einen güldenen Grieff und Beschläge mit Edelgesteinen versetzt. Denn die Scythen würdigen alleine zu den Waffen / zu keiner andern Uppigkeit dieses seltzame Ertzt. Nach dem er von uns ietzigen Zustand Asiens / und des Römischen Reiches erforschet / auch von uns die Erklärung vernommen hatte / daß wir unter seinen Fahnen fechten wolten / ordnete er uns einen reichlichen Unterhalt an allerhand Lebens-Mitteln / beschenckte uns mit seidenẽ Röcken / Sebeln und Bogen / und schwur bey dem Winde und seiner Sebel / daß er nach glücklich verrichtetem Feldzuge uns mit reichen Geschencken in Armenien liefern wolte. Er ließ noch selbige Nacht an einer Brücke über den Ganges arbeiten / welche zu unser Erstaunung folgendẽ Tag gegen Abend fertig war. Wo der Ganges / sagte Hertzog Arpus / so groß als unser Rhein ist / mag Käyser Julius sich verkriechen / dessen in zehn Tagen über unsern Strom geschlagene Brücke die Römer für ein halbes Wunderwerck halten. In alle Wege / antwortete Zeno. Denn der Ganges ist / wo er am schmälesten / 100. Stadien breit / und an diesem Orte stärcker als der Nil / und der Ister zusa en. Daher er des Huhansiẽ Brückẽ-Bau für etwas wichtigers / als Darius über den Thracischen Bosphorus / und des Xerxes hielte / welcher sich dem Neptun Fessel angelegt zu habẽ gerühmet / weil er über den Hellespont eine Schiffbrücke geschlagen; für Alexanders gegen der Stadt Tyrus gebautem Tamme hätte sich zwar das Meer entsetzt / und Neptun seine Wallfische darwider ausgerüstet; aber es wäre ein Werck von 7. Monaten gewest. Des Pyrrhus und Varro Vorhaben von Apollonia aus Griechenland nach Hydrunt in Italien / über das Adriatische Meer einen Weg zu bähnen / wäre in den ersten Knospen der Einbildung ersticket. Lucullus hätte zwar die auf dem Lande abgetragene Berge in die See gesenckt / und Lusthäuser drauf gesetzt; oder vielmehr aus dem Meere Land /und[592] aus dem Lande Meer gemacht / also den Nahmen des langröckichten Xerxes beko en; aber auch diese Verschwendung wäre weder dem Nutzen / noch der Geschwindigkeit halber mit Huhansiens Wercke zu vergleichen / welcher gleichwol acht Tage mit Ubersetzung des Heeres theils auf Schiffen / theils über die Brücke zu thun hatte. Wiewol noch ein absonderes Heer von denen dem Huhansien biß an das Nord-Meer unterthänigen Scythen gegen die Serer anzog. Wir setzten hierauf über das Gebürge des Paropamisus unsere Reise schleunigst fort / und kamen nach zwey Monaten qver über die lange Sandwüsteney Lop nicht ferne von der Serischen Gräntze an. Wir konten in dieser Einöde / welche weder Wasser / Laub noch Graß hat / sondern hin und her nur etliche stachlichte Kräuter und Hecken zeuget / uns über die Härtigkeit der Menschen und des Viehes nicht genungsam verwundern. Das mitgeführte Wasser reichte kaum für das Kriegesvolck / also musten Pferde und Kamele ungetränckt sich mit den dürren Kräutern / die Scythen aber sich mit dem Pferde-Blute vergnügen / welches sie aussogen / wenn die Natur von sich selbst /oder sie ihren zu sehr erhitzten Pferden zur Ader liessen. Hertzog Rhemetalces fiel ein: Die in dieser Wüsten reisenden solten billich die Eigenschafft jenes Griechen von Argos haben / den sein Lebtage nie dürstete / auf der weiten Reise zu dem Ammonischen Jupiter nur faltzichte Speisen aß / und gar nicht / ja auch sonst sehr selten tranck. Zeno setzte bey: Casyrta Lasionius würde sich ebenfals gar wol zu uns geschicket haben / welcher in dreißig Tagen nichts tranck / auch nichts feuchtes aß; gleichwol aber Wasser von sich ließ. Es wäre beydes viel / sagte der Feldherr / und dünckt mich / es haben die Griechen beydes nichts minder / als die Hyperborier vergrössert / welche ihren Abaris niemals haben wollen essen oder trincken sehen. Die Natur wäre zwar mit wenigem vergnügt; Aber der Mensch könte so wenig als ein Cameleon / der gemeinen Sage nach / von der Lufft /noch von den Sonnenstrahlen leben. Sintemal die Erfahrung diesen Irrthum verrathen / und gezeigt hätte /daß diß Thier Würmer und Fliegen verzehrte. Zeno fuhr fort: Wir überstanden durch der obersten Befehlhaber kluge Vorsicht / und sparsame Austheilung der Lebens-Mittel gleichwol diesen beschwerlichen Weg /ohne sonderbaren Verlust / an Menschen oder Vieh. Wiewol auch die Serer zwischen dieser Wüsten und ihren Gräntzen alles versängt / verheeret / und die Scythen verjagt hatten / so hatten diese doch ihren meisten Vorrath unter die Erde vergraben / und sich in die Gebürge verstecket / welche nunmehr herfür rückten / und diesem Heere überflüßige Lebens-Mittel entgegen brachten. Der König schlug sein Läger an die zwey Seen / durch welche der berühmte Saffran-Fluß fleust / stellte es daselbst in zwey Schlacht-Ordnungen; und es musten beyde Heere zu Bezeugung ihrer Tapfferkeit / und wie sie sich nunmehro bald gegen ihre Feinde verhalten wolten / durch ein blindes Treffen andeuten. Also musten auch wir unsere Krieges-Ubungen schauen lassen / welche den König derogestalt vergnügten / daß er iedem unter uns tausend Nomadische Scythen von seiner Leibwache untergab. Jedoch hatte Huhansien bey unserem Gefechte von der Syrmanis eine Muthmassung gefast / daß sie nicht männ- sondern weiblichen Geschlechtes wäre; daher er nach und nach so viel mehr auf ihre Leibesgestalt und Gebehrden Achtung gab / und endlich mich zur Rede setzte: warum wir für ihm ihr Geschlechte verbergen wolten? Also solte ich ihm gerade zusagẽ /wer sie wäre. Ich erschrack über dieser unvermutheten Ansprache; wuste also nichts anders in der Eil zu sagen / als daß sie Oropastens Schwester wäre / welche aus Anreitzung der Tugend / die Welt zu beschauen / und sich durch tapffere Thaten berühmt zu machen sich ihnen zugesellet hätte. Huhansien fragte mich etliche mal: Ob er auf meine Erzehlung trauen[593] dörffte? mit der Erinnerung / daß die Unwahrheit in eines Sclaven Munde eine Schande / in eines Edelmannes eine unausleschliche Un-Ehre / bey den Scythen aber ein sterbens-würdiges Laster wäre. Als ich ihm nun selbtes betheuerte / Oropastes es auch nicht allein mit seinen Worten / sondern fürnehmlich mit scheinbarer Ehrligkeit bestätigte; Ließ er die Syrmanis für sich kommen / erzeigte selbter überaus grosse Ehrerbietung / verordnete ihr eine Fürstliche Bedienung zu. Wir selbst kamen hierdurch in grösseres Ansehen / ob wir uns gleich nur für Edelleute ausgaben /auch die Ursache so grosser Gnaden nicht ergründen konten. Alleine die Liebe hat die Aehnligkeit des Himmels. Dieser ist ein versiegeltes Buch für allen Geistern; tausend Weisen haben mit ihren Fern-Gläsern die Heimligkeit ihres Wesens noch nicht zu erforschen vermocht. Unterdessen leuchtet doch seine Annehmligkeit in aller Augen. Nicht anders war es mit der Liebe des Scythischen Königs beschaffen. Er mühte sich seine Neigung gegen der Syrmanis so sehr zu verbergen / als die Beschaffenheit der Liebe an ihr selbst unbekandt ist. Gleichwol aber verhüllete ihr Band nur seine / nicht aber unsere Augen. Denn wir wurden bey Zeiten / Syrmanis aber noch zeitlicher inner / daß Huhansien ein Auge auf sie hatte. Seine Höfligkeit verwandelte sich in wenig Tagen in Liebkosung / und nach und nach in eine inbrünstige Liebe. Denn ob zwar diese die Flüchtigkeit und Empfindligkeit der Liebe in sich hat / und ihre Mutter die Gewogenheit wie die Regenbogen in einem Augenblicke gezeuget wird / so unterwerffen sie doch alle kluge Leute der Berathschlagung / und eröffnen ihr allererst die Pforte des Hertzens nach einem vernünfftigen Urthel. Die Schönheit der Syrmanis legte hierzu zwar den ersten Grundstein; aber ihre Tugend machte es vollends aus / und den König Huhansien zu einem Gefangenen / als seine Gedancken mit Uberwindung des Serischen Reiches schwanger giengen. Weil aber nur die thumme Liebe ein verführisches Irrlicht; die vernünfftige aber ein Leitstern zur Tugend / und insonderheit ein Wetzstein zur Tapfferkeit ist; vergaß Huhansien nicht der Waffen. Denn dieser großmüthige Fürst meinte / daß die Uberwindung der Seren ein Werckzeug seyn würde / auch der tugendhafften Syrmanis Hertze zu gewinnen. Der König ließ hiermit sein Heer über das Damasische Gebürge fortrücken /welches zu aller Verwunderung schlecht besetzet war / und wir kamen fast ohne Schwerdschlag in das Königreich Suchuen. Von diesem erzehlte mir ein Scythischer Fürst / daß nach dem Könige Sophites / welcher sich dem grossen Alexander ergeben hätte / seine Nachkommen selbtes beherrschet / iedoch allezeit die Scythischen Könige für ihre Schutzherren erkennet hätten. Für ungefehr zwey hundert und viertzig Jahren aber hätte der großmächtige König der Serer / der das Geschlechte Tschina auf den Königlichen Stul erhoben / und sein grosses Reich mit diesen Nahmen genennt / aus angebohrner Feindschafft gegen die Scythen (als welche schon für zwey tausend drey hundert Jahren unter dem glückseligen / in iedem Auge zwey Aug-Aepffel habenden Könige Xunus in das Hertze des Serischen Reiches eingebrochen wären) die damals darinnen herrschenden Fürsten Pa und Cho vertrieben / und solches Volck / welches aber noch immer nach der viel gerechtern Herrschafft der Scythen seufzete / bezwungen. Ich ward durch diese Erzehlung überaus begierig von der Beschaffenheit des Serischen Reiches / und der Ursache itzigen Krieges mehrern Grund zu erfahren. Daher dieser leutselige Fürst mir auf mein Ansuchen erzehlte: Es wären schon bey nahe 3000. Jahr / als Fohius / der erste König / oder Himmels-Sohn (diesen Nahmen gäben sie ihren Beherrschern) das Serische Reich gestifftet /und mit heilsamen Gesetzen versehen /[594] also verdient hätte / daß die Serer ihm keinen sterblichen Vater zueigneten / sondern fürgäben: Es wäre seine Mutter /als sie im Lande Xensi in einen grossen Fußstapffen getreten / von einem Regenbogen geschwängert worden; Gleich als ein gütiger Fürst dem Leibe nach zwar von einem Menschen / dem Gemüthe nach aber vom Himmel / als auf dessen Lauff er sich auch überaus wol verstanden hätte / seinen Uhrsprung gehabt haben müste. Nach ihm hätten die Serer einen andern erwehlet / welcher wegen erfundenen Ackerbaues und ausgeforschter Eigenschafften aller Kräuter / Ximumgi oder der geistliche Ackersmann genennet / von seinem untreuen Unter-Könige Hoangti aber nach hundert und viertzig jähriger gütigster Herrschafft getödtet worden wäre. Ob nun wohl Hoangti derogestalt durch Mord und Gewalt sich auf den Königlichen Stul gedrungen / so hätte er doch hernach zu einem wunderwürdigen Beyspiele gewiesen / daß auch eine durch Laster erworbene Herrschafft mit Tugend und Sittsamkeit behalten werden könte. Denn er hätte Maaß /Gewichte / die Königlichen Kleinode / aus Anschauung der Blumen die Mahler- und Färbe-Kunst / das Schnitzwerck / die Töpffer-Arbeit / die Müntze / die Sing- und Rechen-Kunst / die Sinesische sechzig jährige Kreiß-Rechnung und Kriegs-Ubungen erfunden; sich in blau und gelbe / als die Farben des Himmels und der Erde / gekleidet. Dieses alles / noch mehr aber die Liebe seines Volckes / hätte die Flecken seines schlimmen Anfangs mit Golde überstrichen / die Gemüther der Unterthanen ihm verknüpfft / und verursacht / daß sie ihnen zu denen Unsterblichen lebendig versetzt zu seyn gläubten / und zu seinem unvergeßlichen Ruhme alle Könige seinen Nahmen Hoangti / wie des Arsaces alle Persische / und des Ptolemäus alle Egyptische führten. Diesem wäre gefolget sein Sohn der friedsame Xaohavus / dessen glückliche Herrschafft die Erscheinung des seltzamen Sonnen-Vogels angedeutet / er auch deßhalben der Weisen Kleider mit darauf gestückten Vögeln / der Kriegsleute mit Löwen und Tigern zu bezeichnen / und derogestalt alle Würden und Stände sichtbarlich zu unterscheiden verordnet hätte. Wie aber keine Rose ohne Dornern / kein groß Gestirne ohne Flecken / und kein schöner Leib ohne Mahl wäre; also hätte diese reine Herrschafft der Zauberer Kienli mit erschreckenden Nachtgespenstern und Abgötterey besudelt. Von welcher aber der folgende König Chuenhious / des Hoangti Brudern Sohn / das Reich wieder gesaubert / die Reichs-Stände nach dem Beyspiele zu seiner Zeit vereinbaret-gewester fünf Irrsterne mit einander in Eintracht versetzt / und theils zu Befestigung der Königlichen Hohheit / theils zu Verhütung einschleichenden Aberglaubens ein Gesetze gemacht hätte / daß niemand als der König dem obersten Himmels-Könige opffern dörffte. Der sechste König wäre gewesen sein Vetter Cous / der Vater des unvergleichlichen Yaus /welcher im vierdten Monden / als seine Mutter kurtz vorher im Traum einen rothen Drachen das Zeichen grossen Glücks gesehen / wäre gebohren worden. Dieser heilige Fürst hätte als ein kluger Stern-verständiger die Jahr-Rechnung verbessert / einen sechsfachen hohen Reichs-Rath gestifftet / das Gespinste der Seidenwürmer / und die Weberey aufbracht / die ersäufften Länder getrocknet / zu der Sinesischen Weltweißheit den ersten Stein gelegt / durch seine Frömmigkeit aller von der zehn Tage nie untergehenden und also alles versengenden Sonne entstehenden Noth abgeholffen; ja auf Einrathen seines getreuen / und die Königliche Würde selbst verschmähenden Dieners Sungous den tugendhafften Ackersmann Xunus / seinen eigenen ob schon wolgerathenen Söhnen fürgesetzt / und ihn anfangs zum Gefärthen im Reich angenommen / hernach zu seinem Stul-Erben verlassen. Hertzog Herrmann brach hier ein:[595] Jenes wäre ein Beweiß / daß ein Weiser auch die Sternen bemeisterte; dieses aber so ein herrliches Beyspiel / daß es alles Gewichte des Ruhmes überwiege. Denn da ein Fürst keine nützlichere Sorge fürkehren könte / als sich um einen tauglichen Nachfolger bekümmern; so wäre diß eine unvergleichliche Wolthat / wenn man selbten nicht aus seinem Geschlechte / sondern nach der Nothdurfft des Reiches erkiesete. Es sey ein blosser Zufall ein gebohrner Fürst seyn / die Geburt ersetzte den Mangel der Tugend nicht; die Wahl aber eines Fürsten hätte diesen unvergleichlichen Fürzug / daß sie keinen / als einen tauglichen auff den Stul heben könne. Es ist beydes freylich wahr / sagte Zeno. Insonderheit haben kluge und fromme Fürsten gleichsam eine Botmäßigkeit selbst über den Himmel. Und rühmten die Serer von ihrem Könige Tangus dem Uhrheber des Stammes Xanga; daß als es sieben Jahr nie geregnet / und die Wahrsager angedeutet hätten /daß durch eines Menschen Gebete und Tod der Himmel versohnet werden müste / dieser Vater des Reichs sich zum gemeinen Opffer angeboten / aber durch seine Andacht einen fruchtbaren Regen erbeten hätte. Gleichergestalt wäre der Irrstern Mars durch des Königs Caus Andacht drey Himmel-Staffeln weit zurück getrieben worden: wormit er nicht das himmlische Zeichen Sin / unter dessen Schutze sie das Serische Reich zu seyn gläuben / berühret hätte. Auff diese Art / fing Malovend an / bedingen etliche Völcker des Atlantischen Eylandes ihnen bey Erwehlung ihrer Könige nicht so alber / daß er ihnen auch solle die Sonne scheinen / und die Wolcken regnen lassen. Zeno fuhr fort: bey dem Könige Xunus wäre diese Bedingung so wenig vergebens gewest / als sonst alle von ihm vorher gefällete Urthel / und geschöpffte Hoffnungen eintraffen. Dieser wäre aus Liebe seines Erblasters drey Jahre nie von seinem Grabe kommen. Seine Herrschafft könte ein Vorbild aller andern seyn; Er hätte im Reiche öffentlich verkündigen lassen / man dörffte seinen Befehlen nicht gehorsamen / weil er König /sondern wenn sie den Rechten gemäß wären; Seine Leibwache dörfften ihre Spitzen nur so lange / als er ein Vater des Landes wäre / für ihn / wenn er aber iemanden unbilliche Gewalt anfügte / wider ihn kehren. Er hätte die einbrechenden Scythen aus seinem in zwölf Landschafften abgetheilten Reiche geschlagen /die Gräntzen erweitert / die überlauffenden und das Land ersäuffenden Flüsse mit Thränen eingeschränckt / Schiffreiche Ströme durch hohe Gebürge geleitet /Seen ausgetrocknet / trockene Länder mit Strömen versorget / und für seinem Tode mit gleichmäßiger Ausschlüssung seiner Söhne Yrus / einen Sohn des vorher am Leben gestrafften Qvenius zum Reichs- Erben benennet / der sich zwar der Königlichen Hoheit zu enteusern getrachtet; Aber / weil die Ehre wie der Schatten die darnach strebenden fleucht / den fliehenden aber nachfolget / auf des Volckes Begehren solche nur übernehmen müssen. Dieser wäre dem Xunus nichts minder an Thaten / als an Würde gleich kommen. Denn er hätte zu unsäglichem Nutzen durch das Reich viel herrliche Fahrten gegraben / grosse Ströme durch Berge geleitet / See-Buseme zu Acker gemacht / die Tingung derselben gelehret / seine Fehler ihme zu sagen verlanget / und die im Reiche nöthige Verbesserungen zu erinnern / gewisse Andeutungen verordnet / auch durch seine Wolthaten verdienet / daß die Serer sich seinem Geschlechte Hiaa als Erb-Unterthanen unterworffen. Aus diesem wären siebzehn tapffere Könige kommen / welche vier hundert ein und viertzig Jahr geherrschet hätten. Hernach wäre diese Würde auf acht und zwantzig Könige aus dem von dem klugen und måßigen Fürsten entspringenden Stamme Xanga kommen / und bey selbten sechs hundert Jahr blieben; Biß König Faus ein streitbarer Held den Stamm[596] Cheva ans Bret gebracht / und mit sieben und dreißig Nachfolgern acht hundert und sechs und siebentzig Jahr ausgeschmückt hätte. Unter diesem Stamme wäre der grosse Alexander biß an die Serische Reichs-Gräntze eingebrochen / als aber die grosse Macht und Zurüstung der Serer in seinem Heere erschollen / ja daß Agrammes ein Serischer Unter-König alleine mit zwantzig tausend Reutern / zwey hundert tausend Mann Fußvolck / zwey tausend Wagen / und drey tausend Elefanten die Gräntzen besetzt hätte / wäre durch keine Bitte / Zorn oder Zurede sein Kriegsvolck weiter zu bringen gewest / und also an dem Ufer des Flusses Hypanis / so wie für ihm Semiramis und Cyrus in dem Sogdianischen Lande /Alexander auch selbst / als er den ersten Fuß in Asien gesetzt / gethan / zwölf Altare mit hohen aus viereckichten Steinen funfzig Ellenbogen hoch gebaueten Thürmen zum ewigen Gedächtnüsse aufgerichtet. Massen er / Zeno / denn selbst an dem grösten zugespitzten Thurme diese von Alexander in Stein gegrabene Schrifft gelesen hätte:


Der / den kein Krieg erschreckt / noch Ruh geschlåffet ein /

Kein Schatz ersättigt hat / steckt hier ein Ziel dem Siege;

Daß nur die Nachwelt noch was zu bezwingen kriege /

Wie wol selbst die Natur / die ihm die Welt zu klein /

Die Sonne schuff zu groß / hålt seinen Lauff zurůcke.

Um seinen Siegs-Krantz kämpft die Tugend und das Glůcke.


Es hätte aber ein König aus dem Chevischen Stamme / nach dem er dem Andvocot wider den König Seleucus Nicanor beygestanden / und Indien von dem Macedonischen Reiche abgerissen / auf die andere Seite solchen Thurmes eingraben lassen:


Fůr dem Europa bebt / und Asien sich bůcket /

Dem auch die Renne-Bahn der Sonnen enge scheint /

Der über Eitelkeit der Erde seufzt und weint /

Hat hier der Eitelkeit ihr Siegel eingedrücket

An seiner Siege Ziel. Mensch / zeuch die Segel ein!

Der Geist ist doch der Welt zu groß / der Leib zu klein.


Der vierdte Erb-Stamm wäre Tschina / dessen Haupt aber König Tschin / oder Xius gewesen / der für zwey hundert Jahren die drey hundert deutsche Meilen-lange / dreißig Ellen hohe / funfzehn dicke und mit vielen Thürmen und Bollwercken versehene Mauer in fünf Jahren von Ost gegen West / und zwar bey dem Einflusse des Stromes Yalo etliche Stadien weit ins Meer auf viel mit Eisen angefüllt- und versenckte Schiffe wider die offt einbrechenden Scythen gebauet / ihren Vorfahren auch grossen Abbruch gethan hätte. Daher ob schon dieser Stamm mit dreyen Königen in viertzig Jahren verschwunden / der andere Nachfolger Cu vom Hyangioo dieser aber von einem Rauber Lieupang / welcher hernach den fünfften Sta Hanya aufgerichtet / erwürget worden wäre; so hätten doch des Xius herrliche Thaten solche Kürtze / wie die Herrligkeit der auf einmal herausschüssenden köstlichen Blumen die eintzele Fruchtbarkeit der hierauf verwelckenden Aloe reichlich erstattet. Nach dem Lieupang mit seinem niedrigen Stande auch alle Laster weggeleget / und die Serer als ein kluger Fürst lange Zeit beherrschet gehabt / wäre sein Sohn Hyaoxus das Haupt der Serer worden. Dieser hätte das Reich Corea erobert / hernach mit den Scythischen Königen blutige Kriege geführet. Zeno fuhre fort: Ich danckte diesem Scythischen Fürsten für so umständliche Nachricht; Ersuchte ihn aber mir die Ursache des gegenwärtigen Krieges / zwischen denen zwey mächtigsten Königen Huhansien / und Iven zu entdecken. Denn ob ich mich zwar bescheide / daß Unterthanen sich über der Gerechtigkeit ihres Herren Waffen zu bekümmern kein Recht / sondern nur schlechter Dinges seinen Heer-Fahnen zu folgen Ursach hätten; so schiene es doch Ausländern nicht anzustehen / daß sie wissentlich einem ungerechten Kriege fremder Völcker sich einmischten. Derogleichen er aber von einem so gütigen Könige / als er den Huhansien hätte erkennen lernen / nicht vermuthete. Tanian der Scythische Fürst war hierzu sehr willfertig;[597] fing also an: Es ist die Feindschafft gewissen Völckern wie etlichen Thieren angebohren. Diese hat von etlichen tausend Jahren / oder vielmehr von ihrem Ursprunge her / eine Trennung zwischen den Serern und Scythen / oder /wie sie uns nennen / den Tattern gemacht. Ich weiß nicht / ob diese Tod-Feindschafft dem Unterscheide der Länder / oder der Widerwertigkeit unserer Gestirne zuzueignen sey. Denn sie ist so groß / daß man insgemein glaubt / die Serer und Tattern lägen nicht auf einerley Art in Mutterleibe / würden auch auf zweyerley Weise gebohren. Wenn auch die Serer iemals sich einer Tatterischen Landschafft bemächtigt /oder sie gefangen weg geführt; haben diese aus Abscheu für den wollüstigen und grausamen Seren sich ihrer Weiber enthalten / daß sie denen Serern nur keine Sclaven zeugten. Wie nun der Unterscheid der Gestalt freylich wol eine augenscheinliche Anzeigung ist / daß die Natur selbst zwischen beyden Völckern einen Unterscheid gemacht / auch sie durch Gebürge /grosse Ströme und Sandwüsten von einander gesondert habe: Also tragen die einander fast in allen Sachen widrige Sitten / und die Tracht / besonders aber der Haare / welche die Serer mit grosser Sorgfalt hegen / wir aber abscheren / sehr viel zu dieser Zwytracht. Den grösten Haß aber nicht nur der Tattern / sondern aller andern Völcker ziehen ihnen die Serer durch ihren unerträglichen Hochmuth auf den Hals; indem sie alleine nur zweyäugicht seyn wollen /die Europeer für einäugicht / alle andere Völcker für blind / oder für Thoren halten. Sie versperren allen Fremden / als ihrer Gemeinschafft Unwürdigen / den Eintritt in ihre Gräntzen / verschrencken ihnen alles Gewerbe / und heben durch ihre Verschlüssung alles unter den Völckern übliche Recht auff. Dieses ist die erste wahrhaffte Ursache gewest / warum für zwey und zwantzig hundert Jahren die Tattern unter dem Könige Xunus das erste mal in das Serische Reich eingefallen. Die Gelegenheit hierzu gab eine grosse Menge aus dem Reiche verbannter Serer. Sintemahl Xunus die Landes-Verweisung aus dem Reiche / als eine das Hals-Gerichte weit übertreffende Straffe einführte. Diese Verjagten gaben den Tattern alle Anleitung in das Serische Reich einzufallen / und sich der Beute ihres Uberflusses zu bereichern. Mit diesen Einfällen fuhren die Tattern wider die Serer als Feinde des menschlichen Geschlechtes fort / biß der kluge König Yvus / unter dessen glückseliger Herrschafft es drey Tage Gold geregnet haben soll / den Tattern alle Jahr eine Botschafft zu ihm zu schicken / und darbey sich der Kauffmannschafft zu gebrauchen erlaubte. Wiewol auch hernach einige Könige solche Gesandschafften störten; so ließ sie doch König Is nicht alleine wieder zu / sondern er führte auch ein / daß die Tatterischen Botschafften durch sein gantzes Königreich frey gehalten wurden. Hierauf aber ereignete sich ein neuer Zwist zwischen beyden Völckern / weil die Tattern dem aus dem Reiche verjagten Kieus bey ihnen zu wohnen erlaubten. Wiewol es der kluge König Tangus vermittelte / daß es zu keinem Kriege kam. Nach dem aber folgende Könige denen Tattern abermahls Thür und Thore versperreten; brachen sie durch das Damasische Gebürge in Suchuen ein / und verheerten auf beyden Seiten des grossen Flusses Kiang / biß an das Siangische Gebürge alles; zohen aber / als König Chungting ihnen etliche mächtige Heere entgegen schickte / mit unschätzbarer Beute zurück. Unter dem frommen Könige Uuting geriethen beyde Völcker abermahls mit einander in besser Verständnüß; sonderlich / als die Serer hernach mit denen Nord-Tattern des Königreiches Niulhan und Yen /welche auff der Brust schuß-freye Kupffer-Spiegel /die Schwerdter auff dem Haupte tragen / zu schaffen kriegten / welch letzteres Reich auch Tiyeus durch seinen Feld-Hauptmann[598] Kileus eroberte / und dem Serischen einverleibte. Ja die Verträuligkeit ward so groß / daß zwey West-Tatterische Brüder zu des Serischen Königs Cheus tapfferen Feld-Hauptmanne Changus in Xensi reiseten / und sich seinem Ausspruche unterwurffen; wer unter ihnen das väterliche Reich beherrschen solte? Weil ieder es dem andern aufdringen wolte. Rhemetalces fiel seufzende ein: O ein unvergleichliches Beyspiel der Gemüths-Mäßigung! Lasset uns alte herrschsüchtige / welche / um einen Tag dieser scheinbaren Dienstbarkeit zu genüssen / sich der ewigen Unruh wiedmen / oder sich und ihr gantzes Geschlechte aufopffern / in die Sitten-Schule der vergnüglichen Scythen weisen! Zeno versetzte: Auch die Serer hätten gleichmäßige Beyspiele. Denn nach des Königs im Reiche U Xenugkungs Absterben / hätte der älteste Sohn Chufan dem jüngsten Cichaus mit Gewalt den Purpur angezogen. Dieser aber hätte sich um der ihm nicht zukommenden Würde zu entbrechen geflüchtet / und insgeheim einen Ackersmann abgegeben; also daß der älteste auff des Volckes Begehren wider Willen hätte herrschen müssen. Indem des Königs Yven grosser Feldherr Fanlius / welcher fast alle vom Reiche abgespaltene Länder erobert / wäre zwey mal aus dem Hoffe entlauffen /und hätte bey Drehung einer Töpfferscheibe die Unbeständigkeit des wanckelhafften Glücks-Rades ausgelacht: Eben so merckwürdig wäre gewest / daß die Sud-Tartern im Königreiche Nankiao / itzt Gannan genennet / durch die Tugenden des Königs Faus / und Chingus bewogen worden durch eine Gesandschafft sich der Serischen Botmäßigkeit freywillig zu untergeben / und zu dessen Zeugnüsse dem Chingus eine weisse Fasan-Henne zu lieffern.

Hierauf kam Zeno wieder in des Scythischen Fürsten Tanian Erzehlung: Auf diese lange Wetterstille brach ein grosses Ungewitter aus. Denn Mous der fünffte König des Stammes Cheva hatte bey seinen Tugenden eine unmässige Begierde zu reiten / und auf dem Streit-Wagen zu rennen. Weil nun die Tattern es damals in beyden der gantzen Welt zuvor thaten /meinte er / daß sein Ruhm einen grossen Abbruch leiden würde / wenn er nicht seine Kräften mit den Tattern gemässen hätte. Also fiel er / wie wol wider den treuen Rath seines klugen Schweher-Vaters Cigung /bey denen um die Brunnen des Saffran-Flusses wohnenden West-Tattern mit einem mächtigen Heere ein. Diese hoben ihre flüchtige Zelten mit allem Vorrathe auf / und zohen sich damit zwischen den Berg Imaus /und das Damasische Gebürge; aus welchem sie bald da / bald dort / den Serern in die Seite oder in Rücken fielen / und grossen Schaden zufügten; also daß Mous mit Verlust vielen Volckes und seines Ansehens zurück zu ziehen gezwungen ward / und nichts anders zum Vortheil hatte / als daß hernach die heilsamen Rathschläge des Cigungs bey ihm mehr Ansehn gewahnen. Die Tattern waren hierdurch so erbittert / daß sie hernach lange Jahre die Serer mit unzehlichen Einfällen beunruhigten. Wider den König Jeus aber übten sie eine merckwürdige Rache aus. Dieser ward von einer schönen Dirne Paousa / welcher Mutter von dem Schaume eines Drachens soll geschwängert worden seyn / so eingenommen / daß er seine Gemahlin aus dem Ehebette / und seinen Sohn Ikieus vom Reichsstuhle verstieß. Dieser flohe zu seines Vatern Bruder Xin / in die Landschafft Xensi; wider welchen König Jeus / weil er ihm seinen Sohn nicht ausfolgen lassen wolte / die Waffen ergriff. Xin ruffte die West-Tattern zu Hülffe / gegen welche Jeus ohne diß zu Felde lag. Dieser hatte / um seiner niemahls lachenden Paousa eine Lust zu machen / durch seine Krieges-Losung /nehmlich das Feuer etliche mahl Lermen gemacht /und sein Krieges-Heer in die Waffen gebracht. Unter diesen Kurtzweilen rückte[599] Xin und Ikieus mit dem Tatterschen Heere an des Königs Jeus Läger. Als dieser nun gleich durch die gewohnte Flamme sein Heer aufforderte / blieb doch selbtes in Meinung / daß es abermals der Königin zu Liebe angestellte Freuden-Feuer wären / in seiner süssen Ruh unbeweglich. Hierüber brachen die Tattern ins Läger ein / zertraten und zerfleischten / was ihnen in voller Unordnung begegnete; erschlugen auch den König selbst mit seiner Paousa. Xin und Ikieus erschracken zwar selbst über der grossen Niederlage der Serer / flohen also davon /und boten den Tattern mit einem frischen Heere die Stirne. Alleine diese trieben den neuerwehlten König Ikieus zurücke / bemächtigten sich der grossen Länder Xensi / Suchuen / Inunan und Qvecheu. Ikieus muste sich mit den Ost- und der andere Sohn des Jeus Pnigus mit den Sudländern vergnügen; ja das gantze Serische Reich ward zerrissen. Sintemal der Königliche Stadthalter Tschi in Xantung / zu in Huqvang und Kiangsi / und Tschyn in Xansi sich zu Königen aufwarffen. Weil aber die Tatterschen Könige die eroberten Länder in viel Theile zergliederten / ersahe Siangkung ein Nachkomme des Pferde-Hirten Ficius seinen Vortheil und versetzte denen Tattern einen unvermutheten Streich / eroberte auch die Landschafft Xensi / mit welcher er sich vergnügte / und den Grund zu der folgenden Herrschafft seines Stammes Tschina legte; alles andere aber / was er einnahm / dem Könige Pingus abtrat. Von dieser Zeit an war nichts minder das allzuviel Häupter habende Scythische / als das zergliederte Serische Reich über drey hundert Jahr lang in eitel innerliche Kriege zerspaltet / also / daß beyde die über Leschung ihres eigenen Hauses beschäfftiget waren / kein fremdes anzuzünden Zeit hatten. Unterdessen wuchs das Geschlechte Cnia mit Hülffe der Tattern in Xensi / Xansi / und Honan so groß / daß es allen Nachbarn schrecklich ward. Die Furcht für dieser aufsteigenden Macht verband wider ihren Fürsten dem Serischen Könige Xicin fünf angräntzende Serische Könige zusammen; er erlegte sie aber alle fünffe auffs Haupt. In Suchuen hatten zwey Tatterische Fürsten Pa und Xo sich mit einander durch einen langwierigen Krieg abgemergelt; suchten endlich ohne Erwegung / daß die zwistigen Tauben der zu Hülffe geruffenen Adler / und die mit einander kämpffende See-Schnecke und Reiger der Fischer Beute werden / bey dem Cinischen Könige Hülffe /welcher den letzten erlegte / und den / der geholffen /zu seinem Unterthanen machte. Weil nun dieses Tschinischen Königs Sohn Chaosiang den Serischen König Tschi / und Gvei überwältigte / und die mächtige Stadt Iyang einnahm / hielten die West-Tattern für rathsam dieser anwachsenden Macht zu begegnen; fielen also in Xensi ein / und machten obigen Serischen Königen Lufft / daß sie nebst dem Könige Han sich wider ihn aufs neue rüsten konten / und er ihnen die Landschafft Xansi biß an den Saffran-Fluß wieder abtreten muste. Diese liessen zwar die Tattern alleine im Stiche / weil aber der Tschinische König diesem streitbaren Volcke wenig abgewinnen konte / auch auf das Serische Reich sein einiges Augenmerck hatte /machte er mit ihnen gleichsam Frieden. Hingegen streute er unter die Serischen Könige so viel Zwytracht / daß sie einander selbst aufrieben / und weil sie eintzelhafft mit ihm kriegten / alle überwunden wurden; ja das oberste Haupt der Serer für ihm fußfällig ward. Aber der Tod besiegte den Chaosiang in seinem höchsten Siegs-Gepränge / und des Fous Bruder Cheukiung brachte mit Hülffe der Tattern und der andern wieder abfallenden Serischen Könige wider seinen Sohn Ching oder Xius ein mächtiges Heer auf. Alleine wie vieler Fürsten Bündnüsse / weil ieder nicht den gemeinen / sondern den Eigen-Nutz sucht / wie die gezogenen Gewebe sich leicht verwirren; also diente der Serer und Tattern[600] Sieg ihnen nur zur Uneinigkeit / und zum Verderben. Xius gebrauchte sich dieses Vortheils in unvergleichlicher Geschwindigkeit / welche eben so eine Mutter der Glückseligkeit / wie die Zeit ihre Stiefmutter ist. Der Himmel selbst schien allenthalben sein Beystand zu seyn; also / daß er in weniger Zeit der Mitternächtischen Landschafften Meister ward. Fasous / der König in Zu oder in Hukwang und Kiangsi bot ihm nur noch die Stirne. Aber des Xius Feldhauptmann Vangcien gewan ihm eine solche Schlacht ab / daß die Balcken auf dem Felde in Menschẽ-Blute schwamen. Er selbst ward gefangen / und nach Serischer Art mit seinem gantzen Geschlechte ausgerottet. Also ward Xius der Uhrheber des Königlichen Tschinischen Stammes für 200. Jahren ein vollmächtiges Haupt über das Serische Reich / welches er auch nach seinem Geschlechte Tschina nennte / und umb aller vorigen Fürsten Gedächtnüsse zu vertilgen alle Serische Bücher verbreñen ließ / wordurch er ihm aber bey den Nachkommen ewigen Fluch / und seinen Vorfahren mehr Ehre zuwege brachte. Weil aber Xius durch Müssiggang seinen neuen Unterthanen nicht Luft ließ auf Empörungen zu gedencken / und sein Reich wider die streitbaren Tattern / als von welchen er nunmehr alleine Gefahr zu besorgen hatte / baute er aus der Landschafft Xensi von dem Ufer des Saffran-Flusses an /biß an das Ost-Meer obenerwehnte 10000. Serische Stadien lange mit vielen Thürmen verstärckte und so feste Mauer / daß die Arbeiter / wo man irgends einen eisernen Nagel einschlagen konte / zum Tode verda t wurden. Sie ist so breit / daß 8. Pferde darauf neben einander gehen können / und wird von 1000000. Menschẽ bewacht. Diese Mauer und der innerliche Krieg der Seren / da nehmlich Lieupang den Tschinischen Stamm bald mit des Xius Söhnen ausrottete /hernach aber mit dem Könige in Zu und andern genung zu schaffen hatte / machte zwischen den Serern und Tattern einen ziemlichen Stillstand. Nachdem aber Lieupang die West-Tattern vollend aus Suchuen / ja gar über den gelben Fluß zu vertreiben Anstalt machte; brach ihr Bunds-Genosse der Nord-Tartern König in die Landschafft Xansi durch die ungeheure Mauer mit 500000. Mann ein. Lieupang schickte ihnen zwar seinen glücklichen Hansin / welcher aus einem armẽ Fischer ein unvergleichlicher Feldhauptmann worden war / mit einem mächtigen Heere entgegen; alleine die Tapferkeit der Tatterischen Reiterey zertrennete nichts minder das Serische Fußvolck / als des Hansin Glücke / welches ihn nur deshalben mit so viel Siegs-Kräntzen bereichert hatte / damit es auf einmal ihm eine desto reichere Beute abnehmen könte. Denn er ward nicht allein aus dem Felde geschlagen / sondern auch in der Stadt Maye belägert /und von dem hertzhaften Könige Maotun gezwungen / daß er sich und die Uberbleibung seines Heeres den Tattern ergeben muste. Die Haupt-Stadt Taitung und ihr gantzes Gebiete unterwarff sich diesen Uberwündern. Wie nun aber Maotun vernahm / daß König Lieupang mit den meisten Kräfften des Serischen Reiches gegen ihn anzoh / nahm er mit Fleiß eine furchtsame Anstalt an / setzte sich also in dem Thale Thai an den Fluß Kiuto / und versteckte den Kern seines Heeres in das Gebürge Cinhi / also / daß die Serischen Kundschaffter dem Lieupang die einstimmige Zeitung brachten: Es bestünde das Tatterische Heer in eitel halb-bewehrtem Rauber-Gesinde. Ob nun wohl der erfahrne Leuking ihm die Tattern anzugreiffen nachdencklich widerrieth / ward er doch als ein Verräther in Band und Eisen geschlagen. Lieupang / weil er dem verschantzten Tatterischen Heere nicht beykommen konte / theilte sein Heer in zwey Theile / ließ mit dem einen den König Maotun beobachten / mit dem andern aber ging er fort / nahm Quanguu wieder ein / und belägerte Taitung. Maotun ließ ein geringes Theil seines Heeres im Thale[601] Thai steheñ / ging mit fast allen seinen Kräfften in aller Stille zurück über das Gebürge / und kam unverhoffter als der Blitz dem Serischen Könige Lieupang auf den Hals / jagte ihn mit grossem Verluste von Taitung weg in das Gebürge Peteng. Der darinnen belägerte Lieupang ward gezwungẽ von dem Maotun demüthig Frieden zu bitten / und ihn mit tausend Centnern Silber zu erkauffen. Weil aber die betrüglichen Serer den Tattern in das Silber viel Bley eingeschmeltzt hatten / brach Maotun aufs neue ein / und versetzte dem Lieupang ein solches Schrecken / daß er ihm den Leuking mit grossen Geschenckẽ entgegen schickte / und ihm / so gut erkönte / Friedẽ zu schlüssen Vollmacht gab. Dieser ward derogestalt getroffen / daß die Serer noch so viel Silber zahlten / und der Serische Reichs-Erbe Hoejus des Maotuns Tochter heyrathen solte. Das erste ward gehalten; die Tatterische Königs-Tochter aber ward betrüglich / wiewohl mit Unwillen der beyden Feld-Hauptleute Hansin und Chinhi / einem andern Serischen Fürsten beygelegt. Wie nun dieser mit einem starcken Heere gegen die einen neuen Einfall dräuenden Tattern geschickt ward / redete er den Hansin auf wider den undanckbaren und betrüglichen Lieupang sich zum Könige aufzuwerffen. Aber dieser Anschlag ward entdeckt / und durch Hansins Hinrichtũg der Anschlag im käumẽ ersteckt; Chinhiaber zu den Tattern zu fliehen genöthigt / mit derer Beystand er biß an seinen Tod den Serern genung zu schaffen machte. Nach seinem Tode brachen die Nord-Tattern aufs neue in Xansi ein / und muste des Königs Hoejeus Mutter Liuheva des Königs Maotun Sohn mit Verlobung ihrer Tochter / und einem reichen Braut-Schatze versöhnen. Weil aber diß letzte Versprechen nicht völlig erfolgte / schickte der Tatterische König seine Braut der Liuhera mit einem schimpflichen Schreiben zurücke. Dieses ehrsüchtige Weib / welche nach ihres Sohnes Absterben selbst die Serische Herrschafft an sich zoh / meynte zwar Bäume auszureissen / und die Tattern mit Strumpf und Stiel auszurotten; aber ihr Feldhauptmañ Kipus dämpfte ihren unzeitigen Eifer /und versicherte sie: Wer an den Tattern zum Ritter werden wolte / müste in iedweder Brust ein Männer-Hertze haben. Ungeachtet sie nun ihrem Enckel Uen das Serische Reich abzutreten gezwungen ward / vergassen doch die Tattern nicht ihrer Rache / sondern überschwemmeten gantz Xansi biß an des alten Königs Ivus Geburts-Stadt und Königlichen Sitz Pingyang. Ob sie nun zwar / als der Feldherr Siang mit sieben hundert tausend Serern auf sie loß ging / für rathsam hielten / mit ihrer Beute nach Hause zu kehren; verknüpften sie sich doch mit den West-Tattern /und brachen diese in Xensi / jene in Xansi ein. König Uen und sein berühmter Heerführer Afu zohen beydẽ mit 3. mächtigen Heeren entgegen / gleichwol aber hatten sie nicht das Hertze mit ihnen zu schlagen /sondern sie besetzten alleine die Pässe / schnidten ihnen alle Zufuhre ab / nöthigten also hierdurch nach dem Beyspiele des langsamen Fabius die Tattern /daß sie nach aufgezehrtem Vorrathe und Einäscherung beyder Länder sich zurücke ziehen musten. Uen starb kurtz hierauf / und folgte ihm Hiacking; gegen diesen brachen die Nord-Tartern in das Land Ki oder Yen / und die von Westen in Suchuen ein / kehrten auch mit reicher Beute nach Hause. Alleine hiermit ward auch ihrem Glücke ein Ziel gesteckt / als welches niemanden noch seiner Beständigkeit halber einigen Bürgen gesetzt hat. Für Ursachen dieser Enderung lassen sich nicht so wohl die Einflüsse der Sternen / als diese Umbstände anziehen / daß die Tattern durch ihr stetes Kriegen die vorhin weichen Seren abgehärtet / und[602] durch lange Ubung zu Kriegesleuten gemacht hatten / diese auch an Vermögen und Menge des Volcks / als denen zwey Spann-Adern eines Reiches denen wegen steten Reitens zum Kinderzeugen nicht so geschickten Tattern weit überlegen waren; insonderheit aber diese durch Zertheilung ihres Reiches sich allzu sehr geschwächt hatten. Ihr Unstern aber ging ihnen mit des Hiaokings Sohne dem Könige Hiaovus auf / wiewohl anfangs mit zweifelhaftem Lichte. Denn weder das Glücke noch die Natur ist gewohnt von einer äusersten Spitze auf die andere einen Sprung zu thun. Hiaovus hatte mit den Tattern bey Antretung seines Reichs mit Versprechung eines jährlichen Soldes einen ewigen Frieden gemacht. Als er es aber nun durch Gesetze und seine getreuen Landvögte genungsam befestiget hatte / rieth ihm Quei / oder vielmehr seine Ehrsucht / daß er nunmehr ein so schimpfliches Bündnüß zerreissen möchte. Gleichwohl traute er seinen Kräfften nicht zu / durch offenen Krieg diesem behertzten Feinde einige Feder auszuziehen; sondern schickte den Ligvang und Puve mit zweyen Heeren ab / unter dem Scheine / die Wache an der langen Reichs-Mauer abzulösen / und er selbst folgte mit drey hundert tausend Mann biß nach Maye. Weil aber die Tattern durch einen Gefangenen hiervon Wind kriegten / begegneten sie ihnen mit unerschrockenem Muthe. Hiaovus meynte die Tattern zwar durch Bestraffung des Quei zu bestillen; alleine sie hielten für schimpfliche Kleinmuth der Seren Meyneid ungerächet zu lassen. Hiermit trieben sie drey Serische Heere über Hals und Kopf zurücke. Wie aber Ligvang / welchen sie denn seiner Geschwindigkeit halber den flügenden Heerführer nennten / mit noch einer stärckern Macht ankam / riethen ihnen ihre Wahrsager sich zurücke zu ziehen; Ohne daß die Serer sie ausser der Mauer zu verfolgen das Hertz hatten. Hierauf schickte Hiaovus den Chenkiang / das von dem Könige Xius eroberte / aber inzwischen wieder abgefallene Reich Junnan einzunehmen; welches er nicht allein mit grossem Glücke verrichtete / sondern auch noch darzu die zwey Reiche Tavon / und Takiam zwischen denen Flüssen Caor / Cosmin und Martaban eroberte / und derogestalt die Serische Herrschafft biß an das Indianische Sud-Meer erweiterte. Dieser glückliche Streich und die Einrathung des Feldhauptmanns Gveicing / welcher den Feind in seiner Gräntze erwarten für schädliche Kleinmuth /sein Pferd aber an des Feindes Zaum binden / für ruhmbare Klugheit hielt / bewegte den Hiaovus zu der Entschlüssung die Tattern zu überziehen / welche nur in ihrem Neste wie Cacus in seiner Höle von einem Hercules erleget werden könten. Weil nun das West-Tatterische Reich Tibet unter dem Amasischen Gebürge alle Tattern schier mit herrlichen Pferden ausrüstete / derer Wiegern nicht einst die schlechten Serischen Pferde vertragen kunten / fiel der Schluß / ihnen am ersten diese Rüst-Kammer abzuschneidẽ. Also zohen wider sie durch Xensi vier solche Kriegsheere auf / derer iedes / wie des Xerxes / Berge abzutragen /und Flüsse auszutrincken mächtig war. Die West-Tattern musten für dieser Menge sich theils in die Damastschen Gebürge / theils über den Saffran-Fluß begeben. Wormit nun die Seren in der Tatterischen Fläche festen Fuß setzen / und im Fall der Noth irgendswohin eine sichere Zuflucht finden möchten / baute er in der Tarterey Tanyu etliche Schantzen / und an den Saffran-Fluß ein grosses viereckichtes / und mit vielen Vorrathen versorgetes Läger. Weil nun die Tattern wohl sahen / daß ihnen hierdurch ein gewaltiger Kapzaum angeleget ward / versuchten sie durch öfftere Uberfälle das Werck zu hindern; und als dis nicht verfing / mit ihrem gantzen Heere zu treffen. Alleine Gveicing[603] versetzte ihnen auf dem Berge In einen solchen Streich / als sie noch keinen erlitten hatten. Viertzig tausend Tattern / und der König in Tanyu mit allen Fürsten blieben todt auf der Wallstatt / und funfzig tausend wurden gefangen. Daher die Tattern auch noch zur Zeit niemals ohne Thränen selbigen Berg übersteigen. Der Serische König kam für Freuden selbst dahin / und stieg aus Vorwitz auf die hohen Gebürge zwischen Tanyu und Tibet. Auf der Jagt fing er ein grosses Thier mit einem Nasenhorne / welches die abergläubigen Serer für eine Andeutung mehrer Siege hielten; daher auch Hiaovus von dieser Zeit allererst die Jahre seiner Herrschafft zu rechnen anfing /und des erschlagenen Königs Hirnschale brauchte er zum Trinck-Geschirre. Von dar schickte Hiaovus ein Heer gegen Mitternacht / welches die Tattern abermals aus dem Felde schlug / und ihr Land biß an die Berge Yenchi und Kilien achthundert Stadien weit verwüstete / und dẽ König Hoensieus zwang sich mit seinem Lande den Serern zu unterwerffen. Wordurch die Landschafft Xensi unter den vorhin gräntzenden Saffran-Fluß biß an die an der Westlichen Wüsten Xamo liegende schwartze See / und das Gebürge Kin / über den Fluß He erweitert und mit der berühmten Stadt Socheu versehen ward. Weil nun die Herrschens-Sucht wie das Feuer unersättlich / und ein Sieg des andern Werckzeug ist / schickte Hiaovus auf einmal 3. mächtige Heere aus. Queicing brachte auf der Ost-Seite des Berges Imaus in Barolybien zweytausend Stadien weit biß an das Gebürge Tienquen alles unter seine Gewalt; und ob er wohl darüber sich unter die weiten Sandflächen nicht wagen wolte; so erboten sich doch alle Tattersche Fürsten biß an das nordliche Welt-Meer zur Zinsreichung. Kinping drang in das Reich Barrapheliot / über die Sand-Wüsten Xamo und den Berg Lankius vier tausend Stadien weit / und kriegte über die erschlagenen siebentzig tausend Tattern gefangen; baute auch daselbst die Städte Jungya und Lienyung. Liquang fiel in Nord-Ost hinter das Land Corea gegen Yesso ein; allwo er aber wegen des grossen Sandes wenig oder nichts ausrichtete / und aus Eifersucht gegen die andern zwey Sieger ihm selbst die Kehle abschnidt. Hiaovus machte diese 2. Heerführer zu Königen über die eroberten Länder /welche aber den König der Serer für ihr Haupt erkennen musten. Weil aber den Tattern der Knechtischen Serer eiserne Hand unerträglich war / flüchteten sich viel tausend in das Königreich Tibet / Usußang /Kiang / und andere in Suchuen und Junnan gräntzende Tatterische Länder. Nachdem nun die West-Tattern / des Hiaovus Verlangen nach / ihnen nicht den Auffenthalt verwehren wolten / schickte er anfangs den Gveicing / hernach den Cham gegen die Könige U /und Sum / mit starcker Heeres-Krafft / welche ihre /zwischen den Flüssen Tatu / Kinxa / und dem hohen Gebürge Umuen liegende Länder eroberten / und der Landschafft Suchuen biß an das Gebürge Lin einverleibten. Er selbst Hiaovus wendete sich gegen Sud /führte auf den Flüssen Lukiang und Lonsang 2. Heere mit sich / bemächtigte sich des Reiches Laos / und erweiterte sein Reich nicht nur mit Eroberung des Landes Tungking biß an das grosse Sud-Meer / sondern nahm auch das Eyland Hainan ein / und kam mit einem grossen Schatze von Perlen durch Fokien siegsprangende zurücke. Diese grosse Siege veranlaßten den König Hieutu in Tibet / daß er sich ebenfalls dem Serischen Reiche unterwarff. Dessen Sohn Geli Hiaovus an seinen Hof nahm / ihn anfangs zu seinem obersten Stallmeister / hernach zu seinem fürnehmsten Rathe machte / und ihn für einen Eingebohrnen erklärte / und den Nahmen Kin gab. Hingegen fielen die geflüchtetẽ Tattern aus dem Reiche Samahã täglich den Serern in Tanyu ein / worvon Hiaovus[604] den König durch einẽ Gesandten Suvus abmahnen / und ihn aller guten Nachbarschaft versichern ließ. Weil aber der zu ihm geflohene Serer Gveli ihn als einen Kundschaffter angab / ward er auff das Eiland Tarata in dem Nord-Meer geschickt / und zu einem Schaaf-Hirten gebraucht. Hiaovus zohe diß zu rächen mit eylff starcken Heeren durch die Sand-Wüsten Xamo; die Tattern aber räumten das Feld / verschlossen sich in die Gebürge / und lachten den sie zum Streit ausfordernden Hiaovus aus / welcher aus Verdruß zurücke zoh / und dem tapffern Feld-Hauptmanne Laus die Kriegs-Macht übergab. Dieser drang in das Gebürge Sinuck / und brachte zwar den König in Tanyu in die Flucht; Weil aber der König in Samahan hinter ihm das Gebürge einnahm / und ihm alle Zufuhr abschnitt / gerieth er in so grosse Noth / daß Anfangs sein Unter-Feldherr Qvoncan zu den Tattern überging /und hernach Laus selbst mit seinem gantzen Heere sich ergeben muste. Hiaovus verlohr hiermit das Hertze die Tattern ferner zu bekriegen; sondern verwahrte nur die Fläche zwischen der Serischen Mauer und dem Gebürge Kin. Der König in Samahan oder Samarkanda unsers Königs Huhansien Großvater erlangte hingegen unter allen Tattern ein so grosses Ansehen / daß alle benachbarte Könige ihn heimsuchten / und als einem unüberwindlichen Helden zu Ehren Kühe opfferten / ihn auch zu ihrem allgemeinen Schutz-Herrn erkieseten. Des Hiaovus Sohn und Reichs-Erbe / welchem der Vater den Tatter Geli Kin zum obersten Feldherrn verordnete / machte über dieser zusa enwachsenden Macht der Tattern grosse Augen / und suchte unter dem Scheine den Gefangenen Suvus zu lösen eine Verneuerung des Friedens. Des Hiaovus Enckel König Siven kriegte zwar eine Lust sich wie sein Groß-Vater durch einen Tatterischen Krieg berühmt zu machen / sein oberster Rath aber widerrieth es ihm auffs beweglichste und hielt ihm ein: die wider die Tattern erhaltenen Siege kosteten die Serer mehr edles Blut / als sie Wasser gewonnen hätten. Viel glückliche Streiche erwürben einem Fürsten wohl den holen Schall des Nachruhms; aber ein unvernünfftiges Beginnen wäre genugsam ihn des Reiches / das Volck der Ruhe zu berauben / und den Fluch der Nachwelt seinem Gedächtnisse auffzuhalsen. Derogestalt / und weil Huhansiens Vater als ein gerechter Herr die andern Tatterschen Fürsten zur Ruhe anleitete / blieb der Friede mit dem Könige Siven / und dem itzigen Haupte der Serer Juen noch feste stehen; die Tattern mochten auch mit ihrer Wurtzel Ginse / mit Mardern / Bibern und Zobeln nach Socheu frey handeln. Alldieweil aber itziger König Juen mehr gelehrt als klug ist / seiner Gemahlin Cieyva alles verhänget / auch schon ihren Sohn Gaus frühzeitig zum Reichsfolger erkläret / seinen treuen Lehrmeister Siaovang auff Verleitung der Heuchler hat verderben / und die Landschafften Quangsi und Hainan abfallen lassen / ja sich selbst seinem Diener Hien zum Sclaven gemacht hat / ist mit dem Könige Huhansien das Eintrachts-Band liederlich zerrissen worden. Denn als für einem Jahre zwey an die Landschafft Xensi gräntzende Könige der Tattern in ihrem Gebürge auff Bisam-Ziegen jagten / die Serischen Gräntz-Bewahrer aber hiervon Kundschafft erlangten / fielen sie unvermerckt dahin aus / und nahmen beyde sich keiner Feindseligkeit versehende Fürsten gefangen. Ihr Schutz-Herr Huhansien schickte eine Botschafft ab ihre Befreyung in der Güte zu suchen / und sich über den Friedensbruch zu beschweren; Alleine sie ward nicht einmal eingelassen / sondern ihr ins Gesichte gesagt: Man wäre den Barbarn nicht länger als es die Staats-Klugheit erforderte / Treu und Glauben zu halten schuldig. Die Gefangenen wurden auch enthauptet / und ihre Köpffe an den Westlichen Anfang der Serischen Mauer auffgesteckt.[605] Die unerträgliche Schmach hätte Huhansien zu rächen bey der Sebel und Nacht-Eule geschworen / welche die Tattern so klug uñ so heilig / als die der Pallas opffernden Athenienser verehrten / sich auch alsbald mit denen verhandenen Kräfften auffgemacht / die Serer nicht allein aus denen in Tebet und Ususang habenden Orten getrieben / sondern auch in Xensi die Grentz-Festung Socheu erobert / folgends über den Saffran-Fluß gesetzt / und auff dem Gebürge Pexe den belagerten Leanghoejus mit seinem halben Serischen Heere durch Durst getödtet. Weil aber hierüber Juen seines gantzen Reiches Macht auffgeführet / hätte nunmehr auch Huhansien alle seine Kräfften zusammen gesucht / und fast alle Tatterische Könige in sein Bündniß gebracht. Weil nun die Nord-Tattern gleichfals in Xensi oder Xansi / sein anders Heer aber durch Tibee einbrechen solten / versehen sie sich eines erwünschten Fortganges; sonderlich weil die Gerechtigkeit der Sache ihrer Kriegs-Wage den Ausschlag gäbe. Dieses / sagte Zeno / wäre die Erzehlung des Scythischen Fürsten gewest.

Unsere Reise aber anreichend / so bald das Scythische Kriegs-Heer über das Damasische Gebürge an den Fluß Lu kam / führte König Huhansien selbtes in so schneller Eyl auff etlich tausend kleinen Schiffen Strom ab / und kam über den See Mahu (der diesen Nahmen von einem einst darauff gesehenen Drachen-Pferde bekommen haben soll) so unversehens für die vom Könige Hiaovus erbaute Stadt Jangko / daß die Einwohner meinten / wir fielen ihnen vom Himmel auff den Halß. Dieses Schrecken öffnete uns alsobald die Pforten der Stadt / und wir segelten nun mit allhier eroberten grössern Schiffen auff dem strengen Fluße Mahu hinunter / und kamen für die mächtige Stadt Siucheu / dessen Mauern von diesem und dem Flusse Kiang bestrichen werden. Diese stellten sich zwar Anfangs zu tapfferer Gegenwehr / und wir würden Noth gehabt haben / diese von der Natur so wohl befestigte Stadt zu erobern / weñ sie nicht ein thörichter Aberglaube / welcher die Furchtsamsten in Löwen / die Hertzhafftigsten aber in Hasen zu verwandeln vermag / in der Scythen Hände geliefert hätte. Diese Stadt /sagte Zeno / ist überlegt mit redenden Papagoyen und andern Vögeln. Von diesen kam drey Tage nach einander ein Papagoy auff die Spitze des fürnehmsten Tempels zu sitzen / und rieff mit heller Stimme: Würden sie die Stadt nicht ergeben / so würde keine Seele den Scythischen Schwerdtern entrinnen. Huhansien erfuhr diese Begebenheit von einem Uberläuffer; Daher schickte er auff den Morgen eine Tafel / darauff eben diese des Papagoyens Worte geschrieben waren /nebst einer brennenden Fackel und blutigem Schwerdte zum Zeichen ihrer Einäscherung und Untergangs in die Stadt. Weil nun die Serer glauben / daß die Seelen der absterbenden Menschen in ein ihrem Leben gleich geartetes Thier / der Weltweisen aber fürnehmlich in solche beredsame Vogel fahren; Uber diß die Ubereinsti ung des Ausfoderungs-Schreiben und des wahrsagenden Papagoyen merckwürdig überein traff /schickten sie noch selbigen Tag zwölff Mandarinen heraus / welche dem Huhansien einen Fußfall thaten /und ihm die Stadt ergaben. Also ist die Vernunfft auch der scharffsichtigsten Weltweisen / wenn selbte nicht von der göttlichen Versehung geleitet wird / ein Compaß ohne Magnet-Nadel. Huhansien zohe in die Stadt / nicht als wie zu Feinden / sondern als seinen geliebten Unterthanen ein; kein Scythe dorffte einigem Einwohner ein Haar krü en; er vergeringerte ihnen ihre Schatzung / und alles Thun dieses gütigen Königes schien denen Uberwundenen ein Wunderwerck /weil selbter ihnen mehr Wohlthaten erzeigte / als sie von einem Lands-Vater hätten hoffen können. Wie nun Huhansien von dieser Stadt mit viel Köstligkeiten / als edlen Steinen /[606] Porcellanen / Ambra / dem rothen Adler-Holtze / der allein in Suchuen wächset / und Tschina-Wurtzel bewillkommet ward / brachten sie auch zugleich oberwehnten Papagoyen mit / welchen der König in ein güldenes Keficht einschlosse / und der Fürstin Syrmanis verehrte. So bald diese ihn in ihre Hände empfing / rieff der Papagoy überlaut: Syrmanis wird den König Iven tödten. Jederman erstaunte hierüber / und selbst Syrmanis / zumahl er vor niemahls ihren Nahmen gehört hatte; sie verkehrte aber ihre Schamröthe in einen höfflichen Schertz. Der Ausgang aber wieß hernach / daß dieser verständige Vogel nichts als die Warheit geredet hatte. Ist diß immermehr möglich? fing Flavius an zu ruffen; so verwundern sich die Römer nicht ohne verdiente Verlachung über ihren Papagoyen / welcher den Käyser Augustus gegrüsset; und so müssen die aus Irrthum für gantz unvernünfftig gehaltene Thiere zuweilen mehr / als wir mit unserer Klugheit / künfftige Dinge vorsehen / weil ich mich erinnere / daß die Ameißen /welche dem schlaffenden Midas Weitzen-Körner / die Bienen / die dem noch kindlichen Plato Honig in Mund getragen / jenem sein Reichthum / diesem seine herrliche Weltweißheit angekündiget. Rhemetalces fing an: Ich weiß nicht / ob dieser Papagoy durch andere Kunst geredet haben möge / als die Dodonischen Wahrsager-Tauben / oder die vier güldenen Vögel /welche die Zauberer zu Babylon auff das Königliche Schloß angebunden / diese aber das Volck durch eine absondere Krafft zur Gewogenheit gegen die Könige angelockt haben sollen. Künfftiger Dinge Wissenschafft wäre kein Werck der Vernunfft / weniger der Thiere; ja die Götter selbst wüsten nicht alle / was künfftig geschehen solte / und ihre Wahrsager irrten vielmahl. Die Vernunfft aber wäre eine Tochter des Himmels / ein Funcken des göttlichen Lichts / und also nur dem Menschen verliehen; welche in ihm fast diß / was Gott in der Welt würckte. Diesemnach denn nicht wenig Weisen gar auff die Meinung kommen wären / daß nur der Mensch eine Seele / welcher eigentliches Wesen im Nachdencken bestünde / andere Thiere aber gar keine hätten / sondern sich nur durch den Trieb ihres Geblütes / wie die gezogenen Tocken durch den Drat bewegten. Ja wenn man auch schon in selbten eine der Vernunfft ähnliche Unterscheidung wahrnehme / wäre selbte doch für nichts bessers / als die Bewegung der Uhren zu achten / die bey ihrer blinden Unvernunfft die Stunden richtiger / als der klügste Mensch andeuteten. Hertzog Arpus fiel ein: ich weiß zwar nicht aus was für einem Triebe dieser Papagoy geredet haben mag. Allen Thieren aber alle Würckungen / ja auch den Schatten der Vernunfft abzusprechen / dünckt mich für sie ein zu strenges Urthel zu seyn. Hätte Praxiteles seiner Marmelnen Venus eine geheime Krafft alle Beschauer zur Liebe zu reitzen einpregen / Archytas eine höltzerne Taube flügend / die Egyptier redende Bilder durch Kunst zubereiten können / müste man der grossen Werckmeisterin Gottes der Natur vielmehr zutrauen / daß sie denen lebendigen Thieren / welche der weise Epicur Spiegel Gottes genennet / etwas edlers eingepflantzt habe. Sie beflisse sich allezeit das beste zu zeugen / und iedes Ding zur höchsten Vollkommenheit zu bringen. Daher ereigneten sich nicht nur in den Thieren augenscheinliche Anzeigungen der Vernunfft / sondern auch in den Pflantzen so klare Merckmahle des Fühlens / daß Empedocles nicht nur in ihnen den Unterscheid des Männ- und Weiblichen Geschlechtes verspüret / und wie so wohl andere Gewächse / als die Granat-Aepffelbäume ohne Vermengung beyderley Geschlechts-Wurtzeln keine Früchte brächten / angemerckt; sondern es hätte Plato / Anaxagoras / Democritus und Pythagoras ihnen / als mit einer gewissen Seele versorgten Thieren / an statt eines bliden Thieres / eine vernünfftige Neigung zugeeignet.[607] Sintemahl die Pflantzen nichts minder / als die Thiere durch den Mund ihrer Wurtzeln Nahrung an sich saugten / ihre eingewurtzelte Feuchtigkeiten sorgfältig erhielten / durch die Rinden Hartzt und andere Unsauberkeiten ausschwitzten / trächtig würden / des Winters gleichsam so lange als die Bären und Ratzen schlieffen / im Frühlinge sich ermunterten / und zu gewisser Zeit ihre Freude und Traurigkeit bezeigeten. Zeno bestätigte diß / und meldete: Er hätte diß allzudeutlich in Indien wahrgenommen / allwo er den so genennten / und einem klein blätterichten Pflaum-Baume nicht unähnlichen Trauer-Baume mit Augen betrachtet; welcher auff iedem seiner wöllichten Blätter einen röthlichen Stiel / und darauff vier rund blättrichte Knospen hätte / auff welchen fünff weisse / der Granat-Aepffel-Blüthe nicht ungleiche aber noch viel annehmlicher rüchende Blumen / und endlich Früchte in Gestalt grüner Hertzen wüchsen. Mit diesem Reichthume aber prangte dieser Baum nur des Nachts / bey auffgehender Sonne aber liesse er nicht nur allen Schmuck seiner Blumen fallen / sondern der Baum selbst stünde den Tag über mit seinen Blättern gantz welck. Hingegen wüchse daselbst ein dem weiblichen Farren-Kraute ähnlicher Dorn-Strauch / welcher des Tages / ie heisser die Sonne stäche / ie schöner er grünete / und seine Blätter allezeit diesem beliebten Himmels-Auge zukehrete / herentgegen für Traurigkeit gleichsam in der betrübten Nacht erstürbe. Daß aber die Pflantzen ein nichts minder empfindliches Fühlen / als die Thiere an sich hätten / wiese der Indianer mit gelben Blumen prangendes und verschämtes Fühl-Kraut / dessen Blätter sich bey einer nur nähernden Hand / oder Berührung vom Staube welcken / und zusammenschlüssen. Welchem eine Krafft nicht nur die Liebe einzupflantzen / sondern auch die verlohrne Schamhafftigkeit zu erstatten zugeeignet wird; seinem Geheimnüsse aber ein Weiser in Indien so fleißig nachgedacht / daß er darüber unsinnig worden. Ein ander Kraut in Indien lässet von Anrühren die Blätter gar fallen; ja auff dem Eylande Taprobana lauffen die von einem Baume gefallenen Blätter / wenn man daran stösset / auff zweyen kleinen Füssen davon; Und die Blätter der Staude Charitoblepharon werden vom Anrühren gantz harte. Hertzog Herrmann fügte bey: Es hätten ihm die Friesen von eben derogleichen für dem Anrühren erschreckenden Pflantzen / und deren vom Anfühlen verwelckenden Gerste-Stengeln des Atlantischen Eylandes umständliche Nachricht ertheilet. Allein man dörffte das Fühlen der Kräuter nicht aus so fernen Landen holen / in seinem Garten wüchse eines / dessen Frucht vom Anrühren zerspringe / und daher den Nahmen hätte: Rühre mich nicht an. Denen deutschen Förstern würde man auch kümmerlich ausreden / daß die Bäume eine Empfindligkeit hätten; als welche allein die Ursache wäre: warum in dem ersten unvermutheten Hau die Axt viel tieffer in Baum dringe / als hernach / da der leidende Baum sich so viel möglich verhärtete. Für die Meinung aber / daß die Pflantzen beseelte Thiere wären /oder aber zum minsten es zwischen den Thieren und Pflantzen / wie zwischen den Menschen und Thieren eine Mittel-Gattung gäbe / schiene nicht wenig zu streiten / daß aus denen in das Meer fallenden Baum-Blättern bey den Orcadischen Eylanden / Endten; bey den Serern in dem See Vo Schwalben; und in Griechenland aus den Feigen Würmer wüchsen. Zeno sagte: In Scythien habe ich mit meinen Augen ein Gewächse mit einem Lamme / und in Suchuen bey der Stadt Chingung Bäume gesehen / welche die Blume Thunghoa tragen / auff derer ieder ein vollkommener Vogel mit einem Zinoberfarbenem Schnabel wächst; aber mit der verwelckenden Blume nichts minder sein Leben / als Schönheit einbüst. Hertzog Arpus fing an:[608] Aus allem diesem läst sich nun so vielmehr schlüssen / daß die Natur in denen vollkommenern Thieren so viel weniger eine Stieff-Mutter gewesen / und sie mit einem gewissen Lichte des Verstandes betheilet haben müsse. Denn ob zwar sie keinesweges dem Menschen / welcher gegen sie seiner Weißheit halber für einen Gott zu halten / zu vergleichen wären; so bliebe doch ein geringer Verstand eben so wohl ein Theil der Vernunfft / als ein Zwerg so wohl ein Mensch / als die Riesen. Man spürte an ihnen den Verstand / das Gedächtniß / und die Wahl ihres Willens. Diß aber wären die sämtlichen Kräfften der Vernunfft. Der Wolff fiele nicht zwey mahl in eine Grube; der Fuchs käme sein Lebtage nicht wieder dahin / wo ein Fußeisen gelegen; die Hunde stritten biß auff den Tod für ihren Herrn und Wohlthäter; die Tauben gäben so wohl / als jene verschmitzte Krähe des Königs Martes / in Egypten richtige Brieffträger ab; die Hüner warnigten ihre Jungẽ für dem Sperber; die Ameißen versorgten sich über Winter / bissen die Weitzkörner an /daß sie nicht käumen / und begrüben ihre Todten; die Kranche hielten wechselsweise Wache; die Ochsen übten sich vorher zum vorstehenden Streite; die Löwen gingen um den Jägern zu entrinnen / rückwerts in ihre Hölen / und zügen im Gange ihre Kreilen ein; die Cilicischen über den Taurus fliegende Gänse nehmen Kieselsteine in die Schnäbel / daß sie ihr gewohntes Geschrey nicht den auffwartenden Adlern verrathe; die Cretensischen Bienen machten sich /wenn es windicht / mit Sandsteinlein schwerer. Die Vogel bauten ihre Nester so künstlich / und nachdem ein Land heiß oder regenhaft / an einem Orte oben am andern unten offen; die Papegoyen hiengen sie / um ihre Jungen für den Schlangen zu bewahren / mit Fädemen an die Bäume; die Affen lernten in Africa auff der Flöten und Laute spielen; die Kranche kündigten den Winter / die Störche und Schwalben den Sommer an. Das Schwein hätte das Ackern / die Spinne das Weben / der Esel das Hacken der Weinberge / und viel Thiere die meisten Artzeneyen erfunden. Es sind diß schon die Gedancken des Anaxagoras gewest /versetzte Rhemetalces / welcher aber den Thieren nur einen in ihnen würckenden Verstand enthangen /selbst aber nachgeben müssen / daß ihnen keine Fähigkeit etwas mehrers / als ihnen angebohren ist / zu begreiffen verliehen sey. Zu welchem letztern doch der Kern der Vernunfft steckte; weil der Mensch selbst von der Geburt her einem ungehobelten Holtze und ungeschliffenem Steine ähnlich wäre; woraus der Fleiß als die rechte dem Prometheus an der Hand stehende Minerva allererst ein Bild des Mercur machen müste. Insonderheit mangelt es den Thieren an dem vornehmsten Werckzeuge der Vernunfft / nehmlich der Sprache / welche das einige Mittel ist / so wohl seine Gedancken zu entdecken / als von andern zu vernehmen. Hertzog Jubil begegnete ihm / beydes schiene ihm sehr zweiffelhafft zu seyn. Sintemahl die Thiere zwar keine Sprache der Menschen / aber doch eine solche hätten / daß sie einander verstünden; ja auch nach und nach die Sprachen der Menschen verstehen lernten / und also mehr von der Vernunfft / als Anaxagoras wahrgenommen / in sich stecken haben müsten. Melampus / Tiresias und Thales hätten sich gerühmt / daß sie die Rede der Thiere verstanden /und hiervon käme der Ruff / daß die Schlangen vor Alters geredet hätten. Daher lehrten so wol die Schwalben und Nachtigalen die Jungen ihren Gesang / als die Störche und Adler ihren Flug; Wie sollen sie aber nicht was anders zu begreiffen fähig seyn / da sie selbst fremde Sprachen lernen? wie die dem Ptolomäus aus Indien geschickte Hinde die Griechische /und der aus eben diesem Vaterlande kommende Papegoy die Britannische / welcher aus des Königs Fenster in die Temse fiel / und um zwantzig Pfund einen Kahn zu bringen rufte;[609] hernach aber dem Schiffer nur einen Stieber zu geben einrieth. Hanno und Apsephas haben beyde allerley Vögel abgerichtet /daß sie geruffen: Hanno ist ein Gott / Apsephas ist ein Gott. In Griechenland habe ich redende Krähen gesehen / zu Rom Droßeln / und in unserm Deutschlande sind die sprechenden Stahre nicht ungemein. Ja auch das Weinen und Lachen / die dem Menschen alleine als was sonderbares zugeschriebene Eigenschafften / sind etlichen Thieren gemein. Nicht nur die Papagoyen / sondern auch gewisse gelbe Vögel in Indien lachen so artlich / daß es kaum vom Menschlichen zu entscheiden ist. Die Africanischen Esel vergiessen so wohl Thränen für Müdigkeit / als die Crocodile aus Heucheley. Die Pferde haben nicht nur für Wehmuth ihren todten Achilles / sondern auch den ermordeten Käyser Julius beweinet. Auch die Augen der Elephanten trieffen von diesen Mitleidungs-Zehren /welchem Thiere für allen andern Vernunfft und Verstand zugeeignet werden müste / wenn man sie schon allen andern absprechen könte. Es ist wahr / sagte Zeno; Ich selbst habe von Elephanten Dinge gesehen /welche ich schwerlich glaubte / wenn mich dessen nicht meine Augen überredet hätten. Daß sie ihre Muttersprache verstehen / und sich darinnen zu allem anweisen lassen / ist das geringste. Ich habe in Indien sie etliche Worte / dardurch sie ihren Willen eröffnet /reden gehöret; ja auch in den Staub mit der Schnautze schreiben sehen. Daher ich nun ausser Zweiffel setze /daß einer zu Rom Griechisch geschrieben: Ich habe den Celtischen Raub zur Einweihung getragen. Sie lassen sich zum Kriege und allen andern Künsten abrichten / und einen Knaben mit einen kleinen Eisen nach Belieben leiten. Sie halten um die Indischen Könige die Leibwache; fallen zu beqvemern Auff- und Absteigen auff die Knie / bücken sich für ihren Herren mit grosser Ehrerbietung; und wie hertzhafft sie kämpffen / habe ich so wol / als der wider den Porus streitende Alexander erfahren. Ja auch die Wilden machen unter sich Schlachtordnungen gegen Thiere und Jäger / nehmen die Schwachen in die Mitte / verlassen keinmahl die Matten / und ziehen die Pfeile aus den Wunden vorsichtiger / als die erfahrensten Aertzte. Sie lernen die Fechter- und Schwimmens-Kunst /spielen mit dem Balle / schießen nach dem Ziele /tantzen nicht nur nach den Kreißen und fürgemahlten Wendungen / sondern auch auff dem Seile / und thun in den Schauspielen den Gaucklern alle Künste nach /oder zuvor. Sie vergessen in zehn und mehr Jahren nicht angethane Beleidigungen / und sparen ihre Rache biß zu beqvemer Gelegenheit / betrüben sich hingegen zuweilen über ihrer Leiter Absterben so sehr / daß sie sich selbst durch Enthaltung vom Essen tödten. Sie wissen derer auff sie bestellten Knechte Betrügereyen artlich zu entdecken; und wie keusch sie sonst nicht allein unter sich selbst sind / sondern auch denen Ehebrechern alles Leid anthun / verlieben sie sich doch in die Menschen auffs hefftigste. Sie sind so Ruhmbegierig / daß ich einen sich auff des Königs Anleitung in den Strudel des Ganges / also in den augenscheinlichen Tod stürtzen sehen. Welcher derogestalt so merckwürdig zu achten / als jener Elephant Ajax des Königs Antiochus / der aus Scham mit Fleiß erhungerte / weil er es ihm den andern Elephanten in Uberschwimmen eines Flusses zuvor thun ließ / und ihn hernach mit silbernem Zeuge ausputzen sahe. Sie beerdigen ihre Todten / und wormit gleichsam den Menschen weder Weißheit noch Andacht zum Vorrecht bleibe / so gläuben die Indianer feste / daß die Elephanten auch von dem / was im Hi el geschehe /Wissenschafft hätten; Ich aber habe mit Augen gesehen / daß sie die auffgehende Sonne und den neuen Monden anbeten. Wer wolte nun nicht nachgeben /daß etliche Thiere nicht einen der menschlichen Vernunfft zwar nicht gleichkommenden-iedoch[610] einen ihr nicht gantz unähnlichen Verstand haben? Sintemahl diß / wormit der Mensch alle andere Thiere übertrifft /mehr was göttliches / als menschliches ist. Der Papegoy unserer Gethischen Fürstin Syrmanis redet mir hierinnen noch ferner das Wort / von dem ich schier zu erzehlen vergessen hätte / daß / als er über die Gräntze des Serischen Reichs geführet ward / zu reden anfing: Ich bin ein Serischer Vogel / und schätze ausser meinem Vaterlande keines würdig / daß sie meine Sti e hören solle. Worauff er alsofort im Kefichte sich erstieß. Der Feldherr fing an: dieser Papegoy hat besser als Alexanders Pferd und sein Hund Peritas / welchen er zu Ehren 2. Städte in Indien gebaut / ein Ehrenmahl / und ein köstlicher Begräbniß / als nechsthin ein Rabe zu Rom / verdienet. Diesem Papegoyen muß ich einen von den Friesen aus der Atlantischen Insel gebrachten / und meinem Vater Segimer verehrten Vogel an die Seite setzen / welcher / wo nicht der verständigste / doch gewiß der schönste Vogel in der Welt ist / und daher besser als der Pfau ein außerwehlter Vogel der Juno / und des Königs der Mohren / zwischen dem See Zaire / und dem Meere zu seyn verdienet / in dessen Gebiete niemand ausser ihm bey Verlust des Lebens und der Güter einigen Pfauen halten darff. Er war aber auff dem Bauche und der Helffte der Flügel morgenroth / der Rücken und das übrige der Flügel himmelblau / der lange Schwantz fleischfarbicht / mit bleich-grün und gläntzender Schwärtze untermengt. Der Kopff hatte wellicht und rückwärts gekräuselte Federn von Rosenfarbe / und von einem gelb-rothen Feder-Pusche eine Krone / die wie glüende Kolen schimmerte / die Augen breñten wie Rubinen unter schneeweissen Augenliedern. Was aber das wunderwürdigste war /verstand uñ redete er in 3. Sprachen die Worte verständlicher / als die abgerichtestẽ Papegoyen aus.

Nach aller Anwesenden hierüber geschöpfften Verwunderung und Urthel: daß dieser Papegoy ihm sein Grabelied gewisser / als die Schwanen zu singen gewust / erzehlte Zeno ferner: Als König Huhansien zu Siucheu alles in gute Ordnung gestellt hatte / wäre er wegen der im Strome Kiang befindlicher Strudel und Steinklippen auff der lincken Seiten des Flusses zu Lande / gegen der Haupt-Stadt Chunking fortgerückt. Nachdem das Heer den ersten und andern Tag durch eine überausfruchtbare Gegend biß an den Fluß Chung kommen / hätten sie den dritten Tag das Läger unter dem hohen Berge Thunghuen auffgeschlagen /an dem er sich damals nicht satt sehen / noch itzo ohne höchste Verwunderung zurücke gedencken könte. Denn ob wohl die Serer insgemein auff den Gebürgen ihren Abgöttern und Helden zu Ehren köstliche Bilder aufsetzten / uñ insonderheit die aus Stein gehauene Seule des Abgotts Fe / ein Elefant / ein Löw / eine Glocke und Drommel auff dem Berge Xepao in der Landschafft Junnan berühmt und würdig zu schauen wären; Ob auch wohl des berühmten Baumeisters Dinostratus Erbieten / daß er aus dem Berge Athos des grossen Alexanders Bild / welches mit einer Hand eine grosse Stadt / mit der andern einen Fluß oder See fassen wolte / dessen Wasser den Einwohnern zu täglichem Gebrauch auskommentlich seyn solte / insgemein für eine großsprecherische Unmögligkeit gehalten würde; so hätte doch aus dem viel grössern Berg Tunghuen ein alter König den Götzen Fe mit geschränckten Beinen / und in die Schooß gelegten Händen gefertiget / dessen Höhe und Grösse daraus zu ermessen wäre / daß man Augen / Ohren /Naßlöcher und den Mund daran über 2. deutscher Meilen davon erkiesen könte; also / daß ihm weder der aus einem Steine gehauene Egyptische Sphynx /dessen Kopff 122. Füsse dick / 143. lang / und 162. hoch seyn soll / noch auch der Fuß in der andern Spitz-Seule oder dem Begräbnisse des Königs Amasis aus zweyen Steinen / deren ieder 30. Füsse dick /und 1400. lang ist / und darein die Wohnungen[611] der Priester gehauen sind / einigerley Weise den Schatten reichten. Auff dem Nagel der kleinen Zehe im rechten Fusse lese man folgende Uberschrifft:


Laß / dreymahl grosser GOtt / diß Zwerg-Bild dir belieben /

Das der / den du gemacht zum Grösten in der Welt /

Dir hier aus Andacht hat zum Denckmahl auffgestellt.

Ist doch dein Bild so gar in Sand und Kraut beklieben /

In Schneckenhäuser ein- dein Nahm und Lob geschrieben /

Weil deiner Weißheit auch / was klein ist / wohlgefällt;

Die auch Colossen nur fůr Ameiß-Hauffen hält /

Und steile Berge kan wie Asch' und Staub durchsieben.


So schau nun nicht das Werck / nur deinen Werckzeug an /

Der dir mehr seinen Geist / als diesen Steinfels weihet.

So viel dem Menschen Gott Vernunfft und Kråfften leihet /

So viel ist's / was er ihm auch bau'n und wiedmen kan.

Hält doch dein Bau / die Welt / dir selber nicht's Gewichte /

Und dein blaß Schatten steckt in Stern- und Sonnen- Lichte.


Der König Huhansien / fuhr Zeno fort / hielt sich theils um sein Kriegs-Heer durch die Früchte dieser Gegend und die aus diesem Götzen entspringende Bäche zu erfrischen / theils dieses Wunderbild genau zu betrachten zwey Tage darbey auff / verrichtete für ihm seiner Landes-Art nach sein Opffer / kriegte aber den dritten von einem überlauffenden Serer die Nachricht / daß König Juen / welcher wegen falscher Kundschafft seine gantze Macht in die Landschafft Xensi gezogen hatte / nach verlautetem Einbruche in Suchuen / nur ein Theil seines Kriegs-Volcks alldar zur Beschirmung gelassen / er aber mit der grösten Macht sich auff den Strom Sung gesetzt / und bey der Stadt Chunking / wo selbter in den Fluß Kiang fällt /ausgeladen hätte / also nun nahe an ihm mit dem gantzen Heere in vollem Anzuge wäre. Auf den Abend ließ sich schon der Serer Vortrab sehen / mit welchem die berittensten Scythen nur etliche Scharmützel ausübeten. Um Mitternacht stellte Huhansien und seine Feld-Obersten in der bey Piexan liegenden zwey hundert Stadien langen Fläche das Kriegs-Heer schon in Schlacht-Ordnung; iedoch derogestalt / daß ein grosses Theil des Volcks hinter dem Berge Chungpie verborgen stand. Als es begunte zu tagen / sahen wir schon / daß König Juen mit seinen vier mahl hundert tausend Serern in voller Schlacht-Ordnung gegen uns ankam. Oropastes / ich und die als eine Amazone ausgerüstete Syrmanis musten nahe bey dem Könige bleiben. Es ist unmöglich zu beschreiben die grausame Blutstürtzung; Die Serer waren zwar an Menge stärcker / und thäten durch ihre vortheilhafftige Gewehre /insonderheit durch viel von Gewalt des Feuers geschossene Bley-Kugeln grossen Abbruch. Die in denen sändichten Wüsteneyen / aber mehr ausgehärteten Scythen / waren doch denen durch Uberfluß ihres von Fruchtbarkeit schwimmenden Landes / und durch übermäßige Ubungen der Weltweißheit halb weibisch gemachten Serern überlegen. Wie? sagte Rhemetalces / soll die Weltweißheit / welche das Gemüthe wider alle Zufälle befestiget / welche einen erst zum Manne macht / welche als eine unersteigliche Mauer durch keinen Rüstzeug des Glücks übermeistert werden kan; welche die Foltern der Hencker verlachet / für der Sichel des Todes und den schimmernden Klingen der Feinde kein Auge verwendet / eine Mutter weibischer Zagheit / und eine Vorläufferin des Untergangs seyn? Der Feldherr nahm sich des Zeno an: die rechte und unverfälschte Weltweißheit / welche das Gemüthe durch Tugend ausarbeitet / die Richtschnur des Lebens / was zu thun oder zu lassen sey / fürschreibet /bey dem Steuer-Ruder der Vernunfft sitzet / und durch die stürmenden Wellen des trüben Welt-Meeres glücklich durchführet / ist in allewege ein eisernes Bollwerck der Königreiche / nicht ihre Verzärtlerin. Aber insgemein tauchten die Menschen nur einen Finger in ihre Lehre / weil diese im Anfange herber als Wermuth / die liebkosenden Wollüste aber ihnen süsser als Zucker schmeckten. Also umbhüllten ihrer viel sich mit dem Mantel der Welt-Weisen / derer Gemüthe mit Uppigkeit angefüllt wäre. Uberdiß mengte man allerhand scheinbare Waare unter ihre Würtzen /welche[612] zwar an sich selbst nicht falsch / aber zum Mißbrauch überaus diente. Dieses wäre die Beredsamkeit / die Dichter- Bau- Stern- und Meß-Kunst / ja alle dieselben Wissenschafften / welche an sich eine angeborne Liebligkeit hätten / die Ruhe liebten / dem Kriege und rauhen Arten feind wären. Durch diese verlernte man die Krieges-Ubungen / der Leib würde verzärtelt / das Gemüthe eingeschläft / das Volck zu Schauspielen und andern Kurtzweilen verliebet / und den tapfersten Leuten unvermerckt das Hertz aus der Brust / und das Schwerdt aus den Händen gerissen. Durch dis Kunst-Stücke hätte Cyrus die Lydier / Aristodemus die Cumaner gebändiget / indem jener ihnen Pferde und Waffen genommen / hingegen Wirths- und Huren-Häuser aufgerichtet; dieser aber der Bürger Söhne biß ins zwanzigste Jahr im Frauen-Zimmer unter Bisam und Balsam erzogen / welche zuvor im zehnden schon in das staubichte Lager genommen worden. Denen Römern wäre es bey Menschen Gedencken mit den Britanniern / welche sie Tempel /Raths-Häuser / und Bäder zu bauen / sich in der Lateinischen Beredsamkeit zu üben / Lust-Spielen und Gastereyen zu ergeben angewöhnet / glücklich angegangen / daß sie ihnen unter dem Schein der Höfligkeit das Seil der Dienstbarkeit an die Hörner geschlingt. Dieses hätte seine Vorfahrẽ / als sie in Griechenland und Gallien eingebrochen / beweget / daß sie von Verbrennung ihrer Bücher abgelassen / weil sie nach und nach wahrgenommen / daß sie daraus wohl gelehrt / aber auch weibisch worden. Und er erinnere sich zu Rom gehört zu haben / daß Cato stets im Munde geführet: Rom hätte seine Freyheit verlohren / als die Künste der Griechen bey ihnen Bürger-Recht gewonnen. Ja er habe zuwege gebracht / daß drey beruffene Griechische Redner alsofort wieder wären nach Hause geschickt worden. Rhemetalces versetzte: Dieses ist nicht die Schuld dieser herrlichen Künste und Wissenschafften / sondern derselben / die sich ihrer schändlich mißbrauchen. Soll man aber darumb alle Rosen-Sträuche ausrotten / weil die Spinne Gift daraus sauget; oder gar den Gottes-Dienst aufheben / weil die Thorheit ihn zum Aberglauben macht? Die Lehre der Tugend und Sitten ist freylich wohl der Kern der Weltweißheit / die Tugend aber selbst nicht so unbarmhertzig / daß sie dem menschlichen Gemüthe alle Anmuth mißgönnen / und iede Ergetzligkeit verstören solte. Die Oelbäume vertrügen neben sich die Myrthen / der Wein-Stock das annehmliche Blumwerck. Und ich möchte selbst in keiner Stadt wohnen / in welcher alle Wohnungen Zeughäuser oder Ruder-Bäncke wären. Soll man aber dieser Weißheit gram werden / weil der Mißbrauch ihr Leid anthut? Ich meyne vielmehr / daß ihre Unschuld nichts minder zu beweinen sey / als eine Jungfrau /welcher die Geilheit Unehre zumuthet. Fürst Zeno antwortete: Ich habe in meiner Erzehlung weder die sauersehende / noch auch die anmuthige Weltweißheit verdammet; sondern allein die Serer getadelt / daß sie dieser allein umbarmet / die Kriegs-Kunst aber zur Thüre hinaus gestossen / und hierdurch ihr mächtiges Reich / für dessen Kräfften gantz Asien zittern solte /zum Raube schwächerer Völcker gemacht. Wiewohl ich gestehe / daß sie dieses mal ihren Mann noch ziemlich gewehret: Dahero denn auch die Schlacht den halben Tag mit gleichem Glücke abwechselte /biß Zingis ein Scythischer Fürst nebst dreissig tausend auserlesenen Nomaden und Sarmatern hinter dem Berge Chungie herfür kam / und den Serern recht in Rücken fiel; da denn zwar jene einen Vortheil zu kriegen schienen / iedoch brachte der tapfere König Juen durch seine Hertzhaftigkeit / und die neue Hülffe des Serischen Hinterhalts alles wieder in gleiches Gewichte. Weil nun der in gelben Kleidern allein prangende König Juen fast allenthalben / wo es am gefährlichsten schien / an der Spitze fochte /[613] und seine Haupt-Fahne dahin zudringen ließ; hielt König Huhansien es ihm für eine unausleschliche Schande / diesem kühnen Feinde nicht selbst die Stirne zu bieten. Also musten die für ihn fechtenden Völcker Platz machen / und er drang mit seiner Leibwache gerade auf den Serischen König loß. Diese zwey Könige fielen einander selbst als Löwen an / gleich als sie eine absonderliche Tod-Feindschafft gegen einander trügen. Oropastes und ich kamen auf zwey Fürsten des Geblütes zu treffen / worfür wir sie aus ihren mit güldenen Drachen gestückten Kleidern erkennten. Und ich hatte das Glücke einen mit meinem Sebel zu erlegen; Oropastes aber seinen Feind mit einem Spiesse vom Pferde zu rennen. Inzwischen hatte König Juen / ob ihn schon Huhansien mit einem Pfeile in die Lendẽ verwundet / durch ein verborgenes Feuer-Gewehr dem König Huhansien 2. Bley-Kugeln in den rechten Arm geschossen / daß er nicht mehr seine Sebel brauchen /und also aus dem Streite mit nicht geringem Schrecken der Scythen weichen musten. Die Fürstin Syrmanis / als die nechste darbey / hatte zu grossem Glücke den dem Könige Juen stets an der Seiten kämpfenden höchsten Reichs-Rath / der zu seinem Kennzeichen eine Binde mit vielen Edelgesteinen führte / durchrennet; Dahero als sie den König Juen dem weichenden Huhansien nachdringen sahe / brachte sie mit einer unglaublichẽ Geschwindigkeit dem Juen einen tödtlichen Streich bey / daß er todt vom Pferde fiel. Die umb ihn fechtenden Serer erschracken hierüber so sehr / daß sie erstarreten / gleich als sie alle der Blitz gerühret hätte. Oropastes rieß bey dieser Gelegenheit dem Reichs-Fähnriche das einen güldenen Drachen fürbildende Königliche Reichs-Fahn aus / und schmisse es zu Bodem. Hierdurch gerieth das gantze Serische Heer in Unordnung / und nach dem die Leibwache noch wohl eine Stunde lang umb die Fahn und die Königliche Leiche verzweifelt / aber vergebens gefochten hatte / worüber ich in die Achsel / Syrmanis in die Hand verwundet ward / hingegen unser äuserster Hinterhalt aufs neue den Serern in die Seite fiel /gerieth alles in Verwirrung / und weil die Furcht auch die Tapferen / wie der Krebs die gesunden Glieder nach und nach einni t / bald darauf in offentliche Flucht. Kein Scythe steckte diesen Tag eine Sebel ein / die nicht vor in Serischem Blute gewaschen war /und die Mitternacht leschte noch nicht dieser verbitterten Feinde brennende Mord-Begierde aus. Das einmal einreissende Schrecken beni et den Augen das Gesichte / den Ohren das Gehöre / und der Vernunfft allen Verstand; daher die Scythen nicht allein die an denen zwey Haupt-Flüssen Pa und Kiang liegende herrliche Stadt Chunking verliessen / sondern sich auch des Vortheils dieser zwey Flüsse / an welchen sie mit geringer Macht noch einmal so viel Scythen hätten aufhalten können / entäuserten. Die Stadt Chunking schickte mit der Morgen-Röthe dem König Huhansien die Schlüssel zu den Stadt-Thoren entgegen; welcher / ungeachtet seiner Verwundung / gegen Mittags zu Pferde seinen überaus prächtigen Einzug hielt. Die Häuser auf den Strassen waren mit eitel Gold-gestickten Teppichten bekleidet / die Spring-Brunnen spritzten eitel eingeambert Wasser aus / die Strassen waren mit eitel hier häuffig wachsenden Blumen Meutang bestreut / welches eine weißlichte mit Purpur vermischte überaus grosse und aller Dornen befreyte Rose ist / und von den Serern für die Königin der Blumen gehalten wird. Bey der Königlichen Burg übergaben die Mandarinen dem Könige Huhansien die daselbst befindliche Königliche Krone / und andere Zierrathen. Auf den Morgen kam der König selbst in das Zimmer der Fürstin Syrmanis / führte sie an der Hand / und setzte sie nebst sich auf einen güldenen von vier schneeweissen Pferden gezogenen Sieges-Wagen / und zohe mit noch grösserer Pracht auf den nahe bey der Stadt gelegenen Lustberg Lungmuen /auf welchem ein von weissem Marmel[614] gebauter inwendig mit dichtem Golde überzogener und mit vielfärbicht eingelegten Porphiren und Agathen gepflasterter Tempel stehet / in welchem die Könige dieses Sophitischen Reichs für Alters gekrönet / und für dem Wüterich Tein / welcher / umb aller seiner Vorfahren Gedächtnüß auszutilgen / von ihm aber einen Anfang aller Geschichte zu stiften / alle Schrifften und Denckmahle verbrennen lassen / wohl 30000. Bücher von dem Priester Scyulo verborgen und erhalten worden. So bald er dahin kam / trat er mit der Fürstin Syrmanis für das Altar / auf welchem die Priester von eitel wohlrüchendem Adler- und Zimmet-Holtze / das ein Regenbogen berühret hatte / ein Feuer machten. Hierauf reichte er der Syrmanis eine Agtsteinerne Schale mit Weyrauch / und ermahnte sie / daß sie dem grossen Himmels-Könige darmit opfern solte. Syrmanis /unwissende / daß dieses denẽ Königin dieses Reiches allein zukäme / und selbte durch derogleichen Opferung für das Haupt des Landes erkläret würde / streute den Weyrauch freymüthig in die Fla e. Dieses war kaum geschehen / als die mit Fleiß anher geführten theils gefangenen / theils sich ergebendẽ Fürsten und Mandarinen in Suchuẽ der Syrmanis zu Fusse fielen /ihre Häupter biß zur Erde neigten / hernach sie / wiewohl mit helffenbeinernen Taffeln für dem Munde /wormit sie ihr Athem nicht berührte / für die Königin in Suchuen grüßten. Also nimmet man auch frembde Herrschafften / nur weil sie neu sind / mit Frolocken an. Diesen folgten vier Scythische Fürsten / welche die Syrmanis nahmen / und auf einen mit unzehlbaren Edelgesteinen schimmernden Stul hoben. König Huhansien ward von vier andern auf einen gleich über stehenden getragen. Der Tempel erbebte von dem Frolocken des Volckes / Syrmanis aber wuste nicht /wie ihr geschahe / biß nach einem Handwinck alles stille ward / der König aber zu reden anfing: Das Glücke / das Recht der Waffen / und unsere Tugend hat uns zum Meister in Suchuen gemacht. Man muß aber durch Klugheit behalten / was man durch Tapferkeit erworben hat. Jene erfordert die Belohnung grosser Verdienste / und eine weise Einrichtung der Ober-Herrschafft. Beydes dieses aber eignet der unvergleichlichen Syrmanis die Krone Suchuens zu. Diese gebühret dir / weil du dem grossen Fürsten der Scythen das Leben erhalten / dem Serischen aber hertzhaftig genommen hast. Du aber wirst selber dich nicht entziehen / weil das Verhängnüß dir übermässigen Verstand solche zu tragen / und einen Helden-Geist sie zu beschützen verliehen hat. Freue dich aber nunmehr erst glückseliges Suchuen / daß du einer Königin gehorchest / welche Saltz im Gehirne / Zucker im Munde / Feuer im Hertzen / und den Blitz in Händen führet. Ist sie nicht von Geburt eine Königin / so hat sie die Natur durch ihre Fähigkeit / und die Tugend durch Verdienst hierzu gemacht. Fürstliche Hoheit und Freundligkeit aber sind augenscheinlich in ihr Antlitz gepräget. Dieses annehmliche Ansehen verknüpft durch eine geheime Krafft die Hertzen der Unterthanen ihr nicht allein zum Gehorsam / sondern so gar die Seelen der Herrschenden zur Verehrung. Beglückselige dich also / Suchuen / mit deinem Schiffbruche / welcher dir was bessers gegeben / als genommen hat / Die härtesten Donner-Schläge / wie schrecklich sie scheinen / ziehen nach sich eine reiche Fruchtbarkeit. Vergnüge dich aber / grosse Syrmanis /an diesem Reiche. Einer Ceder ist zwar ein kleines Gefässe / einem grossen Gemüthe aber der geringste Winckel der Welt seine Tugend auszuüben zu enge. Nichts ist für klein zu schätzen / wo ein grosser Nahme Raum finden kan. Die Fürstin Syrmanis / ob sie zwar dieser Begebenheit sich auf diesen Tag am wenigsten versehen hatte / hörete den König Huhansien mit unverändertem Gesichte / und sonder das geringste Merckmal eines verwirrt- oder frolockenden Gemüthes aus. Ihre Geberden zeigten keinen Hochmuth / und bey aller dieser Neuigkeit schien an ihr nichts[615] neues / gleich als sie mehr herrschen könte / als verlangte. Sie erklärte sich hierauf mit einer annehmlichen Erbietung: Das weibliche Geschlecht wäre die Centner-Last eines Reiches auf seine Schultern zu heben allzu unvermögend; ihre geringe Dienste aber allzu unwürdig / daß sie ihr den Siegs-Preiß zueignen solte / welchen die Tapferkeit des grossen Huhansien / und die Waffen der streitbaren Scythen mit ihrem Blute erworben hätten. Sie bestärckte in dieser Meynung das Beyspiel des in diesem Reiche so sehr berühmten Fürsten Sungous / welcher dieses Ampt seinem grossen Verstande überlegen zu seyn gemeynet. Bey ihrer Unfähigkeit wüste sie doch dieses: daß es einem Unvermögenden rühmlicher wäre / sich einer angetragenen Bürde zu entäusern / als einem Vermessenen die übernommene schimpflich einzubüssen. Bey solcher Beschaffenheit würde sie für eine Gnade annehmen / da der König sie ihre Schwachheiten auf dem grossen Schauplatze der Welt zu entblössen nicht in Gefahr setzen / seinen eigenen Siegs-Preiß aber nicht in die Schantze schlagen würde. Da aber der Befehl des Königs so unerbittlich / als der Schluß des Verhängnüsses unveränderlich wäre / müste sie sich bescheiden / daß wie den Göttern auch schlechte Opfer angenehm wären / und sie ihn untüchtigen Werckzeuge geschickt machten; also wolle Huhansien durch Erhöhung ihrer Niedrigkeit die Grösse seiner Gewalt zeigen / ihren Gehorsam seinem eigenen Vortheil vorziehen / und durch seine Beschirmung eine Ohnmächtige zu Beherrschung eines so grossen Volckes fähig machen. Jedoch würde sie auf allen Fall unter dem Schatten der Königlichen Würde das Ampt einer wesentlichen Stadthalterin des grossen Huhansiens bekleiden. Die 4. Scythischen Fürsten überlieferten der neuen Königin hierauf die Königlichen Kleinode / welches war ein blau und gelber Bund mit einem Pusch Reiger-Federn und grossen Diamanten ausgeschmückt / ein mit Rubinen über und über versetzte Sebel / ein göldener Köcher und Bogen mit Smaragden gantz bedeckt / und das Königliche Siegel / darein ein Drache gegraben / welchem alle / die zu der Königlichen Verhör gelangen wollen / ja auch der König selbst bey seiner Wahl tieffe Ehrerbietung bezeugen müssen. Das allerschätzbarste aber war eine küpferne vergüldete Kugel / auf welcher einen Helfte die Landschafft Suchuen / auf der andern aber die Gestirne / welchen diß Land unterworffen /sehr künstlich gestochen waren. Diese Kugel war zwar nicht von denselbigen 9. Gefässen / welche König Ivus schon für 2200. Jahrẽ als Merckmale seiner 9. Länder hatte bereiten lassen / und wormit als einem heiligen Geheimnüsse den Königen die Herrschafft des Reiches übergeben ward. Alleine es war ein Gemächte des Fürsten Xius / der allererst für 200. Jahren von dem Fürsten Xo und Pei / welche beyde mit ihrem Vater sich dem grossen Alexander unterwarffen / Suchuen erobert / und also des Yvus Reichs-Geschirre mit Vergrösserung des Reiches vermehret / Huhansien aber solche unter dem Geräthe des Königs Juen erobert hatte. Alles Volck / welches die Eroberung dieser Gefässe für eine Göttliche Zuwerffung des Reiches hielt / verwandelte bey Erhebung der Fürstin Syrmanis sein Stillschweigen in ein Frolocken / und begleitete den König der Scythen und die neue Königin mit höchster Pracht und Glücks-Zuruffungen wieder nach Chunking. Also zeitlich verwandelte sich das Traurẽ / welches doch einem so neuen Betrübnüsse / als der schmertzhafte Tod ihres erschlagenen Königes war / wohl anstehet / in Freuden; ja / weil so wohl die Serer als Persen ihre Reichs-Häupter nicht ohne Geschencke begrüssen /ward die Königin Syrmanis in wenig Tagen mit tausenderley Gaben gleichsam überschüttet. Massen denn auch den sechsten Tag von der an der Gräntze des Reiches Huquang liegengenden Stadt Jungning /und von der fürnehmsten Haupt-Stadt Suchuens Chnigtu / an dem Flusse Kin / in welcher Gebiete ein Brunn wie das Meer ab- und zunimmt /[616] und eine Bach von dem Berge Tafung sechzig Stadien hoch abfällt /nicht nur Zeitung / daß sie die dahin geschickten Scythischen Krieges-Völcker zur Besatzung eingenommen hatten / sondern auch Gesandschafften mit grossen Kisten Bisam / welcher an dem Nabel eines kleinen Rehes wächst / seltzamen Affen / und andern Kostbarkeiten ankamen. Das herrlichste Geschencke unter allen aber waren zwölf wunder-schöne Knaben /welche die Fürsten des Reichs zu Bedienung der neuen Königin im Lande auserlesen hatten. Diese waren aufs herrlichste mit den grössesten Perlen um den Hals und die Armen / auf dem Haupte mit einem von Diamanten schimmernden Krantze ausgeputzt. Vier derselben waren mit Purpur bekleidet / mit Köcher und Bogen ausgerüstet / der eine überlieferte der Königin Syrmanis eine Krone / der ander einen Königsstab / der dritte eine grosse güldene Müntze / auf welcher sie mit einem neuen Nahmen nemlich einer Tochter der güldenen Abendröthe gepreget stand; der vierdte ein güldenes Zeit-Register / in welchem der Anfang der Jahres-Rechnung von dem Tage ihrer Herrschafft angefangen ward. Diese vier waren Lehrlinge aus der Schule des für fünfftehalb hundert Jahren blühenden weltweisen Confutius; dessen Lehren so unzweiffelbar / als ein göttlicher Ausspruch verehret werden. Sie zielen fürnehmlich auf eine glückselige Reichs-Herrschafft / verehren kein Bild / nur einen einigen Gott den Erhalter der Welt / und halten der Gottlosen Seelen für sterblich. Die andern vier Knaben waren blau angethan / einer trug in einem güldenen Korbe die wolrüchensten Blumen / der ander auf einer Porcellanen Schüssel die geschmacktesten Früchte / der dritte in einer Crystallenen Schale ein köstliches Geträncke / der vierdte in einem Porphirenem Gefässe Ambra / Zibeth und Bisam. Diese waren aus der Schule der Tausi / welcher Weltweisen Urheber Lauzu mit dem Confutius zu einer Zeit gelebt /und neun mal neun Jahr in Mutterleibe gewesen seyn soll; auch gelehret hat / des Menschen höchstes Gut wäre die Wollust / weil die Seele mit dem Leibe verschwinde. Die letztern vier Knaben hatten alle ein Rubinenes Hertz auf der Brust hencken / in den Händen güldene Zirckel / und legten selbte wie vorige Knaben zu der Königin Füssen. Sie waren Lehrlinge der Bonzier / die von dem klugen Tschaka herrühren / welchen für weniger Zeit des letztern Serischen Königs Vater durch Anleitung eines Traumes aus Indien holen lassen / und mit welchem seine Mutter im Traume einen weissen Elefanten / wie Olympias eine Schlange sehende / soll schwanger worden seyn / und ihn durch die Seite gebohren haben. Sie gläuben mehr als eine Welt / die Versetzung der Seelen aus einem Leibe in den andern; sie sind bemühet allein um die Vollkommenheit des Geistes / und ihr höchstes Gut ist die Ruhe des Gewissens. Dahero die Serer insgemein von diesen dreyen zu urtheilen pflegen: Die Gelehrten beherrschen das Reich / die Tausi den Leib /die Bonzier das Hertze. Rhemetalces fiel dem Fürsten Zeno hier in die Rede: Ich wundre mich / wie die Lehre des unwissenden und wollüstigen Epicurus der rechten verhasten Nacht-Eule unter den andern Weltweisen auch zu den Serern kommen sey? Hertzog Herrmann setzte ihm alsofort entgegen: Ich vertheidige nicht die Serer und andere unvernünfftige Ausleger dieses Weltweisen; aber seiner eigenen Unschuld habe ich mich billich anzumassen. Er hat geirret / wie alle Weltweisen in andern Stücken; wo es anderst wahr ist / daß er unsere Seelen für sterblich gehalten /und keine göttliche Vorsehung geglaubt; nicht aber vielmehr / wie sich wider seinen Verleumder Nausiphanes aus vielen andern Lehren muthmassen läst /die Eitelkeit der Griechischen Abgötter verworffen /die Vielheit der Gottheiten als den Grund aller ihrer Tempel und Andacht über einen[617] Hauffen zu werffen angezielet; der lasterhafften Seelen künfftige Angst aber durch ihre Sterbligkeit angedeutet hat. Massen denn auch einige seiner Feinde gestehen / daß er nicht so wohl die Versehung Gottes / als daß das ewige /unsterbliche und allergütigste Wesen einiger Schwachheit der Sorgfalt unterworffen sey / geleugnet habe. Ja alle dieselben / welche seine vielleicht unrecht-verstandene Lehren verdammet / oder seine drey hundert selbst gemachte und nirgends ausgeschriebene Bücher vielleicht nie gar / und mit Bedacht gelesen haben / seine tugendhaffte und mäßige Lebens-Art aller andern Weltweisen Wandel fürgezogen. Denn Epicurus hat zwar die Wollust auf den Königs-Stul des höchsten Gutes erhoben / nicht aber die üppige und schlammichte / sondern die ruhige / welche aus dem Besitzthum der Tugend und insonderheit aus der süssen Erinnerung dessen / was man voriger Zeit gutes gethan hat / entspringet; also auch zwischen Fesseln und Folterbanck ihre unabtrennliche Gefährtin ist. Diese Wollust ist sicher nichts anders / als die Beruhigung des Gemüthes / und die Freude eines guten Gewissens. Wenn es hagelt und stürmet / wenn der Himmel einbricht / und der Erdbodem berstet /bleibet sodenn das Hertze der Unschuld unbeweglich / und ein tugendhafftes Leben balsamet in den stinckenden Kerckern die verfaulte Lufft ein / welche eine reine Seele durch den Athem in sich ziehen soll. Dannenhero verhüllten Geilheit und Schwelgerey nicht allein mit dem Mantel des Epicurus ihre Gifft-Drüsen /sondern sie besudelten auch mit ihrem Unflate seine Reinligkeit. Er selbst verschmähete die weibische Wollust / welche einige Reue nach sich ziehen könte /und sehnte sich nach den Schmertzen / der das Gemüthe erleichterte. Er hielt die Angst in dem glühenden Ochsen des Phalaris für Süßigkeit / und das Feuer könte / seinem Urthel nach / ihn zur Noth ja wol brennen / aber nicht überwünden. Es könte ein streitbarer Arm ja wohl in Seide eingehüllet / und ein unerschrockener mit Sammet bekleidet seyn. Das Glücke habe keine Herrschafft über einen Weisen / weniger Gewalt selbten umzudrehen. Dieselben wären nichts minder strafbar / die ihren Tod wünschten / als die ihn nicht verlangten. Zumal jenes nothwendig von einem bösen Leben den Ursprung haben müste. Kurtz zu sagen: Epicurus wäre die selbstständige Mäßigkeit /aber die Verleumdung hätte ihm ein Huren-Kleid angezogen / und ihn auff das Faß des schwelgerischen Bacchus gesetzt. Seinem Urthel nach aber habe Epicurus nicht weiter / als Zeno / welcher die rohe Tugend an sich selbst zum höchsten Gute gemacht / vom Zwecke gefehlet / da doch solches aus beyder / nehmlich der Tugend und der daraus erwachsender Wollust Zusammenfügung bestünde. Bey welcher Bewandnüß er dem Epicur als einem noch nie Uberwundenen die Ertztene Ehren-Säule nicht abbrechen helffen könte /die ihm sein Vaterland nach dem Tode aufgerichtet hätte.

Zeno fing an: Ich muß von diesen Weltweisen nun wieder nach Chunking zu dem grossen Könige der Scythen kehren / für welchem / nach reicher Beschenckung der Königin Syrmanis / eine herrlich ausgeputzte Frau erschien / und zum Zeichen / daß sie das Reich Suchuen abbildete / dessen Wapen auf ihrem Schilde führte. Ihr folgten zwölf Jungfrauen /alle mit entblösten Brüsten und wie Liebes-Göttinnen mit Rosen-Kräntzen auf den Häuptern ausgekleidet. Das Reichthum der an ihnen schimmernden Edelgesteine mühte sich zwar der Zuschauer Hertz zu gewinnen / aber ihre lebhaffte Schönheit stach die Pracht der todten Steine weit weg / und ihre anmuthige Gebehrdung gab ihnen noch darzu eine herrliche Folge. Wie sie alle für dem Könige Huhansien nieder gesuncken / redete ihre Führerin den König an: Sie übergäbe ihm hiermit zwölf Geschöpffe der Natur /an welchen der Neid keinen Tadel / und tausend Augen[618] nicht ein Mahl eines Nadelknopfs groß finden würden. Diese hätte Gott allein in Suchuen darum lassen gebohren werden / wormit es einen vollkommenen König vergnügen / das Reich aber sich ihrem Uberwinder mit etwas ungemeinem verbinden könte. Der König Huhansien lächelte über diesem unvermutheten Geschencke / und nach dem er sie alle wol betrachtet /gab er der gegen überstehenden Syrmanis einen freundlichen Anblick / fing hierauf an: Ich erkenne zwar aus diesem den Serischen Königen zu bringen gewöhnlichen Geschencke die Zuneigung ihrer Gemüther; Aber die Scythen sind gewohnet aus Liebe ihnen ihre Ehegatten zu erkiesen / nicht ihrer Geilheit zu Gefallen einen Menschen-Zoll aufzurichten. Auch ist bey ihnen das Band der Hertzen die Tugend / nicht die Gestalt; denn der Purpur krönet so wol Unkraut als Rosen; Die Heydechse pranget nichts minder mit Sternen / als der Himmel. Und die Natter nistet am liebsten unter die Balsam-Staude. Die Entweihung so schöner Kinder düncket mich grausamer zu seyn / als das Gebot des Scedasus / dessen entleibtem Geiste Pelopidas / da er anders zu siegen vermeinte / eine Jungfrau aufopffern solte; und der abergläubigen Griechen / die das Ungewitter mit der Iphigenia Blute zu stillen vermeinten. Beydes aber haben die Götter verwehret / welche dort eine Stutte / hier einen Hirsch zum Lösegeld aufgenommen. Fürsten sind in der Welt Ebenbilder Gottes; also stehet ihnen so wenig zu die Entehrung keuscher Seelen / als der Todschlag der Leiber. Welche ihrer tollen Brunst hierinnen den Zügel verhengen / machen sich zu Indianischen Teuf fels-Götzen / derer schandbaren Höltzern die Bräute ihre Jungfrauschafft opffern müssen. Die Geilheit hat den Siegern insgemein den Siegs-Krantz aus den Händen gewunden / und Könige in Staub getreten. Nicanor hat zu Thebe nicht ehe seine gefangene Buhlschafft / als eine selbst händigermordete Leiche umarmet. Jener überwündende Macedonier hat mit den Küssen einer geschändeten Jungfrauen seine Seele durch eine ins Hertz empfangene Wunde ausgeblasen. Unzucht hat Sardanapaln ins Feuer gestürtzt / Troja eingeäschert / die Tarqvinier aus Rom vertrieben /und den Antonius zu Grunde gerichtet. Kehret diesemnach nur zurücke / ihr Ausbund der Jugend / welche nicht ihr Vorsatz verleitet / sondern die Mißbräuche des Vaterlandes verderben wollen. Trachtet durch Vernunfft eure Gemüther schöner zu machen / als die Natur eure Glieder geschmückt hat; weil auch eine Englische Helena ohne den Purpur der Schamhafftigkeit heßlicher ist / als die runtzlichte Penelope. Eine keusche Seele schreitet begieriger in das Ehebette eines Schäffers / als in das Zimmer Königlicher Kebsweiber. Denn die Pracht der Welt und das Glücke der Menschen hat ein falsches Licht / an dem nichts tauerhafft / als der Unbestand ist. Die Tugend alleine hat Bestand und Vergnügung. Die Keuschheit hegt die empfindlichste Ergetzligkeit; Sie ist der herrlichste Aufputz der Schönheit. Wollust aber gebieret Reue und Eckel. Also musten nach gegebenem Zeichen zu höchster Verwunderung aller Anwesenden diese hierüber zugleich verstummenden irrdischen Göttinnen den Königlichen Saal räumen. Ich gestehe es / sagte Rhemetalces / diese Enteuserung ist hundertfach rühmlicher / als Xenocratens / der die geilen Umhalsungen der allgemeinen Phryne so theuer nicht bezahlen wollen / und des Scipio / der die zu neu Carthago gefangene Braut ihrem Luccejus unversehrt aushändigte. In alle Wege / versetzte Zeno. Dannenher diese recht Königliche Entschlüssung nicht allein dem Huhansien die Gemüther der Serer / welche der Keuschheit die Oberstelle aller Tugenden zueignen / ihren Liebhabern nicht selten Ehren- und Sieges-Bogen aufsetzen / und den nach seiner Gemahlin Tode nicht wieder heyrathenden[619] König Chungting noch itzt nicht sattsam zu rühmen wissen / ihm aufs festeste verknüpffte sondern sie ziehe auch eine kräfftigere Würckung als der Blitz nach sich / welcher die gifftigen Thiere entgifftet / die nicht-gifftigen aber vergifftet. Denn diese zwölff Jungfrauen / welche zum theil sich schon in Gedancken mit dem grossen Huhansien inbrünstig umhalset hatten / gelobeten ewige Jungfrauschafft; Die zeither aber gegen des Königs Liebkosungen allzulaue Syrmanis empfand augenblicklich eine Erweichung ihres Hertzens / hernach eine ungemeine Zuneigung / und endlich die vollkommene Krafft der Liebe; also / daß sie Noth hatte selbte zu verhölen. Alleine weil es leichter ist eine Schlange im Busen / das Feuer in der Hand / als die Liebe im Hertzen zu verbergen / nahm der König in weniger Zeit nichts minder die Veränderung ihrer vorigen Unempfindligkeit / als ihrer Blicke und Bezeigungen wahr. Und weil nichts mehr als die Liebe leichtgläubig macht / so überredete ihn seine Einbildung / daß er ihre Zuneigung täglich mehr als den zunehmenden Monden wachsen sehe. In dieser stillen Hoffnung zohe der König mit dem Groß seines Heeres / nach dem er den Sogdianischen Unter-König bey der Stadt Qveicheu / die Gräntze Suchuens mit hundert tausend Mann zu beobachten / und ferner in dem Reiche Huqvang einen festen Fuß zu setzen / hinterlassen /an dem Flusse Sung Strom-auf biß zu der lustigen Stadt Ganhan. Daselbst belustigte sich der König in dem Gebürge Co / welches mit eitel Granat-Aepffel- und Pomerantz-Bäumen bedeckt ist; von dem man den zwölf-spitzichten / und mit neun Saltz-Brunnen versehenen Berg Nanmin gleichsam zum Gegensatz selbiger Fruchtbarkeit liegen siehet. Wie nun die Königin Syrmanis sich über dem mercklichen Unterscheide dieser Gegend überaus wunderte / holete Huhansien aus seinem tiefsten Hertzen einen beweglichen Seuffzer / und fing an: Ach vollkommenste Syrmanis! Gläubet sie wol / daß jener rauhe Fels / und diese von Fruchtbarkeit trieffende Hügel einander unehnlicher sind / als der Lust-Garten ihres Antlitzes / und die Unbarmhertzigkeit ihres steinernen Hertzens? Zweiffelt sie / daß jene Saltz-Brunnen von so viel Wasser / als meine Augen über ihr heimliche Thränen vergossen / nicht würden süsse gemacht worden seyn? Da doch ich noch zur Zeit kein Kennzeichen einer Empfindligkeit wahrnehmen kan. Unvergleichliche Syrmanis! Ich erkenne ja wohl / daß kein Sterblicher ihrer Liebe / und die Herrschafft der Welt nicht ihrer Vollkommenheit fähig sey; Aber verschmähe nicht Huhansien / welcher in seiner Seele dir einen Tempel gebauet / in welchem er dir sein selbsteigenes Hertz aufopffert / und die Oberherrschafft der Scythen unterwirfft / derer Siegen die Götter kein Ziel / den Reichs-Gräntzen die Natur kein Maß gesetzet hat. Syrmanis überwand bey dieser zwar unvermutheten Ansprache alle empfindliche Aufwallungen ihres Gemüthes; ungeachtet sie Huhansien recht in ihre Blösse traf. Daher neigte sie sich mit tieffster Ehrerbietung / und antwortete dem Könige ohne die mindeste Veränderung des Antlitzes: Großmächtiger Huhansien / ich würde diesen Fürtrag für einen Schertz /wo nicht für einen Traum anzunehmen haben / daß der / dessen Herrschafft die Welt zu enge / dessen Tugend der Himmel zu niedrig ist / seine Gewogenheit auf die unwürdige Syrmanis absencket / wenn ich nicht bereit erfahren hätte / daß es dem Haupte der Scythen ein geringes sey / Königreiche zu verschencken / und daß seine Gnade nicht mehr auff seine Freygebigkeit als auff der beschenckten Würdigkeit ziele. Zwar benimmet der niedrige Fuß einem hohen Colossen / und ein tieffes Thal einem spitzigen Felsen nichts von seiner Grösse / und die Sonne streicht auch irrdischen Dingen ein Licht an. Aber Heyrathen[620] erfordern eine anständige Gleichheit. Die Natur selbst bleibt bey ungleicher Vermischung entweder unfruchtbar / oder sie gebieret seltzame Mißgeburten. Wie viel gekrönte Häupter haben durch niedrige Vermählung den Haß der Königlichen Bluts-Verwandten / durch fremde den Auffstand der Unterthanen / beyde aber den Untergang ihres Reichs verursacht? Jedoch bekümmert mich nicht der Mangel eines grossen Braut-Schatzes. Denn wer alle Tage eine halbe Welt gewinnen kan / dem darff man keine Königreiche zubringen. Aber ich besitze auch nicht die Schönheit Roxanens / die den grossen Alexander bezauberte /noch die Tapfferkeit einer Semiramis / welche dem Gemüthe Huhansiens beystimmete / das den Donner des Himmels nicht fürchtet / und das Gewichte der Erdkugel überwieget. Würde nun nicht diese übermäßige Würde den wenigen Zunder meiner Tugend / wie allzu kräfftige Nahrung die natürliche Wärmde eines schwachen Magens erstecken? Ziehe dannenhero /Huhansien / deine Gedancken zurücke / welche insgemein unsere Vernunfft versuchen / und unsere Klugheit prüfen; Ob wir auch fähig sind gegen unsere Glückseligkeit genungsam vorsichtig zu seyn. Höre mich / deiner gegen mich tragender Liebe halber / auf zu lieben; wormit sie bey dir nicht zum Eckel / bey mir zur Verachtung werde. Heyrathen sind ohne diß nichts minder ein Schwamm der Liebe / als die Zeit der Wohlthaten. Nim diß nicht an für ein Mißtrauen zu deiner Beständigkeit. Unverdiente Ehre fühlet ihre eigene Schwäche / und erfüllet das Hertze der Unwürdigen mit dem Schatten der Furchtsamkeit. Und in Warheit / ich würde bey besorglich herfürbrechender Unfähigkeit so wenig Gedult haben meine Verstossung zu verschmertzen / als ich mich itzt eines Verdienstes rühmen kan / den König der Scythen zu umarmen. Schilt nicht diese meine Kleinmuth. Vorhergehende Furcht vermindert die folgenden Ubel /wenn sie sie schon nicht ablehnet. Vorgesehene Streiche sind weniger schmertzhafft / und der muß stets mit dem Bleymasse in der Hand / und mit Mißtrauen im Hertzen fortsegeln / den das Glücke in seinen Nachen hebet. König Huhansien ward durch diese Ablehnung nichts minder als die Flamme durch Oel angezündet. Dannenhero wendete er all sein Vermögen an / das Gemüthe der Syrmanis zu gewinnen / und selbtes von dem Nebel aller Bedenckligkeit auszuklären; also / daß sie sich länger nicht überwinden konte / ihre Gemüths-Regungen zu verdrücken / sie fiel ihm also zu Fusse mit diesen Schluß-Worten: Hier lieget /Huhansien / deine Syrmanis / nichts minder zu deinem Willen / als zu deinen Füssen. Ich schütze nun nicht mehr für unsere Ungleichheit; Denn der die Mächtigen unterdrücken / die Hoffärtigen ins Joch spannen kan / vermag auch der Verächtligkeit ein Ansehn beyzulegen. Die Liebe fängt bißweilen Zunder von unsern Gebrechen / wie ein schönes Antlitz herrlichen Schein von gewissen Maalen. Ich bin zeither durchs Verhängnüß der Götter deine Magd und Gefangene gewesen; Ich will von nun an seyn deine Braut auff deine Anschaffung / und sodenn deine Gemahlin / wenn mein Vater der Gethen König Cotison es erlauben wird. Glaube aber / daß die / welche dich in ihrer Erniedrigung hertzlich geliebet hat / dich auf dem höchsten Throne der Welt allererst anbeten werde. Huhansien unterbrach voller Freuden ihre Rede: Was sagst du / holdseligste Syrmanis? Umarme ich hier die weltberühmte Tochter des Cotison / welche das Bette des grossen Augustus verschmähet /und den unwürdigen Huhansien erwehlet hat? Mit diesen Worten konte er sich länger nicht mäßigen sie inbrünstig zu umarmen. Sie aber / um ihn alles Zweiffels zu benehmen / zohe herfür etliche Schreiben des Käysers Augustus / sein und ihr mit[621] Diamanten neben einander köstlich versetztes Bildnüß / welches sie stets an ihren Leib gebunden trug / und daher noch aus dem Schifbruche mit zur Ausbeute davon gebracht hatte. Der König wuste seine Vergnügung nun nicht mehr zu begreiffen / weniger seine Liebe zu verhelen; Daher kehrte er nach etlichen Umarmungen mit der Königin Syrmanis aus demselben Luststücke zurücke an einem annehmlichen Springbrunnen / wo er seine Scythische Fürsten / mich und Oropasten verlassen hatte. Sein erstes Wort war / sie solten die Syrmanis nicht mehr als Königin in Suchuen / sondern als des Gethischen Königs Tochter / das Haupt der Scythen / und als die Braut Huhansiens verehren. Wie seltzam nun diese geschwinde Verlobung Oropasten und mir fürkam / so geschwinde zohen die Scythischen Fürsten ihre Sebeln aus / schrenckten selbte so artig gegen einander zusammen / daß Syrmanis auf ihren blancken Klingen einen ungefährlichen Sitz bekam. Massen sie denn andere darauf Ehrerbietig erhoben / sie zu dem nicht weit entfernten Heere trugen / und sonder einiges Wortverlieren durch diese einige Landes-Art zu einer Königin der Scythen erkläreten. Das wegen allbereit ausgeübter Tapfferkeit ihr überaus gewogene Heer empfing sie mit unbeschreiblichen Frolocken. Inzwischen umarmete sich der König mit Oropasten / und endlich auch / weil er ihm meine Beschaffenheit kürtzlich zu entdecken nöthigte / mit mir. Wir kehreten hiermit alle gleichsam als gantz neue Menschen in die Stadt Ganhan; allwo der König bald folgenden Morgen den Unter-König der Sacken mit tausend Pferden in Gesandschafft an den Gethischen König Cotison abfertigte / und auff bewegliches Ansuchen endlich auch / wiewol unter versicherter Zurückkehr / Oropasten nach mehr als Königlicher Beschenckung mit zu reisen erlaubte / um durch ihn so viel mehr die väterliche Einwilligung zu ihrer Heyrath zu erlangen. Nach dem diese Stadt der Syrmanis gehuldigt hatte / und die herum liegenden Festungen besetzt waren / verfolgten wir unsern Zug zu der an dem Flusse Kialing liegenden Stadt Pasi / allwo die Gesandten der grossen Stadt Inping an dem Flusse Feu /welche ein rechter Schlüssel des Reichs gegen das Scythische Reich Sifan ist / nicht allein die Schlüssel ablieferte / sondern auch eine Gesandschafft des Königs in King / welches mit eitel Bergen umfestigte Reich niemals denen solches gantz umschlüssenden Serern gehorchet / mit der Königin Syrmanis ein Bündnüß schloß. Die Begierde die Herrschafft durch die Waffen zu erweitern / und durch Geschwindigkeit die Mutter des Glücks / in Kriegen sich vollends des Reiches Xensi zu bemächtigen / ehe die Serer durch neue Heeres-Krafft selbiges entsetzten / verbot uns alle Rastung; also muste das Heer fast Tag und Nacht über den Fluß Tung / unter dem Gebürge Juntai / das wegen seiner Höhe den Nahmen des Wolcken-Stuls bekommen / und so ferner forteilen / biß es der König auf der Xensischen Gräntze unter dem fruchtbaren Gebürge Tapa ausruhen ließ. Denn Huhansien erlangte Kundschafft / daß zwar sein durch die Wüste Kalmack oder Xamo / in das Königreich Xensi / welches zeither i er der Königliche Sitz gewest / ein gebrochenes Heer nach dem Abzuge Königs Juen sich der festen Gräntz-Stadt Xamheu bemächtigt / hingegen die Serer in der von eitel Felsen wie mit einer Mauer umgebenen Festung Ninghia / und an dem gantzen Saffran-Strome / über welchen bey Ninghia von einem Berge zum andern die in einem einigen Bogen bestehende viertzig Ruthen lange / und nur von oben biß ans Wasser funfzig Stangen tieffe Wunder-Brücke gehet / feste gesetzt / wie nichts minder nach verlautetem Anzuge der Scythen / mit einem drittern Heere zwischen beyden Flüssen Han / und denen daran stossenden Gebürgen verschantzt hätten. Huhansien traute ihm[622] sonder Krieges-List hier ferner in Xensi nicht durchzubrechen; Daher gab er seinem Heer öffentlich zu verstehen / daß er nicht mit Wasser und Klippen Krieg zu führen verlangte / sondern linck- und west-werts gegen der herrlichen Stadt Cungchang / wo der berühmte König Fohius gebohren und begraben ist / seine Mutter aber einen Ehren-Tempel aus eitel Porphyr hat aufrichten lassen / abzulencken und den Feinden sodenn in Rücken zu gehen gedächte. Unter diesem Vorwand schickte er zwantzig tausend Massageten biß an den Fluß Sihan voran /und durch etliche kleine Hauffen ließ er gegen das feindliche Läger Kundschafft einholen; ja derer etliche mit Fleiß in die Hände der Serer verfallen. Weil nun nicht allein alle Gefangenen einmüthig zusammen stimmten / sondern auch der Scythen Entschlüssung der Vernunfft sehr ehnlich schien; hoben die Serer mit höchst unvernünfftiger Ubereilung mit Zurücklassung kaum zwantzig tausend Mann ihr Läger auf / um den Scythischen zwischen dem Gebürge Poching / auf welchem das unfruchtbarmachende Kraut Hoaco wächst / und dem Berge Loyo / wo ein überaus grosser steinerner Löw aus dem Rachen ein starckes Qvell ausspritzt / fürzubeugen. So bald dieser Auffbruch dem Könige Huhansien verkundschafftet ward / eilte er mit seinem gantzen Heere auff die fast unüberwindliche und von Bisam und Zinober überaus reiche Stadt Hanchung zu / wo Lieupang der Stiffter itzigen Königlichen Geschlechtes Hanya zum ersten wider das Hauß Tschina die Waffen ergriffen / schwemmte in Gesichte des hierüber erstarrenden Feindes / der über diesen Fluß nur mit Schiffen zu überkommen möglich hielt / mit der Reuterey durch den Strom Han. Alles was sich widersetzte / fiel durch die Schärffe der Scythischen Sebeln. Ehe nun das Fuß- Volck auff denen eroberten Schiffen auch übergesetzt ward / berennte er die Stadt / um ihr alle Hülffs-Völcker abzuschneiden / rings herum. Weil aber Pingli /der Enckel des grossen Helden Changleang / in selbter das Oberhaupt war / setzte er ihm für ehe mit seinem Blute die glüende Asche der Stadt auszuleschen /als mit Zagheit die tapfferen Helden-Thaten seines Großvaters zu besudeln / und daselbst eine Schand-Säule zu erlangen / wo jener den herrlichsten Ehren-Tempel verdienet hatte. Ob nun zwar Huhansien anfangs durch sorgfältigste Verschonung seiner hierum liegender Land-Güter und Lusthäuser den Pingli bey den Serern zu verdächtigen vermeinte; Hernach als dieser zu Ablehnung solchen Fallstricks / wie für Zeiten Pericles zu Athen / seine Güter dem gemeinen Wesen zueignete / gegen ihm seine grosse Versprechungen mit schrecklichem Dräuen vermischte / da er sich seinen sieghafften Waffen länger widersetzte; entbot er ihm doch hertzhafft zur Antwort: Worte wären nur ein Schatten von den Wercken. Diese wären Männer / jene wären Weiber; Er aber versichert / daß seine siegende Tapfferkeit ihn entweder zum Helden / oder sein Tod zum Gotte machen würde. Huhansien ward hierüber erbittert / wiewol er endlich die Tugend in seinem Feinde lieb gewinnen muste; ob schon ihm etliche Stürme zu seinem grossen Schaden abgeschlagen wurden. Die Scythen wendeten alle Kräfften und Krieges-Wissenschafften an / die Mauren zu zerschmettern / die Stadt mit fliegendem Feuer zu ängstigen / die Bollwercke zu untergraben; aber die Tapfferkeit der Belägerten trat als die festeste Mauer iederzeit in die Lücke / biß endlich fast alle Wehren zerschellet waren / und König Huhansien / in Meinung / daß an dieser Eroberung das gantze Reich Xensi / an seiner Abtreibung aber auch der Verlust des eroberten Königreichs Suchuen hienge / oder weil das Feuer und das edle Laster / nehmlich die Begierde seine Gewalt zu erweitern / durch die Nahrung nur gereitzet / nicht ersättigt wird / und den Fürsten insgemein nicht diß / was sie besitzen / sondern was ihnen abgehet /[623] beliebet / in Person die Seinigen zum Sturm anführete / den Feind durch unaufhörliches Anlauffen abmattete / und endlich sich der Stadt stürmender Hand bemächtigte. Ich hatte das Glücke der erste auff der Mauer zu seyn; aber den Unfall / daß der verzweiffelte Pingli / weil er sich alles Ermahnens unerachtet / nicht ergeben wolte / als gleich schon die eroberte Stadt in ihrer eigenen Beschirmer Blute schwam / er aber für Mattigkeit und von empfangenen Wunden lächsete / von meinem Degen fiel. Huhansien setzte mir in dem Gesichte des gantzen Heeres einen Lorber-Krantz / dem für der Zeit aber entseelten Pingli eine Ehren-Säule auf / mit der Uberschrifft:


Zollt diesem Helden-Lob / nicht unglücksel'ge Zehren /

Mit diesem balsamt nur die Liebe Gräber ein.

Aus Helden-Asche blühn die güldnen Ehren-Aehren /

Die ein vernünfftig Feind sich schämet abzumey'n.

Klagt nicht den frühen Todt / das kurtze Ziel der Jahre;

Sein ewig Ruhm verträgt der Zeiten Mäßstab nicht.

Glückselig! dem sein Volck pflantzt Lorbern auf die Bahre;

Noch seliger / den selbst sein Feind hebt an das Licht!


Die Scythen waren noch in Blutstürtz- und Plünderung dieser grossen Stadt begriffen; als dem Huhansien angedeutet ward / daß die Serer / welche die Belägerung dieser Stadt von den Flüchtigen erfahren /beym Berge Tung zurücke über den Fluß Han gesetzt / die Scythische Vorwache zurücke getrieben hätten /und in voller Schlacht-Ordnung gegen die Stadt anzügen. Der König befahl mir also fort mit denen noch im Läger auff allen Fall unverrückt gebliebenen Kriegs-Völckern dem Feinde die Stirne zu bieten. Inzwischen brachte er in der Stadt durch gewöhnliche Kriegs-Zeichen sein Volk unter ihre Fahnen. Ich war kaum ein paar Stadien aus dem Läger fortgerückt / als der Serer Vortrab auff mich mit grosser Ungestüm zu treffen kam. Sie verfolgten auch ihren Angriff mit einer so beständigen Tapfferkeit / daß einer nicht unbillich gezweiffelt hätte: ob wir hier eine gantz andere Art Feinde gefunden / oder ein neuer Helden-Geist nach so grossem Verlust in die Serer gefahren wäre. Also ist die Verzweiffelung der rechte Wetzstein der Tapfferkeit / und die euserste Noth machet einen ungewaffneten wider vier geharnschte zu fechten fähig. Hingegen reitzte der mehrmals erhaltene Sieg / welcher auch die Verzagten endlich behertzt macht / die Scythen zu grösserer Tugend an. Ich drang nach blutigem Gefechte endlich in die Mitte dieses Vorzugs /und riß dem Feinde die Haupt-Fahne / an welcher zweiffels-frey eine rechtmäßige Beschirmung anzudeuten / ein mit einem Adler kämpffender Schwan nebst diesen Worten: Ich fordere nicht / aber ich schlags nicht aus / gemahlet war / aus den Händen. Aber das grosse Heer der Serer / welches des erlegten Königs Juen Bruder der unverzagte Zinem führete /brachte den Vortrab bald wieder in Ordnung und uns ins Gedränge; also / daß ich zu rechter Zeit vom Könige Huhansien und der streitbaren Syrmanis entsetzt ward. In seiner Haupt-Fahne führte Zinem einen gekrönten Drachen der Serischen Könige Kennzeichen /welcher etliche ihn antastende Schlangen verschlang /mit der Beyschrifft: Ohne euch / wäre ich nicht /was ich bin. Beyderseits war so grimmig gefochten /daß ich gestehe / niemals sonst auser nechsthin unter dem Varus in einem heisseren Bade gewesen zu seyn. Ich kriegte für der Sonnen Untergange drey Wunden; Huhansien und Syrmanis / welche Wunder thaten /und mehrmals unter den Feinden verwickelt waren /daß man sie nicht wuste / wurden gleichfals verletzt; und dennoch vermochte weder die Mattigkeit noch die Nacht die verbitterten Feinde von einander zu trennen / biß sich nach Mitternacht entweder der Himmel beyder erbarmte / oder so vielem Blutvergiessen nicht länger zuschauen konte / indem es mit einer kohlschwartzen Wolcke das Monden-Licht verhüllte /[624] und also gleichsam selbtes Gestirne ein Trauer-Kleid anzoh. Beyde Heere wichen also mit einem verstockten Stillschweigen zurücke. Auf den Morgen aber wurden wir gewahr / daß Zinem sich gar über den Fluß Han zurücke gezogen hatte. Die leere Wallstatt stellte uns allererst recht das grausame Schauspiel der Schlacht mit mehr als 100000. Leichen für; etliche tausend geköpfte Strümpfe wusten ihre Häupter / andere ihre abgehackte Armen / Hände und Beine nicht zu erkiesen: Viel hatten ihren Geist mit den Eingeweiden ausgeschüttet / andere ihre Seele unter den todten Pferden ausgeblasen. Nicht wenig waren von der raschen Reiterey zertreten / oder unter der Last der auf sie fallenden Leichen ersticket. Etliche hielten noch mit den Zähnen die sie entseelende Feinde / weil ihnen keine geschicktere Waffen übrig blieben waren. Zum Theil waren sie lebendig von dem häuffigẽ Staube begraben; viel bissen für Verbitterung in das Graß / weil die Ohnmacht sie verhinderte ihren Feind zu erreichen; und eine Menge der Verwundeten seufzete /rechelnde nach der Zertrennung des Leibes und der Seele / weil sie bereit mit allzu langen Schmertzen auf dem Scheidewege des Lebens und Sterbens geschwebet hatten / und wegen jenes Bitterkeit dieses für ihre Wolfarth erkieseten. Ja der Tod hatte allhier fast so vielerley Gesichter angenommen / als die Zahl der Todten oder noch Sterbenden ausmachte; also / daß König Huhansien und Syrmanis sich selbst nicht von bittern Thränen mässigen konten; hierüber er auch seufzende anfieng: Ihr entseelten Leichen / warumb verursacht ihr mich euch zu beweinen? lasset vielmehr eure Geister über mich Thränen auspressen / der ich euch selber der Wegweiser zum Tode gewesen bin! Also waren diese erlegten Krieges-Leute zum minsten glückseliger / als die Weichlinge des Xerxes /indem diese noch bey Leben mit weibischen / jene aber nach dem Tode mit edlen Thränen beehret wurden / und zwey Königliche Häupter zu ihren Klage-Weibern hatten. Unter den Todten / welche der König ohn Unterscheid beerdigen / theils aber denen in weissen Trauer-Kleidern vom Fürsten Zisem abgeschickten Serern / welche die Ihrigen im Vaterlande kostbar zu begraben pflegen / zum Leichen-Gepränge ausfolgen ließ / ward endlich auch Barcas der vermißte Unter-König der Sacken gefunden / aber wegen vieler Wunden kaum erkennet. Dieser war in seiner Kindheit eines seiner Bluts-Verwandten umb künftig seinen Kindern sein reiches Erbtheil zuzuschantzen ausgeschnidten worden / aber hierdurch hatte er das minste von seiner angebohrnen Tapferkeit eingebüßt /und durch seine überaus treue Dienste sich zu einẽ Schoß-Kinde des Königs gemacht. Der König konte sich nicht enthalten diese blutige Leiche zu umbarmen. Nachdem sie auch abgewaschen war / ließ er sie auf einem mit Purpur bedeckten Prang-Wagen in die Stadt Hanchung führen / in welcher die eingefälleten Mauern ergäntzet / die fast unzehlbaren Verwundeten aufs sorgfältigste gepflegt wurden. Inzwischen lief Nachricht ein / daß die Serer sich gar zurücke biß an das Gebürge Poching gezogen hatten; dahero reisete Huhansien / Syrmanis und ich / mit einem ausgelesenen Kriegs-Volcke den Strom Han hinauf / den vom Feinde verlassenen vorthelhaften Ort zu besetzen /und hierauf den Wunder-Berg Yoniu / oder die köstliche Frau genennet / zu besichtigen / weil die Natur auf selbtem aus Marmel ein so schönes Weibsbild als immermehr Praxiteles gebildet. Wir erstarreten für diesem Bildnüsse / und Huhansien wolte sich durch viel Betheurungen nicht bereden lassen / daß nicht ein Künstler die Hand mit im Spiele gehabt / wenn ich ihn nicht versichert / daß ich selbsten viel Steine / und insonderheit Agaten gesehen hätte / in welchen Städte / Schlösser / Bäume / Vögel / Fische / vierfüssichte Thiere / Schlangen / ja Menschen aufs deutlichste wären ausgepregt gewest / und daß in dem Lande Fokien / bey[625] der Stadt Yecheu der von der Natur gleichsam als einem künstlichen Pinsel mit Bergen / Flüssen / Bäumen und Blumen durchmahlete Marmel gantz gemein wäre. Der Berg Apennin bildete hin und wieder Brust-Bilder / das Vor-Gebürge bey Scylla einen niedergeschlagenen / ein Melitensischer Berg einen gehangenen Menschen / ein ander bey Panormus eine Müntze mit des Käysers Bildnüsse / das Gebürge an der äusersten Sud-Spitze in Africa ein deutliches Antlitz ab / welches entweder aus blossem Zufalle durch die Krafft des flüssenden Saltzes / oder weil die Natur zuweilen ein rechtes Thier (wie man denn in dem Reiche Huquang an dem Berge Xeyen viel versteinerte Schwalben findet / und sie zur Artzney brauchet) durch ihre versteinernde Krafft in einen wahrhaften Stein oder etwas flüssendes / das etwan in einem weichen Behältnüsse eine gewisse Gestalt bekommen / in Crystall oder Agt-Stein / darinnen ohne diß nicht gar ungemein Fliegen / Spinnen und Nattern herrlich begraben gefunden werden / durch überaus heftige Kälte / oder andere zusammenziehende Magnetische Krafft / die in allen Dingen stecket / und seines gleichen an sich zeucht / verwandelt werde. So könten sich auch in die wachsenden Steine allerhand Saamen von Bäumen und Kräutern einmischen / und zu solchen Abbildungen helffen / wie man auf dem höchsten Gemäuer wegen des durch Wind und Vögel dahin gebrachten Gesämes allerhand Gewächse / ja starcke Bäume aufwachsen sehe. Hertzog Herrmann brach hier ein / und meldete: Daß in dem Hercynischen Walde sehr offt artliche Steine mit gebildeten Thieren gefunden würden; und an dem Norwegischen Gebürge stellte ein Berg einen verkappten Menschen für. Zeno fuhr fort: Es wäre die Welt mit diesen Wundern ziemlich angefüllt / ja die Wolcken pflegten uns nicht selten gantze Geschichte fürzubilden; aber das erwehnte wunder-würdige Frauen-Bild überträffe seinem Urtheil nach alles Spielwerck der Natur. Jedoch gäben demselben wenig nach zwey Felsen im Reiche Kiamsi / da der höchste einen Drachen / der niedrigere einen Tiger / welche gegen einander zu rennen scheinen / der Berg Ky in Kiangsi bey der Stadt Qucilin einen Elefanten / und der Berg Packi in Xensi einen Hahn / der für dem Ungewitter ein grosses Gethöne von sich gäbe / den Hügel Mainen bey Sangku zwey sehr grosse Augen / dariñen der Apfel / wie auch das schwartze und weisse von der Natur vollko en unterschieden / die Spitzẽ auf dem Gebürge Lo bey Chiũing aber sieben und zwantzig vollkommene Menschen-Bilder eigentlich darstellten. Dieses hätte auch den König Huhansien verursacht / daß er einen gegenüberstehenden Berg durch eine unglaubliche Menge Xensischer Einwohner zu einer Spitz-Säule /wie die Egyptischen wären / aushauen / und aus köstlichem Ertzt das Bildnüß seines geliebten Barcas auf die Spitze setzen / darunter aber graben ließ:


Was Mann und Vater macht / das schnidt der Stahl mir ab /

Doch hat der Stahl mir auch / was Helden macht / erworben /

Der was den Gliedern fehlt / dem Hertzen wieder gab.

Bin ich auch gleich ietzt hier durchs Feindes Stahl gestorben /

Muß doch der Scythen Haupt aus Ertzt mir Bilder weihn /

Darein der Nach-Ruhm schreibt mein Lob mit Demant ein.


Unten an dem Fusse des gespitzten Berges stand in den Fels eingegraben:


Ihr Riesen von Gemůth' / und auch ihr neid'schen Zwerge

Die hoher Tugend Glantz meist in die Augen sticht;

Mißgönn't diß Ehren-Mahl dem edlen Barcas nicht /

Sind doch die Helden gröss- und seltzamer / als Berge.


Die Freygebigkeit des Königs Huhansien / in Beehrung wohl-verdienter Helden / sagte Hertzog Jubil /ist ein unfehlbares Kennzeichen / daß er selbst viel ruhmwürdiges an sich gehabt habe. Denn diese zünden der Tugend mit einer begierigen Freudigkeit Weyrauch an / weil sie selber von so süssem Geruche etwas mit genüssen. Unverdiente Leute aber sind hierinnen[626] die kärgsten; sintemal sie das Lob der Tugend dem Gelde gleich achten / dessen man so viel weniger behält / als man davon ausgiebt. Weil über diesem Ehren-Maale gearbeitet ward / sagte Zeno / verfolgte der König Huhansien mit dem grösten Theile seines Heeres den Feind / machte auch seinem zeither durch tapfere Gegenwehr der Serer an dem Saffran-Flusse aufgehaltenen Unter-Könige in Tibet Lufft / daß er mit seinen 200000. Mann über solchen Strom setzen konte. Inzwischẽ befahl mir der König mit 100000. Mann mein Heil gegen dem Königlichen Sitze und der überaus grossen Haupt-Stadt Sigan zu versuchen. Wiewohl ich nun nicht wuste / ob diß aus grossem Vertrauen / oder wegen scheinbarer Unmögligkeit mich ins Verderben zu stürtzen geschahe / indem der Weg von Hanchung dahin von des Königs Lieupang welt-berühmtem Feldherrn Changleang mit vieler 100000. Menschen unglaublicher Arbeit durch die Himmel-hohen Stein-Klüffte gehauen worden / welche nah auf beyden Seiten die zwölf Ellenbogen weite Strasse derogestalt verdüstern / daß die Sonne niemals darein scheinen kan. Uber diß besteht das dritte Theil dieser 30. deutscher Meilen langen Strasse an wunderwürdigen Brücken / welche über so hohe Thäler / daß einem hinunter zu schauen grauset / von einem Berge zum andern gebaut / und von hohen Pfeilern unterstützt / auf der Seiten aber mit 7. fast unüberwindlichen Festungen verwahret sind. Der Mangel einiger Beywege nöthigte mich diesen Pfad auf des Königs Befehl / welche ausser Augen zu setzen keine Todes-Gefahr erlaubet / inne zu halten. Ich fand aber den ersten Tag alsbald zwar eine Festung verlassen / aber die Brücke abgeworffen; also / daß die Scythen mich fragten: Ob ich ihnen Flügel geben könte über diesen Abgrund sich zu schwingen? Nichts desto weniger sprach ich ihnẽ ein Hertz ein / stellte ihnen für Augen: Wie die Scythen ohne unausleschliche Schande nicht für unmöglich halten könten / was die Serer vermocht hätten vorzuthun. Also legte alles /was sich nur regen konte / Hand ans Werck / die Pfeiler zu ergäntzen / die abgeworffenen Dielen empor zu ziehen / und hiermit ward zu meiner selbst eigenen Verwunderung eine Brücke einer Meile lang ergäntzet. Noch schleuniger ward ich mit der andern nicht viel kleinern Brücke fertig / weil die Scythen schon die Handgrieffe etwas besser gelernt / auch aus der Stadt Hanchung viel Bauzeug und Werckleute herzu geschleppt hatten. Zu der drittern kamen wir als die flüchtigen Serer / die sich hier sicherer als in der Schoß ihrer Schutz-Götter schätzten / selbte abzubrechen allererst den Anfang machten / und ich mich also derselben und etlicher tausend Serer bemächtigte. Diesen ließ ich alsofort ihre Kleider aus- und den Scythen anziehen / mit welchen ich die vierdte Brücke und die darbey besetzte Festung durch Krieges-List /indem sie ihnen von keinem Feinde träumen / die halb-bewachten Pforten auch unverschlossen liessen /eroberte / und in selbter des Unter-Königs in Sigan Sohn / als obersten Befehlhaber / gefangen bekam. Zwey folgende Schlösser und Brückẽ fanden wir gantz unbesetzt; bey der äusersten und grösten aber kam unser Glück ins stecken; denn da war nicht allein die überaus lange Brücke abgebrochen / sondern auch in das Thal wie in den höllischen Abgrund nicht ohne Grausen zu schauen / und die gegen über liegende Festung mit viel tausend Serern verwahret. Weil ich nun die Unmögligkeit geraden Weges aus diesem Gedränge zu kommen für Augen sahe; ließ ich einen Preiß von 10. Talent Silbers ausruffen / wenn iemand einen Seiten-Weg ausspüren würde. Dieser Lohn gewan alsbald einen gewinnsüchtigen Serer / welcher meinem Volcke und hiermit auch mir einen Fuß-Steig gegen der Stadt Linchang über den Berg Limon weisete / darauf ich selbst mit Verwunderung einen Brunn fand / der[627] wie der Albunische See bey Tibur oben eyßkalt / unten aber siedend-heiß ist. Daselbst leitete mich eine entspringende Bach bey nächtlicher Zeit biß an das Ende des durchbrochenen Gebürges. Ob ich nun zwar der Haupt-Stadt Sigan nur aüf 30. Stadien entfernet war / hielt ich doch für rathsamer den noch in dem Gebürge befestigten Feind zu überfallen / und also der Scythischen Keiterey den Weg zu öffnen. Diese Entschlüssung gelückte mir bey anbrechendem Morgen so wohl / daß mein Volck sich ehe auf dem Walle befand / ehe der Feind zu den Waffen grieff / und deswegen auch die / welche sie in Händen hatten / entweder aus Verzweifelung / oder ihrem Andeuten nach / weil sie die Scythen bey ihrem Uberfalle nicht mehr für Menschen / sondern für Götter zu halten angefangen hatten / zu Bodem warffen. Diese Gefangenen musten nun selbst die zerscheiterte Brücke wieder bauen / und ihrem Feinde seinen Siegs-Weg bähnen. Allhier hatte König Lieupang dem Stiffter dieses wunderwürdigen Felsen-Bruchs Changleang zu Ehren an den Gipfel des höchsten Felsen mit sechs Ellen langen Buchstaben folgende Reymen eingraben lassen:


Daß Changleang fůrs Reich Verstand und Sebel wetzet

Die Mauern åschert ein / und V \lcker tritt in Koth /

Durch unser Feinde Blut den Saffran-Fluß macht roth /

Hat ihm den Lorber-Krantz der Helden aufgesetzet.


In dem wird aber er fůr mehr als Mensch erkennet /

Daß er den Abgrund båhnt / Gebürge reisset ein;

Denn in der G \tter Hand beruhen ja allein

Die Schlůssel der Natur / und Blitz / der Felsen trennet.


Also verrichtet ein grosses Hertz und ein kluger Kopf wohl herrliche Wercke; aber eine beredte Zunge oder eine gelehrte Feder muß selbten einen Firnüß anstreichen; welchen denn dieses Wunderwerck meinem Urtheil nach wohl verdienete / als gegen welchem die Arbeit des Xerxes / der dem Berge Athos einen lächerlichen Dräu-Brief / daß er nehmlich ihn / da er sich übel durchgraben lassen würde / ins Meer stürtzen wolte / geschrieben / und ihn hernach mit einem nur 1500. Schritte langen Durchschnitte von dem festen Lande abgesondert; wie nichts minder der vom Lucullus durch den Berg Pausilippus gehauene Weg /welchem bey den Serern einer durch den Mingyve gleichet / für einen blossen Schatten zu achten ist. Ja wenn ich an der Scythen Durchbruch über diese Klippen nicht Antheil hätte / unterstünde ich mich ihn des Hannibals Reise über das Pyreneische Gebürge weit fürzuziehen. Daher ich jener Uberschrifft gegen über an einen Fels mit nicht kleinern Buchstaben eingraben ließ:


Zermalmen Fels und Klufft / und durch Gebůrge brechen

Von Berge biß zu Berg auf Meere Brůcken baun /

Den Schiffen eine Bahn durch Land und Klippen haun /

Låst unter menschliches Erkůhnen sich wohl rechen.


Daß aber über Wolck' und Berg der Scythe klettert /

Und ůbern Abgrund kli t / den auch ein Vogel scheut /

Wenn ein gewaffnet Volck ihm Tod und Mord gleich dreut /

Das hat Huhansien im Leben schon verg \ttert.


Hertzog Herrmann bezeugte über diesen Heldenmässigen Thaten eine sonderbare Vergnügung / und gab gegen dem Fürsten Zeno zu verstehen / daß er in diesem wichtigen Vornehmen nichts minder einen vollkommenen Staats-Klugen / als einen tapfern Feldherrn abgebildet hätte; da er zwar dieses Gebürge erobert / in dem seinem Könige aufgerichteten Ehrenmahle aber seiner so gar vergessen. Denn ein Diener solte niemals aus seinen Thaten ihm einen Ruhm erzwingen; sondern das ihm zugestossene Glücke alleine der vernünftigen Leitung seines Fürsten zuschreiben; in Erwegung / daß auch der geschickste Ruderknecht mit seinem Schweisse nichts zu Umbwendung eines Schiffs helffe; sondern an der einigen Hand des Steuer-Mannes die Einrichtung der gantzen Farth hänge. Bey so gestalten Sachen wird er durch seine Tugend ihm gehorsamẽ / durch die Entäuserung[628] seines Eigenruhms sich zwar auser Neid / nicht aber ausser Ehre setzen. Hingegen ist nichts verächtlicher /als wenn ein Diener sich eines ihm etwan gelückten Streiches zur Eitelkeit mißbraucht / und seinem Ehrgeitze selbst einen Lorber-Krantz auffsetzt / aus Unwissenheit / daß der / welcher sich seines rühmlichen Verhaltens am wenigsten mercken läst / seinen Ruhm vergrössere; gleich als wenn der dieses deßhalben selbst verdrückte / weil er ihm noch weit ein mehrers auszurichten getraute. Ein kluger Diener hat hierinnen zu seinem Leit-Sterne und Vorbilde das Auge; welches zwar alles ausser ihm / sich aber selbst nicht sehen kan; und des Spiegels / der in ihm alles / sich aber selbst nicht abbildet. Aus dieser Ursache ziehe ich unser deutschen Ritters-Leute Absehen allen andern für. Denn ihre erste Pflicht bestehet in dem / daß sie das Vaterland beschirmen / für ihren Fürsten ihr Blut verspritzen / alle ihre Thaten aber / ja auch alle Glücksfälle ihm zueignen. Also kämpffen die Fürsten für den Sieg / die Ritterschafft aber für den Fürsten. Diese sind in ihrem Reiche / was die erste Bewegung unter dem Gestirne / und das Gewichte in den Uhren. Die Räder / in denen das gantze Kunstwerck stecket /sind die Diener / welche insgeheim und im verborgenen die Zeit und die Geschäfte abmessen sollen. Ja wenn auch ein nachlässiger Fürst sich aller Herrschafft entschlägt / und nichts minder die Erfindung und Anstalt als die Ausübung eines Wercks von einem Diener herrühret / so soll er doch seinen Fürsten für den Weiser in der Reichs-Uhr achten / welcher öffentlich als die Richtschnur der Menschen die Stunden anzeiget; ungeachtet er in sich selbst keine Bewegung hat / oder bey der Sache etwas thut. Denn Diener sind nur Gefärthen der Arbeit / nicht der Gewalt und Ehre; blosse und meist entbehrliche Werckzeuge / nicht Urheber; Schatten / keine Sonnen / welche alsofort verschwinden / wenn sie sich unvorsichtig ans Licht machen. Die hellesten Sterne und der Monde das grosse Nacht-Licht büsset feinen Glantz ein / wenn sie sich an ihrer Finsterniß nicht vergnügen / sondern der Sonne zu nahe kommen / und sich mit ihren Strahlen bekleiden wollen. König Hippon in Britannien ließ seines hochverdienten Krigesobersten Aletodobals ruhmräthige Ehren-Seule abbrechen und zerschmeltzen / die er aus seiner Feinde Ertzt hatte giessen lassen; und als er ihm gleich die Eroberung Caledoniens anzuvertrauen ihn aus Noth nicht übergehen konte / gewährte er ihn doch aus Gramschafft seiner Bitte nicht / daß er dem Könige den Steigbügel hätte küssen mögen. Noch in tiefere Ungnade verfiel Cornelius Gallus beym Augustus / weil er ihm in Egypten viel Ehren-Seulen auffstellte / seine Geschichte in die Spitz-Seulen grub; ja die Ungedult zwang ihn ihm selbst vom Leben zu helffen. Hierentgegen starb Agrippa in unversehrter Gnade / der zwar der Urheber und Werckzeug aller grossen Siege und herrlichen Gebäue war / hierbey aber sein gantz vergaß / dem gemeinen Wesen den Vortheil / dem Käyser die Ehre zuschrieb; offt auch gar / um das Glücke zu mäßigen und seinem Fürsten nicht zu sehr in die Augen zu leuchten sich seines Vortheils nicht bediente; Also den Cneus Pompejus zwar zur See schlug /ihn aber gar nicht verfolgte. Den gewissesten Verderb aber zeucht nach sich / wenn man die Liebe des Volcks / und den Zuruff des Pöfels gegen sich erwecket. Daher soll ein Feld-Oberster nach erhaltenem Siege lieber des Nachts und einsam nach Hofe ko en / um die Ehrerbietung der Bürger zu verhüten / nach geendigtem Kriege sich des Hofes entschlagen / und sich zur Ruhe begeben / wormit er mit seinem Glantze andere müßige nicht verblende / hingegen aller ihrer Mißgunst gegen sich errege. Ja wenn ein Fürst auch selbst einen Diener allzu hoch ans Licht stellen will / hat er so viel mehr Ursache sich selbst zu verdüstern.[629] Denn die Sonne zeucht die niedrigen Dünste der Erden keinmahl / ja auch zu keinem andern Ende empor / als daß sie selbte hernach wieder zu Bodem drücke. Wie viel Fürsten haben ihre treuen Diener zu Reichs-Gefärthen erkieset / ihre Bilder den ihrigen gegenüber / oder in die Reyhe ihrer erlauchten Vorfahren gesetzet / ihre Thaten auff güldene Müntzen geprägt / sie für Väter des Fürsten / für Beschirmer des gemeinen Wesens ausruffen lassen; selbte aber hernach aus einer blossen Eiversucht in Staub und Koth getreten. Sintemal der Schatten ohnediß insgemein denselben Cörper / worvon er fällt / an Grösse übertrifft / und ihn daher so viel mehr in die Augen sticht. Dahero sagte Cyaxares: Er könte ehe das seinen Meden angethane Unrecht verschmertzen / als fremden Wohlthaten zuschauen / die einer seinem Volcke erzeigte. Denn dieses solte nichts minder als eine Ehfrau alleine von ihres Ehemannes und Fürsten Liebe wissen / also nur auff ihn die Augen haben. Und hiervon rühret: warum Fürsten meist mittelmäßige Leute /die den Geschäfften gewachsen / aber nicht überlegen sind / in hohe Aempter erheben / die fürtrefflichsten Köpffe aber entweder nicht befördern / oder hernach wenn sie dem Fürsten das innerste ihres Hertzens ausnehmen / oder ihre Klugheit zur Richtschnur aller Rathschläge eindringen wollen / absetzen. Ja ein Diener soll nicht nur mit seinem eigenen Thun seines Fürsten Hoheit verdüstern / sondern auch alles fremde Schattenwerck aus dem Wege räumen. Daher dem Parmenion für eine ungemeine Klugheit ausgedeutet wird / daß er in Morgenland alle alte Tempel des Jasons zerstörte / wormit der Nachwelt nur seines Alexanders Gedächtnißmahle im Gesichte bleiben möchten. Hertzog Arpus bekräfftigte diese Gedancken des Feldherrn nicht allein / sondern erstreckte selbte auch auff andere / ja selbst auff Fürsten / daß sie ihre Thaten zu keinen Wunderwercken / und ihre Verdienste zu keinen Riesen machen solten. Denn denen Ehrsüchtigen hinge nicht nur von ihren Oberherren / sondern auch von ihres gleichen / ja von denen einerley Werck fürhabenden Gefärthen Gefahr zu. Der eifersüchtige Hercules hätte sich über den bey Stürmung der Stadt Troja unter dem Könige Laomedon zu erst über die Mauer kommenden Talemon so verbittert /daß er ihn erwürgt hätte / weñ er nicht von dem verschmitzten Talemon durch Zusammenlesung der Steine wäre begütigt worden; Aus welchem dem grossen Uberwinder Hercules ein Altar gebauet werden solte. Sich klein machen und grosse Dinge ausrichten / wäre eine zweyfache Tapfferkeit / und eine sichere Schadloß-Bürgschafft. Marius hätte in diesem Absehen den Tempel der Ehre zu Rom so niedrig gebaut / als kein anderer sonst daselbst wäre. So demüthig solten nun alle seyn / welche nicht unwürdig in selbten gehen wolten. Die klugen Baumeister setzten die vollkommensten Seulen unten / die nur aus dem Gröbsten gearbeiteten in die Höhe; wormit ihre Ferne die Fehler /und das Urthel die Augen betrüge. Die Mäßigkeit des Gemüthes aber wäre das Kennzeichen einer durchgehends vollkommenen / und unauffgeputzten Tugend. Der stinckende Rauch des Ehrgeitzes führe mit Gewalt in die Höhe. Die reine Flamme der Hertzhafftigkeit brennte zu unterste. Die todten Leichen schwimmen auff dem Meere oben; Die von Perlen und Purpur reiche Muscheln aber blieben in dem Grunde liegen. In der kleinen Welt schwebte das Hertz unter der Lunge / und in der grossen die Sonne unter dem ungütigen Saturn; da doch beyde der Natur und dem Menschen das Leben / wie ein kluger Fürst seinem Volcke den Wohlstand gäben.

Fürst Zeno röthete sich über den ihm durch dieser Verachtung der Ruhmräthigkeit zuwachsendem Lobe / und sagte: Er hätte bey Eroberung[630] dieses Gebürges für sich selbst so wenig denckwürdiges begangen /daß er nicht so wohl aus einer so tieffsinnigen Klugheit / als aus Mangel der Verdienste seines Nahmens in gedachter Uberschrifft vergessen hätte. Weil er aber sich darinnen nach dem Maaße seines Unvermögens beschieden / hätte ihm das Glücke / welches denen insgemein den Rücken drehet / die seine Gutwilligkeit für eigene Weißheit verkauffen / den warhafften Preiß solcher Bemühung zugeworffen / nehmlich die Eroberung der drey Meil Weges grossen Haupt-Stadt Qvanchung oder Sigan / welche der zweyen Königlichen Geschlechter Chera und Tschina / und nun auch des drittern Hana Sitz gewest. Denn ob zwar diese mächtige und feste Stadt bey unserer unvermutheten Ankunfft zu den Waffen griff; die Einwohner auch weder durch die Bedräuung der Scythen / noch durch das traurige Beyspiel der durch Sturm übergangenen Stadt Hanchung zur Ubergabe sich bewegen lassen wolten; so fiel sie doch entweder durch Kleinmuth / oder durch übermäßige Vaterliebe durch Schwerdtschlag in unsere Hände; indem der darinnen sich befindende Unter-König mir selbst in Geheim des Nachtes die eine Stadt-Pforte öffnete / als ich gegen dem Königlichen Pallaste ein hohes Creutz aufrichten / und ihn bedräuen ließ / daß ich auff den Morgen seinen im Gebürge gefangenen Sohn daran nageln wolte. Hertzog Herrmann fing hierüber an zu ruffen: Ob er nicht auff den Morgen diesen verrätherischen Unter-König selbst ans Creutz geschlagen hätte? denn der / welcher wider sein eigenes Volck den Degen auszüge / setzte nicht nur ihm das Messer an die Gurgel / sondern auch der / welcher sein Geblüte oder sich selbst lieber als das Vaterland hätte; und nicht lieber mit dem redlichen Themistocles sich durch getrunckenes Ochsen-Blut auffopfferte / als er ihm etwas zu Leide thäte. Und ich weiß nicht / ob die unbarmhertzigen Mütter zu Carthago / die wider Feind und Pest ihre unmündige Kinder / derer sich auch die Feinde erbarmen / auff die glüenden Opffer-Tische geleget / und durch derselben Blut von den Göttern Friede zu kauffen vermeinet / um derer Leben man sie am andächtigsten anrufft; mehr ein grausamer Laster zu ihrer Artzney gebrauchet / als die / welche ein Kind zu erhalten ein gantzes Volck ins Verderben stürtzen. Uber diß zweiffele ich / daß es des Fürsten Zeno Ernst gewesen sey / einem unerschrockenen Helden wegen seiner Treue ein so blutiges Trauer-Spiel fürzubilden. Massen denn insgemein solche Dreuungen nur Versuchungen weibischer Gemüther /nicht beständige Entschlüssungen sind. Marcomir bekam einesmahls den Fürsten der Hermundurer gefangen; Ob er ihn nun schon auff eine Trauer-Bühne /da ihm der Hencker den Kopff für die Füsse legen solte / steigen ließ / vermochte er ihm doch keinen Befehl auszupressen / daß sich eine seiner Städte ergeben solte. Und wie diese Beständigkeit ihm damals nicht den Kopff verspielte; also gewan er zum Vortheil noch einen unsterblichen Nahmen bey der Nachwelt.

Zeno lächelte hierüber / und meldete: Er wäre niemahls der Tugend so feind gewest / daß er sie an seinem Feinde mit einer so ungerechten Rache hätte bestraffen sollen; hingegen wäre dieser kleinmüthige oder vielmehr verrätherische Stadthalter den seinigen ein Greuel / den Feinden eine Verachtung worden. Die Loßgebung aber seines Sohnes erwarb uns nicht alleine diese fast unzwingbare Stadt / sondern den von etlichen tausend Jahren gesammleten Königlichen Schatz zum Lösegelde. Ich bin nicht nur ohnmächtig den unschätzbaren Reichthum zu beschreiben / sondern meine Erzehlung würde auch denen Leichtgläubenden verdächtig fürkommen. Unter allen Schätzen aber wurden für den köstlichsten gehalten / zwey grosse sich nach Art des Monden-Steines nach dem[631] Zu- und Abnehmen dieses Gestirnes an der Farbe verändernde Perlen; welche deßhalben auch die Perlen des klaren Monden genennet werden / und von dem Könige Hiaovus bey dem Eylande Hytan in einem Fisch-Netze sollen gefangen worden seyn / nachdem er vorher auff Anleitung seines Traumes einen geangelten Fisch frey gelassen. Und in Warheit wer selbte Perlen gesehen / wird sie unzweiffelbar derselben / die Julius Cäsar seiner Buhlschafft Servilia des Brutus Mutter theuer erkaufft / und denen / welche König Porus an seinen Ohren getragen / welche die verschwenderische Cleopatra um den Antonius an Kostbarkeit zu übertreffen / im Eßige zerlassen eingeschluckt / fürziehen; und es dürffte selbte nicht nur Lucius Plancus einer noch reichern Königin aus den Händen reissen; sondern es würde der wollüstige Clodius / Esopens Sohn bey ihrem Anschauen sein und seiner Perlen-trinckenden Gäste üppigen Gaumen mäßigen. Rhemetalces setzte allhier bey: Ob er zwar auff die Eitelkeit der Perlen und Edelgesteine / welchen weder Nutz noch Nothdurfft / sondern allein die Verschwendung einen so hohen Preiß gesetzt hätte / indem die ihnen zugeschriebene Tugenden meist ertichtet / der Demant zu dem geringsten nütze / der so theure Bezoar in der Artzeney ein blosser Betrug wären / wenig hielte / so möchte er doch diese Perlen ihrer Farben Veränderung halber wohl sehen; wo es anders ohne Zauberey geschehe. Denn ob er wohl einen Türckis einst zu schauen kriegt / der bey seines Besitzers Tode erblasset / und mitten durch einen Ritz bekommen / bey Uberkommung eines neuen Herrn aber sich wieder gefärbet und ergäntzet hätte; und einem zu Rom / der eines Fürsten in Gallien gewest / so glaubte er doch nicht / daß solches aus naturlichen Ursachen geschehen sey. Nichts weniger wären ihm verdächtig zwey bey einer Fürstin aus Gallien gleichfals gesehene Diamanten / welche offt andere ihres gleichen geheckt /gleich als die Steine auch lebten / und sich durch Vermählung vermehrten.

Zeno begegnete ihm: Es wäre an diesen Perlen so wenig zauberisches / als an dem sich ebenfalls mit seinem zugeneigten Gestirne verwandelnden Monden-Steine; indem er mit dem leuchtenden Monden nicht nur leuchtete / sondern auch nach dem Ab- und Zunehmen seine gantze und halbe Gestalt abbildete /und denen bey den Serern häuffig wachsenden Rosen gleichte / welche alle Tage bald schneeweiß / bald Purpur-färbig sind. Uber diß findet man in diesem Reiche Xensi noch andere Steine / die sich mit dem Monden wie das Meer vergrössern und verminderen; wie auch in dem Reiche Kiamsi auff dem Berge Xangkiu einen Stein in Gestalt eines Menschen / der mit der Lufft seine Farben verwandelte / und die Veränderung des Gewitters ankündigte. Der Feld-Herr fing an: Ich bin wohl kein Götzen-Knecht todter Eitelkeiten; unterdessen halte ich diese zwey Perlen für ein Meisterstücke der Sonnen / ja auch des Monden /und glaube / daß nach derselben Fischung der Erdbodem mehr Reichthum besitze als das Meer / dessen Schätze sonst alle Köstligkeiten der Gebürge wegstechen sollen. Ich bilde mir auch ein / daß wenn die Indianer der alten und neuen Welt diese zwey Wunder-Perlen zu Gesichte bekämen / jene ihren Affen-Zahn /diese ihren Schmaragd unangebetet lassen würden /ob schon dieser die Grösse eines Strauß-Eyes haben soll.

Höret aber / fuhr Zeno fort / wie das Kriegs-Spiel auff der andern Seite mit den Serern verwandelt hatte; indem König Huhansien / als er seinem im Gebürge Poching befestigtem Feinde nicht beykommen[632] können / über den Fluß Sihan / und Yao gesetzt / daselbst sein ander Heer über den Saffran-Fluß an sich gezogen / und mit dieser schrecklichen Macht die Stadt Lieyao stürmender Hand / Thienxin aber die Begräbnüß-Stadt des grossen Fohius mit dräuen / welchem eben zu selber Zeit der Berg Xecu oder die steinerne Drommel genennt / zum Zeichen eines grossen bevorstehenden Ungemachs durch sein schrecklich Gethöne zu statten kam / eroberte / und als die Serer selbte zu entsetzen / wiewol zu spät / ankamen / selbige abermals aufs Haupt erlegte. Allhier erlangte der König Nachricht von der Ubergabe der Hauptstadt Quanchung; Daher ließ er die Königin Syrmanis mit dem grösten Theile des Heeres für die Stadt Ganti an dem Flusse King rücken / und zugleich denen flüchtigen Serern in den Eisen liegen; Er aber eilte nach der Stadt Fungziang an dem Flusse Ping / welche ihm die Schlüssel biß zu der Stadt Lung entgegen schickte /weil sich ihr gewöhnlicher Glücks-Vogel / den sie für den Arabischen Fenix halten / abermals hatte sehen lassen / und ihrer Auslegung nach unter dem Schirme Huhansiens ihnen grossen Wolstand verkündiget. Von dar kam er in wenig Tagen nach Quanchung /von dar ich inzwischen mich der Festungen Hoa und Jao / ja des gantzen Strichs biß an den Saffran-Fluß bemächtiget hatte. Er umarmte mich allhier mit grosser Vergnügung / ging auch mit mir nun nicht mehr als mit einem fremden Fürsten / sondern wie mit seinem Bruder um. Aus dem Königlichen Schatze hieß er mich nehmen / was mir gefällig wäre / der Königin Syrmanis aber / von welcher in etlichen Tagen die Eroberung der Stadt Gante berichtet ward / schickte er die zwey köstlichen Perlen oder Steine des hellen Monden / mit diesen Zeilen:


Nim diese Perlen an / du Perle dieser Welt /

Wächst und verfällt ihr Glantz gleich mit des Monden Kertze;

So zweiffle du doch nicht / daß mein getreues Hertze

Die Farbe kräfftiger als Stern und Perlen hält.


Folgenden Tag / als Huhansien nach Qvanchung kam / ward auch des in der Schlacht gebliebenen Königs Juen Leiche mit Serischem Gepränge dahin gebracht /nur daß die Scythen nicht / wie es sonst bey Beerdigung der Serischen Könige bräuchlich war / alle der Leiche begegnende Menschen / und andere Thiere ermordet hatten / gleich als wenn man durch so viel Tode dem Volcke ihre Könige so viel mehr zu beweinen Ursache geben wolte; In welchem Absehn der Jüdische Landvogt Herodes viel edle Leute nach seinem Absterben zu tödten im letzten Willen nicht unbillich verordnete / weil seine böse Thaten ihm schon wahrsagten / daß niemand seinetwegen ein Auge naß machen würde. Hertzog Herrmann fing an: Es ist diß eine abscheuliche Erfindung / das ohne diß unnütze und weibische Weinen über die Verstorbenen zu erwecken. Und sind gegen diese verdammte Anstalten noch dieselben Völcker / welche mit den sterbenden Herren Pferde und Knechte begraben; ja auch Alexander zu entschuldigen / welcher aus einer über Hephestions Tode empfundener Unlust seinen Artzt hencken / alle Pferde und Maul-Thiere bescheren / des Esculapius Tempel anzünden / das Ecbatanische Schloß verwüsten / vieler Städte Mauern umwerffen / und noch mehr Völcker ihm Thränen und Weyrauch opffern ließ. Zeno fuhr fort: so viel zu thun hätte Huhansien wol nicht Ursache gehabt; Weil aber die Serische Könige von undencklicher Zeit zu Quanchung ihr Begräbnüß in einem von eitel Cypreß-Holtze gebauten Tempel hatten / befahl Huhansien die kostbar eingebalsamte Leiche auffs allerprächtigste zu seinen Vorfahren zu begraben. Rhemetalces fing an: Es wäre einem Sieger nichts rühmlicher / als seinen gefangenen Feinden gütlich / und den Todten ihren letzten Dienst thun. Also hätten der grosse Alexander den Darius königlich / Anton den Brutus / Annibal den Marcell und Emilius stattlich beerdiget. Hingegen[633] würde Cambyses noch verschmäht / daß er des Amasis Leiche mit Ruthen peitschen / und wider der Egyptier Gewohnheit zu Asche brennen lassen. Ja / sagte Flavius / es wäre diß eines niedrigen / jenes eines edlen Gemüthes Merckmal. Denn auch die gerechteste Rache folte sich nicht über eines Feindes Tod erstrecken. Alleine mehrmahls brauchte die Heucheley die Einbalsamung der Leichen / die Auffrichtung herrlicher Ehren-Male / und die rühmlichsten Grabeschrifften zu Bedeckung des schwärtzesten Meuchelmords. Also hätte Herodes seinem ermordeten Schwager Aristobul / Antigonus der von ihm hingerichteten Cleopatra / des grossen Alexanders Schwester / ein prächtiges Begräbnüß ausgerichtet; eine Britannische Königin hätte eine Tonne Goldes zum Leichgepränge einer Caledonischen Fürstin hergegeben / und aus Marmel ein Ehren-Mal aufgebauet / welche sie doch selbst hätte enthäupten lassen. Hertzog Malovend versetzte: dessen wäre Huhansien nicht zu beschuldigen /weil er den König Juen als seinen Feind in öffentlicher Schlacht vermöge des Kriegs-Rechtes getödtet. Daß er auch das gantze Serische Reich zu zerreissen nicht im Schilde geführet hätte / erschiene daraus /weil er ihn in sein väterlich Grab legen lassen. Sintemal Perdiccas der Macedonischen Herrschafft alsbald das Leichenbret gestellt; weil man den grossen Alexander zu Alexandria / nicht aber in Macedonien begraben. Zeno antwortete: Die Serer wären hierinnen mehr als kein ander Volck abergläubisch / hätten sich also über die Gütigkeit des Königs Huhansien nicht genungsam verwundern können; Daher sie auch unter gemeinen Leuten / wenn sie nicht den gantzen Leib /zum wenigsten einen Zahn von der Leiche in seiner Ahnen Grab legten. Fürst Catumer fiel ein: Warum nicht / nach anderer Völcker Gewohnheit / das Hertze? Sind die Zähne bey den Serern die edelsten Glieder? Flavius antwortete: Bey der Beerdigung müssen sie / ich weiß nicht / ob darum / daß sie nicht leicht verfaulen / oder aus einem andern Geheimnüsse in grossem Ansehn seyn / weil zu Rom / und wo es sonst bräuchlich ist / die Leichen zu verbrennen / die Kinder / welche noch keine Zähne haben / dieser Flamme nicht gewürdiget werden. Zeno antwortete hierauf ferner: Huhansien hätte in allem andern bey der Königlichen Leiche die Serischen Gewohnheiten beobachten /insonderheit ihr eine köstliche Perle / wie die Egyptier eine güldene Müntze / unter die Zunge stecken / sie in einen gläsernen Sarch legen / und neben seines Vaters Grabmal in eine Jaspische Taffel / welchen Stein die Serer vor andern hoch halten / eingraben lassen:


Der als ein weiser Fůrst der Seren Stul betrat /

Durch seiner Diener Schuld in blutgen Krieg verfiel;

Der alles / was beym Sturm ein kluger Schiffer / that /

Doch durch sein Beyspiel lehrt: auch Tugend hab' ihr Ziel.

Den würdigste sein Feind / daß er hier Fůrstlich lieget.

Beweint ihr Seren euch / nicht seinen Tod und ihn /

Der die Unsterbligkeit erlangt hat zum Gewinn.

Zu dem ist er gefalln durch einer G \ttin Schwerd /

Die nichts erlegt / was nicht der Ewigkeit ist werth /

Und die Huhansien / den Sieger selbst besieget.


Diese Verehrung war am Huhansien so viel mehr zu rühmen / weil die Seren aus Beysorge / der erzürnte Feind würde mit der Königlichen Leiche schimpflich gebahren / sie mit so viel wiegendem Golde auszulösen erbötig waren. Welchen stinckenden Gewinn aber Huhansien großmüthig ausschlug / und für Schande hielt / mit der Schalen des menschlichen Leibes Gewerbe treiben / oder von dem etwas anhalten / den die Natur bereit ausgespannet hat. Eben denselbigen Tag kriegte der König von dem Serischen Fürsten Zinem Schreiben / darinnen er beklagte den zwischen den Serern und Scythen entsponnenen Krieg. Er entschuldigte dessen Ursachen so gut / als er konte / und / da auch König Juen sein Bruder hieran einige Schuld trüge / hätten so viel tausend Seelen / und er selbst es mit[634] seinem Leben gebüsset. Huhansiens Großmüthigkeit / und die Tugend der vergnüglichen Scythen versicherten ihn / daß sie mehr umb Ruhm / als aus Begierde fremde Länder einzunehmen die Waffen ergrieffen. Jenen hätte er über alle seine Vorfahren bereit erworben. Kriegsknechte suchten ihre Vergnügung am Siege / kluge Fürsten im Frieden. Die aber /welche den Frieden aus Liebe des Krieges störeten /legten ihn nur aus Begierde des Friedens nicht weg. Er kriegte für itzt mit einem sechsjährigen Kinde Ching / des Juens Sohne; Riesen aber hielten ihnen verkleinerlich mit Zwergen anzubinden. Er würde den Serern auch so viel Länder nicht abnehmen / als die Ohnmacht seines Feindes seinem erworbenen Ruhme Abbruch thun könte. Die Serer wären entschlossen den Scythen alles abzutreten / was der grosse Xius ihnen für langer Zeit abgenommen. Die gerechten Götter aber hätten für denen eine Abscheu / welche auf billiche Bedingungen denen Bittenden die Ruhe verweigerten / und unersättlich nach Menschen-Blute dürsteten / welches sie als die Oberherren der Fürsten von ihren Händen zu fordern hätten. Diesem Brieffe war beygefügt eine Vorbitt-Schrifft der friedliebenden Königin Syrmanis / und recht königliche Geschencke. Dieses bewegte den ohne diß nicht blutdürstigen Huhansien / daß er die Stadt Jengan in Xensi / weil sie für Zeiten den Scythen zugehört / zur Friedens-Handlung beliebte / auch mich und zwey andere Scythische Fürsten darzu vollmächtigte. Wir wurden daselbst aufs prächtigste bewillkommt / und nach zweyen Tagen auser der Stadt auf dem Berge Chingleang in eine ihnen überaus heilige und für einen Tempel der Eintracht gehaltene Höle / in welcher 10000. steinerne-von einem einigen in diese Einsamkeit sich verkrichenden Könige aufgerichtete Götzenbilder standen / begleitet; nach zehntägichter Unterhandlung auch der Friede derogestalt beschlossen / daß die beyden Reiche Suchuen und Xensi dem Könige Huhansien völlig und ewig verbleiben / dessen Bruder / der König in Tibet / des verstorbenen König Juens Schwester heyrathen / und hiermit alle zwischen beyden Völckern erwachsene alte und neue Ansprüche von Grund aus aufgehoben seyn solten.

Demnach nun dieser Friede von dem wiewol noch so jungen Könige / und denen obersten Reichs-Räthen beschworen werden solte; bat ich mir bey dem Scythischen Könige aus / die Botschafft dahin zu übernehmen. Also schiffte ich auf dem Strome Guei in den Saffran-Fluß / und von diesem biß zu der Stadt Pu in dem Reiche Xansi / allwo ich austrat das Gebürge Lie zu beschauen / auf welchem der fromme Akersmann Xuno / der hernach der Serer König worden / das Feld gebauet / darauf seiner Tugenden wegen seit derselben Zeit kein Dorn / kein Unkraut / noch einige schädliche Staude wachsen soll. Rhemetalces fragte alsofort: Ob er diß also wahr befunden? Denn auf solchen Fall hielte er es für ein ungemeines Wunderwerck. Zeno versetzte: das Wachsthum dieses Berges wäre allerdinges dem Ruffe gemäß; ob er aber für dem Könige Xuno was schädliches getragen / wäre mehr bedencklich. Der Feldherr fügte bey: Er hielte diß nicht für so unglaublich / nachdem es die ungezweiffelte Warheit wäre / daß die Frömmigkeit eines Fürsten einem gantzen Reiche Segen / sein Laster aber göttliche Straffe zuziehe. Dahero hätten die Egyptier ihren Königen alle böse und gute Begebungen / und also auch blosse Zufälle seiner Schuld beygemessen; die Massynecier ihr Oberhaupt / wenn etwas mißgelungen / einen Tag lang mit Entziehung der Lebensmittel gestraft. Bey welchem Verstande deñ dieselben Könige / welche sich Brüder der Sternẽ und Söhne der Soñen; oder auch / daß sie sich mit dem Monden vermischten / rühmeten / so sehr nicht zu verlachen wären; denn die Frömmigkeit wäre sicher ein Schlüssel zum Himmel; eine Meisterin der[635] Natur; eine Verbindung des Glückes / und der Sterblichen.

Der Fürst Zeno pflichtete dem Feldherrn bey / und vermeldete / daß die Serer fast alle Wolthaten der Natur / ihrer Könige Tugenden zueigneten / und hätte er auff dieser seiner Reise hierüber unzehlbare Merckmahle der Danckbarkeit an Marmel- und Ertzt-Säulen gefunden. Unter andern hätten sie ihm auch in der Landschafft Hanan / bey Vorbeysegelung des von ferne sich zeigenden Gebürges Tai nahe an der Stadt Honui / erzehlet / daß unter eben selbigem frommen Könige ein entzwey spaltender Felß eine Höle von drey hundert Mäß-Ruthen geöffnet hätte / daraus ein zehes Wasser flüsse / welches man in vielen Dingen nützlich für Oel brauchte. Auser diesen natürlichen /wäre diß Reich mit kunstreichen Wolthaten ihrer Könige durch und durch überfüllet. Die auf dieser seiner Schiffarth angemerckte Verwahrung des überaus grossen und schnellen Saffran-Flusses / da nehmlich alle seine Ufer auff flachem Lande / und insonderheit in dem viel niedriger liegendem Reiche Honan mit grossen viereckichten Werckstücken zu Beschirmung des sonst leicht ersauffenden Landes befestigt stünden /wäre ein rechtes Wunderwerck; zugeschweigen / daß dieser Strom vor Zeiten durch das Reich Pecheli gelauffen / und durch Kunst hieher geleitet worden. Nichts minder wäre der obersten Reichs-Räthe fürnehmste Sorge / entweder durch ein nützliches Gebäue oder eine kluge Erfindung dem Vaterlande ihr Gedächtnüß zu verlassen / daß sie ihrer anvertrauten Würde werth gewest. Unter diesen wäre für andern berühmt der für 1100. Jahren abgelebte Weltweise Cheucung / dessen Thurm zum Sternsehen nebst allerhand Mäßzeuge ihm allhier in Honan gezeugt worden. Diese Erfindung aber wäre ihm nimmermehr zu verdancken / daß er den Serern gewiesen / wie der Magnet sich gegen dem Mitternächtigen Angelsterne aus eben der Ursache / als die Sonnen-Wende sich der Sonnen zu wende / und also die darvon gemachte Weiser oder Magnet-Nadel einen klugen Wegweiser aller unbekandten Schiffarthen abgäbe. Welch Geheimnüß ihm der Steuermann vertrauet / und zu seiner Verwunderung gewiesen hätte. Hertzog Herrmann fragte aus Begierde dieses herrliche Mittel recht zu erforschen um alle Beschaffenheit; die ihm Zeno nicht allein umständlich auslegte / sondern denen Anwesenden auch einen bey sich habenden See-Compaß zeigte. Dieser gab ihnen nichts minder Vergnüg- als Verwunderung / und fing Rhemetalces an / daß dieser einigen Kunst wegen / da doch viel andere herrliche Eigenschafften in diesem Steine steckten / der Magnet allen Perlen und Edelgesteinen weit fürzuziehen wäre / der Erfinder aber eine güldene Ehren-Säule verdienet habe. Er hat sie verdient / sagte Zeno; zumal er seinen Landsleuten noch ein in der Landschafft Qvantung wachsendes Kraut gezeiget / aus dessen Knoten zu erkennen seyn soll / wie viel folgendes Jahr Sturmwinde / und um welche Monat-Zeit sie kommen würden; daher hat er sie auch erlangt. Denn mitten in dem Saffran-Flusse auf einer hohen Klippe stehet eine Marmel-Säule / und dieses Erfinders aus Ertzt gegossenes und vergoldetes Bild in Lebensgrösse / unten aber am Fusse ist zu lesen:


Ihr Sternen / die ihr sonst Wegweiser pflegt zu seyn /

Denn Schiffern durch den Schaum der ungebähnten Wässer;

Råumt euren güldnen Sitz nunmehr den Steinen ein /

Nun ein so klein Magnet zeigt alle Seefarth besser.

Ihr G \tter aber ihr / die ihr Belohner heist

Der Weißheit / die mit Nutz sich sehn läst auf der Erde.

Verg \ttert Cheucungs Seel' / und schaffet / daß sein Geist

Im Himmel ein Gestirn / im Meer ein Pharos werde.


Mich wundert derogestalt / fuhr Rhemetalces fort /daß dieses Geheimnüß allen andern Völckern / insonderheit denen tiefsinnigen Egyptiern / welche doch den Magnet als einen Gott verehret / so lange verborgen blieben / oder auch durch eigenes Nachdencken nicht ergrübelt worden[636] sey; also daß sie ihre Schiffarthen mit ihrer grossen Gefahr und Zeitverlierung immer an denen Ufern / und nach der allzu entfernten Richtschnur etlicher Sterne / oder aus dem Schiffe loßgelassener Vögel vollführen müsten. Der Feldherr fiel ein: Er wundere sich nicht von den Egyptiern /weil sie aus Verächtligkeit aller andern Völcker die Schiffarth auser ihrem Reiche verboten / und sich gleichsam aus einer Andacht gegen ihrem Nil / des Meeres gäntzlich / als eines vom Typhon herrührenden Schaumes / enteusert. Gleicherweise hätten auch die Serer sich aller fremden Völcker mit Fleiß entschlagen / und ihr einiges Reich für eine für sich selbst vollkommene Welt geachtet; aber aus den fernen Schiffarthen der Tyrier und Carthaginenser muthmaste er / daß sie diese Kunst auch gehabt / und wäre glaublich / daß der Magnet bey ihnen deßhalben dieser Krafft halber des Hercules Stein geheissen / welchen sie für den allgemeinen Wegweiser verehrten. Jedoch wäre diese Wissenschafft hernach auser Acht gelassen worden / und wie viel andere Künste der Alten in Vergessen kommen. Von den Friesen aber hätte er bereits etwas erzehlet / was mit dieser Kunst eine Verwandschafft hätte. Uber diß brauchten sie auf ihren Schiffen ein gewisses Eisen / welches in seiner Ader gegen Mittag gelegen / dasselbe bestrichen sie an der einen Seite mit dem Magnet; also wiese ihnen die sich bewegende Spitze iederzeit den Mittagsstrich. Es scheinet / sagte Zeno / beyderley Kunst aus einerley Nachdencken entsprungen zu seyn / ich aber bin erstaunet / wie gewiß der Steuermann auf diesem strengen Flusse auch bey stockfinsterer Nacht das Schiff geleitet / also / daß unsere Reise noch einst so geschwinde / als ich mir eingebildet hatte / von statten ging. Wir kamen also glücklich in die Landschafft Xantung / fuhren den Fluß Su hinauf zu der Stadt Sao uns zu erfrischen / und sodenn biß in den Pful Lui den aus einem Steinfels gemachten Drachen mit einem Menschen-Kopff in dessen Mitte zubeschauen / der /wenn man auf seinen Bauch schlägt / ein Gethöne wie der Donner von sich giebt / und deßhalben der Donner-Geist genennet wird. Von dar giengen wir zu Lande wieder in den Saffran-Fluß. Weil aber aus diesem biß in den Strom Guei eine tieffe und breite Wasserfarth gegraben / mit eitel geschnittenen Steinen besetzt / und mit zwantzig beqvemen Schleussen versehen ist; vermochte ich mich von der Beschauung nicht zu enthalten / theils aus Vorwitz / theils zum Unterrichte derogleichen vielleicht anderwerts darnach anzugeben. Wo der Wassergang in den Fluß Guei bey Lincing fällt / stehet ein achteckichter Thurm mit neun Umgängen / der von der Spitze biß zum Grunde neun hundert Ellen hoch / auswendig mit dem feinsten Porcellan inwendig mit Spiegelglattem Marmel bedeckt ist / oben aber einen küpffernen und starck vergoldeten Götzen stehen hat. Wir kehrten von Lincing über den Berg Minaxe / darauf eine Säule hundert Meß-Ruthen hoch steht / von dem geringsten Anrühren wie ein Drommel klingt / und von dar auff dem Flusse Mingto über die Haupt-Stadt Cinan meist durch flache mit Roßmarin / Hirschen / Rehen und Fasanen häuffig bedeckte Felder / endlich auf dem Flusse Ven / in die grosse Wasserfarth / und in den Saffran-Fluß zurücke. Auf diesem kamen wir mit gutem Winde zu der überaus grossen Handelstadt /Linchoai wo der Saffran-Fluß und der grosse Strom Hoai zusammen kommen / und durch einen Mund in das grosse Ost-Meer fallen. Von dar fuhren wir durch eine prächtig gegrabene / und mit eitel weissen viergeeckten Steinen besetzte Wasserfarth / 60. Stadien lang / bey dem grossen See Piexe vorbey zu der von dem Saltzhandel überaus reichen / und mit unzehlbaren Brücken / derer viel vier und zwantzig auch dreißig steinerne Bogen haben / versehenen Stadt Kiangtu; In welcher das schönste Frauenzimmer gefunden /[637] aber durch offentlichen Verkauff zur Geilheit ärgerlich entweihet wird. Biß hieher kamen mir zwey Reichs-Räthe entgegen / diese führten mich auff ein überaus prächtiges Schiff / welches mit der Vorderspitze einen schrecklichen Schlangen-Kopff / auf welchem ein vergoldeter Götze saß / unten aber viel lebendige Endten hiengen / mit dem Hintertheile einen langen Schlangenschwantz / an dem ein sich schwenckender Gauckler oben und unter dem Wasser allerhand Kurtzweil machte / das Mitteltheil aber mit grün- und gelbichten Schuppen einen Schlangen-Bauch abbildete. Uns bedeckte ein schneeweisses Dach; auf der Seiten waren goldgestückte Vorhänge fürgezogen / und an wol zwantzig hohen Säulen weheten unzehlbare seidene Fahnen / zwölf Bootsknechte warffen mit ihren nach Art der Löffel gehöleten Rudern das geschöpffte Wasser so behende hinter sich /daß das Schif wie ein Blitz bey denen gleichsam verschwindenden Ufern vorbey flog. Wir kamen also in weniger Zeit auff der noch immer währenden Farth in den überaus grossen Fluß Kiang / welcher wol den Nahmen eines Meer-Sohnes verdienet. Allhier fuhren wir strom-ab bey der grossen Stadt Changcheu auf die Insel Zingkiang / unter welcher dieser Fluß nun nicht mehr zu übersehen ist / und sich mit dem grossen Meere vermählet. An der eusersten Ecke ragen zwey Steinklippen aus dem Wasser / auff diesen zweyen stehet das Bild des Flusses Kiang / aus Ertzt / achzig Ellen hoch / also / daß zwischen denen zwey Schenckeln so gut / als durch den Rhodischen Sonnen-Colossus / welcher noch um zehn Ellen niedriger gewest / die Schiffe durchsegeln können. Dieses Wunderbild / gegen welches ohne diß der Apollonische Apollo /der Tarentinische Jupiter und Hercules für Zwerge zu achten / wird dardurch noch mehr vergrössert / daß es aus einem güldenen Kruge eine Bach süssen Wassers in das unten strömende Saltz-Wasser ausgeust / welches für so köstlich gehalten wird / daß darvon alle Tage dem Serischen Könige seine Nothdurfft zu dem gesunden Cha-Trancke aufgefangen / und nach Hoffe gebracht wird; weil im gantzen Reiche sich keines besser darzu schicken soll. Wie ich nun alles dieses /sagte Zeno / erstarrende ansah; erzehlte mir einer von den Reichs-Räthen / diß wäre gleichergestalt ein Werck des grossen Xius / der die lange Mauer gebauet hätte. Das herausschüssende süsse Wasser habe er aus einem starcken Qvelle auf dem Berge Hoei /den sie mir Sud-Ost-wärts von ferne zeigeten / steinernen Röhren biß in dieses Riesen-Bild / welches er iederzeit höher als die Mauer geschätzt / mit unglaublicher Müh und Unkosten geleitet. Weil man mich nun ohne diß dieses Wunder zu beschauen durch einen Umweg hieher geführet hatte / fuhren wir etliche mal unter diesem Bilde durch / endlich stiegen wir gar aus / und auff denen in den Felß gehauenen Staffeln empor; da ich denn unten an dem rechten Fusse diese aus dichtem Golde geetzte Uberschrifft zu lesen bekam:


Halt' allen Flůssen nicht ich Meer-Sohn das Gewicht?

Mein Wasserreicher Krug kan Länder überschwemmen /

Doch meinen strengen Strom kein Berg noch Felß umtämmen.

Wie kommt's denn / daß allhier das Wasser mir gebricht?

Bin ich getrocknet aus durch's heisse Sonnen-Licht?

Kan ein Medusen Kopff die flücht'gen Wellen hemmen?

Was weiß fůr Zauberey in Ertzt mich einzuklemmen?

Die Fluth wird ja wol Stein / zu Ertzte nirgends nicht.


Nein es ist's Xius Werck. Der mir hier Lufft verleiht /

Den můden Lauff benimmt den Blitz-geschwinden Füssen;

Mich trocknet / daß von mir solln keine Thrånen flůssen /

Mich anhålt; weil er auch den Zügel hemmt der Zeit /

Mein flůchtig Wesen bringt zu Stande / daß wir wissen:

Er k \nn' auch irrdisch Ding verkehrn in Ewigkeit.


Auf der andern Seite war an den in der ausgestreckten lincken Hand gehaltenen güldenen Wasser-Krug eingepräget:


Des Monden Thau-Horn tr \pfft ja Wasser in den Sand

Der Wolcken fruchtbar Schwamm befeuchtet Feld und Auen /

Man sieht aus Qvellen Oel / aus Stauden Balsam thauen /

Ja Feuer-Brunnen sind bey uns nicht unbekand.[638]

Die Berge speyen Pech und Schwefel übers Land /

Auch Wein brach einst herfür / wo man ließ Steine hauen

Hier aber ist im Meer' ein süsses Qvell zu schauen /

Und Wasser spritzt aus Ertzt / das Fluth nicht hegt / nur Brand.


Auch diß ist's Xius Werck. Ein frommer Fůrst / wie er /

Weiß nicht nur bitter Saltz in Zucker zu verkehren /

Er macht Artzney aus Gifft / mey't ab vom Unkraut' Aehren /

Bringt aus den Steinen Brod / aus Ertzte Wasser her /

Kehrt unversehrlich Gold in flüssendes Getråncke.

Ja Xius giebt fast mehr als die Natur Geschencke.


Als ich mich an diesem Wunder-Colossen fast müde gesehen / fuhren wir recht aus dem grossen Munde des Flusses Kiang gegen das grosse Ost-Meer / endlich aber lieffen wir Sudwärts in eine gegrabene Wasser-Farth / und bey Changxo in den Fluß Leu ein /welcher uns in die von dreyen süssen Strömen ohne die in den Fluß Kiang gegrabene Farth gleich als mit einem lustigen See gantz umgebene Hauptstadt Sucheu leitete; von welcher das Sprichwort ist: Was der Himmel ist oben / ist Sucheu auf Erden. Die Ringmauer hält wol fünf / die Vorstadt aber sieben deutsche Meilweges / ihr Reichthum die Menge der Schiffe und die von vielerley Völckern hier ausgeladene Wahren sind unbeschreiblich / gegen Ukiang hat sie eine Brücke mit 300. steinernen Bogen. Nach ihrer Beschauung fuhren wir über den grossen See Tai /und einen daraus geführten Graben biß in den Fluß Kiang / welcher daselbst zwischen zwey Himmelhohen Bergen / die man auch deßhalben des Himmels-Thor heist / sich durchreist. Wir schiften zwischen der aus einem einigen Felsen bestehenden Insel / und der schönen Stadt Tanyang durch / und kamen endlich bey dem Königlichen Haupt-Sitze Moling an / da eines der Königlichen Schiffe / welches über und über vergüldet / und mit Drachen aus zusammen gesetzten Perlen und Edelsteinen gezieret war / aus dem Flusse Kiang durch einen Arm in die Stadt führte / und in einem herrlichen Schlosse abladete. Diese Stadt kan man wegen ihrer Grösse / da nehmlich das königliche Schloß fast eine die innere Stadt sechs / die euserste 20. deutsche Meilen begreifft / ein Land / wegen ihrer vielen Einwohner einen Ameiß-Hauffen / wegen ihrer prächtigen Gebäue ein Wunder der Welt / wegen gesunder Lufft / anmuthiger Gärte / Seen und fast auf allen Gassen hinrauschender aus dem Flusse Kiang geleiteter und mit viel tausend marmelnen Brücken belegter Ströme / einen Lustgarten; wegen Reichthums / einen Begrieff des Erdbodems / wegen Höfligkeit und gelehrter Leute die hohe Schule der Weltweisen / und mit einem Worte mit besserm Rechte / als die Stadt Rom sich rühmet / ein Haupt der Welt / und eine Königin aller Städte nennen. Alle diese Herrligkeiten von oben zu beschauen stehet darinnen ein nichts minder wunder-würdiger überaus hoher Thurm / auswendig von den edelsten grünroth und gelben Porcellanen so künstlich zusammen gesetzt / daß er aus einem Stücke gebacken zu seyn scheinet. Er hat neun zierliche mit grünen Dächern überwölbte Umgange; an derer vielen Ecken eine grosse Anzahl silberner Glöcklein hangt / die vom Winde beweget ein überaus liebliches Gethöne machen. Auf der Spitze stehet ein grosser Granat-Apffel aus gediegenem Golde. Dieses Wunder soll gleichergestalt ein Werck des grossen Königs Xius seyn / und unten bey dem Eingange stehet über dem Porphyrenen Thürgerüste /in welchem das Thor aus dem auf der Serischen Insel Aynan wachsenden theueren Adler- oder Rosen-Holtze gemacht ist / in einer Agat-Taffel eingegraben:


Egypten bůcke dich und deine spitz'gen Thůrme /

Du hast nur schlechten Stein / ich Gold und Porcellan.

Doch / weil sie nur geweiht fůr Leichen / Stanck und Würme /

Sieht man sie gegen mir für Gräber billich an.

Nun aber Moling ist ein Himmel auf der Erden /

Ein Garten dieses Reich's / der Welt ihr Aug' und Zier /

Das Kleinod Asiens / muß ich genennet werden /

Sein Stern / sein Zederbaum / sein Apffel / sein Saphir.


Den dritten Tag / als man uns zwischen die fürnehmsten Seltzamkeiten der Stadt gewiesen / ward ich auf einer goldgestückten Senffte / welche 12. edle Serer trugen / über eine lange und breite Strasse / welche wie fast alle andere mit viereckichten[639] blauen Steinen belegt war / in das königliche Schloß / in das 12. eiserne Pforten gehen / getragen. Das Schloß ist rings um mit einer starcken marmelnen Mauer beschlossen /und an ieder eusersten Ecke ein Lustgarten. Bey ieder Pforte standen drey Elefanten / und in dem ersten Vorhoffe die Leibwache zu Pferde. In dem andern Hoffe / in dem man über einen schnellen Strom auf einer herrlichen Brücke und durch eine noch stärckere Mauer kommet / stand die Leibwache zu Fusse / und an einer Alabasternen Säule hiengen drey güldene Drachen / als das königliche Wapen / welchem sonst alle Gesandten so grosse Ehrerbietung als dem Könige selbst erzeigen müssen. Derogleichen mir aber nicht zugemuthet ward. Der dritte Platz / bey welchem mich zwey Reichs-Räthe bewillkommten / bildete einen vollkommenen Schauplatz zwischen denen um und um von Golde schimmernden Gebäuen ab; der Bodem war mit weiß und rothem Marmel gepflastert /und iede Reye mit einer Ziffer bezeichnet / weil allhier die Botschaften bey der Verhör ihren Sitz haben / und nach ihrer Würde weiter oder näher gegen dem königlichen Stule gestellet werden; wiewol keiner des Königs Antlitz zu schauen gewürdigt wird. Ich aber ward selbst unter den mit eitel Persischen Tapezereyen bedeckten / und um und um offenen Lust-Saal geführet / wo der junge König Ching saß / ein überaus schöner Knabe auf einem von eitel Diamanten sich schütternden Stuhle / an dem die Lehnen zwey Drachen-Köpffe / mit Rubinen versetzt waren. Drey Staffeln tieffer standen zwölf Reichs-Räthe in blau-sammtenen Röcken mit güldenen Drachen und Schlangen gestickt / wie steinerne Bilder gantz unbeweglich. Auf der zwey obersten Reichs-Räthe Brust war auff dem Kleide der Vogel Fam gestückt / der König aller Serischen Vogel / dessen Haupt zum Theil einem Pfauen- zum Theil einem Drachen-Kopfe / der Schwantz eines Hahnes gleichet; die Flügel sind von fünff der schönsten Farben vermischt. Er ist bey ihnen nicht nur ein Fürbild der fürnehmsten Tugenden / sondern auch / wenn selbter sich versteckt / ein Zeichen eines bevorstehenden Unglücks. Welche Freudentracht in der gantzen Königlichen Burg mich bey Andencken des für so weniger Zeit verstorbenen Königs Juen anfangs befremdete; biß ich erfuhr / daß der nicht allein den Todt verwürckte / der in Trauer-Kleidern in die Burg erschiene / sondern auch der König trauerte um keinen Menschen / gleich als wenn diese Schwachheit keinem Fürsten anständig / oder ein König mehr als ein Mensch über gemeine Empfindligkeiten erhoben wäre. Nichts minder legte auch das Volck nach des neuen Königs Krönung die Klage weg / die Jahr-Rechnung würde so wol als der alte Nahme des neuen Königes verändert / eine neue Art Müntze geschlagen / gleich als wenn nicht so wol ein neuer Herrscher auf den Stul / als ein neues Reich auf die Beine käme. Eben diese Gewohnheit habe ich hernach bey denen Indianern wahrgenommen / da niemand in ihrer blauen Trauer-Tracht für dem Könige erscheinen / ja den Tod nicht einst nennen darf. Mir war dem Könige recht gegen über ein von Rubinen gläntzender Stuhl / an welchem die Lehnen Wieder-Köpffe waren / (denn roth ist der Scythen Königs-Farbe / die Wieder ihr Wapen) gesetzt / zwey Staffeln hoch / und also saß ich nur um eine niedriger als der König / der bey meiner Ankunfft von dem Stuhle aufstand / biß ich auch zum sitzen kam. Nach dem ich meine Botschafft / welche an Glückwünschung zum Reich / und dem Frieden / wie auch an Versicherung auffrichtiger Freundschafft des Scythischen Königs bestand / abgelegt / antwortete mir der König mit einer wunder-würdigen Freymüthigkeit; erkundigte sich um den Zustand Huhansiens / und versicherte mich / daß wie er den geschlossenen Frieden aus Liebe seines Volckes / ungeachtet seines grossen Verlustes / genehm hätte[640] / und folgenden Tag beschweren würde; also wolte er nichts vergessen / was zu Huhansiens Vergnügen / und beyder Völcker Eintracht würde dienlich seyn. Hiermit endigte sich diese Verhör; auf den Morgen aber kamen abermals zwey Reichs-Räthe mit drey vergüldeten Drachen-Schiffen für das mir eingeräumte Schloß / und führten mich auf einem Arm aus dem Flusse Kiang Nord-Ostwerts für die Stadt in einen überaus grossen umbmauerten Tannen-Wald / in welchem ein hoher Berg / in dessen Steinfels eine herrliche Grufft gehauen / darinnen ebenfalls vieler alten Könige Leiber verwahrt werden / noch mehrer Bilder aber darinnen theils aus vergüldetem Ertzte / theils aus köstlichen Steinen aufgesetzt stehen. Unter diesen befand sich auch bereit des letztern von der Syrmanis erlegten Königs Juen Bild aus Alabaster / welches eine güldene Himmels-Kugel auf der lincken Achsel trug / an der die Sonne gleich an der West-Spitze stand / und also ihre Straalen theils auf die Ober- theils auf die Unter-Welt warff. An dem ertztenen Fusse stand eingeetzet:


Wer in dem Leben Gott zu dienen sich befleißt /

Fůrs Vaterland setzt auf Schweiß / Kräffte / Blut und Geist /

Der steht / wenn er gleich fällt / auf festem Fuß und Knichel.

Sein ihn verkleinernd Sarch wird sein Vergrösse-Glas /

Er ni t dem Neide 's Gift / der Zeit ihr Winckelmaß /

Dem Tode seinen Pfeil / der Eitelkeit die Sichel.


Bey denen / die uns gleich das Fußbret kehrn / behält

Die Tugend doch den Lauff / die Sonne dieser Welt;

Auch klimmt die Seel ins Licht / schmeltzt gleich der Gliede L \the.

Wenn Sonn' und Juen uns gleich scheint zu untergehn

Ist's doch ihr Anfang nur; und beyder Glantz bleibt stehn /

Ein gut Gedåchtnůß ist der Tugend Abend-R \the.


Diesen Begräbnüssen gegen über stehet auf einem lustigen und mit eitel fruchtbaren Bäumen / Blumen und Kräutern bedecktem Hügel / ein viereckichter /prächtiger und überaus grosser Tempel / welcher aus eitel Eben- und anderm köstlichem Holtz gebauet ist. Umb denselben herumb sihet man viel aus rothstreiffichtem Marmel-Steine der Sonne / dem Monden / den Bergen und Flüssen zu Ehren gebaute Altäre / aber ohne einiges Götzen-Bild. Auf ieder Seite recht gegen den vier Winden gehet eine breite Stiege in Tempel /da ieder Stuffen ein Marmel-Stein ist. Den Tempel theilen vier Reyen aus Spiegel-glatten Ceder-Bäumen aufgerichteten Pfeiler in fünf Gewölber / welche so dicke / daß sie zwey Männer nicht umbarmen können / und so hoch / daß ich nicht geglaubet hätte / es wären in der gantzen Welt so schön und gleiche Gewächse aufzufinden. Recht in der Mitten stehen zwey mit Edelgesteinen reichlich versetzte güldene Dracher-Stüle; auf derer einen sich der Serische König /nachdem er sich vorher in der Halle in einem alabasternen Spring-Brunnen gebadet hatte / setzte / und dem unsichtbaren Schöpfer / welcher den gegen über stehenden Stul zu besitzen geglaubt wird; wie auch dem Himmel / der Sonne und dem Monden durch Ausstreuung Goldes / Weyrauchs / und allerhand Feld-Früchte unter die armen Leute opferte. Hierauf nahm er das seidene Papier / darauf der Friedens-Vergleich geschrieben / und mit beyden Reichs-Siegeln bekräfftiget war / legte selbtes aufs Haupt / und hierauf streckte er beyde Hände aus / mit heller Stimme ruffende: Himmel / Sonne und Monde seyd / Zeugen und Rächer dieses von mir beliebten Frieden-Schlusses. Euer Licht leuchte dem / der ihn bewahret / und lesche meines aus / so bald ich hiervon eines Nagels breit weiche. Als diß vollbracht / gab er den Frieden-Schluß einem seiner Reichs-Räthe / umb selbten mir /der ich ein wenig auf der Seite einen köstlichen Stul besaß / einzuhändigen. Nach diesem ward ich in einen andern / aber viel kleinern Tempel geleitet / worein mir die zwölff obersten Reichs-Räthe folgten. In der Mitte stand der aus Ertzt gegossene Wasser-Brunn Lothus / auf dessen ausgebreiteter Blume saß in einer ernsthaften[641] Frauen-Gestalt die Göttin Puße aus überaus wohlrüchendem Calambi-Holtze gemacht / das in den Landschafften Inunan und Chiamsi auf den allerhöchsten Steinklippen wächst. Ihr Rock war oben blau und feuerfarbicht / unten aber grün und weiß; von welchem aber allerhand mit Blumen und Sternen gestückte Binden hin und her flatterten. Das Haupt und die Schläffe waren mit allerhand Früchten beschattet. Aus ieglicher Seite gingen acht Armen / welche Schwerdter / Spiesse / Kräuter / Räder / Flaschen / Bücher / und andere mir unkenntliche Zierrathen in Händen hielten. Für diesem Bilde fielen die Reichs-Räthe nieder / und beschwuren gleichfalls den Frieden / sich dieser Göttin Hülffe entäusernde / da sie selbtem iemals widerkommen würden. Diese erzehlten mir von diesem Abgotte allerhand seltzame Geschichte / insonderheit daß sie vom Himmel auf Erden kommen / von einer genossenen Frucht schwanger worden wäre / und einen fürtrefflichen Sohn gebohren hätte /dessen Nachkommen das Serische Reich 1600. Jahr glücklich beherrschet hätten. In dem grossen Reiche Zipangri / welches als eine Halb-Insel in dẽ grossen Welt-Meere noch weiter gegen Morgen liegt / gegen Nord aber an dem äusersten Ecke des Scythischen Reiches henckt / würde diese Göttin / wiewohl in Gestalt eines mit der Sonne bekleideten schönen Antlitzes verehrt / welches im Wasser über zusammen gefügten Kirsch-Stämmen / schwartzen Elefanten-Zähnen und güldenen Blumen auf einer Muschel stünde /und mit Abschlachtung eines Bocks versöhnt würde. Kurtz zu melden: Es scheinet mir hierdurch der Egyptier viel-gebrüstete Isis und die durch unsere Cybele abgebildete Zeuge-Mutter die gütige Natur fürgestellet zu seyn. Nach dem nun derogestalt der Friede bestätigt war / ließ der König mir folgenden Tag unter dem Schein einer sonderbaren Höfligkeit die Abschieds-Verhör selbst andeuten. Sintemal die arggedencklichen Serer denen Ausländern schwer ihre Einkunft / noch schwerer aber langen Aufenthalt erlauben. Nach meinem Abschiede brachten mir die Königlichen Trabanten die dem Huhansien besti ten Geschencke / welches nebst köstlichen Edelgesteinen / darunter einer / der in des Serischen Feinxes oder des Vogels Fum Neste / auf dem Berge Fungsao gefunden worden / für unschätzbar gehalten wird / an allerhand seltzamen Thierẽ und Gewächsen bestand. Darunter waren die fürnehmsten ein wohlrüchender Hirsch aus der Landschaft Yuñan / aus dessen Nabel der Musch geschnitten wird / etliche rechte Schaf-Wolle tragende Hüner / der schöne Vogel Fum / und der oben schon beschriebene fremde Wunder-Vogel /welchen man Kanib hieß. Auch waren hierbey eine Kiste knorpelne Vogel-Nester / welche auf dem felsichten Gestade der Landschafft Tungking / und der Insel Aynan aus einem von ihnen selbst ausgespeytem Talcke bereitet / und für die niedlichste Speise gessen werden. Unter denen Gewächsen waren etliche seltzame Rosen-Sträuche / etliche junge Stauden / woraus die Bäume in Quangsi wachsen / die statt des Kernes köstliches Brodt-Meel haben; das tausend Jahr tauernde Kraut Pusu aus Huquang / welches alte Leute zu verjüngern / und die unserm Alrau fast ähnliche Wurzel Ginseng aus Leabtung / welches denen Halb-Todten noch eine empfindliche Lebens-Krafft zu geben mächtig seyn soll; nichts minder das Kraut Yu aus Fokiẽ / welches wie Seide gewebt / aber viel köstlicher gehaltẽ wird. Uber diß war eine Schachtel voll des Krautes Quei / das alsofort die Traurigkeit vertreibet; und etliche Kisten von dem besten Trinck-Kraute Snuglocha / das in Kiangnan bey der Stadt Hoeicheu wächst / und wider den Stein / die Gicht und Schlafsucht eine unvergleichliche Artzney ist; endlich so viel der gelben Winter-Wurtzel Rheubarbara / die in rothẽ Leime an der grossen Mauer am besten gezeugt wird. Alles dieses ließ ich auf dem Strome Kiang in der[642] Königin Syrmanis Reich Suchuen führen. Ich selbst war gemeynet diesen geraden Weg auf dem westlichen Arme des Flusses Kiang über die reiche Stadt Nanling / und den Schlüssel dreyer Länder Gangking / wie auch über die Schiff- und Zoll-reiche Stadt Juchang in dem Lande Kiangsi / wo die köstlichstẽ Porcellanen aus der in Kiangnan gegrabenen Erde gemacht werden / zurück zu kehren. Ich kriegte aber für meinem Aufbruche vom Könige Huhansien einen Edelmann mit Schreiben und Nachricht: daß Huhansien und Syrmanis zu Befestigung ihres in Suchuen und Xensi aufgerichteten neuen Reiches die dem Pöfel zeither in denen eroberten Städtẽ mitzukommende Gewalt alleine dem der Scythischẽ Herrschafft mehr anständigẽ Adel zugeeignet; die Zahl derer Obrigkeitlichen Personen vermindert / hingegen auf dem Lande die Ackers-Leute mit neuen Freyheiten versehen / die unverschrenckte Gewalt ihrer Herrschafft in viel Wege geschmälert / die alten Schatzungen auf die Helffte abgesetzt / einen eingebohrnen aber vom Könige Juen nicht allein verjagten / sondern auch durch seines Vaters schmähliche Hinrichtung biß in die innerste Seele beleidigten / vom Volcke aber beliebten Fürsten aus Suchuen daselbst zum Unter-Könige bestellt; die grausamen vorhin gewöhnlichen Straffen durch offentliche Gesetze gelindert /die Richter-Stüle mit redlichen und dem Geitze gehässigen Leuten besetzt / alle wohl-verdienten Königlich belohnet / zu Einführung des Scythischen Gottes-Dienstes fromme Geistlichen und Lehrmeister bestellt / hierbey aller gleichwohl die Gewissens-Freyheit ungekränckt zu lassen befohlen / keine Verbrechẽ nachzusehen / die Grossen aber nach ihrem Maaß vorsichtig zu straffen verordnet / die Scythische Sprache und Ritter-Spiele in Ubung bracht; viel tausend Scythische Bauern aus den sändichten Wüsteneyen in die neuen Länder vermenget / denen Serern / die Scythische / und denen Scythen / die Serische Weiber heyratheten / unterschiedene Vortheil ausgesetzt /auch endlich die Gräntz-Festungen mit starcken Scythischen Besatzungen versehen hätte. Nach dieser klugen Reichs-Verfassung wären Huhansien und Syrmanis mit dem grösten Theile ihres Kriegesheeres durch Suchuen / und das Serische Reich Jungchang / über das Gold-reiche Gebürge Kinhoa / auf welchem der eine Gipfel gediegenes Gold seyn soll / und die Flüsse Lansang / Lukiang und Pinglang gegen das Reich des grossen Königs Pirimals gezogen / welcher / von Taprobana an / alles was zwischen dem Flusse Indus /Ganges und Coßmin lieget / unter seine Gewalt gebracht / also hierauf den gemeinen Nahmen der Indischen Könige Porus angenommen / und endlich über den Fluß Oxus in Sogdiana einen Einfall gethan hätte. Dahin solte ich ihm geraden Weges folgen / und weil er aus dem Reiche Xensi und Tibet ein absonderes Kriegsheer an dem See Tache sich zusammen zu ziehen befohlen / solte ich daselbst gegen dem Feinde einzubrechen trachten. Uber diesen Reden ward in des Fürsten Zeno Vorgemache die Taffel abermals gedeckt; da denn diese annehmliche Versa lung vom Feldherrn zu Einnehmung der Abend-Mahlzeit ermahnet ward; wormit ihr krancker Geschicht-Erzehler zugleich ein wenig verblasen möchte.

Die Mahlzeit ward zwar aus Begierde das übrige zu vernehmen kurtz abgebrochen / allein die darzu kommenden Aertzte wolten dem noch schwachen Fürstẽ Zeno selbigen Tag nicht erlauben / sich mit ferneren Reden abzumatten. Also ward dieser und anderer Hindernisse halber seine Erzehlung biß nach Mittage folgenden Tages verschoben. Wie sie sich nun alle beym Zeno wieder eingefunden; fing dieser an: Nach erlangtem Befehl des Scythischen Königs eilte ich auf denen bequemen Wasser-Fahrten über[643] die reiche Handel-Stadt Uching an dem See Tai zu der herrlichen Haupt-Stadt und dem unschätzbaren Lustgarten Chekiang / an dem über eine deutsche Meile breiten Flusse Cienthang / welcher sich darunter mit grossem Ungestüme ins Meer stürtzt. Ich kam mitten im Wein-Monat dahin / und sahe mit Erstaunung / wie das Meer seiner Gewohnheit nach umb diese Zeit durch den Trieb des Monden und Gestirnes den Strom mit grausamen Wellen als Berge aufschwellete / und die grosse Menge der als / güldne Palläste auf dem Flusse sonst liegender Schiffe in die inneren Wasser-Armen /und den an der Stadt liegenden Crystallen-hellen See Sichu trieb / über welchen etliche tausend steinerne Brücken und prächtige Siegs-Bogen zu zehlen sind. Sie weicht an Grösse fast keiner Stadt; die Strassen sind alle mit viereckichten Steinen besetzt / und nach der Reye mit fruchtbaren Bäumen beschattet. Die Menge des Volckes ist daher zu ermässen: daß darinnen sechzig tausend Seiden-Weber wohnen / und alle Tage zehn tausend Säcke Reyß / derer ieder hundert Menschen vergnüget / verspeiset werden. Von dieser Stadt segelte ich mit gutem Winde den Fluß Che hinauf biß an die Stadt Sintu / bey welcher der berühmte Serische Weltweise Niensulin auf dem Berge Fuchung heimlich aufgehalten / und vom Fischen sich ernähret / umb denen ihm angemutheten hohen Reichs-Aemptern aus dem Wege zu treten; dahin aber der König nach seiner Ausspürung gefolgt / und sich eine Zeitlang neben ihm auf seinen härenen Kutzen beholffen hatte. So vergällt war fürzeiten die Ehrsucht / und so beliebt die Weißheit! Hier muste ich durch das bergichte Land / welches sich von dem Gebürge Kiming und Kinhoa abzeucht / auf dem der Liebes- und Kriegs-Stern umb die daselbst wachsende überaus wohl und viel edler als unsere Jasminen rüchende Blume Mogorin gestritten haben soll / und da auf gewissen Bäumen der beste Talg zu weissen Lichtern /und zugleich Oel in die Ampeln wächst / zu Pferde fortreisen. Ich kan hierbey nicht verschweigen: daß als ich mich auf dem Berge Kutien bey Kaihoa /wegen überfallender Nacht / zur Ruhe legen muste; mit dem Tage erwachende meine Glieder häuffig mit Schlangen umbschrenckt / und sieben Tieger spielende umb mich sahe. Ich sprang für Schrecken auf / und rieff meinen in gleicher Gefahr schwebenden Geferthen; alleine der hierüber erwachende Königliche Postmeister benahm uns alsobald zu unserer Verwunderung alle Furcht / mich versichernde: daß auf diesem Berge alle Schlangen ihr Gifft / und die hitzigsten Tyger ihren Grimm verlieren. Nach diesem setzte ich mich unter Joxan auf den Fluß Yo / und fuhr Strom-ab biß nach Quecki an den Drachen- und Tyger-Berg Lunghu / und ging zu Lande über den Berg Yangkiu / auf dem ein mit der Lufft die Farbe veränderndes und das künftige Wetter andeutendes Menschen-Bild stehet / auf die lustige Stadt Vucheu. Hier fuhr ich auf dem lincken Arme des so klaren Flusses Lienfan / daß man sein Wasser wegen seiner unveränderlichen Art zu Stunden-Gläsern braucht / in den grossen und felsichten Strom Can in Kiangsi. Von dar ward das Schiff den Strom hinauf durch abgewechselte Pferde Tag und Nacht mit grosser Behendigkeit gezogen. Derogestalt kam ich nach Linkiang /Vannungam / bey welcher Stadt überaus künstliche Stein-Klippen und Leim und Thon durch Kunst ge macht in die Lufft empor ragen; und endlich umb Mitternacht zu der herrlichen Stadt Changkan / die wir im finstern ziemlich weit von ferne aus dem darbey liegenden Berge Tiencho erkieseten; weil des[644] Nachts darauff ein den glüenden Kohlen gleiches Feuer gesehen wird / welches die einfältigen Einwohner für seltzame Schlangen oder Spinnen halten. Bey dieser Stadt gingen wir über die von hundert und dreißig Schiffen bestehende / und mit eisernen Ketten befestigte Brücke / und so denn auff dem Flusse Chang nach Nangan. Allhier musten wir über das schwere Gebürge / welches das Land Kiangsi von Qvantung trennet / vorhin das Königreich Nanive geheissen /und vom Könige Hiaovus erobert worden. Wir setzten uns aber bey der ersten Stadt Hiungheu auff den Fluß Chin / fuhren stromab / und kriegten daselbst eine lustige Landschafft / auff welcher viel hohe Steinklippen gerade hinauff wie Seulen gewachsen waren /nicht minder das seltzame Gebürge der fünff Pferdeköpffe ins Gesichte. Bey der schönen Stadt Xaocheu /wo der Fluß Chin und Vu zusammen fließen / schifften wir vorbey / und kamen durch das alles Augenmaß übersteigende Gebürge Sangwonhab / welches dieser Strom durchschneidet / und auff dem Holtze /so harte und schwer wie Eisen wächst / endlich in die Wunder-Stadt Ovangcheu / wo der Fluß Chin und Ta in das grosse Sud-Meer fällt. Diese vier deutsche Meilen grosse Stadt ist auff der einen Seite mit dem breiten Strome / einer zweyfachen Mauer / und zwey Wasser-Festungen / auff den andern Seiten in einem halben Zirckel mit Mauern / fünff Schlössern und hohen Bergen verwahret / mit köstlichen Tempeln /Palästen auch Marmelnen Siegs-Bogen geschmückt /und durch grosse Kauffmannschafft und Schiffarth bereichert. Nachdem ich hie einen Tag ausgeruhet /schiffte ich auff dem Flusse Ta gegen Abend / kam in die herrliche Stadt Nanhai / um welche das wohlrüchende und von der Natur so schön gemahlte Adler-Holtz wächst / in das Land Qvangsi zu der viel beströmten und von den Meelbäumen Qvanglang berühmten Stadt Kiaocheu. Dieses Landes Haupt-Stadt ist Queilni / bey welchem sieben Berge den Stand des gestirnten grossen Bären eigentlich darstellen. Von Nanhai ließ ich das Schiff abermals mit Pferden nach der Stadt Qveping ziehen / in welcher Gegend wir etliche gehörnte Thiere / derer Bein auch das Helffenbein übertrifft / zur Erlustigung durch ausgestreutes Saltz fingen; sintemahl dieses unvernünfftige Fürbild der an der verderblichen Wollust klebenden Menschen lieber die Freyheit und das Leben / als das ihm so wohl schmeckende Saltz einbüßet. Auff diese Art kam ich auch nach Yolin / ja auff den Flüssen Luon und Puon in das Reich Inunan. Dieses grosse Land gehörte für Zeiten zu dem Königreiche Mung / oder Nanchao / welches zwar vom Könige Xius bemeistert ward / kurtz hernach aber wieder abfiel. Als aber desselbten König Sinulo sein Volck / zu Zeiten des Serischen Königs Hiaouv / in sein Gebiete unterschiedene Einfälle thun / und Raub holen ließ / Hiaouv aber sich durch Gesandschafft hierüber beschwerte / entblößte Sinulo seine Sebel / und hieb darmit sechs Füsse tieff in einen Stein / welcher nah bey der Stadt Chinkiang /da ich zum ersten ankam / zu sehen ist / mit beygesetzten Worten: gehet und sagt eurem Könige / was wir für Schwerdter haben. Hierüber ward Hiaouv sehr erbittert / brach daher mit einem außerlesenen Heere unter seinem Feldhauptmann Tangsienyo allhier ein /erschlug den König Sinulo mit zwey hundert tausend Indianern bey der kleinen Stadt Chao / derer Beerdigung man noch auff dem Berge Fungy zeiget. Also fielen des Sinulo sämtliche Länder Tibet / Laos / Necbal / Aracan / biß wo der Fluß Caßmin in den Gangetischen Seebusem fällt / in der Serer Gewalt / ja sie verfolgten ihren Sieg biß gar an den Fluß Ganges. Diesemnach ging ich von Chingkiang zu der reichen und lustigen Haupt-Stadt Inunan / an dem grossen See Tien / die ihr Eroberer König[645] Hiaov ergrösserte /als er daselbst aus seltzamer Veränderung etlicher vielfärbichter Wolcken ihm sein künfftig Glück wahrsagte. Von hier nahm ich meinen Weg zu der Stadt Yecheu an dem grossen Strome Mossale / welche Stadt / ehe sie Hiaouv eroberte / unter den Königen des Reiches Mung zu dem Volcke Kinchi mit den vergüldeten Zähnen gehörte. Massen die Einwohner noch jährlich einen zehn Meßruthen hohen Stein bey Nangan über und über mit Golde / von dem viel Berge und Flüsse allhier angefüllet sind / überdecken und anbeten. Allhier erfuhr ich / daß König Huhansien mit seinem Heere schon über die Flüsse Lanßang / Lukiang / und Pinglang kommen / und dem gegen Bactriana mit seiner Heeres-Krafft stehenden Könige Pirimal recht ins Hertze gegangen wäre; wie auch / daß um den See Tache sich das bestimmte Scythische Kriegs-Heer versammlete / welches ich führen solte. Westhalben denn auch der Serische Unter-König nicht so wol aus Liebe gegen den Scythen / und des neuen Verbindnißes / als ihre zwey geschworne Feinde die Scythen und Indianer zu ihrem Vortheil an einander zu hetzen / und also aus ihrer Abschwächung sich zu verstärcken / uns den Durchzug durch ihr Gebiete willig erlaubten / mir zu Ubersetzung der Flüsse und Unterhaltung des Kriegsheers / Schiffe / Reiß / Waffen und Geld anboten. Sintemahl keine verschmitztere Kriegs-List ist / als durch unsern Vorschub den Feind von unsern Gräntzen abhalten / und durch fremde Schwerdter ihm die Gurgel abschneiden; Daher die Spartaner in solchem Falle dem Kriegs-Gotte einen Ochsen / wenn sie aber dem Feinde eine Schlacht abgewonnen / nur einen Hahn zu opffern pflegten. Mit diesem mir dienlichen Vorschube / und einer ziemlichen Anzahl des freywilligen Adels aus Inunan / welche unter den Scythischen Fahnen wider die Indianer ihr Heil versuchen / oder vielmehr jener Kriegs-Art begreiffen wolten / kam ich zu der vom Könige des Reichs Mung Nanchao erbauten Stadt Inseng / und über die darbey aus lauter eisernen Ketten zusammen geheffteten Brücke / 140. Mäß-Ruthen lang / biß zu der vom Könige Sinulo gebauten Stadt Mungre / welcher Gegend und Lufft von dem überflüßigen Bisame gleichsam eingebalsamt / und von denen zwey Bergen Fughoang / auff dem jährlich viel tausend Vögel ihren daselbst gestorbenen Fenix zu beklagen sich versammlen sollen / und von dem Felsen Tienul / der wegen seines überaus zarten Widerschalls das Ohr des Himmels genennet wird / in der Welt berühmt ist. Bey der Haupt-Stadt des Hertzogthums Yecheu / welche Hiaouv nach diesem eroberten Indien daselbst /wo der Fluß Putoa in den See Siul fleust / in Grund legte / begegnete mir Ulassa ein Scythischer Feld-Oberster / mit Bericht / daß das Scythische Kriegs-Heer auff etlich tausend von den Serern hergegebenen Schiffen den Strom Lukiang herunter käme / und bey der in währendem Scythen-Kriege von den Serern abgefallenen Stadt Jungchang auszusteigen gedächten. Ich fuhr also den Fluß He schleunig herunter in den Strom Lanßang / und traff endlich das gantze Heer in bester Verfassung unter dem Gebürge Ganlo an / auff welchem zwey starcke Qvelle aus einem zweyen Nasenlöchern gleich gebildeten Felsen entspringen. Ich machte alsobald Anstalt die grosse und feste Stadt Junchang / welche für Zeiten zu dem mächtigen Königreiche Gailao gehöret / und Pugnei geheissen / zu beschlüssen / und an dem Flusse Lukiang durch eine Schiffbrücke zu verhindern / daß ihr aus selbtem über den daranstossenden See Cinghoa keine Hülffe zukäme. Weil aber diese Gräntz-Stadt starck besetzt /die von den nunmehr mit den Scythen verglichenen Serern abgefallene Bürgerschaft wegen besorglicher schweren Strafe gantz verzweiffelt war / sonderlich /da sie so viel Serer in dem Scythischen Lager warnahmen; ließ die[646] Belägerung sich schwer an. Die Mauren waren sechtzig Ellenbogen hoch / und noch mit tieffen Graben umgeben; also / daß / ob wir wol diese mit Reisicht / Säcken und Erde füllten / wegen der Uberhöhung mit denen auff Waltzen beweglichen Sturm-Thürmen / und Fallbrücken wenig auszurichten war; und dieselben / welche wir auch endlich so hoch machten / wurden durch unauffhörliches Feuer-Einwerffen zernichtet / ob wir sie schon vorwärts mit eisernen Platten / oben aber mit rohen Ochsen-Ledern bedeckten. So schafften auch die eisernen Widderköpffe an denen Stahl-festen Steinen der Mauer nicht viel; und wo sie auch irgendswo Schaden thun wolten / liessen sie von der Mauer Stroh- und Woll-Säcke in den Stoß fallen / um selbten zu schwächen / oder sie zerdrümmerten die Stoß-Böcke mit herunter geworffenen Steinen / etliche fingen sie auch mit grossen Seilen und Schlingen auff / daß sie ohne grossen Verlust nicht konten zurück gezogen werden. Dieser hertzhaffte Widerstand verbitterte die Serer mehr als mich; also brachten sie zu wege / daß der Unter-König mir von Mungre drey grosse aus Metall gegossene Röhren ins Läger schickte / mit erfahrnen Leuten / welche in selbten einen aus Schwefel / Salpeter und Kohlen vermengten Staub fülleten / und durch desselbte Entzündung eiserne Kugeln eines Kopffs groß mit einem donnernden Krachen so hefftig an die Mauern schleuderten / daß selbte endlich bersten und zerfallen musten. Die Belägerten / welche dieses mir überaus seltzame Geschütze bey den Serern vorher mehrmahls gesehen / müheten sich zwar die Löcher mit Steinen und Balcken zu ergäntzen / oder mit innwendigen Abschnitten uns zu begegnen; endlich aber ging die Stadt um Mitternacht durch Sturm über / und es war mir unmöglich zu erwehren / daß nicht alles von der Schärffe der Scythischen Sebeln niedergehauen / und die Stadt von denen rachgierigen Serern in die Asche gelegt ward. Ich räumte diese von Blut und Feuer verstellte / dem Scythischen Reiche aber wegen Entlegenheit ohne diß wenig nütze Stadt dem Serischen Unter-Könige ein / mit der Andeutung: Ich wäre von Huhansien befehlicht / den Serern alles / diß was ihnen die Indianer vom Flusse Pinglang und Knixa als ihrer vorigen vom Könige Hiaouv erstreckten Reichs-Gräntze abgenommen hätten / alsofort abzutreten. Diese Erklärung verband mir nicht allein die Gemüther zu noch mehrerm Vorschube; sondern ich hatte auch in weniger Zeit so viel Serische Hülffs-Völcker im Läger / daß ich ein Theil derselben zurück senden muste / um nicht selbst die Scythen an der Zahl zu überwachsen. Wormit aber diese etwas zu thun bekämen / und die Indianer an vielen Orten zur Gegenwehr sich zu zertheilen genöthigt würden / rieth ich diesem Uberschusse den Strom Lukiang / der wegen seiner Grösse die Mutter der Wässer genennet wird / hinunter zu schiffen / und / wo selbter ins Sud-Meer fällt / sich der an dem Munde liegenden grossen Stadt Siam / in welcher Gebiete jährlich mehr als anderthalb hundert tausend Hirschen geschlagen werden / zu bemeistern; darzu ich ihnen denn etliche verständige Scythen zu ihrer Anführung verlieh. Mit meinem Heere aber setzte ich über den Fluß Lukiang / und fuhr ohne einigen Widerstand auff dem Strome Xinchuen / biß wo er sich mit dem Flusse Pinglang vermählet; daselbst stieg ich aus / und belägerte zu Wasser und Lande die vom Könige Hiaouv erbaute / vom Könige Pirimal aber eingenommene Gräntz-Festung Mien. Ich hatte diese Stadt durch die Sturm-Böcke und das ertztene Geschütze schon so weit gebracht /daß die Belägerten durch das traurige Beyspiel der Stadt Jungchang von der Ubergabe handelten / als ich Kundschafft kriegte / daß der Unter-König in der güldenen Halb-Insel Malacca die Serer bey Siam auch geschlagen hätte / die in Aracam / Ava / Cosmin und[647] Bacan aber mit einem mächtigen Heere / Mien zu entsetzen / im Anzuge wären. Ich ward also genöthigt ein Theil des Heeres bey der Belägerung zu lassen / das gröste aber des Nachts in aller Stille gegen den ankommenden Feind zu führen / ob schon die Zeit / da der Fluß Pinglang sich wie der Nil über sein Gestade ergeust / für der Thür war; Ein des Landes wohl erfahrner Serer aber wieß mich so glücklich an / daß ich den fast zweyfach stärckern /und mit vielen zum Streit abgerichteten Elephanten ausgerüsteten Feind bey auffgehender Sonne / als selbter sich gleich nach durchreiseter Nacht zur Ruhe begeben hatte / in voller Sicherheit überfiel / den meisten Elefanten durch etliche in Indianische Tracht verkleidete Waghälse die Schnautzen mit langen Beilen abhauen ließ / worvon diese und die andern sich umkehrten und auff die Indianer / als ihre vermeinte Feinde wüteten / das gantze Lager in Schrecken / die in Eil geschlossenen Hauffen in Unordnung setzten / und mir mit Hinterlassung alles Kriegs-Geräthes einen grossen Sieg ohne Zückung meines Degens zuschantzten. Der Todten waren über dreißig- der Gefangenen über zwantzig tausend / denn die Scythische Reuterey holete die sich meist in Mangel der Pferde / der schnellen Ochsen gebrauchende Flüchtigen unschwer ein / und hierunter war der Aracanische Unter-König Abisar selbst / welcher mich verständigte / daß zwar der Scythen König sich grossen theils der Städte an dem Flusse Coßmin bemächtiget hätte / es wäre aber der König Pirimal mit einem unglaublich grossen Kriegs-Heere schon über den Fluß Ganges und Caor kommen / um den Scythen die Stirne zu bieten. Als diese Aussage mir von andern Indianern mehr umständlich erzehlet ward / schickte ich nur ein Theil des Heeres mit denen eroberten Kriegs-Fahnen und denen Gefangenen für die Stadt Mien zu rücke / die sich denn nach verno enem Siege auff Gnade und Ungnade bald ergab; Ich aber eilte Tag und Nacht gegen dem Flusse Cosmin umb für der Schlacht noch zum Könige Huhansien zu stossen. Ich kam den zwantzigsten Tag an den verlangten Strom zu der vom Huhansien eroberten und besetzten Stadt Tipora. Weil ich denn vernahm /daß die Scythen sich bereit des Stromes Caor und der Gangariden biß an das Königreich der Pharrasier bemächtigt / die Indianer aber bey Dekaka schon für acht Tagen mit ihrer gantzen Macht gestanden hatten, ließ ich durch schnelle Posten dem Könige meine Ankunfft wissen; ich hingegen kriegte Nachricht / daß die Scythen bereit zwey Tage an dem Fluße Sirote den Indianern die Uberkunfft durch unauffhörliches Gefechte strittig gemacht hätten / weil sie sich ihnen nicht gewachsen hielten. Wie ich aber in das Königliche Läger kam / hatte selbige Nacht der König Pirimal gleich durchgedrungen / und also Huhansien sich in ein vortheilhafftiges Gebürge ziehen müssen. Huhansien und Syrmanis wusten ihre Freude über meiner Ankunft nicht genugsam auszudrücken; Gleichwohl aber wolte er mit dem ermüdeten Volcke nicht bald die von den Indianern so sehr verlangte Schlacht wagen / nicht nur um sein Kriegs-Heer ausruhen zu lassen / sondern auch den Feind desto unvorsichtiger zu machen; daher er sich zwischen den Bergen / ungeachtet die Indianer sich mehrmahls näherten / und die zum Reiten gleichsam gebohrnen Scythen oder vielmehr warhaffte Centauren auf ihren Pferden mehr ausruhen / als ermüdet werden / gantz unbeweglich hielt /und hiermit seine Verstärkung derogestalt verdrückte / daß Pirimal von Ankunfft einiger Hülffs-Völcker das wenigste erfuhr. Den andern Tag aber / als die Mittags-Hitze etwas vorbey war / führte Huhansien das Groß seines Heeres / Syrmanis den rechten und ich den lincken Flügel in möglichster Geschwindigkeit / aus dreyen Pforten des Gebürges in die darfür liegende Fläche / gegen die Westwärts liegenden Indianer ins Feld / und[648] stellten selbte in Schlacht-Ordnung. Pirimal / der der Scythen Entschlüssung nicht so wohl ihrer Hertzhafftigkeit als einem Mangel an Lebensmitteln zuschrieb / ordnete ungesäumt auch sein unzehlbares Kriegsheer / ob schon selbtes der neundte Tag nach dem Neumonden war / den die Indianer eben so wie den ersten / da der Mond zurück bleibt / für sehr unglückselig halten / und dem Pirimal ein rother Sperber / mit einem weissen Ringe um den Hals / von der lincken Hand gegen der rechten / über sein Zelt flog; ja selbige Nacht ein Crocodil einen Elephanten / für dem er sich sonst so sehr gefürchtet /getödtet hatte. Für ieden Flügel stellte er funffzig geübte Elephanten / in der Mitten aber waren derer wohl hundert / und er selbst als auch seine Schwester / die er nach der Indianer Reichs-Gesetzen geheyrathet hatte / (die doch sonst die von dem ersten Priester des Feuers Andsham / bey den Babyloniern und Persern als ein Heiligthum eingeführte Blutschande so sehr verdammen) liessen sich auff zwey überaus grossen und schneeweissen Elephanten sehen / welche von Purpur / Gold und Edelgesteinen an der Sonne gleich als ein Feuer gläntzeten / und einem die Augen verbländeten. Diese weisse Elephanten findet man alleine und zwar selten an dem Strome Lukiang / die Indianer halten sie für Könige der andern / sie verehren sie als etwas göttliches / der König selbst sucht sie offtmahls heim / und sie werden aus eitel güldenen Geschirren gefüttert. Die sonst so behertzten Scythen bebten anfangs für diesen gethürmten Thieren / und denen Sichel-Wagen / welche mit ihrem Ansehen und Erschütterung einem ein Grauen einjagten. König Huhansien aber sprach den seinen ein Hertz ein / und erinnerte sie; wie diese Dinge mehr das Auge fülleten / als Nachdruck hätten. Zwey oder dreyer Elephanten Erlegung würde die andern scheue / und ihren Feinden zum Fallbrete machen. Denn sie gingen so lange auff den Feind / so lange ihr Leiter ihrer mächtig wäre; nach ihrem Schrecknisse aber rennten sie die ihrigen als blind und rasend zu Bodem. Sie solten sich erinnern / daß der grosse Alexander wider des Porus gleichmäßige Rüstung die hertzhafften Scythen an die Spitze gestellt / und durch ihre Tugend mit einer Schlacht dem gantzen Kriege ein Ende gemacht hätte. Ja als die Macedonier für ihnen die Hände sincken lassen / habe er mit den Scythen alleine durchzubrechen getrauet. Ihm hätte es an Elephanten zum Kriege so wenig gemangelt / wenn er sie für dienlich geachtet; er hätte sie aber als mehr verächtlich von sich gelassen. Ihre Tugend wäre so vielen Völckern obgelegen / welche zum Theil unter ihnen die Waffen trügen; wie möchten sie sich nun für der langsamen Bürde unvernünfftiger Thiere entsetzen. Die von Ertzt sich erschütternden Sichel-Wagen aber lägen mit Zerbrechung eines Nagels / oder mit Hinfallung eines Pferdes zu Bodem. Endlich wären dieses ihrer verzweiffelten Feinde letzte Kräfften / nach derer Niederlage sie nicht mehr um den Sieg zu kämpffen / sondern um die Eintheilung unschätzbarer Beute sich zu bemühen haben würden. Wie nun beyde Kriegs-Heere auffs beste geordnet / insonderheit aber von mir dieselbigen / welche bey Mien schon die Elephanten zu fällen gelernet hatten / hierauff absonderlich bestellt waren / mit dem Befehl / daß sie die auff dem Nacken sitzenden / welche diese Thiere durch einen eisernen Griffel leiteten / mit langen Hacken herunter zu ziehen / die Elephanten selbst mit Wurff-Spiessen hinter die Ohren zu verletzen / oder hinten unter dem Schwantze in die weiche Haut die Degen zu stossen / mit langen Beilen ihnen die Schnautzen abzuhauen / und endlich sie mit brennenden Fackeln zu bländen trachten solten; gieng die Schlacht mit grausamen Blutstürtzen an. Die Scythen litten anfangs von denen alles über einen Hauffen rennenden Elephanten die gröste Noth /die Indianer aber blendete die Sonne / und die geschwinde[649] Reuterey machte ihnen auf allen Seiten genugsam zu schaffen. Derogestalt war das Glücke biß in die sinckende Nacht durch beyder Heere Tapfferkeit gefäßelt / daß seine Wage weder auf ein- noch das andere Theil einen Ausschlag gab / sondern /nachdem iedes einen Bogenschuß zurücke gezogen /auff der Wallstadt gegeneinander stehen blieben; wiewohl die Scythen durch Erlegung etlicher dreißig Elephanten einen grossẽ Vortheil erlangt zu haben vermeinten. Um Mitternacht begunte ein starcker Nordwind zu wehen / daher wich Huhansien mit seiner Schlacht-Ordnung dahin ab / theils gegen den Feind den Wind zu gewinnen / theils auch die Morgen-Sonne aus den Augen zu kriegen. Alle Serer aber versteckte er in das Gebürge unter Scythischen / wiewol auch Serisch gekleideten Kriegs-Häuptern / welche zu rechter Zeit den Indianern in die Seite fallen solten. Diese wurden noch des Nachts des von den Scythen gesuchten Vortheils gewahr / und also kam es / ehe es noch tagete / zum neuen Gefechte. Alleine die Scythen behaupteten den Wind / der ihre Pfeile mit grösserm Nachdrucke auff die Indianer zu; dieser ihre aber auff sie selbst zurücke trieb. Ja er schmiß den häuffigen Sand und Staub so wohl den Menschen als Elephanten so sehr in die Augen / daß sie ehe die tödtlichen Streiche von den Scythischen Sebeln empfunden / als ihren Feind zu Gesichte bekamen. Nichts destoweniger that Pirimal und seine hertzhaffte Gemahlin das eusserste die ihrigen mit ihrem Beyspiel und Worten in festem Stande zu erhalten / und die Menge ihres Kriegs-Volcks vermochte allezeit mit frischen Hauffen die Lücken der Fallenden zu ersetzen. Insonderheit kam dem Pirimal die von dem Cyrus auch gegen den Crösus glücklich angewehrte Kriegs-List nicht wenig zu statten; da er gegen die unvergleichliche Reuterey der Scythen / welche bey vollem Rennen sich biß zur Erde bücken / und ihre verschossene Spiesse oder Pfeile wieder auffheben kan / etliche tausend auff Kamele gesetzte Bactrianer herfür rücken ließ. Weil nun die Pferde die Kamele weder rüchen noch sehen köñen / geriethen die Scythen in nicht geringe Unordnung; deñ auch die edelsten Pferde der Scythischen Fürsten / welche über ihre Ankunfft wie der Adel über seiner Ahnen Geschlechts-Register halten; ja auch Huhansien selbst konten ihre edelsten Pferde / welche sonst mit einem seidenen Faden zu leiten waren / nicht bändigen / und an der Schnure halten. Huhansien ließ zwar alsofort ein Theil des Serischen Fuß-Volcks darzwischen rücken; Aber dieses würde gegen die viel stärckern Indianer nicht lange getauert haben / wenn nicht ein Scythischer Oberster durch eine andere Kriegs-List der feindlichen abgeholffen / und durch Herbeyholung zweyer gezähmten Löwen alle Kamele schüchtern gemacht /und in die Flucht getrieben hätte. Hiermit kriegte die Reiterey wieder Lufft / und gegen dem Mittag gerieth einem Scythen im lincken Flügel ein so glücklicher Streich / daß er der Königin weissen Elephanten in rechten Vorder-Schenckel verletzte / worvon er zu Bodem fiel. Wiewohl dieser hertzhafte Edelmañ diß Glücke mit seinem Lebenbezahlen muste. Denn der Elephant schlug ihn mit der Schnautze zu Bodem. Die Königin selbst tödtete ihn durch einen Pfeil von ihrem Bogen; hingegen senckten sich alle bey diesem Flügel fechtende Elephanten zu grossem Unglück der Indianer auff die Erde / sintemahl sie gewohnt waren / dem weissen Elefanten als ihrer Königin alles nachzuthun. Welche Abrichtung seinem Bedüncken nach so schädlich wäre / als die übrige Zubereitung der Pferde; wordurch die Sybariten auff einen Tag schier gar vertilget worden / nachdem ihre schlauen Feinde mitten in der Schlacht die angewohnten Saitenspiele hören liessen /die Pferde aber statt des Kampffes zu tantzen anfingen. Die Verwirrung des rechten Flügels / und die Gefängniß der Königin / welche die Indianer vergebens[650] aus unsern Händen zu reissen bemühet waren / jagte dem andern Heere nicht ein geringes Schrecken ein /die auff Huhansiens Befehl aber nunmehr aus dem Gebürge herfür brechenden- und in die Seite des rechten Flügels einfallenden Serer / welche die Indianer für ein gantz frisch ankommendes Heer hielten /brachte in weniger Zeit alles in öffentliche Flucht /und der für Rache schäumende Pirimal muste wider seinen Willen nur auch mit seinem weissen Elephanten umdrehen; welchem denn alle übrige Augenblicks folgten. Die Scythen netzten nunmehr ihre Sebeln nur in der Flüchtigen Blute / ich aber hielt mir für die gröste Schande / daß ein niedriger Scythe die Königin gefangen gekriegt hatte / mir aber der König in meinem Gesichte entkommen solte. Also drang ich nebst meiner Leibwache durch unterschiedene noch um den König fechtende Hauffen durch / ich kam aber in dem Gedränge der wütenden Elephanten von den Meinigen so weit ab / daß in Mangel alles Entsatzes ich mit dreyen Pfeilen verwundet / mein Pferd zu Bodem getreten; ich aber von der Schnautze des Königlichen Elephanten umfaßt / und dem Könige oben auff seinen Thurm zugereicht ward. Also ward ich nach so herrlichem Siege durch seltzames Ebentheuer ein Gefangener des Uberwundenen / und in die Stadt Comotay / dahin die Flüchtigen zohen / gebracht. Weil aber Pirimal sich hier entweder nicht sicher schätzte / oder ein neues Heer auf die Beine zu bringen gedachte /setzte er die Uberbleibung seines Heeres / woran die Indianer selbst 200000. Mann und 80. Elephanten verlohren zu haben gestanden / über den Strom Caor /und fuhr nach Hinterlassung genugsamer Besatzung selbigen Strand hinab / biß zu der Stadt Sotagam; und von dar eilte er biß an den wohl zwey deutsche Meil-weges breiten Strom Ganges. So bald der König auf diesen Strom kam / fiel er mit allen den seinigen im Schiffe auff seine Knie / hierauff schöpffte er mit grosser Ehrerbietung in einer breiten güldenen Schale Wasser daraus / wusch damit Händ und Antlitz /warff hernach selbte zum Opffer uñ seiner Versöhnung in den Fluß. Deñ alle Indianer verehrten ihn als einen Gott / und mit grösserer Ehrerbietung / als die Egyptier ihren Nil; gläubende / daß zwar alles ausser dem Meer-Wasser / (welches die Indianer für einen unreinen Harn / die Egyptier für eytrichte Thränen des Saturnus halten / auch deßhalben kein Meer-Saltz /sondern nur das aus dem Brunn-Wasser des Ha ons gemacht wird / gebrauchen) am aller kräfftigsten aber des Ganges Wasser / oder auch / weñ ein Abwesender nur daran gedencke / solch Gedächtniß die Menschen von Sünden abwasche / und weñ die Asche darein geworffen wird / die Todten aus der Höllenpein erlöse; weil es in dem Hi el entsprossen / auf den Fuß ihres Gottes Wistnou / und das Haupt des Abgotts Eßwara / und hernach erst auff die Welt gefallen wäre. Daher sie auch alle die / welche sich damit reinigen / oder selbtes auf viel hundert Meilen zu ihren Opffern abholen wollen / dem Könige vorher eine gewisse Schatzung erlegen müssen. Bey dieser Uberfarth sahe ich mit grosser Bestürtzung / wie Pirimal einen auf das Schiff zuschwi enden Crocodil durch Knüpffung etlicher Knoten in ein Band unbeweglich / und nach unser ziemlichẽ Entfernung durch ihre Wiederauflösung beweglich machte. Der König / welcher mich bald anfangs von meiner Ankunft / und wie ich zu den Scythen kommen wäre / ausgefragt / und mich i er unter seiner Leibwache stets mit geführet hatte / trug mir bey seinen allhier angeordneten neuen Kriegs-Werbungen eine Feld-Hauptmañschafft an / die ich aber mit Vorwand / daß es wider seinen Wohlthäter /als König Huhansien wäre / ja auch wider den / dem man einmal Treu und Glauben zugesagt / die Waffen zu ergreiffen / einem edlen Gemüthe unanständig wäre / höfflich ablehnete / zumal meine geliebte Erato mein Hertze hefftiger als der Nordliche Angelstern die Magnet-Nadel nach sich zoh / und mir also die so fernen Umirrungen von meinem[651] Bewegungs-Ziele empfindlich versaltzte. Es ging kein Tag / ja zu sagen kein Augenblick vorbey / da ich nicht gewahr ward / wie eine iede abgesonderte Helffte eines Dinges in der Natur nach Vereinbarung mit der andern verlange /und dadurch vollko en zu werden begierig sey. Diß aber / was wir lieben / ist sicher eine Helffte von uns /und ein zu unser Vergnügung nothwendig gehöriges Theil. Diesemnach ist eines Verliebten Hertz in einer unauffhörlichen Unruh / und in mühsamer Bewegung; die Gedancken rennen in steter Botschafft; die Seele liegt in halber Ohnmacht / biß durch Vereinbarung der Leiber die Gemüther auch in ihren richtigen Stand und Wesen gedeyen. Mich anlangend / die Warheit eigentlich zu sagen / war ich nach so langer Abwesenheit so unvermögend über mich / oder meine Kräffte so verfallen / daß ich nicht so wohl die Königin Erato als eine Helffte meiner Liebe zu besitzen / als das wenige übrige / was ich mit meinem Liebe in der Welt herum trug / ihr vollends zum Besitz einzuräumen verlangte. Sintemal meine Seele fürlängst aus meinem Hertzen die Wohnstadt verändert / und sich so wohl in ihre Verwahrung oder Dienstbarkeit geliefert / oder klärer zu sagen / von ihrer Liebe umfangen zu seyn sich gesehnet hatte. Denn ob es zwar nicht ohne ist /daß eine ungefälschte Liebe ohne den Genuß der ergetzenden Anwesenheit bestehen / nichts von ihrem Nachdrucke verlieren könne / ja der entfernten Verlangen der Liebe noch mehrmals eine Ubermaß beysetze; so ist doch die Zusa enkunfft die Frucht und das höchste Gut der Liebe / welche durch die verwechselten Anblicke als durch eine Kette beyde Seelen zusa en knüpft / und die vorhin trüben und wässerichten Tage allererst mit einem Sonnenscheine beglückseligt. Die Fürstin Thußnelda fing an: Warlich /Zeno weiß die Bewegungen der Liebe so eigentlich zu beschreiben / daß es scheinet / er habe ihr recht an Pulß / und sie ihm recht an die Seele gegriffen. Dahero wolte ich wenig Bedencken haben / der Königin Erato meine Bürgschafft anzutragen / daß seine Seele mehr in ihrem geliebten Leibe wohne / als in seinem /welchen sie doch beseelen muß. Ich kan es nicht läugnen / antwortete Zeno / daß diß die einige Ursache war / warum ich Huhansien / der mich inzwischen unter den Todten mit tausend Beja erungen vergebens suchen ließ / meine Gefangenschaft nicht zuwissen machte / von welchem ich versichert bin / daß er mich gegen Ausfolgung der Indianischen Königin ausgelöset haben würde. Die Königin Erato brach ein: da Fürst Zeno eine so empfindliche Seele hat /wie hat er seine so holdselige Reise-Gefärthin Syrmanis / und den wohlthätigen Huhansien mit seinem unter den Gnaden-Blicken eines so mächtigen Welt-Beherrschers so bald ausser Acht lassen können? Alleine was befremdet mich? daß Zeno sich die Annehmligkeiten Indiens nicht hat anfeßeln lassen. Deñ man wird des mildesten Hi els / und der Hesperischen Lustgärte endlich überdrüßig / aus einer eingepflantztẽ Sehnsucht nach einer steinichten und wilden Heimath. Diß aber ist vielmehr bedencklich / wie Zeno seinem im Morgenlande auffgehenden Glücke den Rücken und der ihn mit so viel Sturm und trüben Wolcken verjagenden Mitternacht das Antlitz kehren können? Zeno versetzte: Sie wüste selbst allzu wohl /daß Gewogenheit und Liebe von einander so weit unterschieden wären / als der kleineste Stern in der Milchstrasse und die Sonne. Der Syrmanis Freundschafft und der Magnet hätten beyde in sich wohl einen Zug; aber diese Kraft verliere sich / wenn der Glantz einer Erato und eines Diamants sich näherte. Das Glücke hätte ihm zwar mit den Händen des gütigen Huhansien liebgekoset / sie kennte aber allzuwohl sein Gemüthe / daß er dieses unvernünfftige Weib /welches zwischen Geitz uñ Verschwendung kein Mittel wüste / welche zwar geil seyn / aber nicht lieben könte / niemals zu seiner Gemahlin erkiesen solte; da sie nicht einst zu einem Kebs-Weibe taugte. Sie würffe zwar Kronen und Fürsten-Hüte auch Knechten zu / und verwandelte auch Thon / wenn sie ihn anrührte /in Gold;[652] sie thäte beydes / aber ihre Schoß-Kinder mehr damit zu äffen als zu beseligen. Sie wäre ein Weib ohne Füsse / weil sie nirgends stand hielte; sie hätte zwar Hände und Flügel / aber mit jenen spielte sie nur aus der Tasche / und diese liesse sie niemanden anrühren. Also dörfte es keines Verwunderns / daß er diesem Irrwische kein Licht angezündet; sondern bey seinem einigen Glücks-Sterne der holdseligen Erato den Mittel-Punct seiner Ruh gesucht hätte. Alle Unruhen wären hierumb nützlich angewehret; denn die Bekümmernüsse gäben das Saltz der nachfolgenden Vergnügung ab; und die Wiederwertigkeit machte die Liebe zur Tugend. Die / welche nur immer mit gutem Winde segeln / auf Rosen gehen / ihr Haupt in der Schoß des Glückes liegen haben wolte / wäre eine Hof-Poppe der Wollus. Hingegen hätte die wahrhafte Liebe nichts minder mehr Bewegung / als das helle Quell-Wasser gegen dem sümpfichten. Sie und die Gestirne hätten einen mühsamern Lauff als die Schwantz-Sternen / und die Tauben einen geschwindern Flug als die Raben. Jedoch führte das Glücke mit der Tugend nicht einen ewigen Krieg. Es gebe im Lieben eben so wohl Windstillen /als auf dem Meere; es bliesse nicht selten in die Segel desselben Schiffes / worauf die Tapferkeit ruderte /und hülffe durch eine Gefängnüß einem auf den rechten Weg / und zur Freyheit. Nicht anders spielte es mit der gefangenen Königin und mit mir. Denn der großmüthige Huhansien schickte jene dem Könige Pirimal ohne Entgeld nach Hause; welcher aber hingegen Huhansien so viel Perlen und Edelgesteine zum Löse-Gelde übersendete / als die Königin schwer war. Welchen die Indianer mehr als noch so viel freywillig zulegten. Denn diese Fürstin hatte durch ihre Leutseligkeit ihr die Gemüther der Unterthanen so feste verknüpft / daß ihrer etliche tausend nach Jalamaka / wo die Flammen aus einem Stein-Ritze und einem eyßkalten Brunnen heraus schlagen / und in den mit dichtem Golde gepflasterten Tempel des Abgotts Matta zu Nagracot wallfartheten / und für ihre Erlösung dort ihnen ein Stück von ihren Fingern abbrenneten / oder drey Zähne an statt des Opfers ausrissen /hier aber ein Stück von ihrer Zunge abschnitten; glaubende; dieser Abgott lasse es ihnen in kurtzem wieder wachsen. Andere trugen grosse Schätze von Diamanten / Rubinen / Saphiren / und köstlichen Perlen / mit welchen dieses Reich gleichsam angefüllet ist / als ein Löse-Geld zusammen. Ob nun wohl die Pracht dieses Hofes / an welchem alle Tage durchs gantze Jahr neue Köstligkeiten gebraucht werden / im Anfange des Jahres aber der König sich in einer Wag-Schale gegen Edelgesteine / Perlen / Gold / allerhand Früchte abwiegen / und hernach diese Gewichte den Armen austheilen läst; das Reichthum des Landes / da die Gebürge Edelgesteine / und Balsam schwitzende Bäume / die Flüsse Gold-Sand und Perlen-Muscheln / die Wälder alle Arten des Gewürtzes / die unfruchtbaren Sand-Wüsten bey Golconda die seltzamsten Diamanten tragen / die Forsten mehr als 50000. Elefanten unterhalten / einen vollkommenen Auszug des Natur fürstellete; so empfand ich doch über aller Annehmligkeit ich weiß nicht was für einen Eckel / und ich seufzete numehr hertzlich nach meinem wiewohl verborgenem Vaterlande. Zu meinem Glücke beschloß König Pirimal eine Botschafft nach Rom zu schicken / umb den Käyser durch Geschencke und noch grössere Verheissungen / zu einem Kriege wider die Scythen / als die allgemeinen Räuber der Welt zu bewegen. Die Wissenschafft der Römischen und Griechischen Sprache / oder vielmehr ein guter Stern / der mir bey dem Könige / ich weiß nicht / aus was für einer Zuneigung / aufging / erwarb mir das Erlaubnüß mit zu reisen. Wie wir nun von dem Könige Abschied genommen hattẽ / und in dem Hafen zu Satigan ins Schiff treten woltẽ / traffen wir auf dem daselbst bey einem herrlichen Tempel sich befindenden weiten Platze[653] eine grosse Menge Volcks an / welches meinen Vorwitz veranlaßte mich selbtem zu nähern. Ich sahe daselbst eine grosse Anzahl der edelsten und schönsten Weiber / welche in ihrem köstlichsten Schmuck nach allerhand Saiten-Spielen umb unterschiedene nur zum anzünden fertige Holtz-Stösse von Morellen-Aloe-Sandel- und Zimmet-Holtz tantzten. Kurtz hierauf brachte man eine Reihe eingebalsamter Leichen: von denen mir die Umbstehenden meldeten: Es wären die vornehmsten in der Schlacht gebliebenen / und umb grosse Kosten gelöseten Herren; die Tantzenden aber ihre Wittiben / welche sich nach ihren Landes-Gesetzen mit ihnen verbrennen würden. Ich näherte mich hiermit einer in der Mitten stehenden / und aus einem einigen Marmel-Steine gehauenen Spitz-Säule /auf welcher oben aus Golde ein sich verbrennender Phönix zu sehen war. Unter dieser Säule sind überaus herrliche Grufften gebauet / in welche der verbrennten Asche in köstlichen Gefässern aufgehoben wird. An dem Fusse dieser Säule war mit güldenen Buchstaben eingeetzet:


Ihr Heuchler / weichet weg von diesen Grabes-H \len!

Wo ieder Todten-Kopf beherberget zwey Seelen.

Ein Hertz / ein Geist / ein Sinn / ein Tod / ein Grab / ein Graus /

Muß / wenn's Verhångnůß gleich lescht zwey paar Augen aus /

Allhier vereinbart seyn. Wil auch des Todes Rachen

Gleich einen Unterscheid durch halbe Trennung machen /

So zwingt doch's andre Theil zu sterben ein Gebot

Der Liebe. Denn die ist viel stärcker als der Tod /

Die zeuget aus der Asch' ein unverweslich Leben /

Kan Seelen auf zu Gott / den Ruhm zur Sonnen heben.

Und also ist die Lieb' auch Herr der Eitelkeit /

Und ein keusch Weib durch sie ein Ph \nix ihrer Zeit.


So bald die Leichen oben auf die Holtz-Stösse gelegt waren / nahmen die nun dem Sterben so nahe Frauen mit lachendem Munde und annehmlichen Küssen von ihren Befreundeten / unter die sie noch ihren an sich tragenden Schmuck austheilten / behertzten Abschied; wuschen sich hierauf in einem nahe darbey mit Marmel umbsetzten Weiher / stiegen darmit in der einen Hand eine Pomerantze / in der andern einen Spiegel haltend / auf die Staffelweise gebauten Holtz-Stösse / setzten sich auf die Leichen ihrer mit Lorbeer-Kräntzen geschmückten Ehe-Männer / und machten ihnen die Augen-Lieder auf / unter tausend Lob-Sprüchen der Umbstehenden / weil dieser Tod ihnen selbst nicht nur zu künftiger Ehre / sondern ihren Männern auch zu ewiger Freude dienen soll. Zu geschweigen: daß die zu diesem Feuer allzu zärtliche Wittiben Schandflecken ihres Geschlechtes / ein Spott des Pöfels bleiben / und ihre Seele so wenig der andern Eh / als ihr Haupt einiger Edelgesteine gewürdiget würden. Dahero man die sich weigernden Edlen auch wider Willen mit in die Flamme stürtzt / wie man bey etlichen andern Völckern die Leibeigenen auf ihrer Herren Gräber abgeschlachtet. Nachdem nun auf ihr gegebenes Zeichen man unten die Holtz-Stösse anzündet / und die Flamme an dem überall angehefteten schnellen Zunder empor stieg / gossen sie aus einem Kruge ein wohlrüchendes Oel über ihr Haupt /welches alsobald Feuer fing / und diese hertzhaften Weiber wie ein Blitz im Augenblick tödtete. Die Königin Erato fing hierüber laut an zu ruffen: O heiliges Gesetze! O löbliche Gewohnheit! wolte Gott! es wäre der gantzen Welt allgemein / daß kein Weib ihren Ehemann überleben dörffte! O des nur dieser weiblichen Großmüthigkeit halber ruhmwürdigsten Indiens! Rhemetalces wolte hierbey seiner Thracier Lob nicht verborgen seyn lassen / sondern meldete: daß für Zeiten daselbst des verstorbenen Ehweiber mit einander gerechtet hätten / welche sich mit ihm solte ins Grab scharren lassen. Die vernünftige Thußnelda begegnete beyden mit einem anmuthigen Lächeln: Ich würde der Erato Meynung Beyfall geben müssen / wenn ich alleine die Heftigkeit meiner Liebe / so wie sie die ihrige / hierinnen zum Richter machte. Diese gibet freylich den Verzweifelten Gifft und Messer in die Hand; diese heisset uns die[654] Haare ausrauffen / die Wangen zerkratzen / und über Stock und Stein sich in den tieffsten Abgrund stürtzen. Aber zu geschweigen: daß der übermässige Schmertz allzu geschwinde verrauchet / und daß die erste Hitze sich in weniger Zeit in Eyß verwandelt / ja die / welcher heute kein Trauer-Kleid schwartz genung ist / oder für welcher man die Brunnen zustopfen muß / morgen die Wangen anstreicht / und aus dem Trauer-Flor Zierrathen schneidet / ihr weisses Antlitz darmit auszuputzen; so bin ich der Meynung: Die Vernunft werde einer empfindlichen Wittib viel mässigere Gedancken einrathen /nemlich: daß die Männer wohl mit Thränen zu beweinen / Weiber aber mit eigenem Blute nicht zu beflecken sind. Nein / nein / sagte Erato / lasset uns unserer Schwachheit derogestalt nicht Pflaumen streichen. So wenig ohne Bluten der Kopf von dem Halse geschnitten werden kan / so wenig soll ohne derogleichen Strom eine Ehe-Frau sich von ihrem Haupte trennen lassen. Die Natur selbst weiset uns in ihren Geschöpfen die Fußstapfen / in welche wir bey solcher Begebung treten sollen; wenn sie den weiblichen Palmbaum gleichsam durch eine unheilbare Traurigkeit verdorren läst; wenn man ihm den männlichen von der Seite gerissen. Ja / versetzte Thußnelda / dieses aber geschihet nicht durch eine augenblickliche und gewaltsame Verfallung / sondern nach und nach / und gleichsam unempfindlich. Ich gebe auch nach: daß ein Weib die Helffte ihres Hertzens / nemlich das Behältnüß der Freude mit auf ihres Ehemanns Holtzstosse verbrennen / dieses Theil aber / darinnen die Hertzhaftigkeit stecket / der Welt zum Beyspiele / und die Vernunft zu ihres Hauses Bestem unversehrt behalten soll. Sie mag in ihrem Wittiben Stande sich wohl mit ihrer Traurigkeit / nicht aber mit ihrer Schwäche bloß geben. Sie kan wohl ihre Gedancken / doch darff sie nicht ihren Leib mit dem Schatten ihres verblichenen Ehmanns vermählen. Sie muß sein Bildnüß in ihrem Gedächtnüsse / seine Asche zu ihrem Heiligthume aufheben; aber nicht die Versorgung ihrer Kinder in Wind / und ihrem Geschlechte auf einmal zwey Wunden schlagen. Wenn der Monde durch Finsternüsse von seiner Sonne geschieden wird; verlieret er zwar sein Licht und die Anmuth / nicht aber seinen Lauff /noch seine Würckung. Wie schwartz und traurig er scheinet / verirrt er sich doch nicht aus seinem Circkel und er vergißt nicht mit der Zeit auch ein helles Gesicht anzunehmen. Was ist aber bey Entfallung ihres Ehmannes ein Weib in ihren vier Pfälen anders / als was der Mond in Abwesenheit der Sonne in dem grossen Hause der Welt? Diesemnach muß sich jene sowohl als dieser dem gemeinen Wesen zum Besten thätig erzeigen / und ohne Entfallung der Hertzhaftigkeit statt ihres Ehmanns an die lincke treten. Denn die Schwachheit unsers Geschlechtes entschuldigt uns so wenig / als die Blässe das so nutzbare Nacht-Licht. Die Turtel-Taube seufzet und girret ja wohl über dem Verlust ihres Buhlen / aber sie verläst weder ihr Nest / noch vergißt sie die Erziehung ihrer Jungen; und die verwittibte Adlerin zeucht nichts minder auf die Jagt /und wider die Schlangen in Krieg aus. Also muß sicher der Schmertz ihrer Vernunft / die Liebe aber der mütterlichen Erbarmnüß aus dem Wege treten. Und da eine Frau ja von einem solchẽ Streiche des Unglücks eine Schramme behalten soll / muß selbte doch keine Lähmde des Gemüthes nach sich ziehen. Die Königin Erato wolte sich noch nicht geben / sondern setzte Thußnelden entgegen: Es wäre die gröste Hertzhaftigkeit / keine Kleinmuth / den Tod umbarmen / wenn er einem gleich den Rücken kehrte. Die Versorgung der Kinder wäre für die Fruchtbaren /oder vielmehr kleinmüthigen Mütter ein scheinbarer Fürwand; aber im Wercke ein Mißtrauen zu den gütigen Göttern; gleich als wenn diese / die die Welt versorgtẽ / verwäyseter Kinder Vater zu seyn / allzu ohnmächtig[655] wären. Diese hätten der hertzhaften Entschlüssung der tapferen Porcia selbst die Hand geboten. Denn als ihre kleinmüthigen Freunde ihr alle Messer aus den Händen gerissen / die Armbänder abgestreifft / und die Haare abgeschnitten / daß sie selbte nicht zu einem Stricke gebrauchen / und ihrem erblaßten Brutus sich vergesellschaften könte; hätten ihr die Götter von ihrem Opfer-Tische glüende Kohlen zugelangt / so wohl ihrem Leben ein Ende / als ihrer Liebe ein Vergnügen zu schaffen. Warlich / versetzte Thußnelda / ich halte für ruhmwürdiger / wenn eine Frau ihr Hertze mit ihres Ehemanns in einen Todten-Topf einschleust; als wenn sie mit seiner ihre Asche vermenget. In meinen Augen ist die Carische Königin Artemisia viel grösser als die ungeduldige Porcia / welche dem Tode zu Hohne sich von ihrem schon todten Mausolus nicht trennen ließ / in dem sie ihrer beyder Bild aus einem Agat gemacht / in ein Wunderwerck der Welt / seine Asche in den Tempel ihres eigenen Leibes / sein Gedächtnüß in das Heiligthum ihres steten Andenckens versetzte / und seinem niemals aus ihrem Gesichte verschwindenden Schatten ihr von unausleschlicher Liebe loderndes Hertze nicht etwan zu einem bald verrauchenden Irr-Lichte /oder einer in wenig Stunden vertrieffenden Begräbnüß-Fackel / sondern zu einem viel Jahre mit gleichem Lichte scheinenden Gestirne anzündete; ja ihren eigenen Leib zu seinem lebendigen Begräbnüsse einweihte. Wiewohl ich nicht weiß: Ob man Artemisien nicht jene Marsingische edle Jungfrau fürziehen soll /welche aus der Asche ihres erblichenen Bräutigams eine Sand-Uhr machte / nach welcher sie ihre Lebens-Zeit abmaß / und nach seiner Bewegligkeit die Unruh ihres Hertzens richtete / oder auch mit ihren thränenden Augen die Geschwindigkeit des auslauffenden Aschen-Sandes zu übereilen sich mühete.

Alle Anwesenden gaben Thußnelden Beyfall / und nachdem Erato sich übersti t sehende / nur die Achseln einziehen muste; fügte Zeno bey: daß auch bey denen Indianern die Mütter vieler Kinder sich des Holtz-Stosses unnachtheilig entzügen; und erzehlte ferner: daß der Indianische Gesandte mit seinem Volcke und ihm der berühmten Handels-Stadt Ganges zu Schiffe gegangen / und mit gutem Winde an der Desarrenischen und Paralischen Küste bey den Städten Sopatum und Poduca Sudwerts so lange gesegelt hätten / biß sie die Insel Taprobana / welche wegen ihrer häuffigen Zimmet- und anderer Gewürtz-Wälder einen annehmlichen Geruch etliche Meilen weit in die See gegeben / erreicht / und daselbst in der Stadt Cydara sich zu erfrischen ausgestiegen wären. Ich muß gestehen / fuhr Zeno fort / daß ich dieses Eyland für den Lustgarten und die Schatz-Kammer der Welt /und für den edelsten Kreiß des Erdbodems halte. Die Wälder versorgen fast alle Länder mit Zimmet / derer Bäume desto köstlichere Rinde tragen / ie öffter selbte abgeschelet wird. Hier ist das rechte Vaterland aller Elefanten / welche an Grösse allen andern vorgehen. Die Berge stecken voller Gold / Rubine / Smaragden und Saphire. In dieser Insel ist auch der höchste Berg Indiens / auf dessen Gipfel in einen Fels ein überaus grosser Fußstapfen eingetreten ist / den die Einwohner / wie die Griechen Delphis / für das Mittel des Erdbodems halten / und nebst einem Elefanten-Kopfe / welcher ihnen Weißheit verleihen soll / Göttlich verehren / auch ihm daselbst einen Tempel und Altar aufgebauet haben / auf welchem ein vollkommener Rubin ohne den geringsten Flecken einer Hand breit lang / drey Finger dicke zu sehen ist / und des Nachts als ein Licht scheinet. Von dieser Insel erzehlte mir der Gesandte Masulipat / daß es anfänglich das einige Reich König Pirimals gewest / und nach Abdanckung seines Bruders[656] auf ihn verfallen wäre / weil in Indien nichts minder als bey den Arabern die Brüder nicht allein den Söhnen in der Reichsfolge / ja auch den Töchtern in gemeiner Erbschafft vorgiengen / sondern auf der Insel Taprobana auch ein altes Herkommen wäre / daß die Könige / so bald sie Erben bekämen /Zepter und Krone niederlegen müsten / um das Reich nichterblich zu machen. Hiervon aber wäre das sonst die freye Wahl habende Volck bey itzigem Könige Pirimal abgewichen; indem sie ihn nun nach etlicher Jahre Vererbung entweder aus Liebe seiner Güte und Tapfferkeit / oder aus Furcht seiner so weit ergrösserten Macht / ohne Wiederrede behalten. Seine Tugenden und hingegen die Laster derer Könige / welche über das vielfältig zertheilte Indien geherrschet / hätten ihm auch das so grosse Reich erworben; in dem die Völcker meist ihre vorige aus Bartscherern und anderm Pöfel auf den Stul erhobene / und deßhalben so viel mehr unerträgliche Fürsten verstossen / und sich dem so milden Pirimal freywillig unterworffen; also / daß er nicht nur die mächtigen Reiche der Gangariden und Prasier zwischen dem Ost-Meere und Ganges / wider derer König Agrammes dem grossen Alexander sein Heer nicht hätte folgen wollen / sondern auch alle Länder / zwischen dem Ganges und Indus beherrschete / und derogestalt sechs hundert Königen zu gebieten gehabt hätte. Diß aber / was er über dem Flusse Caor / Cosmin und Martaban besässe / hätte er als ein von Indien durch den König Hiaouv abgerissenes Antheil Indiens denen Serern /ingleichen das zwischen dem Flusse Arabs / Etymandrus / und Indus gelegene Königreich Gedrosia den Parthen durch die Waffen abgenommen. Als er nun auch von den Scythen das eroberte Land Paropamisis und Arachosien wieder zu suchen vermeinet /wäre er in diesen unglückseligen Krieg verfallen / zu einer nachdencklichen Erinnerung / daß das Rad des Glückes am allerhefftigsten loßschlägt / wenn man vermeinet es am allerfestesten angenagelt zu haben; und daß dieser allgemeine Abgott der Sterblichen auch dieselbige Hand mit seinem Feuer verletzet / die ihm gleich den Weyrauch auf sein Altar streuet; ja mit seinem überrennenden Wagen zerqvetschet / die für ihm täglich zu Fusse fallen / oder auff ihn alle ihre Hoffnung anckern. Jedoch hätte König Pirimal sich seines itzt unglücklichen Krieges halber weder über seine Diener / noch über die Götter zu beschweren. Sintemal jene ihm iederzeit mit den streitbaren Scythen zu kriegen beweglich widerrathen; diese ihn auch / als er in das Paropamisische Gebürge einbrechen wollen / deutlich genung gewarniget hätten. Denn als er an dem Flusse Hyphanis bey denen daselbst vom grossen Alexander aufgerichteten steinernen Altären geopffert hätte; wären neun den Scythen heilige Nacht-Eulen / aber der Indianer verhaste Unglücks-Vögel von dem Gebürge hergeflogen kommen / hätten sich auff die Spitzen der Altäre gesetzt / und nicht allein gegen den König Pirimal ein heßliches Geschrey angehoben / sondern auch ihren Koth in seine Opffer-Feuer fallen lassen. Er Masulipat selbst hätte noch den König erinnert / daß er an diesem merckwürdigen Orte nach dem Beyspiele des grossen Alexanders /wie auch des Bacchus / des Hercules / der Semiramis / und des Cyrus seinen Siegen ein Gräntzmal / seiner Großmüthigkeit ein Maaß ausstecken möchte. Alleine Pirimal hätte ihm geantwortet: wenn er Alexanders Vorbild solte seine Richtschnur seyn lassen / müste er / wie jener bey Betretung Asiens / hier zwölf Altäre /als den Anfang seiner Siege / und an dem Gestade des Scythischen Nord-Meeres sein Ziel mit zwölf andern steinernen Säulen bezeichnen. Sintemal er noch viel zu erobern hätte / was seiner Indianischen Vorfahren gewest wäre. Also deutete der Himmel zwar allezeit künfftige Unfälle an / aber das Verhängnüß verstockte die Gemüther[657] derer zum Unglück versehenen Menschen / daß sie entweder nichts sähen / oder nichts gläubten.

Wie nun wir auf Taprobana nicht so wohl ausgeruhet / als in hundert Lustgärten unsere Lüsternheit mit tausenderley Wollust gesättigt hatten / auch der glückselige Tag / da der Monde zum ersten herfür kommt / anbrach / machten wir uns alle zur Reise fertig; der Gesandte Masulipat aber ging mit den Seinigen baarfüßig / und mit der rechten Hand zuvor in ein unter dem hohen Berge liegendes / und dem Abgotte Annemonta / oder dem Winde gewiedmetes Heiligthum / um eine glückliche Schiffarth zu erbitten. Welche Verehrung / wie sie mir an sich so befremdet nicht fürkam / weil auch die Phoenicier und Augustus in Gallien dem Winde einen Tempel / die von Athen auff Befehl des Delphischen Apollo beym Anzuge Xerxens ein Altar gebauet; Also wuste ich nicht zu begreiffen / daß der Abgott unter der Gestalt eines in Gold eingefasten Affen-Zahnes verehret ward; ungeachtet die Egyptier / die Pittecusier und Araber ihren Anubis und Mercur wie einen Affen abbilden und bedienen. Wir segelten aus der Stadt Cydara mit einem beständigen Ost-Winde unter dem Eylande Leuce bey der Sud-Spitze Indiens / und den Sesecrienischen Inseln vorbey / und wiewohl ich durch meine Serische Magnet-Nadel dem Schiffer ein gerader Wegweiser seyn wolte / traute er doch nicht / sondern hielt sich an die Ufer bey Nelcynda / Tyndis / Tirannobas /Cammoni / Herone und Acabaris. Massen wir denn auch in dem Baracischen Seebuseme auff dem Eylande Cilluta / dem Einflusse des Indus gegen über / um frische Lufft zu schöpffen ausstiegen / hierauff an der Gedrosischen Küste unter den Eylanden Crocala / Bibracte / Carmine / biß an die der Sonne und dem Serapis gewiedmete Insel Nosola fortsegelten / in willens in den Persischen Seebusem einzulauffen. Ein hefftiger Nord-Nord-Ost-Wind aber trieb uns wider Willen auff die Arabische Küste gegen die Zenobischen Eylande hinauff. Die annehmliche Unterredung mit dem Masulipat verkürtzte mir nichts minder den Weg als die Tage / und Zarmar / ein mit ihm reisender Brahman gewan mich nach unterschiedener Tage Unterredungen so lieb / daß / ob diesen Indianischen Weisen zwar in ihrem uhralten Gesetzbuche die Geheimnüsse ihres Glaubens und Weißheit / nichts minder als bey den Griechen den Elevsinischen Gottes dienst / andern Indianischen Stämmen / noch mehr aber Fremden zu entdecken verboten war / ich täglich von ihm etwas zu lernen bekam. Rhemetalces fing an: Es ist diß fast allen Völckern gemein / daß ihre Priester die Heimligkeiten ihres Glaubens und Gottesdienstes so verborgen halten. Die Egyptier hätten in diesem Absehn von ihrer Isis gerühmt / daß kein Sterblicher sich iemahls unterstanden hätte ihr den Schleyer abzuziehen. Sie hätten in alle ihre und des Serapis Tempel das Bild des den Mund mit der Hand bedeckenden Harpocrates gesetzt / zur Erinnerung /daß hier alles verschwiegen seyn solte. Die Juden hätten mit tausend Flüchen den Ptolomeus überschüttet /daß er ihr Gesetzbuch Griechisch übersetzen lassen. Der Elevsinische Gottesdienst dörffte in Griechenland bey Lebens-Straffe nicht entdecket werden. Des Pythagoras fünffjähriges Stillschweigen / und sein Gebot / daß niemand an seinem Finger einen Ring tragen solle / in welchen Gottes Bild oder Nahmen gegraben wäre / zielete nirgends anders hin / als auff die Verhölung des Gottesdienstes. Zu Athen würde auff einem gewissen Altare dem verborgenen Gotte geopffert. Die Scythen bildeten zu dem Ende ihren Anacharsis derogestalt / daß er mit der lincken Hand seine Geburts-Glieder bedeckte /[658] mit der rechten ihm den Mund zuhielte. Und vom Mercur sagte man / daß er eine stumme Göttin geheyrathet hätte. Hertzog Herrmann fing an: Ich muß unsere Druyden auch hierzu rechnen / welche die sich in ihre Gemeinschafft begebende Edelknaben gantzer zwantzig Jahr lang in geheim unterrichten; auch ihre Geheimnüsse gar nicht aufschreiben / ihre Lehrlinge mit theuren Eyden fässeln / daß sie nichts von ihren hohen Lehren / insonderheit aber dem Pöfel nicht eröffnen dörffen; auser diß / was zu der Tapfferkeit zu wissen nöthig ist /nehmlich / daß die Seelen unsterblich sind. Massen denn die Deutschen durchgehends für heiliger halten /Göttliche Geheimnüsse gläuben / als derselben Wissenschafft ergrübeln wollen. Eben diß / sagte Zeno /nehmen auch die Egyptier / Seren und Indianer in acht; welche letztern für die Gelehrten eine gantz absondere Schreibens-Art haben / die ersten aber alle Weißheit unter tunckele Sinnenbilder verstecken / für die Thüren ihrer Tempel einen Sphynx setzen / beyde aber sich sonderlich in acht nehmen ihren Weibern nichts hiervon zu vertrauen. Weßwegen ich mich selbst noch verwundere / daß dieser Weise mit mir Fremden so verträulich ward. Der Gesandte Masulipat entdeckte mir anfangs / als ich mich über die Einsamkeit die Kleidung und Sitten dieses Weisen wunderte / insonderheit / daß er weder einiges Fleisch aß /noch den Königlichen Gesandten seiner Taffel würdigte; Es hätten diese Weltweisen ihren Nahmen vom Brahma / den unser Plato das Wort des einigen Gottes nennte / welcher aus einer wäßrichten Blume / die dem auff dem Wasser mit der Zehe im Munde spielenden einigen Gotte aus dem Nabel gewachsen seyn solte / entsprossen wäre / und durch den so wohl als durch den Geist und die Seele der Welt Gott Himmel /Erde und Meer erschaffen hätte. Der erste Brahman wäre gewest Kaßiopa / den Gott durch Brahma nicht vermittelst einer Frauen / sondern nach seinem Willen aus Erde erschaffen. Dieser Kaßiopa hätte mit seinem frommen Weibe Diti die Brahminen gezeuget / welche aus zweyen von ihr gelegten Eyern / wie die Kinder der Leda und die Syrische Göttin Atargatis wären ausgebrütet worden. Sie hätten anfangs ihren Auffenthalt zwischen dem Phrat / Tiger und in Syrien biß auff Abram gehabt; hernach aber wären seine und der Chettura Kinder in Magulaba ein Theil Arabiens /und so fort in Indien kommen. Sie hätten Wissenschafft aller Geheimnüsse im Himmel und der Hölle /und deßhalben die Sorge für die Seelen / und die Verpflegung der Todten. Sie wären als das angenehmste Geschlechte Gottes von aller Arbeit / Auflage und Dienstbarkeit befreyet; Hingegen müsten alle andere Geschlechte sie versorgen / und den dritten Theil der Einkunfften vom Lande ihnen liefern. Ja auch die Edlen wären begierig ihnen zu dienen / und für sie das Leben zu lassen / weil Gott jenes für einen ihm selbst geleisteten Dienst annehme; dieses aber sie nicht /wenn die Sonne Sudwärts laufft / da nehmlich die Sterbenden nicht in den freudigen Ort Surgam kommen könten / sterben liesse / sondern sie unzweiffelbar in solch Paradiß nach dem Tode versetzte. Die Könige erwiesen selbst ihnen demüthige Ehrerbietung / welche Zepter und Krone zu tragen ihrem Geschlechte allzu verächtlich hielten / als welche alleine aus dem Haupte des Brahma entsprossen wären; dahingegen die Edlen und andere nur aus seinen andern Gliedern den Uhrsprung hätten. Wiewol sie gleichwol dem gemeinen Wesen zum Besten ihre Gesandten und Räthe zu seyn nicht verschmäheten. Kein Richter hätte Macht über ihr Haupt den Stab zu brechen / wenn ihre Verbrechen gleich vielfältig den Todt verschuldet hätten. Hingegen wäre es eine der fünf grösten Sünden einen[659] Brahman tödten / und der Todschläger müste mit entblöstem Haupte / ungewaschenen Gliedern / und zerrissenen Kleidern zwölf Jahr in des Ermordeten Hirnschale Allmosen sa len /auch alles gebettelte daraus essen und trincken. Welche Beschreibung mir genungsam zu verstehen gab /daß diese Leute in Indien höher / als bey den Egyptiern die Priester / bey den Persern die Weisen / bey den Galliern die Druyden / bey den Spaniern die Turditanen am Brete wären. Diesemnach unterließ ich nicht durch tieffe Ehrerbietung seine Gewogenheit zu gewinnen / und so wol durch Erzehlung unserer Weißheits-Lehren / als durch Verwunderung über ihrer tiefsinnigen Geheimnüsse ihm ein und anders heraus zu locken. Meine erste Sorgfalt ließ ich über seiner Kleidung und Aufzuge aus / und erforschte: warum sie auch bey rauhem Winde nichts als die Geburts-Glieder mit Leinwand verdeckten? Warum sie ein von dreyen gezwirneten Schnüren zusammen gefügtes Band über die lincke Schulter gegen der rechten Seiten unter dem rechten Arme trügen / und niemals ablegten? Der Brahman Zarman lächelte / und fing an: Mein Sohn / warum binden die Priester des Jupiters zu Rom / welche nicht mit unbedecktem Haupte gehen dörffen / ihnen einen Fadem um das Haupt / und bleiben zuläßlich unbedeckt? Und warum hencken die Richter in Egypten einen Vogel an Hals? Warum tragen die Priester eine Mütze von dünner Leinwand auf dem Haupte? Die auf dem Eylande Madagascar an denen zwey vörderstern Fingern lange Nägel wie Vogelklauen? Wie ich nun ihm hierüber keinen gewissen Bescheid zu geben wuste / fuhr er fort: Gott / dessen tägliche Priester wir sind / wollen von uns Nackten die Opffer empfangen / zur Anzeigung / daß unsere Andacht keine Hülle irrdischen Beysatzes haben / sondern die reine Seele sich ohne anhangenden Leim der Erde / oder ohne den Firnüß der Heucheley zu Gott schwingen solle. Daher einige unserer Brüder aus Irrthum keinen Faden an ihrem Leibe leiden. Aber wer wolte glauben / daß Gott eine solche Blösse beliebete / welche eine Decke der Uppigkeit / und eine Ursache der Aergernüß seyn kan. Unsere Hülle ist wie der Egyptischen Priester nicht aus Wolle / sondern aus Leinwand bereitet. Denn jener Uberfluß der Thiere stehet der Priester Reinligkeit nicht an; wol aber der Flachs / der mit seiner blauen Blume die Farbe des Himmels / mit seinem aufwärts steigenden Stängel aber die Aufschwingung der Seele von irrdischem Staube fürbildet. Jedoch ist diese meine Hülle aus einer gantz andern vom Feuer unversehrlichen Leinwand bereitet / welche von ihren Flecken nicht durch Wasser / sondern durchs Feuer gesaubert wird. Denn dessen Gebrauch ziehen die Heiligen allezeit dem Wasser für; nicht zwar / daß wir mit denen albern Persern und Chaldeern das Feuer für einen Gott halten; Denn weder dieser Völcker Weisen / noch ihr Lehrmeister Zoroaster / der in ihre Tempel /Paläste und Hölen das Feuer zum ersten eingeführet /hat diesen Aberglauben gehabt / sondern solches allein als ein Ebenbild des alles verzehrenden Gottes andächtig betrachtet / und daher eingeführet / daß in den Opffern des Horus von Pfirschken / in des Osiris vom Lorberbaume / in der Isis von Wermuth das Holtz verbrennet / und in den heiligen Oertern viel Ampeln angezündet werden musten; wiewol Gott /der das Licht selber ist / dieser Lichter gar nicht bedarf. Dieses Absehen / und daß die Seele sich noch flüchtiger / als das mehr unreine Feuer zu Betrachtung Gottes / der sich einem unserer Heiligen in einem Pusche in Gestalt des Feuers offenbaret / empor heben solle / veranlasset mich mit dieser feurigen Leinwand etliche Glieder zu verhüllen / und meinen Leib zu Erduldung gleichmäßiger Flammen geschickt zu machen. Das dreygezwirnte Band aber / welches wir selbst ohne Spinnrad aus freyer[660] Hand bereiten / und wenn selbtes zerschleist / ehe wir einige Speise zu uns nehmen / ergäntzen / jährlich auch im fünfften Monate verneuern müssen / ist nicht nur unsers Geschlechtes eigenthümliches Kennzeichen / ohne welches niemand für einen Brahman erkennet werden darf / und daß wir schon den zwölften Tag unsers Lebens bey einem heiligen Opffer-Feuer anlegen / so bald uns die Eltern einen Nahmen geben / und zum Merckmale unserer Gott ewig-schuldigen Dienstbarkeit die Ohren durchbohren lassen. Warum aber ist dir / mein Sohn / nicht eben so wol seltzam / daß ich wider meine Landes-Art meine Haare biß auf einen auf dem Wirbel behaltenen Püschel abgeschnitten; Zumahl die Abschneidung der Haare eine der schimpflichsten Straffen der Ubelthäter ist? Oder auch / daß ich meine Brust täglich mit Küh-Koth beflecke / und darauf gewisse Ringe zeichne? Wie ich nun / fuhr Zeno fort / um die Ursache dieser Geheimnüsse demüthige Nachforschung that; verfolgte Zarmar seine Erklärung: die Abschneidung der Haare habe ich durch ein Gelübde in dem Tempel zu Tripeti fürgenommen. Denn nach dem ich in mir die Liebe gegen Gott allzu kaltsinnig oder vielmehr erstorben verspüret / hat mich bedüncket / ich hätte über dem Tode meiner sündigen Seele mehr Ursache / als über das Absterben eines Freundes diese denen Egyptiern / Assyriern und Indianern gewöhnliche Klagens-Art anzunehmen / oder mich dessen zu entblössen / was die / derer Leib nur erbleichen soll / ihnen abscheren lassen / und mich selbst gegen Gott für einen Ubelthäter zu erklären; als von ihm ein strenges Verdammungs-Urthel zu erwarten. Diese von geäschertem Küh-Koth auf meinen Brüsten gemachte Ringe / welche insgemein für Schilde wider den höllischen Richter gehalten werden / lasse dich nicht als aber gläubische Zaubereyen ärgern. Denn ob wol unser Hiarchas und Tespion / so gut als Budda bey den Babyloniern / Hermes bey den Egyptiern / Zoroaster bey den Persen / Zamolxes bey den Thraciern /Abbaris bey den Nord-Völckern nicht nur durch ihre kräfftige Zeichen Geister beruffen / grausamen Thieren den Rachen zuschlüssen / Todten-Köpffe redend machen / sondern auch durch natürliche Krafft höltzernen Geflügel den Gesang und Flug / küpffernen Schlangen das Zischen und die Bewegung geben / aus Asche in wenig Zeit frische Blumen und Kräuter zeugen / wie die Psyllen die Schlangen eines gantzen Landes auff einen Hauffen zusammen bringen / und wie Orpheus mit ihrem Gesange das Ungewitter stillen können; so haben doch diese Merckmale viel ein heiliger Absehen. Wie die Egyptier durch eine ihren eigenen Schwantz anbeissende Schlange die stete Wiederkehr der Zeit fürstellen; also erinnern uns unsere Zirckel des einigen Wesens / welches weder Anfang noch Ende hat / nehmlich des ewigen Gottes. Denn dieser allein ist der unbegreifliche Kreiß / dessen Mittelpunct allenthalben / dessen Umschrenckung nirgends ist / welcher in allen Dingen ist / ohne daß er darinnen beschlossen sey / und auser aller Dinge /ohne ausgeschlossen zu seyn. Er ist höher als der Himmel / tieffer als die Hölle / ausgestreckter denn die Erde / und ausgegossener als das Meer. Wie alle Zahlen in der Eines / alle Striche im Mittelpuncte begriffen sind / also befinden sich alle Sachen in ihm /welcher alles in allem ist. Welcher mit nichts / als mit unserm Verstande erblickt / keinesweges aber von der Vernunfft / sondern nur mit unser Andacht umarmet werden kan / iedoch derogestalt / daß keine Weite vieler Welten seine unmäßbare Grösse / keine Zeit seine Ewigkeit / kein Geist seine Weißheit / keine Tugend seine Güte / kein Werck seine Macht nur mit Gedancken begreiffen könne. Daß wir uns aber mit Koth und Asche bezeichnen / haben wir sterbliche Men schen / die wir im Leben Koth / nach dem Tode Asche sind / erhebliche Ursache. Jedoch kommet[661] dieses mit Fleiß von einem heiligen Thiere / um uns zu erinnern / daß dem grossen Gotte nichts / was zu seinem Dienste andächtig gewiedmet wird / zu verächtlich sey / und daß wir das irrdene Gefässe unsers zerbrechlichen Leibes mit einem frommen Leben einbalsamen sollen. Zeno berichtete hierauf; Er habe den Brahman gefragt: warum sie denn die Kühe für so heilige Thiere hielten? indem er ihre Bilder nicht nur in ihren Tempeln häuffig gefunden / sondern auch gehört / daß ein Brahman ehe sterben / ja lieber das Fleisch seiner Eltern / als von einer Kuh essen würde. Zwar hätten die Athenienser und Römer für Zeiten bey Lebens-Straffe ein Kind zu schlachten verboten; ja jene hätten sie nicht einst ihren Göttern zu Opffern gegönnet; aber diß wäre nicht wegen ihrer eingebildeten Heiligkeit / sondern ihrer Nutzbarkeit halber geschehen / weil sie nicht alleine der Ackers-Leute Arbeits-Gefärthen wären / sondern auch mit ihrem Miste den Bodem tingeten / und die Küh ihre Milch den Sterblichen gleichsam zur ersten Speise gegeben hätten. Worauf aber Zarmar versetzt: Warum von den Lybiern die Böcke / von den Völckern in der Atlantischen Insel die Schlangen / von den Egyptiern Zwiebeln / Katzen und eben die Ochsen so hoch verehret würden? Zwar billigte er nicht den Aberglauben des unverständigen Pöfels / welcher das Vorbild mit dem geheimen Verstande vermischten / und wenn sie die Heiligkeit in das Fell und die Knochen dieser Thiere einsperreten / die Spreu für den Weitzen erkieseten /und daher auch dieselben / welche sich zu ihres Geschlechtes Glauben bekenneten / aus einer allzu thummen Andacht ihre Speisen sechs Monate mit Kühmiste vermischten. Aber er solte die Brahminen / von welchen die Egyptier allererst ihren Gottesdienst /wiewol mit nicht geringer Verfälschung bekommen /eben so wenig für so alber ansehen / daß sie eine Kuh für eine Göttin / oder einen Ochsen / wormit bey den Indianern Basira / bey den Egyptiern Serapis / bey den Juden Joseph fürgestellt würde / für einen Gott hielten / als andere Völcker / welche noch verächtlichere Thiere darfür verehret. Unter diesen geringen Schalen wäre ein köstlicher Kern verborgen; Nicht zwar / daß nach dem Aberglauben des Pöfels eine Kuh mit ihren Hörnern die Welt-Kugel unterstützte /sondern mit diesem Thiere hätten so wol ihre Vorfahren / als andere Völcker die Fruchtbarkeit der Natur abgebildet; also / daß wie ihm zu Memphis ein Priester erzehlet / auch die Römer die Vorsicht des Korn-Vogts Minucius / die Egyptier das Grab ihres Serapis mit dem Bilde eines vergüldeten Ochsen beschencket hätten. Und dem Egyptischen Osiris wäre von Gott in einem Traume durch sieben magere und fette Küh der Mangel und Uberfluß künfftiger Jahre entdecket worden. Warum solten sie nicht das Bild des göttlichen Segens in ihre Heiligthümer setzen / nach dem es die Vorwelt nicht ohne Nachdencken unter die zwölf himmlischen Zeichen gestellet? Gewiß / dieses Geheimnüß / warum die Egyptier allein einen rothen Ochsen opffern / warum die Juden allein mit der Asche einer rothen Kuh / die durch Anrührung eines Todten sich befleckenden / zu ihrer Reinigung besprengen / wäre durch kein Nachsinnen zu ergründen; es würde aber dessen Auslegung in weniger Zeit kund werden. Dannenhero müste ein Weiser aus dem kalten Kieselsteine eines rauhen Vorbildes das Feuer eines heilsamen Verstandes herfür bringen. Sintemahl bey ihnen und andern Völckern der blinden Vernunfft noch wol ärgerlicher zu seyn schiene / daß die Egyptier und Römer an dem Feste des Osiris und Bacchus das männliche / die Syracusier an ihrem Thesmophorischen Feyer das aus Honig und Gesäme gefertigte weibliche Geburts-Glied / wir beydes vereinbart in Tempel setzen / zur Schaue tragen und verehren; da man doch hierdurch[662] theils die zeugende / theils die empfangende Krafft der fruchtbaren Natur andächtig fürbildete. Am allerwenigsten aber wäre sich zu verwundern / daß sie sich so sehr für Speisung des Rindfleisches enteuserten / welches so vielen Völckern ein göttliches Vorbild gegeben hätte; nach dem auch die Juden lieber stürben / als von Schweinen nur wegen ihrer Unreinigkeit speiseten / Sostrates und andere hätten ihr Lebetage sich alles Fleisches enthalten /und mit Milch vergnüget / weil sie gesehen / daß weder das Fleisch zur Nahrung dienlich wäre / noch die Natur uns mit einigen zum Fleisch-Essen geschickten Werckzeugen geschaffen hätte. Zeno berichtete hierauf: Er hätte bey dieser Gelegenheit dem Brahman einen Einwurff gethan / daß sie aber auch keines andern Thieres Fleisch zu essen pflegten / ob diese denn alle göttliche Bilder wären? So könte er auch nicht begreiffen / warum die Brahminen des Tages nur einmal / und zwar mit keinem Menschen /ja so gar mit ihren eigenen Ehweibern / die eines andern Geschlechts wären / nicht speiseten / noch ihre Gefässe brauchten / oder doch im Nothfalle das Wasser daraus in ihren Mund ohne Berührung der Lippen schütteten / und so gar den König selbst ihrem Essen nicht zuschauen liessen. Worauf ihm Zarmar geantwortet hätte: Wolte Gott! unsere Natur vertrüge / daß wir gar nicht essen dörfften / wormit der Leib mit der Zeit die Seele nicht wegen der ihm durch Ubermaß angefügten Feindschafft verklagen dörffte / hingegen man Gott täglich mit Fasten dienen könte. Denn wie Gott der Trunckenheit und Schwelgerey todt-feind ist / also daß / vermöge eines alten Gesetzes / ein iedes Weib bey uns einen trunckenen König nicht allein unsträflich tödtet / sondern auch dem folgenden Könige zur Belohnung vermählet wird; also ist Gott ein nüchterner Mund / und ein andächtiges Hertze das annehmlichste Heiligthum. Welches auch euer Empedocles verstanden / welcher allezeit zu fasten rieth / so offt ein Mensch was übels gethan hatte / oder in Nöthen steckte. Ja die bey euch das Feyer der reichen Ceres begehen / müssen ihr für ihren Uberfluß mit Fasten dienen. Zu dem hat Gott dem allerersten Menschen ein Gesetze gegeben / daß er sich des Fleisches enthalten / und nur von Feldfrüchten leben solte. Unsere Einsamkeit aber rühret aus keiner Hoffarth her /sondern es dienet uns zu steter Erinnerung / daß die /welche allein Gott zu dienen gewiedmet seyn / nicht viel Gemeinschafft mit Weltgesinnten haben sollen. Denn die Gemüther der Sterblichen bleiben leichter an irrdischer Wollust / als die Vogel an der Leimruthe kleben. Die Mücke fleucht in das Feuer / ob sie gleich darinn eingeäschert wird / und der Fisch greiffet nach der Angel / ob gleich nur ein Stücke Aas daran klebt /und es ihm das Leben kostet. Und warum halten auch bey euch unterschiedene Völcker die für unrein / die nur eine Leiche anrühren? Warum dörffen die Priester des Jupiters zu Rom die Bohnen / weil man sie zu Todten-Mahlzeiten und Leichenbestattungen gebrauchte / weder anrühren noch nennen? Glaube aber / daß niemand mehr todt sey / als in dem die Begierde Gott unaufhörlich zu dienen erkaltet ist. Dannenhero müssen unsere sündigen Pereaes ihre Brunnen und Häuser mit Todtenbeinen bezeichnen; wormit selbte iederman fliehe / und niemand sich auch nur durch ihr Wasser / oder den Schatten ihres Daches verunreinige. Und zu Memphis habe ich selbst wahrgenommen /daß die / welche mit Schweinen umgehen / weder die Tempel / noch die Wohnungen der Priester betreten dörffen. Uberdiß verträgt auch unser bey der Mahlzeit gewöhnlicher Dienst so wenig / als die Kost keine Gemeinschafft der Unwissenden. Wir selbst müssen uns mit Isop und Springwasser reinigen / unsere Stirne zur Erinnerung[663] der Sterbligkeit mit Todten-Asche bezeichnen / unsern Leib waschen / unsere Glieder mit Weyrauch beräuchern / den Mund ausspülen / ein sauberes Kleid anlegen / unsere Gebete verrichten /einander rechtfertigen / wie viel ieder selbigen Tag in Erkäntnüß Gottes und heiligem Wandel zugenommen habe; die Nachläßigen aber von dem Tische hinweg und zur Thüre hinaus stossen / ja die Speisen mit geriebenem Holtze bitter machen / oder uns auch gar mit diesem Wasser und Holtze vergnügen; worfür die Zärtlinge dieser Welt / denen auch offt für den niedlichsten Speisen eckelt / eine Abscheu oder Verdruß haben würden. Hieraus kanst du / mein Sohn / nun selbst unschwer ermessen: warum wir uns des Fleisches / als der Würtze menschlicher Begierden / enteusern; ja auch die / welche den Himmel ihnen ohne Umweg zu erlangen gedencken / entschlagen sich eines uns sonst gewöhnlichen Feyers / auf welchem ein Vieh erstecket / und auff dem Feuer geopffert wird / weil die Opffernden das Hertze davon zu zertheilen und zu essen pflegen. Zeno fuhre fort / und vermeldete / daß Zarmar wegen des Fleisch-essens ihm nur einen blauen Dunst für die Augen zu machen gemeinet; daher er ihm entgegen gesetzt: weil er glaubte / daß die Opffernden sich so wol / als bey ihnen die Priester bey den Opffern der Hecate alles Essens enthalten könten / und wahr genommen hätte / daß die Indianer das Leben der Thiere mit Geld erkaufften / zu ihrem Unterhalt heilige Stifftungen machten / und auch denen verächtlichsten / oder sie verletzenden Thieren noch liebkoseten / die verstorbenen Rinder prächtig beerdigten; muthmaste er / es müsse eine andere geheime Ursache hierunter verborgen seyn. Zarmar aber begegnete mir: Jeder Gottesdienst hätte seine besondere Eigenschafft / und auff ihrem Feste müste das Hertze des Thieres gessen werden. Was aber dörffte ich über ihrer Speise so sorgfältig seyn; stünde doch zu Athen in dem Elevsinischen Tempel unter den Gesetzen des Triptolemus in Ertzt eingegraben: Man solle nicht Fleisch essen. Kein Egyptier / auser die von Lycopolis / esse von einem Schaffe / ihre Priester zu heiligen Zeiten von keinem Thiere / ja so gar nicht Eyer und Milch / weil diese ihr Blut / jene ihr Fleisch wären; die Priester des Jupiters zu Rom von keiner Ziege / die Britannier von keinem Hasen / Huhne oder Ganß. Und zur Zeit des weisen Ptolomeus habe ein Egyptier über seine eigene Mittel vom Könige funfzehn Talent Silber geborgt / und auf das Begräbnüß-Gepränge seiner für Alter gestorbenen Kuh zu Memphis verwendet. Zeno berichtete: Er hätte sich hiermit noch nicht abweisen lassen wollen / sondern um ihm recht auf den Puls zu fühlen / dem Brahman Einhalt gethan: warum aber die heiligsten unter ihnen wegen der auch denen Kräutern eingepflantzten Seele ihnen ein Gewissen machten / ein Kraut mit seiner gantzen Wurtzel oder Stengel auszureissen / sondern nur zu ihrem unentbehrlichem Unterhalt die eusersten Blätter abbrächen? Er solte ihm daher nur frey heraus sagen: Ob sie nicht / wie Pythagoras / die Wanderschafft der Seelen in Thiere und Kräuter glaubten / welcher daher lieber in die Hände seiner Mörder verfallen / als in die wachsenden Bohnen sich verstecken / und die darinnen ruhenden Seelen hätte beunruhigen wollen? Welches er darum so viel leichter glauben müste / weil die Griechen darfür hielten / daß die Indianer ihren Pythagoras als einen grossen Heiligen / unter dem Nahmen des Brahma / mit dreyen Antlitzen und sechs Armen abbildeten / ja anbeteten; Uber diß ihm der Buddas von Muziris gesagt hätte: Sie hielten mit unserm Parmenides / Empedocles und Democritus / insonderheit mit dem Pythagoras darfür / daß dem Wesen nach nur eine eintzige Seele in der Welt wäre / und nichts minder die Steine / Kräuter und Thiere / als[664] den Menschen begeisterte / auch als ein kräfftiges Band diese Glieder der Natur miteinander verknüpfte. Hingegen bestünde eines ieden beseelten Wesens Fürtreffligkeit in dem Leibe / als dem Werckzeuge / wordurch die Seele herrlichere oder geringere Kräfften auslassen könte. Daß nun die Kräuter nicht lauffen / die Thiere nicht reden könten / die Steine nicht fühlten / geschehe aus blossem Gebrechen des darzu benöthigten Werckzeugs. Sintemal die mit einer vernünftigen Seele unstrittig begabten kleinen Kinder aus eben dieser Uhrsache ihre Sprache und Vernunft nicht gebrauchen könten. Welche Einbildung den Crates von Thebe so weit verleitet hätte / daß er keine Seele gegläubt / sondern alle der Seele sonst zugeeignete Würckungen den natürlichen Kräfften des blossen Leibes zugeeignet. Zarmar / sagte Zeno / veränderte über diesem Vortrage etliche mal sein Gesichte / und fuhr endlich mit ziemlicher Entrüstung heraus: Es mischen diese letztere die dreyerley Seelen mit so grossem Irrthum unter einander / als die / welche tichten: daß die erste Sprache in der Welt so wohl dem Vieh als den Menschen gemein gewest wäre / und daß an gewissen heiligen Oertern fremde Vieh auch selig würde; oder daß die Flüsse für Zeiten in menschlicher Gestalt herumb gegangen wären; und die den Leib zu einem blossen Kercker und Klotze / in welchen die Seelen ihrer Sünden wegen verdammet würden / und kein wesentliches Antheil des Menschen wäre; ja zu einem kalten Grabe machen / darinnen diese Geister /welche entweder von Ewigkeit her ihr Wesen gehabt /und aus Gott / wie das Licht aus der Sonnen sonder des Ursprungs Verminderung entsprossen wären /oder doch mit der Welt erschaffen worden / erfrieren und erstarren müsten. Denn / da Gott die Seelen nur zu ihrer Marter in die Leiber einsperrete; würde die Natur nicht alle ihre Kunst zu so schöner Bildung eines grausamen Gefängnüsses anwenden. Es würde ohne grosse Ungerechtigkeit keine heßliche Seele in wohlgestalten Gliedern wohnen; noch auch die verächtliche Asche unserer Leiber von Gott mit der Zeit gewürdiget werden / daß sie wieder zu einem viel verklärtern Leibe werden / und in unaussprechlicher Freude mit ihrer durch den Tod abgesonderten Seele ewig vereinigt bleiben solte. Welch Geheimnüß aber den Augen euerer eitelen Weltweisen gäntzlich verborgen ist. Die Egyptier hingegen habẽ einen Blick von diesem Lichte ersehen / und die Leichen so fleissig mit Phenicischem Weine gewaschen / mit Myrrhen / Aloe und köstlichẽ Hartzte eingebalsamet; daß die Seele mit der Zeitdarein / als in eine unversehrte und ihr anständige Wohnung wieder einkehrẽ könte. Wormit dir aber / mein Sohn / unser Glaube nicht so unglaublich fürkomme; wil ich dir zeigen / daß das Feuer den Dingen seine innerliche Eigenschaften nicht benehme / sondern selbte mit ihrer Saamens-Krafft in der Asche übrig bleibe. Hiermit nahm er ein an Blättern und Wurtzeln so dürres Kraut: daß man es mit den Fingern in Staub zerreiben konte / setzte es in ein Glas voll kräfftigen Wassers / welches / seinem Berichte nach / aus gewissẽ Berg-Gewässern gezogẽ war. Es waren aber kaum drey Stunden verstrichen; als aus der Bein-dürren Wurtzel ein frisches Kraut zu meiner höchsten Erstaunung herfür grünete. Uber diß nahm er ein ander gantz frisches Kraut / welches er zu seiner Speise mitgenommen hatte / zerschnitt selbtes zu Staube / verbreñete es zu Asche / und säete es in ein mit frischer Erde gefülltes Gefässe; mit der Versicherung; daß eben selbiges Kraut in wenig Tagen wieder herfür wachsen würde. Als es sich auch hernach wahrhaftig ereignete. Urtheile nun / sagte Zarmar / ob es dem allmächtigen Gotte schwerer seyn werde / die Asche unsers Leibes in einen frischen Leib zu verwandeln / als dem ohnmächtigen Menschen ein Kraut aus seinem Staube / oder einem Seidenwurme sich aus seinem Grabe lebendig heraus zu wickeln. Brenne / verbrenne /[665] wandele Gold / Quecksilber und ander Ertzt / in Geträncke / Wasser / Oel und Staub; glaube aber: daß du ihre Eigenschafft nicht verwandelt / weniger getödtet hast. Denn sie verstecket sich nur für dem verzehrenden Feuer in ein ander und sicheres Kleid; und wenn du deinen künstlichen Beysatz wegnimmest / wirst du den Kern des ersten Wesens unversehrt finden. Meynet ihr aber: daß nach dem Pythagoras mit seinen Träumen euch verdüstert / er uns derogestalt verblendet habe: daß wir ihn als einen vorsetzlichen Verleiter oder unwissenden Verleiteten für den Göttlichen Brahma den wahrhaften Mitler zwischen Gott und den Menschen erkennen solten? Ich erschrecke für dieser Lästerung: daß Brahma / von welchem die Welt / keines weges aber nach der Meynung eueres Aristoteles von andern Ursachen / noch / nach dem Stoischen Irrthume / von einem blinden Noth-Looße oder Verhängnüsse / noch von dem Einflusse der Sternen / in Ordnung gehalten /und an statt des Göttlichen Wesens / welches nicht /wie euer Epicurus schwermet / so wohl seine als irrdische Sachen unachtsam ausser Augen setzt / beherrschet wird / der sonder den Zwang der Geburts-Sternen allen Menschen ihr Glück und Unglück abmißt /auch ihnen ihr Lebens-Ziel stecket / der durch seinen Geist / welchen euer Plato die Seele der Welt heißt /der gantzen Natur ihre Nahrung gibet / etliche Vögel mit einem Tropfen Wasser / die Schlangen mit dem Winde / die Schnecken mit Thau / etliche Thiere mit Feuer / andere mit der Lufft sättigt; daß / sag ich / der grosse Brahma / das Wort / oder wie Plato nachdencklich redet / der Sohn Gottes mit einem aberwitzigen Weltweisen vermenget werden wil; denn wie zwar die Egyptier alle ihre Weißheit von unsern Vor-Eltern erlernet; aber mit grossem Undancke ihre Lehrer nicht nur verschwiegen / sondern die Lehre selbst verfälschet / und unter einem ertichteten Alterthume ihnen selbst den Ursprung zugeeignet haben / vorgebende / daß unter ihrer Zeit die Sternen zum vierdten mal ihren Lauff vollbracht hätten / welches nach eures Plato Rechnung über hundert vier und viertzig tausend Jahr beträgt / daß die Sternen-Kunst bey ihnen schon über hundert tausend Jahre bekandt gewest /und ihr Reich siebentzig tausend Jahre von Königen beherrschet worden wäre / daß Zoroaster sechs tausend Jahr für dem Plato gelebet hätte; also hat Pythagoras von dem Canupheischen Priester / seinem Lehrmeister / viel falschen Tand für gute Wahre erkaufft /oder das noch aus Egypten / oder vielmehr aus dem Gesetz-Buche der Judẽ / so wol von ihm als vorher von dem Pythagoras und Aristobul geschöpfte reine Brunn-Wasser der Weißheit in den Sümpfen der Griechischen Weltweisen verfälschet / weil er in natürlichẽ Dingen den Heraclitus / in Sitten- und Herrschaffts-Lehren den Socrates / in Schluß-Reden den Pythagoras zu seinem Leiter erkieset; also theils sich /theils seine ohne diß eitele Griechen / die auch ihr Athen neun tausend Jahr für dem Solon gebaut zu seyn tichten / darmit hinters Licht geführet hat. Eben diese Flecken kleben dem Pythagoras an / welchen die Egyptier zwar am Fleische mit einem steinernen Messer / aber nicht in Irrthümern mit der Schere vollkommener Wahrheit beschnidten / oder doch der abergläubige Morgi des Cretensischen Jupiters Priester / welchen er in schwartze Wolle gekleidet / dreymal neun Tage in der Ideischen Höle bey dem Bilde des Jupiters gehöret / wieder verunreiniget / und den Pythagoras bethöret hat: daß er sich von ihm am Tage mit Ceraunischem Steine am Meere reinigen / des Nachts bey flüssendem Wasser mit einem schwartzen Lamb-Felle krönen / und dardurch dem daselbst vergrabenen Zan oder Jupiter einweihen lassen. Dieser Pythagoras hat die unschätzbare Perle / nemlich die Lehre von der Seelen Unsterbligkeit in eine stinckende Auster-Schale versteckt; da er aus der Seele eine vierfache sich selbst bewegende Zahl gemacht / die Lufft[666] mit viel tausend umschwermendẽ Seelen angefüllet / die Vielheit der Götter gelehret / und sie in Zahlen verwandelt; am allermeistẽ aber mit den albern Egyptiern die Welt mit der Wanderung der Seelen in andere menschliche und viehische Leiber bethöret hat; vorgebende: daß nachdẽ die Seele sich einmal aus dem Gestirne in einen irrdischen Leib herab gelassen hätte /müste sie durch allerhand andere Leiber herum wandern / biß sie nach 3000. Jahrẽ / oder dem grossẽ Welt-Jahre / wieder in ihren ersten Leib und vorigen Circkel komme / endlich aber nach einer sehr langen Zeit sich mit ihren Flügeln wieder zu ihrem Gestirne empor schwinge. Diese Wanderschafft geschehe aber nach der Beschaffenheit des guten und bösen Verhaltens / also: daß die Fro en entweder in eine andere menschliche / oder in heiliger Thiere / die Bösẽ aber in unreiner Thiere Leiber sich verfügten. Also rühmte sich Pythagoras: Seine Seele wäre anfänglich in einem Pfauen gewest / hernach in Euphorbus / von dar in Homerus / und so fort Pyrrhus / Eleus / endlich in seinen damaligen Leib gefahren; weßwegen er auch zu Delphis noch eigentlich seinen dahin gewiedmeten Schild erkennet hätte; und sich erinnerte: wie er in der Hölle den an eine ertztene Säule angefesselten Hesiodus / und des Homerus an einen Baum gehenckte und mit Schlangen umgebene Seele gesehen. Gleicher gestalt wäre die Seele des Orpheus in einen Schwan /des Thamyras in eine Lerche / des Telamonischen Ajax in einen Löwen (in welcher Gestalt auch einst König Amasis soll erkennet worden seyn) Agamemnons in einen Adler gediegen. Der Weltweisen ihre kämen in Bienen / der Redner in Nachtigaln / umb sich auch nach dem Tode an der Anmuth und Süssigkeit zu sättigen. Welche aber nur dem Göttlichen Erkäntnüsse obgelegen / würden unmittelbar zu Engeln. Auch wäre diese Umbirrung ihnen keine Straffe / sondern eine Ehre und Vergnügung; nachdem die heiligen Seelen auch in der wilden Thiere Leibern ihrem Vaterlande wohlthäten / die Erd-Kugel umbreiseten /und das Thun der Menschen beobachteten / ja die Götter selbst in heilige Thiere sich zu verfügen nicht scheueten. Hingegen würden die Zornigen in Schlangen / die Geitzigen in Wölffe / die Betrüger in Füchse / die Hoffärtigen in Pfauen / die Neidischen in Hunde / die Unzüchtigen in Schweine / die grausamen in Crocodile / die Faulen in Esel / die Rauber in Raub-Vögel / einige Seelen auch wohl gar / nach der Lehre des Empedocles / in Bäume und Pflantzen verdammet. Ob nun wohl die Egyptischen Priester eben dieses den albern Pöfel und die leichtglaubigen Ausländer überredet / also daß dieser Irrthum nicht nur gantz Morgenland eingenommen / auch unsere Einfältigen die glückseligsten Seelen in Küh-Häuten eingeschlossen zu seyn vermeynen / sondern auch vom Zamolxis zu den Geten / von den Druyden in Gallien / und auch in Deutschland gebracht worden; so haben doch die Priester ihnen etwas mit Fleiß weiß gemacht / was sie selbst nicht geglaubt / auch von unsern Vorfahren nicht gelernet; oder sie selbst haben die Lehre des Hermes und Zoroasters als unserer Schüler übel verstanden; oder nachdem sie die Unsterbligkeit der Seelen / und daß die Frommen nach dem Tode ergetzt /die Bösen gepeinigt werden solten / gestehen müssen / nicht gewüßt / was sie denen Seelen für einen Aufenthalt zueignen / oder einem Geiste für äuserlichen Zwang anthun solten; diß / was wir verblümter Weise geredet / und die Griechen zum Theil selbst unter der Zauber-Ruthe Circens und der Ulyssischen Geferten fürgebildet / wie nehmlich der Mensch durch seine unvernünftige Begierden / durch Unterdrückung der Vernunfft / von dem Kitzel äuserlichen Sinnen sich selbst zum Viehe mache / wesentlich angenommen /und die Spreu für den Weitzen erkieset / wiewohl auch einige unter ihnen nur die Wanderung der Seelen in andere Menschen / nicht aber in das[667] Vieh nachgegeben haben. Da sie sich doch leicht hätten bescheiden können: daß die Seele als ein Geist in und von sich selbst den Ursprung ihrer Bewegung und Würckung habe / und des Leibes als eines unentbehrlichen Werkzeuges keinesweges bedürffe. Welch Erkäntnüß auch die Stoischen Weltweisen zu glauben bewogen: daß die tugendhaften Seelen umb den Monden sich an Beschauung der hi lischen Dinge erlustigten / die Lasterhaften aber umb die Erde / oder gar umb die düsteren Gräber so lange / biß sie nach und nach von ihren irrdischen Begierden gesaubert würden / herumb schwermeten; ja Pythagoras selbst hat geglaubt: daß die allerärgsten Seelen in uneingefleischte Teuffel verwandelt würden. Ich gestehe übrigens gerne: daß bey uns eben so wohl das gemeine Volck viel Schatten für das Licht erwische / und ihre Andacht eben so wohl als in Griechenland und Egypten mit Wahn vermischet sey. Alleine es ist besser selbten bey irrigem Gottes-Dienste unter der Furcht für dem gerechten Gotte / und dem Gehorsam seiner Obrigkeit zu halten / als selbten ohne einige Gottes-Furcht in allerley Laster ohne Scheu rennen zu lassen. Uber diß ist Gott ein so verborgenes Wesen / daß ie mehr wir selbtes zu ergründen uns bemühen / ie mehr unsere Gemüths-Augen / wie derer / welche in die Sonne sehen / von übermäßigem Lichte verdüstert werden. Denn ob wohl Gott sein Wesen und Würcken auch durch den verächtlichsten Käfer / durch den niedrigsten Isop erhärtet / und also des Protagoras und Diagoras Nachfolger / welche nicht gläuben: daß ein Gott sey / für Unmenschen zu halten sind; so sind doch seine Eigenschafften so verborgen: daß die Welt noch keinen ihm anständigen Nahmen zu finden gewüst / ob man auch schon mit unsern tausend Nahmen seine Allmacht und Güte nicht aussprechen kan. Gottes Weißheit / Macht / Gerechtigkeit sind nur Worte und Erfindungen unserer Einfalt; diß aber / was wir darmit meynen / ist seine Gottheit selbst / welche ein einfaches Wesen hat / und keine Zusammensetzung einiger Zahlen oder Tugenden verträget. Dannenher auch die Weisen dem unbekandten Gotte Tempel und Altar aufzurichten veranlasset worden. Verbirget doch der gestirnte Himmel mehr als die Helfte seiner Lichter / für unsern Augen; ja die Kräfften der Kräuter / die wir mit Füssen treten / vermögen wir durch unser Nachsinnen nicht zu erforschen. Wie viel weniger werden wir das Meer der so tieffen Gottheit erschöpfen. Wohin denn auch / der Griechen Bericht nach / des Saturnus Gesetze / daß man bey schwerer Straffe die Götter nicht nackt sehen solte / und das Gedichte: samb der die Diana nackt sehende Actäon von Hunden zerrissen /der die badende Minerva ins Gesicht bekommende Tiresias blind worden wäre / ihr Absehen hat. Also /daß nach dem die Weisen hier auch im blinden tappen müssen / einigerley Weise zu entschuldigen ist: daß die Griechrn alle Geheimnüsse unter Gedichte verstecket / und den Pöfel durch solchen Aberglauben im Zaume gehalten haben. Massen ohne diß Gott durch Unwissenheit am meisten erkennet; und mehr durch demüthiges Gebet / als durch spitzige Nachforschung verehret wird. Und wie das grosse Auge der Welt seinen Glantz auch den Neben-Sonnen mittheilet; also mißgönnet auch Gott nicht die Ehre seinem Schatten /den blöde Augen für ihn als das selbstständige Licht erkiesen.

Mit diesen und andern tieffsinnigen Gesprächen /sagte Zeno / verkürtzten wir unsern Weg und die Zeit / wiewohl mir die Beysorge: Ich möchte durch allzu grossen Vorwitz diesen weisen Mann gar aus der Wiege werffen / verbot / ein und anders Bedencken wider seine Lehren aufzuwerffen; und insonderheit zu erhärten / daß weil Gott seine Ehre keinem andern geben wolte / sondern er darumb gerechtest eiferte; der Einfalt so wenig[668] ein falscher Gottesdienst / als einer armen Mutter für ihr Kind ein Wechselbalg unterzustecken; und ein Gottesdienst ohne Warheit und Weißheit für ein Gespenste / einen Schatten / einen blauen Dunst und verführisches Irrlicht zu halten sey; Ja daß der / welcher für ein göttliches Wesen nur eine neblichte Wolcke umarmet / mit dem Ixion nichts als Mißgeburten zeuge / sich aber selbst in den Abgrund abstürtze. Denn wie einen Affen nichts garstiger und lächerlicher macht / als daß er sich den Menschen gleichen will; also ist der Aberglaube nur eine abscheuliche und verwerffliche Nachäffung des wahren Gottesdienstes.

Wir schifften / fuhr Zeno fort zu erzehlen / unter halbem Sturmwinde nur mit einem Segel / wiewohl ziemlich schnelle fort; weil der Wind aber in unserm Segelwercke ein und anders zerbrochen hatte / stiegen wir theils solches wieder anzurichten / theils uns zu erfrischen auff dem fruchtbaren Eylande Dioscorida unter Arabien aus / welches die halbe Welt mit Aloe versorget. So bald wir von dem Schiffe traten / fiel Zarmar gegen Morgen auff sein Antlitz in den Staub der Erde / rührte kein Glied / ausser seiner Zunge /mit welcher er unglaublich geschwinde / seinem Glauben nach / tausend Zunahmen Gottes aussprach / den Bodem aber mit unzehlbaren Thränẽ netzte. So bald auch die Sternen auffgingen / machte er ein Feuer von Aloe-Holtze / trat hernach mit einem blossen Fuße nach dem andern in den fast glüenden Sand und heiße Asche / ohne das geringste Zeichen einiger Empfindligkeit; betrachtete lange Zeit eine gantz feurige Kugel / und die übrige Nacht sahe er einen grossen weissen Stern mit unverwendeten Augen an / biß selbter unter den Abends-Zirckel absanck. Wie nun Zarmar des andern Tages in dem Garten des Königs Eleazes / welchem dieses Eyland und das Weyrauch bringende Theil Arabiens zustehet / seine die Nacht über gepflogene Andacht auszulegen gebeten ward; antwortete er: Meinet ihr denn / daß die Wolthaten Gottes / indem er uns Wind und Wellen zu Liebe in Fesseln gehalten /nicht alle unsere Demuth und Dancksagung übersteige? Schätzet ihr Gott nicht für so hoch / daß wir / die wir Asche sind / und zu Staube werden / also nicht einst recht den Nahmen ehrlicher Erde verdienen / uns für ihm nicht in den niedrigsten Staub zu verscharren schuldig sind? Meinet ihr / daß tausend Lobsprüche seiner Herrligkeit ein mehrers beysetzen / als wenn man einen Löffel voll Wasser ins Meer geust? Solten unsere verzärtelte Glieder nicht einen wenigen Schmertzen des Feuers vertragen / um in der Andacht gegen dem Schöpffer unserer Seelen / dem wir unser brennendes Hertz täglich auffzuopffern schuldig sind /nicht schläffrig zu werden? Wisset ihr nicht / daß wenn das Meer keinen Dampff mehr über sich werffen / und die Sternen darmit träncken wird / selbte eingeäschert herab fallen sollen? Warlich / werden keine Seuffzer und Thränen der sündigen Menschen den brennenden Zorn Gottes abkühlen / so wird er die Welt wie ein Schmeltz-Ofen die Spreu verzehren. Wie aber hingegen ein Gärtner sich über die bey ihrer Beschneidung weinenden Reben als einem Zeichen der Fruchtbarkeit erfreuet; Also sind Gott die Thränen eine Anzeigung der reichen Seelen-Erndte. Das Gebet hat nur die Eigenschafft des Weyrauchs / weil es Gott einen süssen Geruch abgiebt / und den Gestanck unser garstigen Sünden vertreibet; die Thränen aber haben eine Krafft des Zwanges in sich / welche seinen gerechten Zorn fässelt / und sein mitleidentlich Hertze presset / daß er unser barmhertziger Erbarmer seyn muß. Da man nun aber Gott aus Betrachtung aller Dinge erkennen soll; warum soll mir nicht eine Kugel / als das vollko enste unter denen begreifflichen Dingen / das Muster der Welt / und das Vorbild der alles begreiffenden Gottheit zu einem[669] Nachsinnen dienen? Warum soll meine Finsterniß nicht aus dem Feuer ihr ein Licht anzünden / welches dem Himmel am ähnlichsten / keiner Fäulniß unterworffen / der Urprung alles Glantzes ist; welches die todte Erde beseelet / zu allen Geburten der Thiere und Pflantzen behülfflich seyn muß / die stärckste Würckungs-Krafft in sich hat / und als das aller fruchtbarste Wesen sich aus sich selbst zeuget / und daher von eurem Heraclitus die Natur für nichts anders / als für ein würckendes Feuer gehalten worden ist; ja welches die nachdrücklichste Tugend zu reinigen hat; also / daß so viel Völcker solches als einen Gott angebetet / alle es zu ihren Opffern nehmen / die feurigen Thiere für die edelsten halten / und nicht wenig darum ihre Leichen verbrennen: wormit die Glut dieselben Flecken vollends vertilge / welche durch kein Weyhwasser haben köñen abgewaschen werden. Am allermeisten aber haben wir unsere Augen und Gemüther an die Sternen zu nageln; Deñ geben sie gleich nicht nach vieler Meinung lebhaffte und beseelte Schutz-Engel der Menschen und Thiere ab / so sind sie doch die hellesten Spiegel der göttlichen Weißheit und Allmacht. Zeugen selbte aus sich neue Sternen / wie vielmehr gebieret ihre Betrachtung Kinder Gottes; ja sie sind nicht so wohl Lichter des Tages und der Nacht / als Wegweiser zu Gott dem unerschaffenem Lichte.

Zwischen diesen Gesprächen vergaß Zarmar als ein erfahrner Gärtner nicht / uns die Eigenschafften der seltzamsten Gewächse / insonderheit aber der unterschiedenen Aloe zu zeigen und auszulegen. Unter diesen allen war die köstliche Holtz-Aloe / wormit die Morgenländischen Könige ihre Kleider und Bettgewand einbisamen; welcher annehmlicher Geruch so durchdringend war / daß einige unserer Leute genöthiget wurden aus dem Garten zu weichen. Es ist / sagte Rhemetalces / diß ein unfehlbarer Beweiß eines sehr durchdringenden Geruchs; weil der Mensch / als welcher seiner Grösse nach das meiste und feuchteste Gehirne haben soll / unter allen Thieren den schwächsten Geruch hat; hingegen wie andere in andern Sinnen; also die Raben und Geyer den Menschen hierinnen vielfältig übertreffen. Massen / denn alle diese Vögel von Athen / und aus dem Peloponesus nach der Pharsalischen Niederlage der Meden von den stinckenden Leichen / und ein Habicht von einem Aaße aus der Damaskischen Gegend biß nach Babylon gelockt worden. Zeno begegnete ihm / es wäre diß allerdings wahr; iedoch gäbe es auch Thiere / welche viel weniger rüchen / als die Menschen insgemein. Unter diese wäre fürnehmlich der Löwe zu rechnen; welcher wegen mangelnden Geruchs die Syrische Katze / als seine Wegweiserin mit auff die Jagt nähme / und den Raub mit ihr theilte. Hingegen hätten viel Menschen ein sehr scharffen Geruch / besonders die stumpffen Gesichts wären. Jubil setzte bey: Auch die Albern solten eine dünnschälichte Nase / scharffsinnige Leute aber einen schlechten Geruch haben. Dessen Beyspiel man an dem überaus klugen Könige Hippon in Britannien hätte / welcher weder Zibet noch Bibergeil /weder Ambra noch Hüttenrauch zu unterscheiden gewüst. Rhemetalces antwortete: Ich solte vielmehr das Widerspiel glauben / weil nach der Lehre des Heraclitus die den Geruch dämpffende Feuchtigkeit auch den Kräfften der Vernunfft soll Abbruch thun. So hätte auch der scharffsinnige Phereydes einen so herrlichen Werckzeug des Geruches / er bestehe nun gleich an einem Beine / oder an einem Fleische / oder an einer gewissen Spann-Ader / gehabt / daß er aus Anrüchung der Erde ein Erdbeben gewahrsagt. Nichts minder hätte Democritus bey der Unterredung mit dem Hippocrates durch seinen Geruch die ihnen gebrachte Milch zu unterscheiden gewüst / daß sie von einer schwartzen Ziege wäre. Der Hirte Agathion aber hätte[670] so gar in der Milch unterscheiden können: ob sie ein Weib oder Mann gemolcken? Unter welchen die zwey ersten nicht nur für scharffrüchende / sondern auch für tieffsinnige Weisen gelten könten. Flavius setzte bey: Er erinnerte sich / daß König Juba in Africa bey seinem Heere Kundschaffter gehabt / die das fette und sandichte Land auff etliche Meilen ausspüren müssen. Salonine sagte: Wo die Trockenheit eine Schärffung des Geruchs / wie die Feuchtigkeit des Geschmacks ist / müssen die verbrennten Mohren nothwendig am besten rüchen. In alle wege / antwortete Zeno. Dahero wäre der starcke Mosch denen heissen Babyloniern ein rechtes Gifft / und den Arabern stiege der Balsam / wie uns die geriebene Brunnkresse oder Senff in die Nase. Die schwefflichten Katzen aber würden von starckem Rauchwercke gar rasend. Der Geruch der Rosen tödtete die Käfer / die Salben- und Narden-Wasser die Geyer. Rhemetalces fiel ein: die bey dem Ursprunge des Ganges wohnenden Völcker müsten bey ihrem scharffen Geruche noch etwas gar besonders haben; wo sie anders nur von süssem Geruche der Blumen lebten / von widrigem aber stürben. Zeno versetzte: Ich bin bey dem Brunnen des in Scythen entspringenden Ganges wohl gewest / habe aber das minste davon gehöret. Dahero dieser eingezogene Bericht zweiffels frey so wenig wahr ist / als daß der Würmer und Fliegen fressende Camelion nur von der Lufft oder denen eingebiesamten Soñen-Stralen leben solle. Wiewohl ich nicht läugne / daß wohlrüchende Sachen die Geister erqvicken / und das Gehirne stärcken; den Magen aber zu vergnügen sind sie wohl allzu dünne und zu flüchtig. Weßwegen auch die kräfftigsten Balsame in den Speisen sehr ungesund seyn sollen; wiewohl itzt den lüsternen Mäulern keine schmecken wollen / wo die Nase sich nicht so sehr mit Bisam / als der Magen mit Würtzen sättigt. Salonine warff ein: Sie könte keine Ursache ergründen /warum die wohlrüchenden Speisen ungesund seyn solten / da die dem Menschen zur Speise und Artzney geschaffene Kräuter / Pomerantzen und Granat-Aepffel so herrlich rüchen; ja die Bienen / welche in so vielen Dingen der Menschen Lehrmeister wären / von eitel wohlrüchenden Blumen und Blüthen-Geistern lebten. Es ist wohl wahr / antwortete Zeno; aber unser Weyrauch / Ambra und Mosch ist ihnen gantz zuwider / ja wenn eine Biene derogleichen Geruch an sich gezogen / wird sie von den andern gleich / als wenn sie sich durch ein Laster verunreinigt hätte / gestrafft. Vielleicht / sagte Flavius / geschiehet dieses nur darum / weil dieser kräfftige Geruch den schwächern der Blumen zu sehr dämpffet und ersteckt / daraus sie doch ihre Nahrung saugen müssen. Sintemal auch das Pantherthier / welches durch seinen starcken Geruch allerhand andere Thiere an sich locket / in Gegenwart des Menschen diese Krafft einbüsset. Denn ich traue denen edlen Bienen nicht zu / daß sie schlechter Dings für so köstlichen Geschöpffen der Natur einen Eckel; hingegen einen Zug zum Gestancke / wie jener Verres haben solten; welcher den dem Apronius aus seinem Leibe und Munde auffdampffenden Stanck für Süßigkeit hielt / wormit er doch sonst Menschen und Vieh verjagte. Die holdselige Fürstin Ismene brach ein: Sie wüste wohl / daß noch mehr Menschen lieber Knobloch / als Syrischen Baum-Balsam rüchen; sie hielte diß aber für eine Eigenschafft unreiner Seelen /oder zum minsten ungesunder Menschen. Denn der Gestanck wäre eine Anzeigung eines Aaßes / oder zum minsten einer Fäulniß / der gute Geruch aber eine Lebhafftigkeit. Der Himmel eröffnete seinen Zorn durch den Schwefel-Gestanck des Blitzes; und / der Griechen Bericht nach / hätte Venus die Weiber auf Stalimene und Lemnos mit nichts ärgerm / als daß sie nach einem Bocke gestuncken / zu straffen gewüst. Welche Straffe so viel härter wäre / weil[671] die also rüchenden Menschen von dem Gebrauche wohlrüchender Dinge nur noch ärger stincken. Hingegen müsten alle Länder den Arabern ihren Weyrauch und Aloe zu ihrer Andacht abkauffen / und Gott darmit einen süssen Geruch anzünden. Die Fürstin Thußnelda versetzte: wir müssen Arabien / und der vom Zeno gerühmten Dioscorida ihrer Würtzen und Aloe halber den Vorzug geben / und glauben / daß selbte so wohl als Mosch und Zibeth nur Kinder des heissen Himmels sind; ich weiß aber nicht / ob nicht Deutschlands Blumen so einen kräfftigen Geruch / als die Morgen- oder Sudländischen haben. Zum minsten bin ich glaubhafft berichtet worden / daß in dem doch so warmen Egypten Kräuter und Blum-Werck den unsrigen am Geruche nicht das Wasser reichen. Auch habe ich von unsern Blumen eine grössere Würckung gesehen / als Zeno von der Arabischen Aloe zu erzehlen gewüst; nehmlich / daß einige von dem Geruche ihrer hundert-blätterichten Dorn-Rosen ohnmächtig worden sind. Rhemetalces begegnete ihr mit einer höfflichen Ehrerbietung; Er wäre zu wenig dem fruchtbaren Deutschlande seine Köstligkeiten abzusprechen; auch wolte er nicht behaupten / daß diese Rosen nur fremde in diese Nordländer versetzte Gewächse wären; aber er müste nur gestehen / daß alle Blumen in Asien stärcker / als in seinem doch vielmehr Sudlichen Thracien / oder auch in Griechenland rüchen. Wie viel die Hitze den Geruch erhöhete / würde man auch in Deutschland wahrnehmen; wo im heissesten So er am Mittage und beym Sonnenschein iede Blume einen stärckern Geruch von sich gäbe / als im Herbste / des Abends oder beym Regenwetter. Wie dem aber wäre / schriebe er die seltzame Würckung nicht so wohl der natürlichen Krafft des Rosen-Geruchs / als einer angebohrnen Entsetzung gewisser Menschen zu; indem auch die annehmlichsten Dinge denen Kindern widrig wären / worfür eine schwangere Mutter Eckel bekäme. Hertzog Herrmann bestetigte es / und meldete: Die gesündesten Gewächse würden so denn zu Giffte / also / daß ein Narsingischer Priester vom Geruche der Rosen getödtet worden wäre. Eine Britañische Jungfrau hätte von heimlicher Aufbindung dieser heilsamen Blume Blattern bekommen; Und er keñte einen streitbaren Kriegsheld / den er mit einem Püschel gesunder Raute ehe / als mit hundert blancken Sebeln in die Flucht bringen könte. Ich bin / sagte Zeno / eben dieser Meinung; aber viel rührt auch von der eignen Krafft des Geruchs her. Wie viel Menschen werden wegen ihrer Schwäche des Hauptes bey Persepolis von den vielen Rosen / in Spanien von dem häuffigen Rosmarin / in Taprobana von der Menge des Gewürtzes mit Hauptweh geplaget? Und in Warheit diese Holtz-Aloe gehet allen Sabeischen wohlrüchenden Gewächsen für; Dahero ihr Wesen auch in Oel / als woriñen der Geruch am beständigsten tauret / eingethan / und in die fernesten Länder verschickt wird. Am allerschätzbarstẽ aber hielt Zarmar die Kraft der Aloe die Leichen für Fäule und Würmern / derer Zahn sonst so gar der Felsen / der Corallen und Jaspiße nicht verschonet / zu bewahren. Bey welchem Berichte er uns seuffzende ermahnte nicht allein nachzudencken: Ob Gottes Hand unsere Leiber für gäntzlicher Zernichtigung in der Asche / in Flammen / Wellen /und in dem Magen der gefräßigen Thiere zu erhalten mächtig seyn könte; sondern auch zu glauben / daß der Mensch nichts minder aus seinem andern Begräbniße in den Staub der Erde / als aus dem ersten Sarge / nehmlich der Mütterlichen Schooß / lebendig herfür brechen würde. Nebst diesem sahen wir auch eine überaus grosse Menge dörnrichter Aloen; derer etliche in unserer Anwesenheit etliche Schuch hohe Stängel ausstiessen / ihrer viel aber auff zwölff Ellen hohen Stengeln mit etlichen tausend rothgelben Blumen prangeten. Sehet hier / sagte Zarmar /[672] ein rechtes Bild der Eitelkeit / indem beyde in ihrem höchsten Glantze verwelcken. Denn diese Blumen-Mutter wird wahrhaffter / als die Natter von ihren Kindern bey der Geburt getödtet. Oder / weil diese schöne Blumen so bald abfallen / mag ihre Mutter für Hertzeleid nicht länger im Leben bleiben.


Nach dreyer Tage Erfrischung setzten wir unsere Reise fort / und segelten endlich recht in den Mund des rothen Meeres / kamen auch nach etlichen Tagen in den Gebanitischen Seehaven Ocila / in Meinung /daß der Arabische König Sabos / dessen Vater / dem Käyser Augustus zu Liebe / auff seines Syrischen Landpflegers Qvintus Didius Anstifftung die von der Cleopatra im rothen Meer gebaute Schiffe hatte verbrennen lassen / mit den Römern in gutem Vernehmen stünde. Wir erfuhren aber von einem Perlen-Fischer / der von dem Eylande Delacca zurücke kam /zu unserm Glücke bey Zeiten / daß Sabos mit den Römern wegen der Gräntzen / und weil Augustus dem Jamblichus sein väterliches Reich wider den Sabos in Arabien zugesprochen hatte / in offentliche Feindschafft verfallen / und Elius Largus zwar mit einem mächtigen Heere tieff in Arabien eingebrochen wäre. Allein nachdem die Araber sie mit Fleiß so tieff in ihre sandichte Wüsteneyen / biß an die Stadt Athlula gelocket / und allenthalben die Brunnen verdecket /wäre das gröste Theil des Heeres für Durst und an Hauptweh umkommen; Die übrigen hätte König Sabos umringt und erschlagen / also / daß kaum ein Bote dieser Niderlage zurück ko en wäre. Diesem nach wir uns für Kauffleute von Oaracta / welches dem mit den Arabern verbundenem Könige der Parthen gehorsamt / ausgaben / und nach nur geschöpfftem frischen Wasser unsern Lauff durch die Abalitische See-Enge in den innersten Busem des rothen Meeres richteten. Wir segelten zwantzig Tage ohne einige denckwürdige Begebenheit / ausser daß ich bey dem Gold-reichen Eylande Catacaumene ein unserm Schiffe sich näherndes See-Weib / welches beynahe die Grösse eines Kamels / einen Ochsen-Kopff / einen Fisch-Schwantz / vollkommene Brüste und Armen /an statt der Finger aber rechte Endten-Füsse hatte /mit etlichen Pfeilen zu grossem Wehklagen meiner Gefärthen erlegte; welche vielleicht solche Mißgeburt für eine Wohnstatt einer grossen Seele hielten. Der Feldherr brach hier ein: bey solcher Beschaffenheit hat unser deutsches Meer schönere Tritones und Sirenen / als das rothe. Denn ich habe bey meinem Vetter dem Hertzoge in Codanonia ein paar der vollkommensten Meer-Wunder halb Fisch und halb Mensch gesehen; derer Obertheile nichts als die Sprache mangelte / nur daß / wenn man sie gar nahe sahe / die Haut mit weissen zarten Schupen belegt war. Ihr Schwantz aber war in 2. Theile getheilet. Diese hat er an dem Cimbrischen Ufer gefangen / und verwahret sie in einem annehmlichen Weiher. Rhemetalces verwunderte sich mit Vermeldung: Er hätte zeither die Sirenen für blosse Gedichte / oder Gespenste gehalten; und möchte er wohl wissen: Ob dieses eine gewisse Art der Fische oder nur Mißgeburten der Natur wären / oder aus Vermischung zweyerley Thiere den Ursprung hätten. Hertzog Herrmann versetzte: das letztere wäre seines Bedünckens unmöglich. Denn ob zwar die Vorwelt uns bereden wolte / daß die Hippo-Centauren von den Centaurischen Völckern / und den Magnesischen Stutten herkämen; daß Pindarus ein von einem Hirten und einem Mutter-Pferde entsprossenes Kind gehabt; Crathis mit einer Ziege eine Tochter; ein ander Schäffer darmit den Sylvan; ein Esel ein ander schönes Mägdchen Onoscelis gebohren hätte /ja die Cimbrischen Fürsten sich rühmten / daß ihres Geschlechtes erste Sta -Frau von einem Bären geschwängert worden wäre: ein Adelich Geschlechte in Spanien einen Wassermann zu seinem Anherrn machte / ein gantzes Volck[673] in Indien an dem Flusse Kinxa von einer durch Schiffbruch an den Seestrand geworffener Jungfrau / die ein Hund beschlaffen hätte / entsprossen seyn wolte; so schiene ihm doch dieses alles unglaublich zu seyn / und hielten die bewehrtesten Naturkündiger darfür / daß aus Menschen und Vieh durch ordentlichen Lauff der Natur kein Thier / am wenigsten aber ein Mensch gezeuget werden könne. Daher die Sirenen ungezweiffelt so wohl als die Satyren (da es anders derer iemahls wahrhafftig gegeben) oder auch als die Affen für eine besondere Art der Thiere zu halten wären. Denn wie in dem Meere Fische zu finden / die von ihrer Aehnligkeit den Nahmen des Monden und der Sternen bekämen / die mit ihrem Fluge den Vogeln sich gleichten / andere den Titel der Nessel und anderer Kräuter führten; in dem Meere Bäume und Stauden so wohl als auff der Erde wüchsen; viel See-Thiere den Löwen / Kühen / Pferden / Kälbern und Wölffen / ja auch die Affen und andere Thiere dem Menschen sehr nahe kämen; also wäre so vielmehr wundernswerth / daß diese Meerwunder auch uns Menschen im Ober-Leibe so ähnlich schienen. Man hätte derer in Griechen-Land / Welschland / Africa und an vielen andern Orten gesehen. Ja bey den Batavern wäre für drittehalb hundert Jahren eine gefüßete Sirene / welche so gar am Rocken spinnen lernen / und ein Meer-Mann ohne Schwantz in dem Cimbrischen Meere für funffzig Jahren mit einem Seile gefangen worden. Zeno betheuerte / daß er in Indien derogleichen für die gewisseste Wahrheit gehöret hätte; und in Griechenland wüste man auch viel von Sirenen / welche im Unterleibe Vögel abbildeten / zu sagen. Hiermit erzehlte er ferner / daß sie nach einer dreyßig tägichten Schiffarth an der eussersten Spitze des rothen Meeres in den Hafen der Stadt Arsinoe eingelauffen wären / welche Stadt zwar Landwärts in einem unfruchtbaren Sand-Meere läge / aber wegen seines Handels mit den Schätzen der Morgenländer gleichsam angefüllet wäre. Dar hätte sie der Käyserliche Stadthalter ansehnlich bewillkommt / und auff einer Menge Kamelen nach Heliopolis führen lassen /allwo Cornelius Gallus nebst die zwölff ersten berühmten Sonnen-Spitzen / die Könige Manufftar /Sotis / Psammetich und Sesostris der Sonnen zu Ehren auffgerichtet / und mit vielen in ihren mit vielfärbichten Tropffen gleichsam besprenckeltem Thebaischen Marmel gegrabenen Sinnbildern ausgezieret hatten / auch zu grossem Wunder von dem wütenden Cambyses nicht zerschmettert waren / eine gleichmäßige ihm hatte auffsetzen / ja in die glatte Sonnen-Spitze die Manfenkur des Sesostris Sohn auffgethürmet / sein Bildnis hauen / und in den Fuß schreiben lassen:


Egypten lerne nun viel gr \ßre Spitzen bauen /

Als diese / welche solln der Sonnen Finger seyn;

Du hast auff Erden itzt mehr Sonnen anzuschauen /

Fůr welchen diese kaum geringe Zehen seyn.

Läßt Cåsars Bild sich auch gleich in Porphir noch hauen

So heischt des Gallus Ruhm doch einen edlern Stein.

Denn ist August dein Fůrst / weil er dich ůberwunden /

So hast am Gallus du erst einen Vater funden.


Hertzog Herrmann fing hierüber lachende an: Es wäre sich über die Pracht dieser grossen Steine / welche / wie er selbst zu Alexandria gesehen /meist mit viererley Feuer / Lufft / Wasser und Erde gleichsam abgebildeten Flecken bestreuet / und desthalben der in diesen vier Uhrwesen kräfftig würckenden Sonne gewiedmet wären; nichts minder auch über die künstliche Fortbringung / da man nehmlich aus dem Nile absonderliche Wasserfarthen biß zu dem Thebaischen Gebürge gegraben / und Anfangs mit Steinen zweyfach beladene Schiffe unter die mit beyden Ecken am Ufer aufliegende Spitzen geführet / hernach durch die Erleichterten auffgehoben / und an den bestimmten Ort gebracht hat; am allermeisten aber über die vermessene Uberschrifft des hochmüthigen Gallus[674] zu verwundern. Dannenhero diese neblichte Neben-Sonne / welche so gar ihren Fürsten überscheinen wollen / wohlverdient so geschwinde verschwunden /und zu Thränen-Wasser worden wäre. Aber warum hat Augustus nicht auch das Gedächtnis dieses hoffärtigen Knechtes vertilget? Zeno antwortete: Es hätte diß ihn ebenfals befremdet; der Egyptische Landvogt Cajus Petronius aber hätte ihm gemeldet / daß der Käyser ihm / als er dieses austilgen wollen / zugeschrieben hätte: Gallus wäre nicht wegen seiner aberwitzigen Eitelkeit / welche das Gelächter des Volckes / die Erbarmung und nicht die Rache des Fürsten verdiente / sondern wegen anderer Laster bey ihm in Ungnade verfallen. Des Gallus blödsinnige Uberschrifft würde folgenden Landvögten zur Warnigung dienen /sich für seinen Verbrechen zu hüten / und an seinem Untergange zu spiegeln. Ein Fürst wäre das Haupt /dieses aber mißgönnte den andern Gliedern nichts. Der Fürsten Fürbild solten seyn die Egyptischen Spitz-Thürme / denn wie diese am Mittage wegen ihrer Breite keinen Schatten von sich würffen / also solten jene aller Beneidung sich enteusern. Daher dieselben für so thöricht als Gallus zu achten wären /welche ihren Dienern mißgönten / daß sie besser tantzten / oder auff der Laute schlügen / als sie. Ein Fürst solte mit niemanden in nichts / in dem aber mit der gantzen Welt eifern / da iemand sich ihm an Tugend und Güte vorzücken wolte. Hingegen aber solten sich hochmüthige Diener an dem von denen Egyptiern verlassenen / und bey hervorbrechender Ungnade des Käysers verhöneten Gallus spiegeln / der ihm doch jene durch grosse Wohlthaten zu seinen Schuldnern gemacht zu haben vermeinte; und sich erinnern: daß Fürsten Sonnen / Diener nur Sonnen-Uhren wären /welche kein Mensch mehr einigen Anblicks würdigte / wenn die Sonne und die Huld des Fürsten sie nicht mehr beschiene.

Dieser Petronius / sagte Zeno / ließ uns von Heliopolis nach Aphroditopolis / und von dar auff dem rechten Arme des Nilus hinab / auff dem lincken aber wieder hinauff / und durch die Arsinoitische Gegend /auff dem gemachten grossen Wasser-Graben in die herrliche Krocodil-Stadt führen / und daselbst unter andern Seltzamkeiten den sehr grossen See weisen /welchen König Meris funffzig Ellen tieff in Sand graben / mit Marmel am Boden und Rande besetzen lassen: daß bey hoch angeschwollenem Nil das Wasser sechs Monat hinein / bey abfallendem Strome aber sechs Monat heraus lauffen / und das dürstende Egypten befeuchten könne. In der Mitte stehen zwey Marmel-Spitzen / welche funffzig Ellen über das Wasser noch in die Lufft ragen / an der einen war der Fluß Nil / an der andern König Meris auff einem Stule sitzende / und einen Wasser-Krug ausgiessende / gebildet. Auff des Nilus Wasser-Kruge stehen die gestirnten Zwillinge und die fünff folgenden himmlischen Zeichen; Auff des Meris aber der Schütz / und die fünff übrigen. Denn in jenen Zeichen ist der Nil auffgeschwellet / theils von denen häuffigen Regen in Mohrenland / wo er in dem Lande Sakela auff der Fläche eines mit Wasser gantz angefüllten Berges seine zwey Augen oder Brunnen hat / und durch vielerley Schlangen-Wege durch erschreckliche Stein-Klüffte in Egypten abstürtzet; theils weil also denn / wenn die Sonne fast am höchsten steht / ein Thau fällt / welcher das Wasser und den Schlamm durch Beseelung seines von der Sonnen-Hitze erwärmeten / und zu der Fruchtbarkeit alleine dienenden Saltzes und Salpeters schwängert / und beydes jährend macht. Weßwegen sich nicht allein das Nil-Wasser vier oder fünff Tage für seinem Wachsthume wie der junge Wein in Fässern trübet / sondern auch die aus dem Bodeme geraffte Erde bey solcher Auffschwellung schwerer wird; also / daß man nach solcher Schwerde die bevorstehende[675] Vergrösserung des Flusses urtheilen kan. Welches Saltz im Frühlinge ebenfals der jährenden Erde gleichsam ihre Schweiß-Löcher öffnet; nach seiner Verflügung aber sich den Schlamm wieder setzen läst / also / daß in viel tausend Jahren die Ufer sich von selbtem nichts erhöhet / und die Alten nur geträumt haben / wenn sie gegläubet / daß das untere Egypten aus dem herunter geschweiffeten Lette zusammen gespielet / für Zeiten aber See gewest wäre. Die Tingung dieses Nil-Wassers ist so gut und übermäßig /daß die Egyptier zu Dämpffung des übermäßigen Salpeters / und daher rührender Fettigkeit bey Säung der Melonen und Gurcken die Aecker zuweilen besänden / und zu derer Vermagerung so viel Müh als andere zur Tingung anwenden müssen. An dem Henckel des Alabasternen Kruges / den Moeris ausgoß / war das Bild Egyptens und folgendes zu lesen:


Hertz-Ader des Osir / der Isis hold Gemahl /

Des Paradißes Arm / der G \tter milde Zehren /

Ihr Saamen / ihr Geschenck / und ihr Genaden-Strahl /

Du reicher Himmels-Brunn / du Vater fetter Aehren /

Du Geist der Unter-Welt / du fruchtbar-reicher Nil /

Gantz Africa kan dich nicht nach Verdienst verehren /

Kein Tempel ist zu groß / kein Opffer dir zu viel /

Doch itzt scheint dir nur halb mein Weirauch zugeh \ren.

Dem Moeris streut die linck' / und dir die rechte Hand;

Denn ein halb Jahr netzt er / das andre du mein Land.


Auff dem Rückwege sahen wir an dem aus diesem See gehenden Wassergraben das wunderwürdige Irr-Gebäue / welches König Moeris zu seinem Begräbnisse angefangen / andere zehn Könige vollführet /und Psammetich ausgebauet hat; dessen Wunder alle Kräffte menschlichen Verstandes und Macht erschöpffen / und allen Glauben übertreffen; gegen welches das Nachgemächte des Dedalus auff dem Eylande Lemnos nicht sein hunderstes Theil ausmacht. Als sich uns das Thor öffnete / erbebte alles von einem grausamen Donnerschlage. Es ist getheilt nach den zwölff Egyptischen Landschafften in zwölff Höfe /kein Egyptischer Gott ist / der darinnen nicht seinen Tempel habe / welche von eitel Marmelnen Seulen unterstützt sind / und in ihnen eine grosse Menge wohl vierzig Ellen hoher Spitz-Thürme haben. Ausser diesem ist eine grosse Menge Lustgänge / und Gemächer / wohl neunzig Staffeln hoch zu sehen / welche von Seulen aus Porphir getragen werden; zwischen denen der Könige uñ Götter Bilder in viehischer Gestalt / aber aus köstlichem Ertzte und seltzamen Steinen auffgerichtet sind. Dieser Gemächer werden vierdtehalb tausend gezehlet / derer iegliche Seite so wol als die Bedachung von einem gantzen Marmelsteine bestehet. Die untersten sind Behältnisse der Königlichen Leichen / und der heiligen Krokodile /die nicht wie die obersten Fremdankommenden gezeuget werden / aus derer irrsamen Umschweiffen sich Dedalus selbst nicht auszuwickeln gewüst hat. Diß /was ich für das köstlichste hierinnen gehalten / ist die neun Ellenbogen hohe Seule des Serapis aus einem einigen Smaragde / welcher die gleichmäßige Keule in dem Tempel des Hercules zu Tyrus weit übertrifft /und das Bild der Isis aus derogleichem Steine vier Ellen hoch / welchen Stein ein König von Babylon dahin verehret hat. Jedes Bild hatte zwar seine Beyschrifft / aber aus mir unleßlichen Ziffern / darein allerhand Thiere eingemischt waren. Uber dem aus Ertzt gegossenem Thore stand ein Paradiß-Vogel von allerhand Edelgesteinen recht lebhafft zusa en gesetzt / welcher ihrem / wiewol von mir in Indien irrig befundenen Glauben nach / keine Füsse haben / also niemahls ruhen / nichts essen / keinmahl schlaffen /und iederzeit in der Höhe herum schweben soll. Diesen brauchen die Egyptier deßhalben zu einem Sinnbilde eines Fürsten / weil er niemahls ruhen / seiner Unterthanen Güter nicht verzehren / aber wohl stets für sie sorgfältig wachen soll. Hier aber war in gemeiner Egyptischer Sprache darunter zu lesen:[676]

Wie irr't ihr Sterblichen / die ihr den Irrbau seht

Fůr einen Irrgang an / der euch nur soll verfůhren.

Ein gleicher Fuß-Pfad scheint dem Blinden auch verdreht;

Ein Weiser aber kan die Spur hier nicht verlieren.

Wenn euer Vorwitz sucht in Sternen Glůck und Leid /

Muß euch die Sonne selbst ein schädlich Irr-Licht werden.

Und euer Wahnwitz geht den Pfad der Eitelkeit /

Wenn ihr hier's Paradis / den Himmel sucht auf Erden.

Des Menschen Lebens-Lauff gleicht einer Irre-Bahn /

Aus Einfalt irrt ein Kind / ein Weiser durch Begierde /

Des Alters Irr-Weg ist ein falsch-gesetzter Wahn /

Des Geitzes schimmernd Ertzt / der Geilheit fremde Zierde.

Jedwedes Laster fehlt / und fällt vom Mittel ab /

Sucht einen Abweg ihm zum eigenen Verderben.

Ja nicht der hundertste weiß seinen Weg ins Grab /

Er kennt ja wohl die Noth / doch nicht die Art zu sterben.

Wer aber durch den Bau vernůnftig irre geht /

Wird seines Heiles Weg / der Wahrheit Richtschnur finden.

Denn unser todter Geist wird lebhaft und erh \ht

Zu Gott erst / wenn er siht sein scheinbar Nichts verschwinden.

Die Leichen lehren euch: Der Leib sey Mad' und Aaß /

Wenn sich die Seele schwingt in ihres Sch \pfers Hånde.

Der Tempel zeigt: Gott sey ein Circkel ohne Maaß /

Ein Brunn-Quell ohne Grund / ein Wesen sonder Ende.

Wie irr'n die Albern doch / die iedes heil'ge Thier /

Mauß / Ochsen / Ziege / Kalb / Fisch / Katze / Kåfer / Drachen /

Wolff / Affen / Zwiebeln / Lauch / Hund / Habicht / Wespe / Stier /

Frosch / Schlange / Crocodil zu rechten G \ttern machen!

Zwar Gottes Finger låst in iedem sich wohl sehn /

Und seiner Allmacht Glantz durch diesen Schatten mahlen.

Denn Gottes Auge pflegt nichts kleines zu verschmåhn /

Doch ist sein Wesen weit entfernt von diesen Schalen.

Wer hier nicht irren soll / die Bilder-Schrifft verstehn /

Muß einem Vogel sich des Paradises gleichen /

Nicht kriechen auf der Erd / auf lahmen Fůssen gehn /

Der Trågheit faulen Schlaf ihm aus den Augen streichen /

Nach irrd'scher Speise nicht der Wollust lůstern seyn /

Nicht unter Eulen ruhn / sich ůber Wolcken schwingen /

Gott schlůssen in die Seel / und nicht in Marmel ein /

Nicht Weyrauch / sondern's Hertz ihm zum Geschencke bringen.


Die Egyptier selbst halten dieses Gebäue ietzt noch für das köstlichste / nach dem Cambyses das Begräbnüß des Königs Osymandyas gröstentheils eingeäschert / sein aus einem Steine gehauenes hundert und acht und sechzig Schuch hohes Bild zerschmettert /und den unschätzbaren güldenen Circkel umb das Grab / welcher nach der Zahl der Tage drey hundert fünf und sechzig Ellen im Umbkreisse hatte / und aller Gestirne Lauff andeutete / mit sich weggeführet hat.

Von dar leitete uns der Nil-Strom ab nach Memphis und besahen wir in der Nähe die allen Grabe-Spitzen / welche wegen ihrer Kostbarkeit / und beständigen Alterthums / danemlich in etlichẽ 1000. Jahrẽ sie an der Nord-Seite der Regen / und die Luft an denen hervorgehenden Ecken der zusammen gefügten Marmel-Felsen nur ein wenig belecken können /mit gutem Rechte unter die Wunder der Welt gezehlet werden. Wir stiegen auswerts auf denen zwey hundert und acht vier Füsse hohen Staffeln / biß auf die zugespitzte Fläche des grösten unter diesen künstlichen Marmel-Bergen; von dar niemand als ich mit seinen Pfeilen über den ersten Fuß reichen konte. Unser Vorwitz trieb uns auch diese Grab-Säule inwendig zu beschauen / da wir denn durch unterschiedene niedrig-gewölbte Stiegen endlich zu einem leren Grabe kamen / in welchem des uns anweisenden Priesters Berichte nach / für tausend Jahren ein Wüterich ein köstlich Smaragden-Geschirre / nebst einer ziemlichen Menge güldener Müntzen gefunden haben soll; derer Menge gleich die Unkosten betragẽ / die er auf die Durchbrechung der zwantzig Ellen dicken Mauer / oder des /nach etlicher Meynung / daselbst gewachsenen und nur äuserlich zugespitzten Felsens verwendet hatte. Diese Grab-Stelle aber wäre zwar dem Könige Chemmis / der diesen Bau in zwantzig Jahren mit dreyhundert und sechzig tausend Menschen vollführet / zugeeignet; er sey aber darein nicht geleget worden; weil er durch Abmergelung seiner Unterthanen unversöhnlichen Haß auf sich geladen / und also für ihrer Rache unter so vielen Felsen nicht sicher zu bleiben besorget. Der Priester hatte diesen Bericht uns kaum erstattet / als ein Indianischer Edelmann sich nach aller Länge in das Grab streckete / und anfing: So wil denn ich dieses Grab seines Zweckes / mich aber durch ein so herrliches Grab eines unsterblichen Gedächtnüsses fähig machen. Und hiermit stieß er einen Dolch ihm so tief ins Hertze:[677] daß er mit seinem hoch empor spritzenden Blute Augenblicks seine Seele ausbließ. Wie sehr wir nun erschracken / so sehr eiferte sich der Priester hierüber; also / daß er für Ungedult heraus brach: Leichen eigneten wohl den Gräbern; Gräber aber nicht unwürdigen Todten Ruhm und Würde zu. Welchen ich aber zu besänftigen bemühte / und endlich lächelnde beysetzte: Die von dem köstlichen Agsteine umbronnenen Nattern und Flügen würden gleichwohl von Königen werth geschätzt nur ihres prächtigen Grabes willen / welches an Herrligkeit alle Egyptische Grabes-Spitzen weit übertreffe. Inzwischen wolte doch niemand diese Leiche anrühren; welche hernach auf des Gesandten Unkosten / nach Egyptischer Art / weil keine Seelen die verfauleten Leiber mehr sollen beywohnen können / eingebalsamt ward / indem der Land-Vogt es allererst an den Käyser gelangen ließ: Ob diese Leiche alldar zu lassen /oder wegzunehmen wäre.

Hierauf besahen wir die andere vom Könige Cephren gebaute / auch zwar eben so hohe aber nicht so dicke / auch gantz glatte / und endlich die dritte vom Könige Mycerin aufgeführte Grabe-Spitze. Diese giebet zwar an Grösse den erstern ein merckliches nach; aber die Bau-Kunst und die weissen Marmel-Steine daran sind viel köstlicher. Denn an der Nord-Seite stehet König Mycerins Nahme / und daß die Bau-Leute darbey nur an Knobloch und Oel sechs hundert Talent Silber verzehret hätten / eingegraben. Die andern kleinern Grabe-Spitzen zu beschauen verhinderte uns die anbrechende Nacht / also betrachteten wir zum Beschlusse nur den ungeheuren aus einem Marmel-Felsen gehauenẽ Sphinx / dessen Kopf allein hundert drey und vierzig Füsse lang / und vom Bauche biß zur Scheitel zwey und sechzig hoch ist. Der Leib bildete einen Löwen / das Haupt eine Jungfrau ab; weil in diesen zweyen hi lischen Zeichen der Nil am höchsten anschwillt / umb hierdurch Egyptens Fruchtbarkeit fürzustellen. Wie wir uns nun in denen aus eitel gantzen Marmel-Steinen gehauenen Wohnungen der Priester / daselbst zu übernachten / verfügten / fanden wir eine Anzahl eingebalsamter / und auf des Largus Befehl dem Indischen Gesandten zu Liebe ausgegrabener Leichen oder Mumien / welche alle unter der Zunge eine güldene Müntze / etliche auch am Halse zum Kenn-Zeichen ihrer gehabten Würde güldene Vögel / oder andere Thiere hengen hatten. Wiewohl nun meine Geferthen nach ihrer Beschauung und eingenommenem Nachtmahle sich zur Ruhe verfügten / trieb mich doch die Begierde denen Egyptischen Eitelkeiten meine Verachtung einzupregen / und daher erkauffte ich etliche der Mumien-Gräber / daß sie selbige Nacht bey brennenden Fackeln mit ihren Pfrimern nach Anleitung meiner Kohlen-Schrifft in einen glatten Stein der grösten Grabe-Spitze folgende Reymen eingruben:


Ihr Th \r'chten / die ihr meynt durch Balsam / Hartzt und Stein

Den todten Leib für Zeit und Maden zu beschützen /

Die ihr die Ewigkeit sucht in den Grabe-Spitzen /

Glaubt: Balsam / Hartzt verraucht / und Mauern fallen ein.

Ja Sothis hat vielleicht långst Salbe můssen seyn /

Und ein schlecht Sclave wird nach Cephrens Fleische schwitzen.

Wird Lufft und Regen auch nicht diese Thůrm' abnůtzen;

So wird man Asch' und Saltz vielleicht noch auf sie streun.


Den Seelen ist allein die Ewigkeit verwand /

Die Tugend ist hierzu ein Balsam / der nicht schwindet /

Ein Ehren-Mahl / das Zeit und Sterben ůberwindet /

Wenn Mumien zerfall'n / Palläste werden Sand.

Ja wenn die Sternen selbst schon eingeåschert werden;

So lebt ihr Geist bey Gott / ihr Nachruhm auf der Erden.


Hertzog Herrmann brach allhier ein: Es wären diese Egyptische Grabe-Spitzen wohl Wercke von grosser Kunst und Kostbarkeit / aber von keinem Nutzen. Sie wären Beweißthümer reicher und ehrsüchtiger / aber nicht gutthätiger Fürsten. Sie hätten der Zeit einen Rang abgerennt / und der Eitelkeit eine Scham-Röthe abgejaget; aber ihren Uhrhebern ein Brandmahl eingebrennt; welches ihre unbarmhertzige Unterdrückung[678] des unter Schweiß und Last Athemlosen Volckes denen unnützen Marmel-Bergen an die Stirne schreibet: daß sie alle Anschauer daran sonder Erkiesung einigen Buchstabens lesen könten. Diesemnach er des Königs Meris fruchtbaren See-Bau aller anderer Egyptischen Könige Wercken / insonderheit aber diesen spitzigen Bergen weit fürzüge; welche niemanden als den Leichen / oder dem Aberglauben zu statten kommen könten; wenn er selbte entweder für Staffeln den Menschen in Himmel / oder den ohnmächtigen Göttern vom Himmel auf die Erde halten wolte. Es stünde zwar Fürsten nicht die Art des Scipio Emilius an / welcher sein Lebtage nichts gebauet /sondern vielmehr diß / daß sie die Bau-Kunst unterhielten / und durch ansehliche Gebäue der Nachwelt ihr Gedächtnüß liessen; wenn aber daran nicht der gemeine Nutz zum Grund-Steine gelegt; sondern nur umb auf die Spitze das Fahn eitelen Ruhmes zustecken / Sand und Kalck mit Schweisse der verschmachtenden Unterthanen eingemacht; und die Werck-Stücke mit abgepreßtem Vermögen oder anderem Blute der Bürger zusammen gekittet würden / verwandelte sich das gesuchte Lob in Fluch / und das Gedächtnüß in Abscheu; oder das gelindeste Urthel der Nachwelt bezeichnete solche mühsame Riesen-Wercke mit dem Titul einer kostbaren Thorheit. Noch einen ärgern Nahmen aber verdiente die nur zur Verschwendung angezielte Bau-Sucht derer / die umb ihr Vermögen nur wegzuwerffẽ / oder die Nachbarn zum Raube anzureitzen nach dem Beyspiele der Meden das Ecbatanische Schloß mit gantz güldenen Zügeln deckten / oder mit dem Memnon in der Festung zu Susa das Gold an statt des Eisens zu Klammern in die Steine brauchten. Jene hätten zwar diesen scheinbaren Vorwand: daß sie durch tägliche Bemühung ihre arbeitsame Unterthanen von den Wollüsten abzügen /oder die überwundenen streitbaren Feinde durch Anleitung zu Erbauung kostbarer Schau-Plätze / Lusthäuser / Gärte / und warmer Bäder weibisch machten; alleine es mangelte niemals einem klugen Fürsten an Gelegenheit was nutzbares zu bauen; welches so denn ein herrlicher Ansehen hätte / als die Gefängnüsse der wollüstigen Sardanapale mit den silbernen Gegittern und Berg-Crystallenen Fenstern. Daher gereichete es dem grossen Alexander zu keinem kleinem Ruhme: daß er den Baumeister verlacht und abgewiesen; welcher sich erbot / aus dem Berge Athos sein Bild zu fertigen. Und jener Arabische König / welcher auf zwölf Tagereisen weit in dreyen absondern aus Leder gemachten Geleiten das Wasser aus dem Flusse Coris führte / und sein dürstendes Reich darmit tränckte / ist nicht unbillich dem sorgfältigen Meris an die Seite zu setzen. Unter den Römischen Bau-Leuten aber schiene Agrippa mit seinen nützlichen Wasserleitungen /und dem herrlichen Tempel am vernünftigsten Nutz und Ansehn mit einander vermählt zu haben. Denn er wäre keines weges der Meynung: daß der Mensch in Wohnungen nicht von den Thieren / und seine Häuser nicht von einsamen Hölen oder düsternen Gräbern unterschieden seyn solten. Es wäre so wenig dem Gesetze der Natur zuwider: daß man nicht mehr unter einem überhängenden Felsen sich für Schnee und Regen deckte / nicht mehr in hohlen Bäumen schlieffe / nicht in geringen Laubhütten wohnte; als daß man etwas anders / als Eicheln und Wasser zu seinem Unterhalte gebrauchte. Die Noth hätte die Vernunft geschärffet / daß sie die Axt und den Hammer erfunden /und Häuser zu bauen gelehrt. Ja die Natur hätte die Vögel und Bienen dem Menschen gleichsam hierinnen zu Lehrmeistern fürgestellet / in dem jene ihre Nester nach der allerbequemsten Gemächligkeit; diese nach der allerfürtrefflichstẽ Bau-Kunst ihre wächserne Zimmer zubereiteten. Zu was Ende hätte diese weise und nichts umbsonst schaffende Mutter so viel Ertzt /Marmel / und Alabaster in den Gebürgen; so schönes und vielfärbichtes Holtz in den Wäldern wachsen[679] lassen? warumb hätte sie so viel Steine gleichsam mit einem künstlichen Pinsel gemahlet? was wäre nicht für Ordnung in den Schnecken-Häusern / für Glantz in den Perlen-Muscheln; für Abtheilung in den Spinnweben / für Herrligkeit in den Zelten der Seiden-Würmer zu sehen? Wie viel mehr solten nun auch Fürsten ihrem Ansehn anständige Häuser haben. Gott hätte sein Zelt in dem allerschönsten Gestirne / nemlich in der Sonne aufgeschlagen; warumb solten denn seine Stadthalter auf der Welt sich in Schacht / oder düsterne Winckel verstecken? Zumal da die Vollkommenheit eines Fürstlichen Schlosses nicht so wohl an Kostbarkeit des Zeuges / als an bequemer Eintheilung des Raumes läge; die Ordnung aber mehr zu Erspar- als zu Vergrösserung der Unkosten diente; und wenn die Nothdurft aus rechten Orten / nicht zur Unzeit herbey geschafft / selbte auch bald anfangs an gesunde und feste Stellen gesetzt / nicht flüchtig überhin gemacht; sondern auf beständigen Fuß gegründet würden / die Tauerhaftigkeit alle Ausgaben reichlich erstattete.

Wie wir auf den folgenden Morgen nach Babylon am rechten Arme des Nils ankamen / berichtete uns Petronius: daß der Käyser nach Besichtigung Asiens auf dem Eylande Samos wäre / daselbst aber nicht lange verbleiben würde. Daher ging der Indianische Gesandte alsofort zu Schiffe / fuhr mit uns bey den Städten Busiris / Bubastus und Phacusa vorbey / und auf dem Pelusischen Strome hinab in das mittelländische Meer mit einem erwüntschten Sudwind. Wir kamen auf dem Eylande Samos und zwar in der Stadt Marmacus glücklich an / fanden auch zwar den Käyser / der aber noch selbigen Tag nach Athen segelte /und uns ihm zu folgen erinnern ließ. Weil nun Zarmar vernahm: daß diese Stadt des Pythagoras und seines Knechtes Zamolxis / wie auch der Samischen Sybille Vaterland wäre / lag er dem Gesandten an / ein paar Tage daselbst zu verharren. Wir liessen uns durch einen lustigen Wald von eitel Oelbäumen zu dem berühmten Tempel der Ceres leiten / worinnen der Käyser für etlichen Tagen selbst geopfert hatte. Ich erinnerte mich auf der Schwelle der Lehre des Pythagoras: daß in Heiligthümern auch die Seelen der härtesten Menschen gerühret würden; daher ich entweder durch diß Andencken / oder durch die Eigenschafft dieses Heiligthums eine besondere Andacht in mir empfand. Der Tempel war recht viereckicht aus weissem Marmel gebaut. In der Mitte stand auf einem Altare ein Vier-Eck aus dichtem Golde / wormit Pythagoras eine einige Gottheit bezeichnet; und die vierdte Zahl zur höchsten Betheuerung der Wahrheit gebraucht hat. Der einigen Pforte gegen über stand auf einem marmelnen Altare ein ertztenes Bild / welches auf einer Seite die Ceres / auf der andern den Pythagoras ausdrückte. Dieses zweyfache Bild hielt in seinen Händen einen umb selbtes herumb gehenden güldenen Circkel / in welchen eingeetzet war; auf der Seite der Ceres: Gott speiset durch Gewächse den Leib. Auf des Pythagoras Seite: Durch Weißheit die Seele. An dem Fusse war auf des Pythagoras Seite zu lesen: Pythagoras der erste wahrhafte Weise; weil seine Demut der Fuß aller Tugenden sich dieses Tituls entäusert /und sich mit dem eines Weißheit-Lebhabers vergnüget / hat durch seine Geburt nichts minder diß Thal /als Jupiter durch seine dẽ Berg Ida berühmt gemacht. Was die Juden von Gott / die Phönicier von Zahlen /Egypten von der Natur / Babylon vom Himmel /Creta und Sparta von vernünftigen Gesetzen / Pherecydes von der Weißheit gewüßt; was alle an guten Sitten gehabt / war in ihm in einem kurtzen Begriffe beysammen. Er war beschnidten in seiner Vorhaut /aber mehr in Begierden; mehr ein Erfinderer der Meßkunst / als ihr Verbesserer. Gleichwohl aber eignete er alles nicht ihm / sondern der Eingebung des ersten Ursprungs zu; und opferte für ein ausgedachtes Mäßwerck den Musen hundert; und ein ander[680] mal einen von Mehl gebackenen Ochsen. Das kleine Griechenland hat ihm sein Gewichte / das grosse seine Mäßigkeit / die Welt ihre Wissenschafft von dem Lauffe des Morgen- und Abend-Sternes / von der Unbewegligkeit und Runde der Erdkugel zu dancken. Er gab die erste Nachricht von den Menschen / die uns die Füsse kehren / und kehrte seine Gegen-Laster und Irrthümer. Er jagte die Wollust aus Croton / und verlieh der Weißheit daselbst das Bürgerrecht. Die Männer lerneten sich von ihm weibischer Lüsternheit schämen; die Weiber aber nahmen männliche Tugenden an / daß sie diesen mehr ihre Hertzen / als ihre Kleinodter der Juno wiedmeten. Gleichwol aber hätte seine Weißheit nichts raues an sich; Denn das Mittel /wordurch er einen Zornigen besänfftete / einen Neidischen begütigte / einen Verzweiffelten tröstete / einen Verliebten befreyte / und die hefftigsten Gemüths-Regungen niederschlug / war eben diß / wormit er seine Lehrlinge einschläffte / ihnen annehmliche Träume verursachte / nehmlich die süsseste Singe-Kunst / die er aus dem Behältnüsse der einträchtig mit einander einstimmenden Gestirne auf die Erden herab geholet hat. Denn seine Sinnen drangen biß in Hi el / seine Augen biß in die Tieffe des Meeres / und durch die Eingeweide der Erde. Daher ließ er einen im Monden lesen / was er in einen holen Spiegel schrieb / sagte die Erdbeben / das Ungewitter und die gifftigen Seuchen vorher. Die Natur unterwarf sich selbst seiner Botmässigkeit / in dem er den Flug der Adler in der Luft / und den Grimm der wütenden Tiger und Panther in Wüsteneyen zu hemmen wuste. Er hatte ein Bein aus Golde / das andere aus Helffenbein; denn ein so herrliches Ebenbild Gottes konte nicht auff geringer Säulen stehen / und der Geist des diesen Tempel benetzenden Flusses Nessus grüste ihn ehrerbietig /als er durch ihn watete / und eignete ihm viel zeitlicher / als die Nachwelt / und die Uhrheber dieses Heiligthums den Nahmen eines Gottes zu. Er selbst bestätigte seine Göttligkeit nicht nur durch tausend Heilige / sondern auch durch Wunderwercke. Denn er erschien in einer Stunde zu Metapont in Italien / und zu Tauromin in Sicilien; Er lebte zu Metapont in dem Heiligthume der Musen viertzig Tage ohne Speise und Tranck / und sein gantzes Leben hatte an ihm wenig menschliches. Die Mäßigung seines Gemüthes ließ ihn niemals weinen / auch niemals lachen. Sintemal beydes eine Ubergiessung derer uns von der Tugend ausgesteckten Ufer ist. Er hat sein Tage kein unnützes Wort aus seinem Munde gelassen / und sein Stillschweigen hat der Beredsamkeit aller andern Weisen den Vortheil abgerennt. Denn alle seine Reden waren göttliche Lehren / iedwedes Wort war ein Talent schwer / und die Sparsamkeit seiner Zunge ward ausgegleicht durch Verschwendung unzehlbarer guten Wercke. Sintemal seine Weißheit nicht ein unfruchtbares Nachdencken / sondern das gemeine Heil zum Absehn; nicht die Einsamkeit einer verborgenen Stein-Klufft / sondern das Rathhauß und den Richterstuhl zum Sitze hatte. Denn die Gerechtigkeit ist das Saltz des Lebens / und einem Volcke klug und treulich vorstehen eine unverfälschte Weltweißheit / ja ein heiliger Gottesdienst. Niemand war andächtiger gegen Gott / als er; aber er verbot von ihm etwas absonderes zu bitten. Denn diß wäre so viel / als Gott die Unwissenheit unser Dürfftigkeit / oder den Willen seiner Erbarmnüß absprechen. Er war ein Todfeind der Lügen / und sein höchster Schatz die Warheit / durch welche der Mensch sich Gott am ähnlichsten machen könte /als dessen Leib Licht / dessen Seele die Warheit wäre. Die Welt hat niemals einen grössern Verlust gelitten als in ihm; und dennoch hat er ihr so viel Weißheit hinterlassen / daß die Nachwelt keinen für reich an Weißheit hält / der sich nicht mit seinem Stückwercke betheilet hat.

Wir lasen diese Taffel / sagte Zeno / nicht allein[681] etliche mal / sondern ich zeichnete sie auch eilfertig in meine Schreibe-Taffel ab / ohne daß der uns anweisende Priester einiges Wort hierzu redete; also durch sein Stillschweigen zu verstehen gab / daß er ein Nachfolger des Pythagoras wäre. Gleichwol aber fragte ich ihn hierum / und ob in Samos / oder sonst irgendswo noch Schulen dieses grossen Weisen gefunden würden? Der Priester beantwortete mich mit diesen Worten: Er und alle Priester in Samos pflichteten den Lehren des Pythagoras bey. Denn ob zwar durch die Verrätherey des boßhafften Eylon / welchen selbiger Weise seiner verträulichen Gemeinschafft nicht würdigen wollen / drey hundert der fürnehmsten Pythagorischen Weltweisen in der Stadt Croton verräthrisch verbrennet / Pythagoras auch selbst ermordet /und seine Nachfolger durch gantz Italien von selbigem lasterhafften Schwarme euserst verfolget worden; so wäre doch / als solcher Sturm überhin gewest /seine Weißheit von Euritus und Philolaus wieder in Schwung gebracht / sein Hauß zu Croton ihm zu einem Tempel eingeweihet / und seine Lehren biß ins zehnde Glied fortgepflantzet worden. Auf dem Eylande Samos aber tauerten sie noch / ungeachtet ihre Schwerde viel von der Nachfolge abgeschreckt hätte; in dem Pythagoras alle Geheimnüsse durch Zahlen und in Dorischer Sprache gelehret; Plato und Aristoteles auch / welche sich mit seinen Federn geschmückt / durch Antichtung allerhand thörichter Meinungen ihn iederman verhast gemacht / und hierdurch den Brunn verstopfft / aus welchem sie das edle Wasser ihrer Weißheit geschöpft hätten. Uber diß hätte des Pythagoras Weißheit unter dem Nigidius Figulus wieder herfür zu käumen angefangen / und mit dem Käyser wäre allererst Publius Sextius / Sotion und andere abgesegelt / welche bey ihnen die Weißheit gelernet /und in des Pythagoras Heiligthume die Weyhe angenommen hätten. Ich forschte ferner: Ob sie ihre Weißheit noch öffentlich / und auch Fremde lehrten? Welches der Priester verjahte / und meldete / daß sie ohne die noch in den fünf Jahren des Stillschweigens begriffene Lehrlinge drey hundert Zuhörer aus Griechenland / Syrien / Egypten / Deutschland und Scythen hätten. Ich erkundigte mich ferner: Ob sie noch die strenge Lebens-Art behielten / daß sie nichts / was gelebt hätte / speiseten? Der Priester versetzte: Pythagoras hätte auser dem Kind- und Schaff-Fleische / den Fischen und Bohnen alles andere ohne Unterscheid gessen; diesem folgten sie nach / und wüsten sie auser dem von keiner Strengigkeit; es wäre denn / daß man die Mutter der Freyheit und Vergnügung nehmlich die Tugend zu einem strengen Halsherrn machen wolte. Endlich fragte ich: wer denn eigentlich des Pythagoras Vater gewest / nach dem so viel unterschiedene Meinungen hiervon wären? Der Priester antwortete: Demarat / ein reicher Phoenicischer Kauffmann / Vesiar ein Jude / Mnesarchus ein Siegelstecher / Tirrhenus und Marmacus hätten sich wol alle / weil ein ieder eines grossen Flusses Uhrsprung seyn wolte / für seinen Vater gerühmet; ja man wüste so gar seines Vatern Vater Hippasus / und den Großvater Eutyphron /wie nichts minder seinen Bruder Eurynomus und seines Vatern Bruder Zoilus zu nennen / welcher ihn auch dem Syrischen Weltweisen Pherecydes zum Unterricht untergeben / und ihm drey silberne Schalen die Egyptischen Priester damit zu gewinnen geschenckt hätte. Er wäre aber sicher des Mercur eigner Sohn gewest / welcher ihn mit einem solchen Gedächtnüsse versehen / daß er sein Lebtage nichts vergessen / was er gehöret oder gelesen. Nach dem Pherecydes hätte er auf diesem Eylande den Hermodamas zum Lehrer gehabt. Hierauf hätte ihn der Samische Fürst Polycrates mit einer fürtreflichen Vorschrifft zum Könige Amasis in Egypten geschickt / dieser aber ihn daselbst[682] durch die Priester und zu Babylon durch die Weisen in den geheimsten Dingen unterrichten lassen / hernach hätte er mit dem Epimenides viel Jahr auf der Insel Creta in der Ideischen Höle gestecket und der Weltweißheit nachgedacht; endlich durch Griechenland seinen Weg in Italien genommen / und daselbst sich zu einem so grossen Lichte der Welt gemacht. Ich danckte dem Priester für so guten Unterricht / streute nach dieses Ortes Gewohnheit dem Pythagoras zu Ehren eine Handvoll rothes Saltz in das Feuer / und hiermit nahmen wir von dem Priester Abschied / ohne daß Zarmar ein einiges Wort in unser Gespräche mischte / und also den grösten Liebhaber des Stillschweigens mit einem solchen Stillschweigen verehrten / daß es ihm auch kein stummer Fisch hätte können zuvor thun.

Folgenden Tag giengen wir mit einem beqvemen Ostwinde wieder zu Segel / lieffen zwischen denen fast unzehlbaren Eylanden des Griechischen Meeres glücklich fort / und kamen den siebenden Tag des Abends an dem von vielen Marmel-Säulen berühmten Vorgebürge des Attischen Landes Sunion an. Weil wir den auf der Insel Paris die wunderwürdigen Marmel-Brüche beschauenden Käyser überfahren hatten /stiegen wir ans Land / und beschauten den auf einem hohen Felsen liegenden Wunder-Tempel der Pallas. Unter allen aber war diß das merckwürdigste / daß wir auf den Zinnen dieses Tempels nicht nur das Schloß zu Athen / sondern auch das auf einem Thurn des vom Lycophron gebauten Zeughauses gesetzte Bild der Minerva sahen / ja dessen gläntzenden Helm und Spiß deutlich erkiesen; also dessen Grösse kaum begreiffen konten / da diese Entfernung sieben und dreißig tausend Schritte beträgt. Die Begierde dieser erblickten Stadt / welche an Alterthum Rom 800. Jahr übertrifft / und mit Rechte die Mutter der Künste / ein Sitz der Weißheit / ein Schauplatz der Tapfferkeit /und der Augapffel Griechenlands genennt wird / verstattete uns nicht hier lange zu rasten. Also giengen wir gegen Abende zu Schiffe / und kamen folgenden Morgen für dem Munychischen Seehafen / bey welchem der Fluß Ilissus ins Meer fällt / und ein köstlicher Tempel der Diana stehet / an. Weil aber dieser Hafen von den Käyserlichen Schiffen gedruckt voll war / und wir wegen des Gedränges selbigen Tag durch den engen Mund des Pyreischen Hafens einzukommen nicht getrauten / segelten wir auf das Eyland Salimis / als das alte Königreich des Ajax / und des Euripides Vaterland; Darinnen wir etliche alte Gedächtnüsse / und die 100. Hölen besahen / darinnen er etliche seiner Schauspiele geschrieben hat. Von einem Felsen konten wir abermahls mit grosser Vergnügung die Schlösser zu Megara / und den im Meere liegenden Steinfels Ceras erkiesen / darauf Xerxes einen silbernen Königs-Stul gesetzt / und der See-Schlacht zwischen den Persen und Griechen zugesehen hatte. Folgenden Tages fuhren wir zwischen denen zweyen Felsen / darauf an so viel Marmel-Säulen eine ihn schlüssende Kette henckt / und ein weiß marmelner Löwe gleichsam Wache hält / in den Pyreischen Hafen ein. Weil dieser nun 400. Schiffe beherbergen kan / machte derselben Anzahl uns kein Gedränge /der Anblick aber so vieler vom grimmigen Sylla eingeäscherter Gebäue verursachte mich des Sylla Raserey zu verfluchen / welcher nicht nur wider die grausamen Steine / sondern auch wider die leutseligen Götter seine Rache ausgeübt / und daselbst Jupiters /Minervens und der Venus Tempel / den Schauplatz des Bacchus / das unvergleichliche Zeughauß des Philon / den Richterstul Phreattys / den prächtigen Hippodamischen Platz / und den unschätzbaren Bücher-Saal des Apollicon / woriñen fast aller alten Griechischẽ Weltweisen unvergleichliche Schriften verrauchet / durchs Feuer zernichtet hatte. Gleichwol aber verhöhnte den Sylla gleichsam der noch stehende viereckichte / und mit Alaun überfirnste Thurm / den er bey währender Belägerũg durch[683] keine Kunst-Feuer anzünden konte. Weil wir so herrlicher Dinge Grauß und Asche auch verehrens würdig hielten; betrachteten wir die zerdrümmerten Marmel-Mauern / die zerstückten Porphyr-Säulen mit Seufzen. Von dar wurden wir von zweyen der so genennten Archonten /oder Athenischen Rathsherren in dieselbige Stadt eingeholet; darinnen die Weißheit / der Gottesdienst /das Getreide / die Gesetze entsprossen. Wir fuhren zwischen der zweyfachen im Peloponnesischen Kriege gebauten / und vom Sylla gleichfals sehr beschädigten Mauer / und lernten / daß die viereckichten mit Eisen zusammen geklammerten Marmelsteine wider die Steine und der Menschen Raserey eine zu schwache Befestigung abgäbe. Unterweges sahen wir des Theseus Tempel / das Grab Menanders und des Euripides nur überhin. Als man uns aber zwischen vielen Oelbäumen nebst einem Brunnen das Heiligthum des Socrates zeigte / konte sich Zarmar nicht enthalten vom Wagen abzusteigen. Wir folgten ihm theils aus Antrieb seines Beyspiels / theils aus eigner Ehrerbietung gegen diesem Halb-Gotte. In der Mitte des rundten Heiligthums stand auf einem schwartz-marmelnen Fusse Socratens Bild aus Egyptischem Porphyr gemacht / mit dem Gifft-Kelche in der Hand. In den Fuß war mit weissen Buchstaben sehr künstlich eingelassen:


Hier liegt der weiseste der Sterblichen begraben /

Der grosse Socrates. Diß glaubt gantz Griechenland /

Streut Blumen auff sein Grab / und Weyrauch in den Brand /

Weil ein solch Zeugnůß ihm die G \tter selber gaben.

Gott / den die Griechen nie vorhin erkennet haben /

Den kein Verstand begreifft / war ihm allein bekand.

Denn ihm war ein gut Geist vom Himmel zugesand /

Im Leben ihn zu lehr'n / im Sterben ihn zu laben.


Athen / das ihn bracht' um / beseelt nun seinen Ruhm /

Verg \ttert seinen Geist durch dieses Heiligthum /

Verdammt den Urthels-Spruch / der ihn zwang zu erblassen;

Und machet sich hierdurch von Schmach und Unrecht frey.

Denn wer will nicht gestehn / daß irren menschlich sey

Was ůber-menschliches den alten Irrthum hassen?


Der weise Zarmar küste vielfältig mal Socratens Bild / nennte ihn den Heiligsten unter den Griechen / als welcher zwar als ein Gottes-Verleugner wäre verdammt worden / mit seinem Tode aber die Warheit des einigen Gottes besiegelt / und darmit keinen irrdischen Krantz verdienet hätte. Der Indische Botschaffter und ich rupften neben dem Brunnen etliche Handvoll Narcissen und Hiacynthen ab / und streuten sie diesem unvergleichlichen Weltweisen auffs Grab. Hierauf kamen wir endlich durch die Pyreische Pforte in Athen / und wurden auf der fürnehmsten Ceramischen Strasse neben dem Grabe des Leos in ein prächtiges Hauß eingelegt / welcher wegen seiner fürs gemeine Heil geopfferter Töchter ein in der Stadt sonst ungewöhnliches Grabmahl verdienet hatte.

Den andern Tag darnach hielt der im Phalerischen Hafen ausgestiegene Käyser in die Stadt seinen Einzug /nach dem er sich vorher auf dem Lande mit Jagten erlustigt hatte. Es leidet es die Zeit nicht das grosse Gepränge zu beschreiben / wormit diese zwey hundert Stadien im Umkreiß habende Stadt den Käyser annahm. Denn das Bild der Minerva / welches soll vom Himmel gefallen seyn / und sich dazumal / als Augustus dieser dem Antonius geneigten Stadt das Eyland Aegina und Eretrea genommen / von der Sonnen Aufgange gegen Niedergang gewendet / und Blut ausgespien hatte / solte sich itzt wieder von Ost gegen West gekehret / und der darfür hangende güldene Leuchter des Callimachus / der gerade so viel Oel in sich läst / als er zum jährlichen Brennen bedarf / und drey Tage vorher solte ausgebrennet seyn / über seine Zeit seinen unverzehrlichen Zunder und Feuer behalten haben / ob man schon aus dem durch das Gewölbe des Tempels gehende messene Röhr keinen Rauch mehr ausdampffen gesehn hätte. Uberdiß ereignete sich dieses Wunder / oder die Heucheley hatte es erfunden /[684] daß der auf dem Tritonischen Berge befindliche und stets saltzichtes See-Wasser in sich habende Brunn mit süssem Wasser angefüllt war; gleich als wenn Augustens Gegenwart die geheimen Meer-Adern zu verstopffen / und süsse zu eröfnen / oder aber alle Bitterkeit zu verzuckern mächtig wäre. Diesemnach hatten sie in Hoffnung grosser Käyserlichen Gnade für der zum Einzuge erkieseten Stadt-Pforte Dipylon des Augustus und der Livia Bild / jenes in Gestalt des Saturn / dieses der Astrea auffgerichtet /und mit Golde darüber geschrieben: Die zwey Fürsteher der güldenen Zeit. Für dem nicht ferne vom Thore stehenden Tempel des Theseus stand abermals das Bild des Käysers in Gestalt des den Minotaurus tödtenden Theseus / mit der Uberschrifft: Der nur denen Ungeheuern schreckliche Käyser. Darneben stand Liviens Bildnüß in Gestalt der Ariadne mit dem güldenen Fademe / mit der Beyschrifft: Die kluge Verrichterin aller Verwirrungen. Nicht weit davon stand des Käysers Bild noch einmal / welches in der ausgestreckten Hand einen Hut / zu den Füssen eine zerbrochene Kette hatte / mit dem Beysatze: Der Uhrheher der Freyheit. Liviens Bild stand gegen über in Gestalt der Ceres / welche aus einem Gefässe Mehl schüttete / mit der Uberschrifft: Die gütige Versorgerin der Armen. Denn in diesen nach dem Marathonischen Siege gebauten Tempel nahmen die von ihren Herren übel gehaltene Leibeigenen ihre Zuflucht / und man theilte darinnen den Armen Mehl aus. Auff der andern Seite war für die aus Marmel vom Könige Ptolemeus gebaute Schule das überaus köstliche Bild des Mercur gesetzt / welcher dem August gleichsam seinen Schlangen-Stab reichte / daran ein Zettel mit dieser goldenen Schrifft hing: Dem würdigern Mercur unser Zeit. Auf einer Seite stand die allhier denen freyen Künsten obliegende Römische / auf der andern die Griechische und andere fremde Jugend über zehn tausend starck / welche sich für Augusten und Livien neigten / und ihm als einem Vater / ihr als einer Amme der freyen Künste zurufften. Wie nun der Einzug durch die Ceramische Strasse fortrůckte; also waren für das überaus köstliche Pantheon / oder den Tempel aller Götter zwar die Bilder der zwölf Götter aufgerichtet / des Jupiters und der Juno aber weggenommen / und an derer Stelle Augustens und Liviens aus Gold / da die andern nur aus Ertzt waren / hingestellt. Uber ihnen stand eine herrliche Ehren-Pforte mit der Uberschrifft:


Dergleichen Gottheit / solcher Zeit /

Heischt Ertzt von mehrer Köstligkeit.


Auf dem Ceramischen grossen Platze für dem Tempel des Vulcan / welchem Erfinder des Feuers Athen die ersten Fackeln gewiedmet hat / reichte ein Ertztenes Bild dieses Gottes dem Käyser eine brennende Fackel aus weissem Wachse zu; darumb war mit Golde geschrieben:


Nim grosser Kåyser hin die mir geweihte Kertze;

Weil deine Glut uns giebt viel nůtzlichern Gebrauch.

Denn dein von heisser Gunst entzůndet Vater-Hertze

Hegt Liebe sonder Falsch / und Feuer ohne Rauch.


Hierauf wendete sich der Zug aus der Ceramischen Strasse auf die lincke Seite bey dem Spatzier-Gange des Zeno / und der ihm folgenden Stoischen Weisen vorbey. Weil nun in selbtem die grossen Verrichtungen der alten Helden von denen fürtrefflichsten Mahlern abgebildet waren / und insonderheit Polignotus seine Meisterstücke dahin gewiedmet hatte; waren daselbst auch die fürnehmsten Geschichte des[685] Käysers abgemahlt / und zwar dergestalt abgemahlt / daß in ieder Taffel August eine der Gemüths-Regungen überwand. Weil diese Weisen solche gar vertilget wissen wollen / und daher alle andere Weißheit für weibisch schelten / ihre eigene aber nur für männlich achten. Diese Strasse leitete den Einzug für den vom Cyrrhestes aus Marmel gebauten achteckichten Thurm / auf dessen ieder Seite ein daselbsther wehender Wind eingeetzt war. Die Ostwinde hatten ein feuriges / die Sudwinde ein irrdenes / die Westwinde ein lufftiges / die Nordwinde ein wäßrichtes Drey-Eck zu ihrem Merckmale. Der auf der Spitze dieses Thurmes stehende / und sich mit iedem Winde herum drehende Triton / wendete sich / und weiste mit seiner Ruthe gegen das auff der Strasse in Gestalt des Eolus aufgerichtete Bild des Käysers / welches ein Meerschwein zu seinen Füssen hatte; zweiffelsfrey darum / weil die Haut von diesem Fische einem die Macht diesen oder jenen Wind wehen zulassen / zueignen soll. Am Fusse war eingeetzt:


August und fromme Fůrsten sind

Die Meister über Stern und Wind.


Zu Ende dieser Strasse wendete sich der Zug abermals auff die rechte Hand für einem Tempel des Jupiters fürbey. Darfür August in Gestalt des Ammonischen Jupiters / Livia in Gestalt Amaltheens fürgestellet ward. Jener sprützte aus seinen Widder-Hörnern Wein und Oel / diese aus ihren Ziegen-Hörnern Milch und Honig in vier unterschiedene Marmel-Kessel /daraus ieder nach Belieben schöpffen mochte. Auf dem Fusse war in Marmel gegraben:


Des Uberflusses altes Horn

Ist Armuth gegen's Kåysers Gaben.

Wein / Oel / Milch / Honig / Reiß und Korn

Ist's minste / was wir von ihm haben.


Für der Höle des wahrsagenden Apollo stand ein güldener Drey-Fuß / auff welchem die Pythische Priesterin dem vorbey fahrenden Käyser zurief:


Beseele / Käyser / meinen Fuß /

Nach dem Apollo schweigen muß.


Für dem Tempel des Lycischen Apollo und der Schule des Aristoteles stand das Bild des Käysers in Gestalt des auff einer Leyer spielenden Apollo:


Wenn dieser Ph \bus stimmt die Saiten / stimmt die Welt

Annehmlich ůberein / und was sie in sich hålt.


Darbey neigten sich zwey tausend der Weltweißheit beflissene Jünglinge gegen den Käyser und Livien. Nahe darbey kämpfften hundert paar Fechter und Ringer mit einander / und für die Bürger zu Athen waren unter dem seiner wunderwürdigen Grösse halber berühmten Maßholderbaume / und um den köstlichen Brunn Diocharis drey hundert Taffeln gedecket; ob es zwar damals nicht eben einen Tag traf / da man in diesem Lust-Walde Peripatus öffentlich zu speisen pflegte. Bey der Vorburg / welche in dem sparsamen Alterthume über 2000. Talent gekostet hatte / empfingen den Käyser und Livien die fünf hundert Areopagiten / welche nahe darbey das höchste Richter-Ampt in Athen / und zwar um desto weniger gestört zu werden / nur des Nachts verwalteten. Diese Areopagiten legen in Athen alleine ihr Ampt nicht ab / da alle andere Richter es jährlich verwechseln. Ihr Richterstul ist als der fürnehmste mit dem ersten Buchstaben bezeichnet. Sie führen ihren Nahmen vom Mars / weil sie über ihn zum Richter erkieset worden / als er einen Sohn des Neptun erschlagen. Nichts weniger sind sie wegen ihres über Oresten / welcher seine Mutter Clytemnestra umbracht / über den Cephalus wegen seines getödteten Ehweibes Procris / und den Dedalus wegen des erschlagenen Talus gefällten Urthels berühmt. Für dem ansehnlichsten Thore unter den neunen / die[686] in die Cecropsburg durch die Mauer Cimonia giengen /war zwischen dem aus Ertzt gegossenen Medusen-Haupte / und dem Schilde Aegys ein kostbarer Siegesbogen; auf der einen Seite stand Neptun / und rühmte gegen dem Jupiter den der Stadt Athen verliehenen Seehafen / auf der andern Seite striech Minerva ihren der Stadt zum besten erfundenen Oelbaum heraus; iedes Theil wolte das Recht die Stadt nach seinem Nahmen zu nennen behaupten. In der Mitte aber zeigte sich Augustus / dessen Haupt mit einem Oel-Krantze / die Hand mit einem güldenen Apffel gezieret war. Jupiter sprach über die Streitenden folgendes Urthel aus:


Der Nahm: Augustus-Stadt gebůhrt alleine dir;

Denn Gold und Friede geht so Oel / als Wasser fůr.


Für dem vom Pericles an statt des von den Persen eingeäscherten Alten / durch die berühmten Baumeister Ictinus und Callicratus nach Dorischer Baukunst aus Marmel aufgeführtem Minerven-Tempel hatten sie das Bild der Livia in Gestalt der Minerva aufgesetzet; nur / daß sie an statt der Nacht-Eule einen Phenix auf der Hand sitzen hatte. Unten war in Ertzt eingeetzt:


Nim nicht fůr ůbel auf / du Pallas unser Stadt /

Daß man nicht Eulen dir allhier gewiedmet hat;

Die Eule bringt nur Leid /

Du aber güldne Zeit;

Wer aber uns beschenckt mit solchen edlen Gaben /

Muß mehr als Pallas seyn / und einen Phenix haben.


Der Käyser und Livia stiegen allhier vom Wagen /und verfügten sich aus wahrer oder angemaster Andacht in Tempel; darinnen bey dem über die Zeit wundersam brennenden Leuchter des Callimachus ein Altar aufgerichtet / auf solchem des Käysers Bild /wie die Sonne ausgeschmücket; für diesem aber ein geringes Feuer zu sehen / und an dem Fusse des Opffer-Tisches zu lesen war:


Wie wird man dir / August / ein Opffer abgewehren?

Die Glut verliert für dir des Feuers Eigenschafft.

Doch nein! Es ist die Art der Sonnen / Oel und Safft

In Båumen zu vermehrn / nicht aber zu verzehren.

So sorge nun Athen für dein schlecht Opffer nicht;

Was Sclaven offt verschmåhn / das hebt die Sonn' an's Licht.


Hinter dem sich umkehrenden Bilde der Minerva /welch Wunderwerck Phidias aus Gold und Helffenbein gemacht hatte / stand Livia abermals wie die Pallas gebildet; nur / daß sie zugleich einen Reben- und Oel-Krantz auff hatte / und bey ihren Füssen auf einem Weinstocke zugleich Reben- und Oel-Zweige /welche beyde am ersten zu Athen sollen gepflantzt worden seyn / mit Früchten wuchsen. An dem Fusse war in Marmel gegraben:


Warum kehrt Pallas weg von Livien's Gesichte /

Uns aber wieder zu? Diß / weil des Glůckes Schein

Athen lacht wieder an; und jenes / weil sie Wein

Und Oel beysammen sieht / sonst zweyer Götter Früchte.

Was sie nun schamroth macht / das heist uns danckbar seyn /

Und Livien das Hertz / Minerven's Antlitz weih'n.


Aus diesem Tempel verfügten sich beyde in den andern der Poliadischen Minerva / des Schutz-Gottes Jupiters / des Neptun / der Venus / den Phedra um sich der gegen den Hippolitus entzündeten Liebe zu befreyen gebaut hatte / der Aglaura und des Sieges; da denn August als oberster Priester / weil in allen auf dem Tritonischen Felsen liegenden Tempeln / wie auch auff dem unter freyem Himmel stehenden Altare der Freundschafft / der Schamhafftigkeit und Vergessenheit geopffert ward / in iegliches Feuer eine Handvoll Weyrauch streute; hernach sich auff die vorragende Spitze des Felsen setzte / darauf Silenus ihm seinen Sitz erkieset haben soll / als er mit dem Bacchus diesen heiligen Ort besuchet. Inzwischen leiteten die Priester den Käyser zu dem für ein grosses Heiligthum gehaltenen Oelbaume / welcher damals soll hervor geschossen seyn / als Neptun und Minerva um das an Athen habende Vorrecht gestritten. Livia verfügte sich auch in das Hauß / worinnen[687] der Minerva Priesterinnen ihren Auffenthalt haben / und aß daselbst mit ihnen dicke Milch aus dem Eylande Salamis /auser welcher sie keine sonst essen dorfften. Allenthalben empfiengen August und Livia fast göttliche Ehrenbezeugungen; wordurch Athen aber so viel zu wege brachte / daß den Morgen darauf August dieser Stadt auf Liviens Vorbitte alles wieder gab / was er ihr vorher darum entzogen hatte / daß sie dem Antonius so sehr waren zugethan gewest. Denn weil die Weiber insgemein am herrschsüchtigsten sind / geben sie denen Liebkosenden am liebsten Gehöre; sintemal doch der Heucheley das denen Herrschenden angenehme Laster der Dienstbarkeit im Busen steckt. Folgenden Tag wurden alle Tempel in Athen / und darunter auch der des Bacchus / welchen man doch nur des Jahres einmal öffnete / aufgesperrt / und in iedem sein gröstes Feyer gehalten / gleich als wenn alle auf diesen Tag eingefallen wären. In dem Tempel des Olympischen Jupiters / welcher ein Achttheil einer Meilweges im Umkreisse hat / und zwar seiner Grösse halber in sechs hundert Jahren nicht hat ausgebauet werden können / aber wegen seiner unschätzbaren Bilder /und des an Gold und Helffenbein verhandenen Uberflusses ein rechtes Wunder der Welt ist / wurden hundert Ochsen / in dem Heiligthume der Agroterischen Diana fünf hundert Böcke geopffert / welches sonst nur an dem Tage der erhaltenen Marathonischen Schlacht geschiehet. In einem vom Egeus gebauten Tempel der himmlischen Venus / darinnen ihr vom Phidias gemachtes Wunderbild stand / schlachtete man hundert Pfauen / im andern fünf hundert Tauben / und zehn tausend Sperlinge / im Tempel des Esculapius zwey hundert Hähne / in dem des Mars hundert Hunde / in dem Heiligthume des Saturn und der Rhea drey Scythische Knaben. In dem herrlichen Triclinion / darinnen auf einer Seite ein Gastmahl der Götter /auf der andern Seite der alten Griechen in weissem Marmel aufs künstlichste erhöhet ist / ward allen Fremdlingen eine offene Taffel gedeckt; in dem auff einem Eyrundten Hügel nach gleicher Art erbautem Schauplatze / welchen niemand ohne Verwunderung iemals gesehen hat / wurden allerhand Rennen gehalten. Im Spatzier-Saale des Elevtherischen Jupiters waren alle denen Persen für Alters abgenommene Waffen auffgehenckt / welche Sylla nicht mit nach Rom geführet hatte. Im Spatzier-Gange des Attalus hegte man allerhand Spiele / im Thraconischen theilte man iederman Mehl aus. In dem Schauplatze Odeon /welches Ariston für der Syllanischen Belägerung eingerissen / Ariobarzanes König in Cappadocien aber auf eigene Kosten wieder erbaut hatte / kämpfften die berühmtesten Sänger und Saiten-Spieler mit einander um den Preiß. Im grossen Schauplatze des Bacchus /welcher der erste in der Welt gewesen seyn soll / wurden die auserlesensten Lustspiele des Aristophanes /des Alepis und Cleodemus / welche letztern zwey für Freuden wegen erlangten Preisses ihrer fürgestellten Schauspiele gestorben / gesungen. Der Schall der Redend- und Singenden bethörte aller Zuhörer Ohren /und die Lufft aller Zuschauer Nasen. Denn in etlichen Hölen des Schauplatzes waren in wol abgemessener Ferne ertztene Gefässe gesetzt / welche den darein fallenden Schall annehmlich verstärckten. Und die oben auf den Zinnen des Schauplatzes stehenden Alabaster-Bilder des Menanders / welcher hundert und fünf /Euripidens / der funftzig Schauspiele geschrieben /und vieler anderer berühmten Tichter bisamten durch einen aus kleinen Silber-Röhren gespritzten Thau den gantzen Schauplatz ein. Bey der Ithonischen Pforte neben dem von den Amazonen gebauten Tempel / wo Theseus mit ihnen geschlagen hatte / ward auf Amazonische Art ein Kampf / bey dem Tempel des Vulcan und der blauäugichten[688] Minerva / wo man die junge Mannschafft zum Kriege musterte / ein Fackel-Rennen gehalten. Auf dem Prytaneon oder dem Rathhause waren die Bilder des Pericles / des Miltiades / des Cimon und anderer Helden mit Lorber-Kräntzen geschmückt / das darauf verwahrte ewige Feuer / und Solons Gesetze öffentlich zur Schaue gestellt. Auf dem Marckte für dem Altare der Barmhertzigkeit ward allen / die das Leben verwürgt hatten / Gnade angekündigt. Unter dem Kräuter-reichen Berge Pentelicus hatte man das frische und wohlschmeckende Wasser des Brunnen Brysis / durch verborgene Röhren weggeleitet / und floß daraus Oel / wie aus dem Ceramischen Quelle; bey dem Altare der zwölff Götter Wein / und aus denen vom Pisistratus gestifteten neun Marmel-Röhren des berühmten Brunnes Callirhöe Milch. Nichts weniger raan aus dem neben des Esculapius Tempel befindlichem Brunnen Hallirrhotius Honig / welcher sonst mit dem Phalerischen See-Busen durch eine unterirrdische Ader sich vermengen / und die in Brunn geworffene Sachen daselbst ausschütten soll. Gegen den Abend selbigen Tages versa lete sich gleichsam gantz Athen an dem Flusse Iphissus bey dem Tempel der Ceres. Denn August und Livia kamen mit grossem Gepränge dahin / diese zwar sich in den kleinen Elevsinischen Geheimnüssen der Proserpina einweihen zu lassen; jener aber daselbst seinen bey der ersten Einweihung empfangenen seidenen Rock / den die Eingeweihten / biß er zerschlissen / nicht ausziehen dörffen / abzulegen. Ihnen kamen vierzehn Priesterliche Jungfrauen biß an den Fluß entgegen; derer sieben einen mit Blumen / die andern sieben einen mit Weitzen-Aeren bedeckten Korb trugen. Nach dem der Käyser und Livia in Tempel kamen / ward er feste zugeschlossen; weil niemand ungeweihtes dem Feyer beywohnen darff. Dieses währete biß umb Mitternacht. Da denn allererst der Käyser aus diesem Tempel / darinnen Livia zurück blieb / durch die Hyerische Strasse mit noch grösserem Gepränge zwischen mehr als 20000. Fackeln seinen Zug zum Elevsinion oder dem Tempel der Elevsinischen Ceres hielt / dariñen ihr vom Praxiteles gemachtes unvergleichliche Bild zu sehen war. Für dem Käyser trug der oberste Prieste das Bild des Schöpfers / der Fackelträger der Sonne / der Altar-Aufschauer des Monden / der heilige Herold des Mercur. Die Melissischen Priesterinnen trugen in einem verborgenen Kästlein das verborgene Heiligthum des weiblichen Geschlechtes. In diesem Tempel ließ sich der Käyser zu dem grossen Geheimnüsse der Ceres einweihen. Denn ob zwar vermöge eines alten Gesetzes / kein Fremder dieser Weihe fähig war / und daher dem Hercules zu Liebe die kleinere Weihe gestiftet ward / hatte doch der Rath zu Athen den Käyser für einen Eingebohrnen / ja für den Vater ihrer Stadt erkläret; wie uns dieses ein dem Gesandten zugegebener Priester auslegte / und auf unsere Nachfrage ferner unterrichtete: Diese Einweihung wäre einerley mit der Egyptischen der Isis. Diese hätte Orpheus so wohl /als die Weihe des Bacchus / welche mit der des Osiris überein käme / aus Egypten in Griechenland gebracht. Bey der Elevsinischen Weihe würden alle diesem Gottes-Dienste beywohnende / insonderheit aber die Neulinge gebadet / ja auch die Bilder der Götter gewaschen / und die Strassen / wordurch sie ihren Umbgang hielten / mit Weih-Wasser besprenget. Auch dörffte in Athen kein ander Wasser als aus dem geweihten Flusse Iphissus hierzu genommen werden. Hierdurch würden alle begangene Laster getilget. Daher hätte sich selbst Apollo / wegen eines begangenen Todschlages / vom Carmanor; Hercules nach erschlagenen Centauren / vom Orpheus; und als er den Cerberus aus der Höle holen wollen / vom Musäus; Theseus nach unterschiedenen[689] Todschlägen / von Phytaliden; und Bellerophon vom Pratus der Argiver Könige der Ceres einweihen lassen. Die aber dieser Göttin sich vollkommen wiedmeten / würden durch ein Hemde der Ceres von oben an durchgesteckt /gleich als wenn sie von dieser Göttin gleichsam wiedergebohren würden. Auf welche Art auch Juno den Hercules an Kindesstatt angenommen hätte. Sie müsten über diß gewisse Zeit fasten / und insonderheit sich Brodt und Weines / am meisten aber des Beyschlafs enthalten / und ihre Geburts-Glieder dieser Mässigkeit halber mit Saffte vom Zieger-Kraute netzen. Massen der Ceres Priester durch einen solchen Tranck sich gar zu entmannen verbunden wären. Diese Einweihung hätte die Krafft die Seelen gleichsam von den Hefen irrdischer Dinge abzuspülen / die Geister zum Nachsinnen in Göttlichen Sachen zu erhöhen. Sie kriegten einen Zug zu einem gerechtern Leben / und hätten deswegen in allen Gefährligkeiten die Götter zu ihren Beyständen. Nach dem Tode wohnten die Eingeweyhten / wenn sich andere im Schlamme sieleten / im Finstern herumb schwermeten / bey den Göttern / und hätten ihre absondere Sonne und Gestirne stets in Augen / das Gemüthe aber voller Freuden. Diesemnach hätten die berühmsten Helden Jason / Castor / Pollux / Hercules / Orpheus / König Philipp in Macedonien / und nunmehr auch August sich zu Athen einsegnen lassen. In Samothracien wären auch zwey solche alte Heiligthümer; da man nemlich denen Cabirischen und Curetischen Göttern eingeweihet würde. Von dar wären sie vom Corybas Jasions und der Cybele Sohne in Phrygien / und endlich unter dem Nahmen des Cybelischen Gottesdienstes nach Rom gebracht worden.

Nach dreyen Tagen ward der Indianische Gesandte in die Cecropsburg zum Käyser mit grossem Gepränge abgeholet. So bald der weise Zarmar an der überaus prächtigen Stirne des Minervischen Tempels die güldene Uberschrifft: Dem unbekandten Gotte / erblickte / fiel er auf sein Antlitz in Staub darnieder /und brachte bey nahe eine Stunde in seiner gewohnten Andacht zu. Die Priester der Minerva sahen Zarmarn mit Verwunderung zu / wusten uns aber diese alte Uberschrifft nicht recht zu erklären; ausser: daß selbte vermuthlich von einem zu Phalera in Elis befindlichen Altare genommen wäre / darein Epimenides zu Solons Zeiten eben diß geschrieben hätte. Jedoch wäre die Zeit der Wahrsagung gleich vorbey / da dieser unbekandte Gott solte offenbart werden. Weil nun der Gesandte ohne Zarmarn seinen Dolmetscher nicht in die Königliche Burg fortrücken wolte / zeigten ihm inzwischen die Priester des Praxiteles Diana / die vom weisen Socrates gebildeten Gratien / des Dedalus /Cleetas / Endeus und Calamis unvergleichliche Arbeit in Bildern / Säulen und der Bau-Kunst / wie nichts weniger viel unschätzbare Gemählde des Micon / des Parrhasius / und Timenettus. Mecenas empfing ihn in dem letzten Vor-Gemache / und führte ihn zur Verhör in das Käyserliche Gemach. Für dem Gesandten trugen acht nackte Indianer die an köstlichen Edel-Gesteinen / Perlen und Ambra bestehende Geschencke vorher. Hierbey lieff ein Jüngling ohne Achseln und Armen / welcher mit den Füssen den Bogen spannen /Pfeile abschüssen / und alle sonst den Händen obliegende Arbeit geschicklich verrichtete. Von denen andern Geschencken / welche an vielen vorher in Griechenland noch nie gesehenen Tigern / an zehn Ellen langen Schlangen / dreyellichten Schnecken / an einem Rebhune / welches grösser als ein Geyer war /bestanden / ward dem Käyser ein Verzeichnüß nebst einem Grichischen Schreiben vom Könige Pirimal[690] eingehändigt. Der Käyser nahm den Bothschaffter mit angebohrner Freundligkeit an / hörte ihn mit Gedult /beantwortete ihn / nach dem der vorhin lange Zeit in Egypten und Griechenland gereisete Brahman Zarmar des Indianers Sprache Griechisch erkläret hatte / mit sonderbarer Anmuth / fragte umb den Wohlstand seines Bruders des Königs Pirimal / und verwieß ihn völlig an den Mecenas / der mit ihm handeln und einen gewissen Schluß machen würde. Nach geendigter Verhör führte Mecenas ihn und uns auff Käyserliche Verordnung zu einem herrlichen Gastmahle / welches in einem köstlichen Spatzier-Saale des vom Lycurgus erbauten Zeughauses bereitet war; bey welchem sich für Zeiten Egeus herab gestürtzet hatte / als er das den Theseus nach Creta überführende Schiff mit schwartzen Segeln zurück kommen sah / und ihm einbildete: er wäre vom Minotaurus aufgerieben worden. In diesem Gastmahle vergnügte uns nicht so wohl die Pracht aller seltzamen von vielen Enden des Römischen Reiches und denen entlegensten Eylanden zusammen verschriebener Speisen und Geträncke / als das Aussehen auf das mit Inseln gleichsam besäete Meer / und die uns von daher anwehenden Lüffte; am meisten aber die unvergleichliche Annehmligkeit des Mecenas. Und kan ich in Wahrheit sagen: daß auf des Mecenas Taffel Samos seine Pfauen / Phrygien die Haselhüner / Tarpessus die Murenen / Pessinunt seine Zante / Tarent seine Austern / Cilicien seine Scarus /Colchis seine Fasanen gezinset hatten. Seine Freundligkeit aber war die edelste Würtze dieser Speisen /oder vielmehr das beste Gerichte. Denn darmit übertraff er alle Demuth derer / die ihn gleichsam für Verwunderung anbeteten; die Redligkeit aber sahe ihm aus den Augen / und überredete also fort einen ieden: daß diese Anmuth keine Larve eines falschen Hertzens / noch seine Beredsamkeit eine Schmincke betrüglicher Anschläge wäre. Ich hatte ihn zwar vorhin vor den redlichsten Mann in der Welt / ja für ein Meister-Stücke der Natur und der Kunst rühmen hören; aber ich erkennte ihn allererst für ein Wunderwerck /als ich an ihm alle Annehmligkeiten des Hofes / keines aber seiner Laster fand. Zumal da er so viel Jahre auf dieser gefährlichen Höhe gestanden / und bey so vielfältiger Abwechselung des Glückes gantz unverändert geblieben war. Er hatte niemals eine andere Flacke aufgestecket / als die er zum ersten bey seinem Eintritte in die Burg geführet; und der Hof / welcher sonst auch die Heiligen verführet / vermochte biß auf diesen Tag ihn mit seinen Kohlen nicht zu berämen. Er konte in seiner gelehrten Einsamkeit / und bey seiner Musen-Gesellschafft wohl des Hofes / aber der Hof nicht seiner entbehren. Dieser sehnete sich nach seinen Lust-Gärten / der Käyser ward lüstern nach seinem Vorwerge; und alle diese nahmen daselbst seine unschuldige Sitten an / und legten so wohl ihre Laster als Sorgen ab; aber Mecenas blieb bey Hofe was er in seinen vier Pfälen war. Denn sein Gemüthe war so feste gesetzet: daß es die Verdrüßligkeiten so wenig herbe; als so viel Flüsse das saltzichte Meer süsse machen kunten. Verleumbdung und Heucheley waren bey ihm unbekandte Ungeheuer. Denn seine Zunge machte niemand weisses schwartz / und seine Geberden nichts schwartzes an ihm selbst weiß; sondern seine Redligkeit bemühte sich vielmehr mit Fleisse äuserlich zu zeugen / was er inwendig war. Seine Geburts-Art schien von solcher Güte zu seyn: daß wenn er gleich seinen Gemüts-Bewegungen den freyen Zügel ließ / selbte doch nirgendshin als auf das Mittel der Tugend verfielen. Er beging niemals keinen Fehler / weder aus Schwachheit noch aus Vorsatz. Seine Aufrichtigkeit ließ[691] ihn niemanden / seine Vorsicht aber sich nicht betrügen. Sein Verstand übersah alsbald seine Tieffen oder Dinge; seine Geschickligkeit fädmete die Geschäffte mit einer besondern Art ein. Jenes Licht ist das Auge / dieser Handgriff aber der Werckzeug eines grossen Staats-Klugen. Sein einiges Absehen war dem Käyser das rechte Maß in Entschlüssungen; dem Volcke aber den Ruhm des Gehorsams einzuloben. Und in Wahrheit / dem Augustus ward nirgends ein Tempel gebauet / den Mecenas nicht vorher in denen Hertzen der Unterthanen in Grund gelegt hatte. Er hatte bey Hofe keinen Dienst /wormit er die Freyheit iedermann zu dienen nicht verlieren möchte. In Rom wolte er weder das Burgermeister-Ampt / noch anderwerts einige Land-Vogtey übernehmen; denn er sagte: Die Höhe verursachte an sich selbst einem den Schwindel; alleine im Wercke war er der Stadt und des Reiches Vormund; und weil er durch seine Wohlthaten iedermann gewan / ja den Neid selber schamroth und ihm geneigt machte / verdiente er: daß das Volck ihn seinen Vater / der Rath seinen Leitstern / der Käyser seinen Freund und Bruder hieß. Seine Treue war der erste Priester / der den noch lebenden Käyser vergötterte. Denn ob zwar der unermüdliche Agrippa wegen seiner vielen Siege und grossen Krieges-Dienste beym Augustus hoch am Brete war; wie denn Mecenas dem Käyser selbst rieth: Er müste Agrippen entweder tödten / oder zu seinem Eydame machen; so hatte der Käyser doch den Mecenas mehr im Hertzen; jenen schätzte / diesen aber liebte er mehr; als welchem einiger Mensch in der Welt nicht vermochte gram zu seyn. Denn die Wollüstigen fanden bey ihm ihre Ergetzligkeit / die Tugendhaften ihre Vergnügung. Welchen er des gemeinen Bestens wegen etwas abschlagen muste / die beschenckte er mit dem Seinigen; oder er wuste auch sein Nein derogestalt zu übergülden / daß er darmit mehr Gemüther gewaan / als andere mit ihrer Verschwendung. Ja seine Worte waren bey iedermann so wichtig / daß er darmit hätte alle seine Schulden bezahlen können. Agrippa rieth dem Käyser / was zu seiner Herrschafft nützlich / Mecenas aber / was ruhmwürdig war. Jener demüthigte seine Feinde / dieser beschirmte die Unschuld. Jener machte / daß Augustus aus den Schlachten niemals ohne Sieg zurücke kam; dieser aber: daß er vom Richter-Stule allezeit ohne Blut aufstund. Agrippa hatte Theil an des Käysers Armen / Mecenas aber an seinem Hertzen. Mit einem Worte; Augustus hatte eine Bothmässigkeit über die Welt / Mecenas aber über den Käyser. Dieser war ein Schoß-Kind des Glückes / Mecenas der Tugend / des Glückes und des Käysers.

Ob nun wohl gegen den Abend Mecenas den Gesandten und uns von sich ließ; so behielten wir ihn doch in unserm Gedächtnüsse. Masulipat hatte sich in ihn derogestalt verliebet: daß er die halbe Nacht sich mit mir seinethalben unterredete. Des Morgens war die Sonne so früh nicht in unserm Hause / als die köstlichsten Erfrischungen / wormit Mecenas uns beschenckte. Gegen den Mittag suchte er uns selbst heim / und nöthigte uns in eines seiner unter dem Berge Corydalus am Meere gelegenen Lust-Häuser zur Taffel. Bey welchem Marcus Antonius von eitel köstlichem Laube die Höle des Bacchus aufgebauet /den Bodem biß an die Knie mit eitel hundertblättrichten Rosen überschüttet / und unter der Gestalt des Bacchus gantz Athen überflüssig bewirthet hatte. Die Natur hielt am selbigem Orte einen Begriff ihrer Wunderwercke / nehmlich wohlrüchende Wälder /fruchtbare Gärte / lustige Steinklippen / erfrischende Hölen / warme Bäder /[692] rauschende Bäche / gesunde Brunnen in einem Kreiß versammlet; die Kunst aber mühte sich mit Einpfropffung allerhand ausländischer Gewächse / zierlicher Eintheilung des Baumwercks und Blumenstücke / mit Bereitung seltzamer Felsen und Klüffte / von den höchsten Gipfeln abstürtzender Wasser / spielender Wasser-Künste der Natur ihrer Mutter einen Rang abzurennen. Das Lusthaus war aus weissem Marmel gebaut / die Decken waren mit Helffenbein übertäffelt / die Fenster aus Berg-Kristallen /die Tische aus flasernem Zitron- und Zeder-Holtze /welche meist gleichsam mit Augen eines Pfauen-Schwantzes beworffen waren. Die Bödeme waren mit Aßyrischen / die Wände mit Serischen Teppichten /oder Persischen Goldstücken bekleidet / welche noch darzu von Perlen starrten / und mit Edelgesteinen flammeten. Wiewol nun diese mehr als Königliche Pracht aller Augen gleichsam verblendete / so hatte doch Mecenas in diesem seinem Eigenthume alles Ansehen seiner Würde / und alles Gepränge des Hofes von sich weggeleget; uñ dahero schiene die Wollust hier so wenig schädlich / als die Schlangen auff Cypern gifftig zu seyn. Seine Höffligkeit machten seine unüberfirnste Gemüths-Gaben desto scheinbarer / also / daß wir bey Hofe nur die Helffte des Mecenas / in dieser Einsamkeit aber seine gantze Vollkommenheit gesehen zu haben uns bedüncken liessen. Denn seine vorige Freundligkeit verwandelte er nunmehr in eine offenhertzige Verträuligkeit. Er hatte von den Grossen des Hofes keinen bey sich / ob schon seine Taffel täglich iedermann offen stand; indem er mit dem Epicur eine einsame Mahlzeit für eine Zerfleischung roher Thiere / und eine Lebens-Art der Löwen und Wölffe hielt. Gleichwol wäre seine Taffel dißmal auch für den Käyser selbst nicht zu geringe gewest /so wohl wegen der kostbaren Zubereitung / als wegen Seltzamkeit der Gerichte; unter welchen aber zu unserer Verwunderung ein Viertel von einem jungen Esel befindlich war; welches Mecenas seinen Gästen allezeit fürzusetzen soll gewohnt gewesen seyn. Maro uñ Horatz waren wie sonst täglich / also auch dißmal seine Gäste; wormit er durch Anleitung ihrer Getichte auch bey annehmlichem Zeitvertreib unvermerckt zu der Liebe der Tugend und Weißheit auffgemuntert würde. Aller dieser meiste Unterredungen waren eitel Lobopffer des Käysers; oder Lehren / wie man durch Tugend ein Leben bey der Nachwelt erhalten solte. Unter dieser Verträuligkeit nahm ich wahr / wie Mecenas ihm selbst ein Stücke von dem Esel-Viertel abschnitt / und bey dessen begieriger Verzehrung aller andern Köstligkeiten vergaß. Diesemnach ich von dem Vorschneider selbst ein Theil von diesem neuen Gerichte verlangte; welches mir / ich weiß nicht ob aus einem Zuge gegen dem Mecenas / oder seiner Gütigkeit halber überaus wol schmeckte; und daher anfing: Ich wünschte mir nun auch auf eine kurtze Zeit einen Kranchs oder Kamel-Hals mit dem Philoxenus; oder daß ich wie Pithyllus meine Zunge in ein Futter eingeschlossen gehabt hätte / um diese Süßigkeit so viel eigentlicher zu schmecken. Mecenas veranlaste den Indianischen Gesandten hiervon auch etwas zu geniessen; aber er war hierzu nicht zu bereden; weßwegen ich ihn schertzweise entschuldigte: In Indien äße man keine Hasen / daher müste der Gesandte auch der Aehnligkeit halber sich der Esel enthalten. Horatius begegnete mir: weñ des Römischen Frauenzimmers Glaube wahr wäre: daß das Hasenfleisch schön machte / müste es in Indien Mangel an schönem Frauenzimmer geben. Der Gesandte antwortete mit einem gleichmäßigen Schertze: die Indianer wüsten zwar die Eigenschafft beyderley Fleisches; alleine wie die Einwohner der Atlantischen Eylande kein Schwein / aus Beysorge / sie möchten kleine Augen beko en /wie auch keine Schildkröte äßen / aus Furcht nicht so schlammig zu werden; also[693] enthielten sich die Indianer der Hasen und Esel / um von ihren langen Ohren befreyet zu bleiben. Uber diesem Schertz-Gespräche ward eine Schüssel voll Phasan- und Pfauen-Gehirne auf den Tisch gesetzt / daher Maro anfing: Er merckte wohl / daß sie zu Athen wären / wo man kein Gehirne äße / weil man dessen so einen grossen Uberfluß auffzutragen hätte; iedoch wüste er nicht / ob nicht etwan ein Artzt oder ein Nachfolger des Pythagoras gegenwärtig wäre / indem die ersten das Gehirne für eine ungesunde / die letzten für eine unreine Speise hielten. Mecenas wolte seine Tracht vertheidigen / und versetzte: wenn diß wäre / warum nennte man deñ die Skarus-Lebern und andere niedliche Gerichte des Jupiters Gehirne? Es solten aber seine Gäste sich ja der Frehyeit diß zu erwehlen / was ihnen schmeckte / gebrauchen. Denn über den Geschmack hätte man keinen Richter / und es wäre nichts mehr als die Speise dem Aberglauben unterworffen. Die Römer enthielten sich weisser Hähne / der Köpffe und Geburts-Glieder von den Thieren / der Eyer / der Bohnen / des Viehes /welches keinen Schwantz hätte / aller vom Tische gefallenen Speisen / und niemand wüste eine Ursache zu sagen. Andere wolten von Hasen / Barben / und Maulbeer-Bäumen nicht essen / weil sie ihren Monatlichen Fluß haben solten. Ich / sagte Zeno / bestätigte es mit beygesetzter Nachricht / daß wider die Gewonheit der Juden die Einwohner des Eylandes Madagascar die von den Schildkröten gemästeten Färcklein für das köstlichste / und andere Indianer für das gesündeste Gerichte hielten. Die Scythen hingegen enthielten sich alles Getreides und Gegräupes als einer Nahrung für das Vieh / das Fleisch aber alleine für den Unterhalt der Menschen. Endlich mangelte es nicht an so wilden Leuten / welche rohe Därmer / klein geschnittene Haare in Honig / und das Bären-Unschlit / ja die Menschen selbst verzehreten / und von diesen die Brüste oder die Füsse / wie von den Bären die Klauen / ihren Obersten als Leckerbißlein fürlegten. Für welchem allem andere Leute ein Grauen und Abscheu hätten. Pythagoras hätte alle Fische verboten; Apicius hingegen hätte die Sardellen allen Speisen in der Welt fürgezogen / und sie dem Bithynischen Könige Nicomedes in denen sonst so verachteten Rüben aufftragẽ lassen. Bey den Colchiern hätte die Schulter / bey den Galliern das dicke Bein võ den Thieren den Vorzug; denen sonst schwerlich iemand einsti te. Als wir gleich am besten hiervon redeten / trat der Käyser unversehens in das Zimmer / welcher nur nebst Livien und der schönen Terentien / als des Mecenas Ehefrauen auff einem Nachen sich an dem Meerstrande in diesen Garten hatte führen lassen. Als wir nun alle über dieser unversehenen Ankunfft aufffuhren / ermahnte uns Augustus unsere Reye und Gespräche nicht zu verrücken. Denn es käme nicht der Käyser / sondern nur Octavius zu ihnen. Dieser Erinnerung beqvemten sich alsofort Mecenas / Maro / und Horatz / welchen des Käysers Art schon kundig war / und endlich auch wir Fremdlinge nach ihrem Beyspiele. In Warheit /Augustus hatte mit seiner Reichs-Last allen Schein eines so grossen Welt-Beherrschers derogestalt auff die Seite gelegt / daß ich ihn selbst ehe für einen Bürger / als für einen so grossen Fürsten angesehen hätte / und ich mich itzt so viel weniger wundere / wie die freyen Römer sich einem so freundlichen Fürsten so leicht dienstbar gemacht haben. Weil der Käyser aber gleichwohl vermerckte / daß seine Anwesenheit unserer Freyheit einigen Eintrag thät / indem doch Fürsten und Gestirne sich niemahls ihres Glantzes gar enteussern können; wolte er uns in unserer Lust nicht länger stören / sondern nahm nach unterschiedenen Schertz-Gesprächen von uns mit seinem Frauenzimmer Abschied; Livia aber sagte schertzende zum Mecenas / daß ihre Vermählung mit Terentien allererst[694] zu Rom sich endigte / und sie also ihm seine Beyschläfferin noch nicht zurücke lassen könte. Welches sie meines Bedünckens mehr uns fremden zum Anhören redete / den erschollenen Verdacht vom Käyser abzulehnen / daß er mit Terentien heimlich zuhielte. Wiewohl zu sagen Weltkündig ist / daß Livia anfangs mit Terentien geeyfert / und der Schönheit halber sich gezancket habe / biß sie hernach nicht alleine mit mehrer Klugheit zu dieser geheimen Buhlschaft ein Auge zugedrückt / sondern auch andere Frauenzimmer dem Käyser an ihre Stelle ins Bette gelegt / und durch diese verstattete Freyheit den Käyser ihr auffs festeste verknüpfft hat. Hierbey aber konte ich dem Mecenas nichts weniger als einen Unwillen oder Eyversucht anmercken / von welchem man mir vorher erzehlet hatte / daß er mit Terentien deßhalben in täglichem Gezäncke lebte / mehrmahls gewünscht haben solte Terentia / nicht Mecenas zu seyn; und daß die Römer deßwegen von ihm schertzweise sagten: Er hätte zwar nur eine Ehfrau / aber sie mehr als tausend mahl geheyrathet. Wie wir nun den Käyser biß an den Meer-Strand begleitet hatten / führte uns Mecenas durch einen langen Gang / der auff ieder Seite mit hohen Palmbäumen besetzt / auff der einen Hand mit dem saltzichten Meere / auff der andern mit einem süssen Weyher / in welchem die Feuerrothen Fische wie fallende Sternen schimmerten / angefrischet war /in einen prächtigen Saal voller herrlichen Seulen und Ertzt-Bilder. Wir betrachteten sie alle / so viel es die Zeit vertrug / und Mecenas nöthigte uns zu urtheilen /welches ieder für das beste Stücke hielte. Der Gesandte erwehlte die Andromeda aus schwartzem Marmel / vielleicht wegen Aehnligkeit seiner Farbe / ich das Bild der Verzweiffelung aus Corinthischem Ertzte / weil diese Unholdin wegen meiner verlohrnen Erato ohne diß meine tägliche Geferthin war / Zarmar aber das Bildniß des Todes aus Helffenbeine. Hierauff wiese Mecenas auff das Bild der Gemüths-Ruh / aus Alabaster / meldende: dieses aber gebe ich nicht für alle Bilder und Edelgesteine der gantzen Welt. Ich gestehe es / sagte Zarmar / daß die Gemüths-Ruh oder ein gutes Gewissen der gröste Schatz der Welt sey /ich aber halte einen seligen Tod noch weit höher; denn jene ist zwar das Paradiß des Zeitlichen / dieser aber die Pforte zu der unvergänglichen Glückseligkeit. Ich höre wohl / sagte Mecenas / Zarmar sey kein Schüler des Dicearchus und Epicurus / welche gläubten / daß die Seelen mit dem Leibe vergehen / sondern vielmehr der Meinung / welche Pherecydes zu erst in Griechenland gelehret / Thales / Pythagoras / Plato /und Socrates aber bekräfftigt haben / daß der Tod nur eine Veränderung / aber keine Verderbung der Seelen sey. Oder pflichtet er dem Cebes / Zeno / und denen Stoischen Weltweisen bey / daß die Seele allererst mit Einäscherung der Welt verschwinden / oder mit Gott ihrem Ursprunge wieder würde vereinbaret werden? Zarmar antwortete: Er wäre derer keinem zugethan. Die erstern wären nicht für Menschen / sondern für Vieh zu halten; ja nicht werth / daß ihnen Gott eine unsterbliche Seele eingeflöst / wenn selbte ihnen nicht zur ewigen Pein dienete. Denn haben sie nie mit Augen gesehen / wie es den Frommen in der Welt so übel / die Boßhafften aber auff Rosen gehen? Wäre diß nun nicht der Gerechtigkeit Gottes zuwider / da in dem andern Leben die Seelen der Frommen nicht solten erqvicket / der Lasterhafften gepeiniget werden? Haben sie nie wahrgenommen / daß die Seele ein eigenbewegliches Wesen und ein Geist / der Leib aber nur von verweßlichem Talck zusammen gekleibet sey? Solte nun jener herrliche Kern mit dieser leichten Spreu zernichtet werden? Was sage ich aber zernichten?[695] Auch der Leib kan durch keine Kunst / durch keine Gewalt zernichtet; sondern nur in was anders verwandelt werden. Sintemal eines Wesens Verterbung eines andern Geburt ist. Wie mögen diese Blinden die himmlische Seele der Zernichtung unterwerffen? haben sie nie beobachtet: daß ihre eigene Seele das vergangene gedencke / das Gegenwärtige verstehe / und eine freye Herrschafft über den Leib als seinen Dienstboten ausübe / und seine viehische Regungen unterdrücke? Wer wolte nun glauben / daß diese Gebieterin der vergangenen / gegenwärtigen / und künfftigen Zeit eines Augenblicks Einäscherung unterworffen sey? daß diese gewaltige Frau aus ihres Knechtes Munde den lebenden Athem ausblasen solle? Haben sie mit ihrer Seele nie begriffen / was in die Sinnen des Leibes nicht fallen kan; hat sie nie gebillicht / was dem Auge unglaublich scheinet; Als daß der kleineste Stern grösser als der Erdbodem; hat sie die Wollust nie verfluchet / derer Kützel doch dem Leibe so wohl thut? Wie mag ihnen denn ihre Zertrennung bey der Erblassung des Leibes so unmöglich scheinen? Die letztern Weltweisen aber sind wenig besser; weil sie die Seele einem irrdischen Leibe wie den Leib einem umbmäßlichen Orte anbinden / und selbte gleichsam nur für eine Bewegung / oder für ein Gewichte des Leibes halten / welches ihn als eine Uhr fort treibe; ja wohl gar uns bereden wollen: daß das Wasser das feurige Wesen der Seele ersäuffen / oder eine grosse Last selbte wie einen Rauch zertheilen könne. Da sie selbst doch gestehen: ihr Ursprung rühre von Gott / wie der Tag von der Sonnen her /und dahero sey sie nichts minder als Gott / der nichts leibliches an sich hat / für ein von der Glieder irrdischen Hütten absonderliches Wesen zu halten / welches ohne den Werckzeug des Leibes in und von sich selbst genugsame Krafft zu würcken habe. Die mitlern haben durch erblickte Ewigkeit der Seelen zwar ein grosses / iedoch lange noch nicht vollkommenes Licht der Warheit erkieset. Mecenas hörte ihm begierig zu / und fing nach einem langen Nachdencken an: Ich bin zwar auch der Meinung: daß die Seele durch den Tod sich aus ihrem Kercker des Leibes in vergnüglichere Freyheit entreisse; Aber warum soll ich nicht die Ruhe des Gemüthes / die eingebohrne Tochter der Unschuld / die warhaffte Gebärerin künfftiger Ergetzung / als den Lebens-Balsam des gegenwärtigen Lebens dem Tode fürziehen? Ist dieser nicht nur der Scherge / der uns die Fessel loß macht; jene aber die Befehlhaberin Gottes / welche unsere Erlösung anordnet? ja der Vorschmack des Himmels / wie ein böses Gewissen der Hölle? Denn wie dieses allezeit die Furcht der Straffe in seinem Busem trägt; also schmecket die ihr bewuste Unschuld schon die Freude ihrer Vergeltung. Zarmar versetzte: Ich gebe allem diesem Beyfall; ja ich weiß: daß ein lasterhafftes Leben nicht so wohl ein Leben / als ein Trauren sey. Der Geist / der es beseelet / ist eine blosse Einbildung; diese aber schon sein Hencker und seine Folterbanck. Die Furcht verfolget einen Boßhafften ärger / als der Schatten den Leib. Seine Lust-Häuser /könten sie gleich schöner / als dieses seyn / sind seine Kercker / welche der gantzen Welt / nur ihm nicht gefallen. Von seinen Blumen-Beethen genüssen andere die Rosen / er nur die Dornen. Da auch diese gleich zuweilen eine unvorsichtige Hand verwunden / so durchstechen sie aber ihm seine Seele. Seine bangsamen Seuffzer verjagen den kräfftigen Geruch / wormit die Blüthen der Granat-Aepffel / und die Jasminen die Lufft einbalsamen. Das Rauschen seiner Springbrunnen schreyet ihm in die Ohren: daß alle seine Eitelkeiten wie das Wasser zerrinnen / seine Marter aber unvergänglich seyn werde.[696] Der für Augen schwebende Verlust macht ihm sein Reichthum zur Uberlast / und auf das Altar / welches die Heuchler seiner Würde anzünden / liefert er sein Hertze selbst zu einem brennenden Opffer. Ja wer an der H \llenpein zweiffelt /frage ein böses Gewissen / so wird er vernehmen /daß es Hencker und Foltern / die man nicht sehe / und ein Leben gäbe / welches ärger als der Tod ist. Herentgegen / weil ein ruhiges Gemüthe unaufhörlich auf Gott / wie die Magnet-Nadel nach dem Angelsterne zielet / muß selbtes in einem Meer voll Ergetzligkeiten schwimmen; auch nichts anders / als diß / die unvermeidliche Noth zu sterben verzuckern; ja seine bitterste Galle zwischen glüenden Zangen annehmlich machen: also daß / wie schwartz und grausam er denen Lasterhafften fürkommt / er dennoch von jenen als ein liebreicher Bräutigam umarmet wird. Aus welchem Nachdencken der Meister dieses Todtenbildes vielleicht das annehmliche Helffenbein zu einem sonst so abscheulichen Gespenste erkieset hat. Alleine es ist nicht möglich / daß ein Mensch entweder aus einem tieffen Schlaffe der Unachtsamkeit / oder aus einer falschen Eigenliebe ihm eine Gewissens-Ruh mache /und bey seiner gefährlichsten Kranckheit gleichwol keine Schmertzen empfinde? Pflegen nicht die / welche aus ihren Lastern ein Handwerck gemacht / alle Stachel des Gewissens zu verlieren; ja sich über ihrer begangenen Boßheit noch zu kitzeln? Oder schweben wir elende Menschen nicht allhier auf so glattem Eise / daß wer heute stehet / morgen zu Bodem fällt? Einen Ringer aber krönet nicht der gute Anfang / sondern ein herrliches Ende; Einen Menschen nicht seine eigene Beruhigung / sondern ein seliger Tod. Mecenas begegnete ihm: Ich vertheidige ein gutes Gewissen /welches keine andere / als einen tugendhafften Wandel zur Mutter hat; nicht die Schlaffsucht derer / die in dem Schlamme der Sünden ohne einige Empfindligkeit stecken. Dahero müssen diese Mahblumen nicht mit wohlrüchenden Rosen vermengt werden. Ich kenne auch zwar nicht die menschlichen Schwachheiten; Aber die Absetzung von einem guten Absehen klebet nur fahselnden Buhlern / oder Gleißnern an. Denn in der Tugend steckt eine kräfftige Anmuth /daß wer sie nur einen Augenblick wahrhafftig lieb gewonnen hat / selbte sie sein Lebetage nicht hassen kan. Vollkommentlich aber kan niemand was lieben /der es nicht vorher eigentlich erkennen lernen. Die Tugend aber erkennen ist eine Verbündnüß mit Gott /ein Ancker der Seligkeit / ein Geschmack über alle Süßigkeiten der Wollust / und alle Bitterkeiten des Lebens. Diesemnach der weise Epicur zu sagen gepflegt hat: Ein Weiser würde nicht des Lebens überdrüßig / und verlangte nicht zu sterben / wenn man ihm schon beyde Augen ausstäche. Und er würde allezeit den Göttern für Erhaltung des Lebens danckbar seyn / wenn sie ihn schon nach so vielen Liebkosungen lähmeten / verstellten / zum Krievel werden und am Kreutze stehen liessen. Zarmar begegnete ihm: Er wäre wol selbst kein Weichling / noch auch ihr Vertheidiger / sondern er hielte es für die gröste Tugend in einem preßhafften Leibe einen freudigen Geist behalten. Alleine diß wäre eine allzu strenge Grausamkeit gegen sich selbst / aus Haß gegen dem Tode / erbärmlich zu leben wünschen; wiewol diß nicht ein Leben / sondern eine Tauerung der Pein / ja vielmehr ein langsames Sterben wäre. Es schiene eine schnöde Bettelung der Furcht zu seyn / wenn man lieber die Seele gleichsam Tropffen- oder Stückweise / und durch eine langsame Schwindsucht / als auf einmahl behertzt auszublasen wünschte. Er hielte die Nothwendigkeit zu sterben eben so wol für eine Wolthat der Natur / als ein Gefangener einem zu dancken Ursach hätte / der ihm die Fessel aufflösete. Dannenhero müste man sich der Begierde zu leben enteusern / weil es doch insgemein befleckt oder beschwert wäre; den Tod aber[697] am wenigsten fürchten. Denn es wäre doch wenig daran gelegen / wenn man diß überstünde / was man endlich einmal überstehen müste. Es hätte nichts auf sich / wie lange; wol aber / ob man wol lebte. Ja vielmal bestünde die Güte des Lebens darinnen / daß es kurtz wäre. Mecenas antwortete: Es wäre wol eine Thorheit zu leben / um vom Schmertze gefoltert zu werden / aber eine grössere Zagheit / des Schmertzens halber zu sterben. Denn wer um dieses Henckers sich zu entschlagen ihm das Leben verkürtzte / oder sich nur nach dem Tode sehnete / stürbe nicht / sondern würde als ein Zärtling von Kleinmuth überwunden. Es wäre eine grosse Vergnügung lange mit sich selbst umgehen / wenn man anders sich durch Tugend würdig gemacht hätte sein zu genüssen. Und daher dörften nur die Lasterhafften für einem ängstigen Alter Eckel haben / und eine stinckende Leiche zu werden wünschen. So lange aber euserliche Ungemach / und der kränckliche Leib das Gemüthe nicht entkräfftet /und einem nicht nur die Seele / sondern das Leben übrig bliebe / solte ein Weiser das Tagelicht erfreuet anblicken / und nach der Abendröthe des Todes keinen Seufzer schicken. Ich / sagte Zeno / fiel hier ein /weil der Abend einbrach / und ich wahrnahm / daß Mecenas vom Käyser einen Zettel bekam. Beyde Meinungen kämen einander so nahe / daß sie schwerlich mehr unterschieden werden könten. Und ich hielte darfür / daß wenn Mecenas die Ruhe seines Gemüthes lange mit dem Leben behalten / Zarmar aber nach seiner verlangten Art sterben würde; beyde von dem allgemeinen Zwecke des höchsten Gutes nicht entfernet seyn könten.


Also nahmen wir mit gröster Vergnügung vom Mecenas Abschied / fanden aber in unserm Hause zu höchster Verwirrung die drey k \stlichen Stücke / welche wir gegen dem Mecenas / als die schätzbarsten /gerühmet / schon als sein Geschencke für uns stehen. Diesemnach wurden wir schlüßig auf den Morgen uns in den Garten des Mecenas zu verfügen / und an die ledige Stellen etliche Seltzamkeiten / die wir aus Morgenland mit gebracht / zu versetzen. Wir fanden aber die Lücken schon durch drey köstliche Bilder / nemlich einen Kopf Hannibals aus Berg Crystallen / einen Liebes-Gott aus Magnet- und eine Helena aus Agsteine ersetzt / und den Maro darbey / um selbten eine anständige Uberschrifft beyzusetzen. Wie wir nun dieses verstunden / gab ich dem Maro zu verstehen / daß wir die Freygebigkeit des Mecenas durch geringe Erkäntnüsse zu begegnen vermeinet hätten; wir sähen aber wol / daß unserm guten Willen schon eine sinnreichere Hand zuvor kommen wäre. Denn meines Bedünckens hätte der Bildhauer zu dem Kopfe des glück- und unglückseligen Hannibals nichts geschickters als zerbrechliches Glaß / zu der Liebe / welche den rauhesten Stahl an sich zeucht / nichts bessers als diesen Stein / und zu Helenen / welche Griechenland und Asien angezündet / und so viel tausend Augen-Thränen ausgeprest / nichts beqvemers / als den brennenden und aus denen Thränen der Sonnen-Töchter zusammen geronnenen Agstein nehmen können. Jedoch hofften wir / es würde Mecenas unser geringes Opffer der Danckbarkeit / oder vielmehr ein verächtliches Gedächtnüß-Mahl nicht verschmähen. Hiermit ließ der Gesandte ihm ein breites Becken aus Agat / darinnen von Natur ein grünlicher Frosch gewachsen war /reichen / und legte des Hannibals Haupt darein. Dem Cupido hieng er einen mit Diamanten versetzten Köcher um / mit Andeutung: weil der Magnet bey Diamanten seine Krafft verlieren solte / wolte er durch diesen Beysatz auch die Hefftigkeit der Liebe etwas mäßigen. Ich hatte in Egypten das Bild des Paris erkaufft / welches Euphranor aus Thebaischem Steine so künstlich gehauen hatte / daß es ihn zugleich als einen Richter der drey Göttinnen / als einen Liebhaber[698] Helenens / und einen Erleger des Achilles fürstellte. Dieses ließ ich nebst die Agsteinerne Helena setzen /als welche fürlängst Liebe und Verhängnüß zusammen vermählet hätte. Maro verwunderte sich über unsere so wol eintreffende Geschencke / konte sich auch kaum bereden lassen / daß wir von diesen neuen Bildern des Mecenas keinen Wind kriegt haben solten /sondern diese Einstimmung aus blossem Zufalle herrühren solte. Nebst diesem meldete er / weil er in diesem Garten nichts zu befehlen hätte / könte er uns unsern Geschencken zwar nicht den Raum verschrencken / iedoch zweiffelte er / daß Mecenas sich würde überwinden können selbte anzunehmen. Deñ wir möchten glauben / daß es gefährlich wäre / bey ihm etwas zu loben / daß man es nicht selbige Stunde noch in sein Hauß bekäme. Ja wie groß gleich die Freygebigkeit des Käysers gegen den Mecenas wäre /so verwendete doch Mecenas diß und ein mehrers zu nichts anderm / als dem Augustus hierdurch die Gemüther tapfferer Leute zu erkauffen; also / daß der Käyser mit seinen Geschencken mehr ein Kauffmann /Mecenas aber mehr des Käysers guter Haußhalter /als sein Schoßkind zu seyn schiene. Hierentgegen vermöchten ihm gantze Länder / denen er gleich die Freyheit von allen Schatzungen erbeten / nicht ein Crystallen Gefäß einzunöthigen; weil er theils die Verbindligkeit der Gemüther aller Welt Schätzen vorziehe / theils seine Wolthaten nicht mit dem Schatten des geringsten Eigennutzes verdüstern wolte. Niemals aber hätte ihn der Käyser selbst bewegen können / einiges Ampt oder Ding / das ein Verda ter besessen /und zu der Käyserlichen Schatzkammer eingezogen worden / anzunehmen / gleich als wenn des vorigen Besitzers Laster hiermit auch auf ihn verfielen. Maro hatte diß letzte Wort noch im Munde / als Mecenas selbst in den Saal trat / und nach unserer freundlichsten Bewillkommung auf des Maro Winck unserer Gegengeschencke gewahr ward. Worauf er denn alsofort sich als beschämt zu seyn beklagte / daß wir durch unsere übermäßige Vergeltung ihm nicht allein sein Unvermögen uns nach Verdienst zu beschencken / für Augen stellten / sondern auch / da wir uns nicht erbitten liessen ihn dieser allzu schätzbaren Gaben zu überheben / ihm ein Verbrechen wider sein Ampt aufnöthigten. Gegenwärtige an den Ecken der Blumenstücke stehende Bilder erinnerten ihn seiner Schuldigkeit / daß eines Fürsten Diener zwar Augen / um die Früchte seines Herren zu bewachen / nicht aber Hånde selbte abzubrechen haben solte. Die anfängliche Uberwündung anfangs was von einem guten Freunde anzunehmen / ziehe leicht eine Begierde nach sich auch diß / wormit die Boßheit den redlichsten Richter zu bestechen versuchet / nicht zu verschmähen. Denn der Geitz und das Feuer wachse von dem /wormit sich beydes sättigen solte. Alleine solche Diener / wenn sie sich mit dem Raube des Volckes über alle Maaß überleget / würden hernach nicht unbillich als Schwämme von ihren Fürsten ausgedrückt / oder sie würden auch ein fettes Schlacht-Opffer des ausgesogenen Pöfels / und erführen mit ihrem Untergange zu spät / daß sie wie die Holtzwürmer ihnen zwar in grosse Bäume ehre Wohnungen gebauet hätten / mit dem ausgefressenen Stamme aber endlich zu Grunde giengen. Am ärgsten aber wäre / daß solche unersättliche Leute mit ihrem Laster noch den unschuldigen Fürsten besudelten / in dem das Volck selbten entweder für unachtsam / der seiner Diener Schalckheiten übersehe / oder für eben so boßhafft hielte / der an solchem Raube theil hätte. Wir hingegen baten: unsere Geringigkeiten nicht durch den Nahmen einer Vergeltung noch mehr zu vergeringern. Denn / ob wir wol durch seine Wolthaten uns von Natur hierzu verbindlich erkennten / so überstiegen sie doch das Maaß unserer Kräfften. Uberdiß hielten wir darfür / daß die Danckbarkeit alleine mit dem Hertzen / die Zahlung aber durch Liefferung eines[699] gleichgiltigen Dinges geschehe. Mecenas solte erwegen / daß die Gesetze der Freundschafft nicht nach der Richtschnur des Eigennutzes abzumåssen wären / und bey so gestalten Sachen hätten sie auch des Mecenas so ansehnliche Gaben zurück senden sollen. Von iederman Geschencke annehmen wäre Geitz / von vielen eine Niedrigkeit des Gemüthes / von niemanden eine Grausamkeit. Unser Absehen wäre allein die Ehre zu haben /daß unsere Scherben an dem Orte stehen dörfften /wohin der Käyser etwas zu setzen für ein Glück schätzte / und wohin alle Völcker ihre Seltzamkeiten /als einen der Tugend schuldigen Zinß zu lieffern verbunden wären. Ja da er dem wenigen den Raum nicht erlaubte / liesse seine Höfligkeit es zwar für keine Verachtung ausdeuten; allein es würde zu Athen nebst seiner Wolthat / unser Undanck ruchbar werden. Niemand aber solte aus dem Ehre suchen / was zu eines andern Verkleinerung gereichte. Mecenas zohe die Achseln ein / und vermeldete: Es wäre zwar einer Verwerffung des Geschenckes nicht unehnlich / wenn selbtem ein grösseres auf der Fersen zurück folgte; alleine er müste nur der Ubermasse unser Höfligkeit sich unterwerffen / und bey seiner Schamröthe trösten / daß gute Gemüther zwar Wolthaten nicht vergessen könten / wol aber zuweilen darfür müsten Schuldner bleiben. Die Erkäntnüß der Schuld aber wäre schon ein Theil der Vergeltung / vielmal auch einer Vergeltung fürzuziehen. Hiermit kam Mecenas zu genauer Betrachtung unserer Geschencke / welche er über ihren Werth nicht genung zu schätzen wuste. Als er aber in dem Agathenen Becken den grünlichten Frosch erblickte / vermochte er seine Gemüths-Regungen nicht mehr im Schrancken zu halten / brach dannenhero heraus: Ihr Götter! hättet ihr unter irrdischen Dingen mir selbst wohl ein annehmlicher Geschencke zu liefern vermocht? Oder habt ihr nichts minder den Pinsel der Natur / als das Gemüthe des Masulipats gereget / daß sie dieses beliebte Bild in die Adern dieses edlen Steines eingepreget? Wie wir nun einander ansehende uns bekümmerten / was den Mecenas eigentlich zu dieser Regung verursacht /wiese er uns an seiner Hand den Petschir-Ring / in welchem auf einen vielfärbichten grossen Opal ein Frosch gegraben war. Sehet / fing er an / hier den Stein / wessentwegen Marcus Antonius den Nonius von Rom verjaget / und welchen zu erhalten Nonius lieber sein Vaterland verlassen wollen. Diesen aber hat Nonius hernach für grosse Wolthaten dem Käyser freywillig / der Käyser aber mir geschencket / und weil ich mir zum ewigen Wapen meines Geschlechtes einen Frosch erwehlet / solchen darein graben lassen. Wie hoch ich diesen zeither geschätzet / kan Maro zeugen; also lasse ich sie allerseits urtheilen / wie viel höher ich dieses mein von der Natur selbst gemahltes Wapen zu schätzen habe. Mit diesen annehmlichen Abwechselungen brachten wir schier biß an Mittag zu / als Mecenas zum Käyser beruffen ward. Maro erzehlte uns hierauf / daß als Augustus den Sphinx / als sein mütterliches Wapen / mit dem Bilde des grossen Alexanders verwechselt / hätte Agrippa / wie für Zeiten Agamemnon / einen Löwen-Kopf / Mecenas aber einen Frosch erkieset. Dieser habe seine Erfindung von den Egyptiern / welche mit dem Frosche auf einer Wasserblume die menschliche Unvollkommenheit fürbilden / entlehnet / und zu seiner Erinnerung ihm dieses verächtliche Thier fürgestellet / daß / wie ein Frosch mit seinem Vordertheile aus dem todten Schlamme sich zu reissen bemühet / wenn gleich sein unbeseelter Hinterleib noch Erde ist; also die Seele des Menschen nicht in dem Kothe irrdischer Dinge /oder unter der Bürde seines beschwerlichen Leibes verstarren / sondern sich zu Gott empor zu schwingen bemühen solte. Maro weiste uns hierauf in einem Lusthause allerhand von Fröschen genommene Sinnenbilder.[700] Uber einem von der Erde ins Wasser springenden war geschrieben: Allenthalben; um anzuzeigen / des Frosches Geschickligkeit im Wasser und auf der trockenen Erde zu leben / wäre eine Anweisung /daß ein vernünfftiger Mensch in Glück und Unglücke einerley Gesichte behalten solte; Darneben hatte ein-gegen einer den Rachen aufsperrenden Schlange hüpffender Frosch ein Stöcklein qver über im Maule / mit der Uberschrifft: Mit Vernunfft / nicht durch Stärcke; Zur Anweisung / daß man durch Fleiß und Klugheit seiner Schwäche zu Hülffe kommen solte. Ferner hatte ein auf dem Rücken mit Bienen besessener Frosch diese Uberschrifft: Gegen das empfindlichste unempfindlich; wordurch angezielet war / daß wie die Frösche die schärffsten Stiche der feindlichen Bienen nicht fühlten; also solte ein Tugendhaffter sich die Verfolgungen des Glücks / und die Anstechungen der Verleumder nichts anfechten lassen. Auff einer andern Taffel lag ein auffgeschnittener Frosch / mit zweyen heraus hangenden Lebern auf einem Altare. Darüber war zu lesen: Solch Glücke in der Verächtligkeit; Um anzudeuten / daß wie die Frösche zwar geringe Thiere wären / und doch zwey Lebern hätten; also die Demuth eine Mutter des Glückes wäre. Sintemal bey den Opfferungen für das schlimmste Zeichen gehalten ward / wenn das dazu bestimmte Vieh keine Leber / für das glückseligste aber / wenn es zwey Lebern hatte. Jenes befand sich also / als Marcellus vom Annibal erschlagen ward; dieses aber begegnete dem August zu Spolet. Deßwegen ihm auch der Priester auf selbiges Jahr die Erlangung einer zweyfachen Herrschafft ankündigte / wohin dieses Sinnbild vielleicht auch zielen mochte. Ferner war auf einem Kupffer-Blatte ein- an einer Angel ins Wasser gehenckte Frosch gemahlet / an welchen sich zwey Purpur-Muscheln hingen / sonder einige Beyschrifft. Maro erzehlte / der Käyser hätte diß Gemählde dem Mecenas gegeben / und / so viel er urtheilen könte / ihm darmit zu verstehen geben wollen / daß wie die Purpur-Schnecken eine sonderbare Neigung hätten sich mit Fröschen zu speisen; also hätte auch er und Livia am Mecenas eine sonderbare Vergnügung. Viel andere daselbst befindliche Sinnbilder / sagte Zeno / möchte er nicht erzehlen / auser noch eines / wie nehmlich ein gegen der Sonne aufgestellter Frosch sein Maul in den Schlamm steckte / mit beygesetzten Worten: Eine stillschweigende Verehrung; welches lehren solte /daß wie die des Nachts lauten Fr \sche gegen dem Tage verstu ten; also solte ein vernünfftiger Staats-Diener seinem Fürsten nie widersprechen. Hertzog Herrmann fing an: Er hätte den Mecenas gekennt /und er würde nicht nur seiner Gewogenheit / sondern auch seiner Tugenden halber sein Gedächtnüß allezeit hoch halten. Allein er hätte dem Mecenas gewünscht /daß selbter noch zweyerley Anmerckungen von denen so beliebten Fröschen genommen hätte; von welchen man glaubte / daß wenn man einem lebenden Frosche die Zunge ausrisse / ihn fortschwimmen liesse / und sie einem schlaffenden Weibe aufs Hertze legte / sie alle ihre Heimligkeiten / darum sie gefraget würde /eröffnete. Weñ man aber mit einem Schilffe einen Frosch zum Geburts-Gliede hinein / und zum Maule heraus stäche / dieses aber hernach in ihr Monats-Geblüte steckte / kriegte sie für Ehbruche eine Abscheu. Hätte nun diß letztere Mecenas gethan / würde ihm seine Terentia keinen so bösen Nahmen / und ihm keinen Spott zugezogen haben. Hätte er auch Terentien / und sie nicht ihm die Heimligkeit seines Herrschens heraus gelockt / so hätte er nie vom Käyser wegen ihr entdeckter Murenischen Verschwerung gescholten[701] werden dörffen. Zeno antwortete: Es ist diß sehr klüglich erinnert / und ich weiß / wenn Mecenas noch lebte / und es selbst hörete / würde er für so aufrichtige Lehren danckbar seyn / und sie seinen Sinnebildern noch beysetzen. Nach derselben Betrachtung /führte er uns bey der sich vergrössernden Mittags-Hitze in eine mit vielen künstlichen Springwassern erfrischete Höle / darinnen wir wieder unser Vermuthen die Taffel aufs köstlichste zugerichtet antraffen. Weil nun Mecenas sich selbst nicht vom Käyser entbrechen konte / kamen auff sein Ersuchen Cneus Calpurnius Piso / der für Jahren schon Bürgermeister gewest war / Licinius Nerva Silanus / und Marcus Furius / alle Römische Rathsherren /uns die Zeit zu verkürtzen. Etliche folgende Wochen brachte Mecenas mit dem Gesandten meistentheils in geheimen Handlungen /ich aber theils in Beschauung der denckwürdigen Sachen zu Athen / theils auch mit Ergetzligkeiten auf dem Lande / und mit Durchlesung des vom Mecenas scharfsinnig beschriebenen Prometheus zu; welch Buch mir Maro in Vertrauen geliehen / und mich dadurch nicht wenig vergnügt hatte. Sintemal er anfangs darinnen die Geschichte des Prometheus / wie er einen Erfinder der Sternen-Bildhauer- und anderer Künste /ein Artzt / einen Ertzt- und Kräuter-Verständigen /einen Wahrsager abgegeben; hernach ihn als ein herrliches Fürbild des Käysers August / und dessen gantze Herrschafft in Sinnbildern beschrieben hatte. Käyser Julius war in der Gestalt des Japetus / als sein Vater / und das Bild der Themis / als seine Mutter /Antonius in der Gestalt des vermessenen Epimethus fürgestellet / welcher aus Cleopatrens Wollust-Gefässen / wie aus der Schachtel Pandorens alles Böse heraus fliegen ließ. Insonderheit war nachdencklich zu sehen / wie der Käyser als der andere Prometheus das thönerne Bild der Stadt Rom von Stück zu Stück in Marmel verwandelte / und die herum in einem Kreisse abgebildeten Völcker der Welt allerhand kostbare Edelgesteine / Perlen / Gold / Ertzt und andere Schätze zu Auszierung dieses Bildes zulangeten; weil er derogestalt sein Vaterland verbessert zu haben sich rühmte; an einem andern Orte / wie er diesem Römischen Bilde die Hertzhafftigkeit der Löwen / die Scharfsichtigkeit der Adler / die Klugheit der Schlangen / die Frömmigkeit der Störche durch Einhauchung dieser Thiere einflöste / und dardurch den ersten Prometheus weit übertreffe / als welcher seines mit der Furcht der Hasen / der Arglist der Füchse / der Maulwürffe Blindheit / mit der Hoffart der Pfauen / und der Grausamkeit der Tyger ausgerüstet hätte. Ferner war der Käyser abgebildet / wie ihm Minerva biß an den Wagen der Sonnen empor half / daran er die Fackel der Weißheit anzündete / und dieses edle Feuer nach Rom brachte. Der Adler / welcher dem Prometheus auf dem Gebürge Paropamisus die Leber fraß / war auf die Römische Herrschafft ausgedeutet / welche August ihrer Beschwerligkeit halber niederzulegen offt entschlossen war; gleichwohl aber auff des Mecenas Einrathen dem gemeinen Wesen zum besten /diese Sorge täglich an ihm nagen ließ.

Nach dem nun Masulipat mit dem Mecenas zum Schlusse kommen war / kam folgenden Tages Mecenas sehr früh zu uns / und führte uns in Athen herum /unter dem Vorwand die Seltzamkeiten dieser berühmten Stadt zu zeigen. Wir fuhren durch die heilige Pforte / und traten zu erst im Anaceon / oder dem berůhmten Tempel des Castor und Pollux ab / darinnen Pisistratus die Bürgerschafft versa lete / als er sie zu entwaffnen vor hatte. Neben dem Tempel ist der Marckt leibeigener Knechte. Von dar fuhren wir über eine Höhe in den lustigen Garten des weisen Melanthius /darinnen des berühmten Redners Lycurgus Grab / und ein Marmel-Bild des wider den Riesen Polybotes[702] kämpffenden Neptunus würdig zu sehen war. Hernach betrachteten wir den Spatzier-Gang und den Ubungs-Platz des Mercur / wie auch den Tempel des Bacchus / wo vorher des Polytion Hauß gestanden hatte / darinnen die Elevsinischen Geheimnüsse vom Alcibiades waren entweihet worden. Wir fuhren hierauf zu dem Grabe des Deucalion / und dem Graben / worinnen das letztere Wasser der Sündfluth versuncken seyn soll. Nach diesem betrachteten wir den Tempel des Saturn und der Rhea; fürnehmlich aber den des Olympischen Jupiters / welcher als der gröste Tempel der Welt die Grösse dieses Gottes abbilden sol. Hierauff leitete uns Mecenas durch die Egeische Pforte in das prächtige Hauß und die Gärte des Egeus / darinnen das vom Phidias gemachte Bild der Venus alle andere Kostbarkeiten übertraf. Weil es nun bereit über den Mittag war / liessen wir auf der rechten Hand den Tempel der himmlischen Venus / Isocratens Grab /der Cynischen Weltweisen Schule liegen / und besahen allein in der Eyl den Tempel des Hercules / und sein Bild / des Gelades Meisterstücke / den Phidias zum Lehrmeister gehabt. Die Huren-Kinder wurden allhier geübt / und verehrten den nicht besser gebohrnen Hercules. Hierauff ließ Mecenas in vollen Bügen auff einen dem Tritonischen Fels gegen über liegenden Hügel rennen / auf welchem für Zeiten Museus seine Gedichte abgelesen / die Athenienser / als Theseus mit den Amazonen stritt / ihr Läger geschlagen /und endlich die Macedonier um Athen im Zaume zu halten / eine Festung gebaut hatten / woraus sie aber hernach vom Olympiodor getrieben wurden. Allhier traffen wir unter dem Schatten der Oelbäume eine prächtig-bereitete Taffel an; worbey nach den auserlesensten Saiten-Spielen des Museus Gedichte abgesungen / und zwar die Orte / wo eines oder das andere geschehen seyn solte / von dieser das Auge weit über Land und Meer tragenden Höhe durch den Maro gewiesen wurden. Gegen Abend führte uns Mecenas in den Tempel des Bacchus / darinnen täglich vierzehn Priesterinnen den Gottesdienst verrichteten. Wir lasen an einer in der Mitte stehenden Marmel-Säule die alten Heyraths-Gesetze der Atheniensischen Könige /welche nur eine in Athen gebohrne und auferzogene Jungfrau heyrathen dorfften. Von dar fuhren wir in den Schauplatz des Bacchus / in den Spatzier-Saal des Eumenicus / in den Tempel der Proserpina / der Lucina / und den überaus prächtigen der güldenen Dreyfüsse / darinnen wir den unvergleichlichen Satyrus / welchen Praxiteles nebst dem der Phryne geschenckten Cupido für sein Meisterstücke hielt / und daher dem Bacchus wiedmete / nicht genung betrachten konten. Endlich als es schon dämmerte / kamen wir in den Tempel des Serapis. Unterweges erzehlte uns Mecenas / daß Augustus zum Gedächtnüsse und zu Dancksagung für die ihm in Egypten wider Cleopatren / und die Mohren-Königin Candace erhaltenen Siege daselbst ein marmeln Altar hätte aufsetzen lassen / welches selbigen Abend der Isis eingeweihet werden solte. Der Tempel war hin und her mit einer Ampel ein wenig erleuchtet. Wie viel Volck gleich darinnen sich befand / spürte man doch ein allgemeines Stillschweigen. Kurtz nach unser Ankunfft ward ein Alabasternes Bild der Isis auf einem güldenen Wagen mit zwey zahmen Löwen in den Tempel bracht / welchem Augustus / Livia und Terentia auf dem Fusse folgten; die denn auch nebenst den Priestern selbst mit Hand anlegten / solches auf das Altar zu heben. Das Bild stellte ein Frauenzimmer für. Das Haupt krönten drey über einander gesetzte Thürme; das Haar war wellicht ausgebreitet / mit Korn-Aehren untermenget /[703] und mit einem Schleyer bedeckt; Uber den Schläffen ragten zwey gekrümte Schlangen herfür; am Halse stand das Zeichen des Krebses und Steinbocks / darunter aber Hercules mit einem Palmzweige / und Apollo mit einem Lorber-Krantze. Die Armen waren mit vier Löwen besetzt und ausgestreckt. In der rechten Hand hatte sie eine Leyer / in der lincken einen Wasser-Eymer / daran die gleichergestalt zu Sais in Egypten befindliche Uberschrifft zu lesen war: Ich bin alles / was gewest ist / und seyn wird. Kein Sterblicher hat meinen Schleyer noch auffgedeckt. Meine erste Frucht / die ich gezeuget / ist die Sonne. Und alles diß war mit einem Krantze aus Früchten und Blumen umfangen. Die Brust und der Leib bis an Nabel strotzte von eitel Brüsten / und ihr Gürtel war mit dem halben Monden und vielen Sternen besetzt. Der Unter-Leib biß über die Knichel steckte in einem engen Kessel; An dem Obertheile auf der einen Seite Diana / auf der andern Ceres; zwischen diesen drey gehörnte Hirschköpffe / und zwey Bienen eingeetzet waren. Im mitlern Theile ragten auf der Seite zwey Drachen / im untersten zwey Löwen herfür / zwischen beyden aber waren drey Ochsen-Köpffe zu schauen. Die Beine um die Knichel deckte ein zartes Hemde / die Füsse aber waren bloß / der eine stand auf der Erde / der ander auff Wasser. In das Altar war eingegraben: Der einigen Isis / welche alles ist. Wie dieses Bild nun feste gesetzt war /brachte man ein Meerkalb / und eine Gans herbey /welche ein Egyptischer Priester Choeremon / den der Käyser von Memphis her zu diesem neuen Gottesdienste bestellt hatte / schlachtete / und aufopfferte. Bey diesem Beginnen zohe mich Zarmar der Brahman auf die Seite / und sagte mir in ein Ohr: Lasset uns dieses besudelten Gottesdienstes / oder vielmehr dieser unzüchtigen Gottes-Spötter entbrechen! Ich versetzte / daß diß ohne Aergernüß des Volckes / und ohne Beleidigung so wol des Käysers / als des Mecenas nicht geschehen könte. Gott straffte auch die Versehrer eines irrigen Gottesdienstes / als welcher besser / als keiner wäre. Zu dem hielte ich dieses Heiligthum für eine Verehrung der Ceres oder Cybelens /welche er von Kind auff verehret / die Vorwelt aber damit die göttliche Erhaltung der gantzen Welt / oder die Natur fürgebildet hätten. Die Thürme bedeuteten die Schlösser der Gestirne / das Haar ihr Licht / der Schleyer ihre verborgene Würckung / die Aehren /Blumen und Früchte die Fruchtbarkeit / die Schlangen den veränderlichen Lauff des Monden / der Krebs und Steinbock die zwey eusersten Ziele der Sonnen; Hercules und Apollo die Schutz-Götter dieser zwey Ende / die Löwen die Stärcke der Natur / die Leyer ihre Eintracht / der Wasser-Eymer den Regen / die Brüste vielerley Art der Ernährung / der Gürtel die rundte Bewegung des Gestirnes / Diana die Wälder und Gärte / Ceres die Land-Früchte / die Hirschgeweihe die Sonnenstralen / die Drachen Gottes scharfsichtige Wachsamkeit / die Ochsen den Ackerbau / die Löwen den Bestand / das Hemde ihre Bekleidung / die nackten Füsse die Geschwindigkeit / die Bienen die Ordnung der göttlichen Vorsorge. Ich verstehe diß alles wol / antwortete mir Zarmar. Aber siehest du nicht /daß Augustus seine unzüchtige Liebe unter diesem Gottesdienste verblüme / und nach dem Beyspiele des Lasterhafften Jupiters / welcher seine Kebsweiber unter die Gestirne versetzt haben soll / seine Ehbrecherin auff Altäre hebet / und aus einer geilen Venus eine heilige Isis macht. Ich trat hierauf etliche Schritte näher zum Altar / und als ich bald die Isis / bald die Terentia genau betrachtet hatte / ward ich gewahr /daß beyde einander / wie ein[704] Ey dem andern ähnlich waren. Ich wandte mich hierauf wieder zum Zarmar /meldende: Ich sehe nunmehr die Ursache deines Unwillens; Ob ich nun wohl weder die Geilheit Augustens / noch die Verhängung der blinden Livia entschuldige; so laßt uns doch lieber diese Laster verdecken / als durch ihre Eröffnung so viel tausend Einfältige ärgern. Bildnüsse sind ohne diß keine Abdrückungen der nichts leibliches an sich habenden Götter /sondern nur ein Schatten ihrer Eigenschafften; welche Prometheus erfunden / die Perser allemal verdammet /und aus gleichmässigem Aergernüsse Diagoras Melius des Hercules Säule auf einem Holtz-Stosse verbrennet haben soll. Denn da man nicht einst die menschliche Seele mit Ertzt und Stein abzubilden vermag / wie viel weniger lässet sich Gott / der über die Seele / ja über die Natur ist / derogestalt nachpregen. Daher haben die Griechen von den Phöniciern die Bilder ziemlich langsam bekommen / und Rom hat hundert und sechtzig Jahr ihre Götter ohn einiges Bild verehret. Ja Zenon verda te die / welche ausserhalb ihres Hertzens / Gott zu seiner Wohnung einigen Tempel bauten / als welche ebenfalls von Anfang aus Grabe-Städten ihren Ursprung erhalten. Laß uns daher diesen Alabaster-Stein nicht als ein Ebenbild /sondern als ein blosses Denckmal der Isis anschauen. Haben doch die Götter nicht nur in Egypten Gestalten wilder Thiere / sondern bey den Brahmannen selbst habe ich das Bild G \ttlicher Weißheit mit einem Elefanten-Kopfe angetroffen. Die Götter sehen ohne diß nicht die Herrligkeit ihrer Götzen / sondern die Andacht der Betenden an. Wie viel derer haben bey der Anadyomenischen und bey der Gnidischen Venus Hülffe gefunden; da doch der ersten Bild Apelles nach sein und des grossen Alexanders Buhlschafft Pancasta gemahlet / die andern aber Praxiteles nach der üppigen Phryne / wie selbte an dem Elevsinischen Feyer sich für dem versa leten Griechenlande entblössete /gebildet hat. Die Stadt Tyrus soll denselben Jahrs-Tag an grossen Alexander über gegangen seyn / als die Carthaginenser das grosse ertztene Bild des Apollo zu Gala aus dem Tempel geraubet / und nach Tyrus geschickt / die Tyrier aber / als wenn es für den Feind kämpfte / schimpflich verspeyet; ungeachtet selbtes nach dem Ebenbilde des grossen Wüterichs Phalaris in Sicilien soll gegossen worden seyn. Mit dieser Einredung hielt ich den unwilligen Zarmar so lange auf /biß das Opfer sich endigte / und wir also aus dem Tempel zu kommen Gelegenheit bekamen. Gleichwohl blieb Zarmar voller Unwillen / also; daß er heraus brach: Er wüntschte und hoffte von der Gottlosen Terentia ein eben so erbärmliches Ende zu erfahren /als der Spötterin Pharsalia begegnet / welche sich zwar nicht gescheuet die von dẽ Philomelus aus einem Tempel geraubte und ihr als seiner Buhlschafft geschenckte güldene Krone der Daphne zu tragen / welche die Lampsacer hinein gewiedmet hätten; aber hernach von denen darüber unsinnig werdenden Priestern zerrissen worden wäre. Terentia aber wäre ungleich straffbarer / welche nicht nur einen heiligẽ Krantz stehle / sondern sich selbst zu einer Gottheit machte.

Beym Abschiede für dem Tempel ersuchte uns Mecenas / wir möchten folgenden Tag ihm in Beschauung der Stadt ferner vergnügliche Gesellschafft leisten. Diesem zu folge machten wir uns umb dem höflichen Mecenas vorzukommen mit dem Tage auf. Er begegnete uns aber schon an der Ecke / wo man gegen dem Richter-Stule des Polemarchus fährt / von welchem so genennten dritten Raths-Herren vor Zeiten die Athenischen Kriege geführt / und der Ausländer Strittigkeiten gerichtet wurden. Nach einer freundlichen Beschwerde: daß wir ihm die Ehre uns abzuholen nicht gegönnet hätten / führte er uns alsbald nahe darbey in den Tempel des Lycus / welcher Pandions Sohn gewest war / und darinnen ein Marmel-Bild in Gestalt eines Wolffes hatte. Wie wir uns hierüber verwunderten / fing der die Wanderung[705] menschlicher Seelen in Thiere festiglich glaubende Masulapat an: Lycus hat zu Athen mehr als einen Tempel verdienet /wenn er nur die Helfte Wolff gewest / und die andere Helfte Mensch blieben ist. Denn der soll noch gebohren werden / der nicht was viehisches an sich hat. Die meisten Menschen aber verwandeln sich nicht nur in wilde Thiere / sondern bemühen sich auch noch Wölffe und Bären an Grausamkeit zu übertreffen. Wir haben nahe hierbey / sagte Mecenas / dessen ein klares Beyspiel; führte uns also zu dem Grabe des Königs Nisus / welchem seine Tochter Scylla das mit seinem Reiche verlobte Haar abgeschnitten hat / wormit sie die Herrschafft ihrem liebgewonnenen Minos zuschantzte. Hierauf führte er uns über den Agorischen Platz / da das Volck umb einen in der Mitte stehenden / und mit dicken Leinen umbspannten Richter- Stul versa let wird / für welchem Demosthenes und andere grosse Redner ihre gelehrte Beredsamkeit unzehlbare mal geprüfet haben. Daselbst traten wir in den Tempel der Musen ab / darein Mecenas das vom Fulvius aus Ambracia nach Rom gebrachte Marmel-Bild der Musen verehrt hatte. Als wir diesen Tempel /und die vom Anaximander daran gemachte künstliche Sonnen-Uhr genung betrachtet / und darbey Cimons und Elpinicens Haus besehen hatten / fuhren wir durch die drey so genennten Theile der Stadt Colytos /darinnen nicht nur Plato gebohren ist / sondern die Kinder auch schöner seyn / und ehe als anderwerts in Athen reden lernen sollen / wie auch durch Melite und Kolonos gerade durch / und stiegen allererst bey dem Brunnen Paropis ab / besahen daselbst die gleichsam an einander rührenden Tempel der Eumeniden / der Minerva / des Prometheus / der Venus / wie auch die Ehrenmaale des Theseus / des Oedipus / des Pyrithous und Adrastus; welche aber von den Spartanern übel zugerichtet waren. Das Grab des Plato war allein entweder wegen Ansehen dieses Göttlichen Mannes /oder wegen Einfalt des Werckes unversehrt blieben. Gleich als wenn die Menschen so wohl als die Zeit dieser nicht so sehr als dem Gepränge aufsätzig wären. Denn es war allein auf einer Porphyrenen Taffel folgendes zu lesen:


Den eine Jungfrau hat gebohren ohne Mann /

Aus dessen Lippen sich die Honig-Biene speißte /

Der Weißheit ihm zu hohl'n an Nil und Jordan reißte /

Dadurch er Griechenland die Augen aufgethan /

Daß es die Tugend kennt / zu Gotte klimmen kan.

Weil er das Flůgelwerck der Seelen unserm Geiste /

Und der Unsterbligkeit Geheimnüß allen weiste;

Von dem Gesetz und Licht zwey V \lcker namen an;


Der Halb-Gott / der so weit stieg ůber alle Grichen /

Als die geh'n Barbarn fůr / der ist allhier verblichen.

Doch Plato nicht / nur diß / was er fůr Hůlsen / Schaum

Und Koth des Menschen hielt / liegt unter diesem Steine /

Das abgezehrte Fleisch / die faulenden Gebeine.

Denn ein solch himmlisch Geist hat nicht im Grabe raum.


Wir bestreuten diesen Grabe-Stein über und über mit Blumen / Zarmar aber küßte ihn vielmal und betheuerte: daß unter den Grichen nach Socraten keiner so hoch als Plato wäre erleuchtet gewest. Von dar begaben wir uns zu der Academia oder der Schule des Plato. Die Gebäue hatten noch ihren alten Glantz. Denn / als gleich die Spartaner umb diese Gegend das meiste verwüsteten / schonten sie doch dieser Schule /weil ein Bürger zu Athen Academus / von dem sie den Nahmen hat / dem Castor und Pollux in geheim entdeckt hatte / wo die vom Theseus aus Sparta entführte Helena versteckt war. Die alten vom Cimon gepflantzten Lustwälder aber waren noch nicht in dem ersten Ansehn; indem Sylla die grossen Stämme zu Sturm-Böcken / Sturm-Leitern / und anderm Werckzeuge des Krieges verbraucht hatte. Unterdessen wendete nicht nur August / sondern auch Mecenas ein ergebiges darauf / alles wieder in guten Stand zu bringen. Massen denn auch die alten Helden Harmodius /Aristogiton / Pericles / Thrasibulus und 100. andere /welche in dieser[706] Vorstadt / oder vielmehr umb den Wohn-Platz der verewigenden Weißheit begraben zu werden für Ehre schätzten / diesen zwey Wohlthätern zu dancken haben: daß ihre versehrte Gedächtnüß-Maale wieder ergäntzt / die Verfallenen aufgerichtet /die Verlohrnen verneuert worden. Daher diese Gegend schier einem steinernẽ Walde voll Marmel-Säulen und Bilder gleichet; also: daß der / welcher der alten Athenienser grosse Thaten zu wissen verlangt / nur allhier die herrlichen Grab-Schriften lesen darff. Unter diesen lassen sich für andern neben einem kleinen Tempel des befreyenden Bacchus / und einem der Calistischen Diana in einem marmelnen Umbkreiß des Theseus / Oedipus und Pirithous Grabmale wohl sehen. Welche alle aber an Pracht nicht ferne davon gegen dem Berge Pentelicus die Ehren-Pforte übertrifft / die K \nig Antigonus dem weisen Zenon neben seine daselbst gehabte Schule über seiner Grufft hat aufrichten lassen / daran war mehr nicht geschrieben /als:


Die Weißheit war vorhin ein Weib /

Hier aber ruhet dessen Leib /

Der sie zum Manne hat gemacht /

Vom Kriechen auf die Beine bracht.


Auf der andern Seite gegen des Theseus Tempel ward auch das Grab des Artztes Toxaris / als ein für das Feber helffendes Genesungs-Mittel verehret. Der marmelne Lehr-Saal des Plato war mit den Altären der Musen / der Minerva / des Vulcan / des Neptun und Prometheus / wie auch der Liebe gleichsam gantz umgeben; welches letztere alldar ihr ältestes Heiligthum ist / darauf der dem Pisistratus so beliebte Knabe Charmus ihr zum ersten geopfert hat. Als wir ausserhalb dem mit Fleiß verschlossenen Saale der Weißheit diese merckwürdige Gegend / und ich zwar nicht ohne innerliche Regung und geheime Ehrerbietung gegen die mir gleichsam für den Augen schwebenden Todten betrachtet hatten / führte uns Mecenas nebst zweyen der fürnehmsten Weltweisen unter den Berg Pentelicus zu dem Brunnen Brysis und einer daselbst abermals nach seiner Art bereiteten Taffel / welche uns von denen tieffsinnigen Gesprächen des Zarmars und dieser zweyer Platonischen Weltweisen noch mehr versüsset ward. Diese erzehlten unter andern von dem bey der Academia stehenden Altare des Cupido: daß aus solchem Socrates im Traume einen jungen Schwan in seine Schoß fliegen / hernach sich gegen den Himmel schwingen gesehen hätte / durch dessen Gesang Götter und Menschen wären bezaubert worden; welchen Traum er alsofort auf seinen Schüler Plato ausgedeutet; den ihm selbigen Tag Aristo in die Lehre gebracht hatte. Daselbst entdeckte er uns; wie der Käyser folgenden Morgen den mit nach Athen gebrachten Priester Cheremon in der Schule der Platonischen Weltweisen einführen wolte: also hätte er ihm befohlen auch den Brahmann Zarmar hierzu einzuladen. So wenig uns nun anständig war diese Gnade des Käysers auszuschlagen / so sehr reitzte uns die Begierde / uns unter die Versa lung der weisen Griechen einzufinden.

Früh schickte der Käyser dem Zarmar ein Kleid von köstlicher Leinwand / einen helffenbeinernen Stab / und einen güldenen Stuhl / darauf er in die Versa lung getragen ward. Mecenas folgte kurtz hierauf / und führte auf seinem Wagen den Gesandten Masulipat / und mich in den nunmehr eröfneten Weißheits-Saal der Academia; gegen Morgen stand darinnen ein Altar der Liebe / hinter diesem das Bild des Pythagoras / des Pherecides / und des Göttlichen Plato. Für diesen aber sassen alle Platonische Weltweisen mit breiten Achseln / zu welchen sich auch Cheremon gesetzt hatte. Gegen Mittag stand ein Altar der Göttlichen Versehung; als welcher die Stoischen Weltweisen das meiste zuschreiben. Darneben stand das Bild des Zeno aus Cypern / wie auch ein Altar und eine güldene Krone; welches beydes die Stadt Athen ihm gewiedmet hatten; wie auch die Thor-Schlüssel /[707] die sie bey zweifelhaften Zeiten ihm anvertraute. Nach ihm war der spitzfindige Chrysippus zu sehen; an der Ecke Crates / Antisthenes und Diogenes mit seinem Fasse. Für ihnen sassen die großbärtichten Weltweisen ihre Nachfolger. Gegen Mittag stand das Altar /welches die Stadt Stagira dem Aristoteles zu Ehren aufrichten lassen; darneben sein Bildnüß aus Corinthischem Ertzte / die sein Schüler Theophrastus ihm zu giessen in seinem letzten Willen verordnet / und auf selbtem der güldene Krantz / wormit ihn der grosse Alexander verehret hatte. Weiter hin sahe man den Theophrastus. Für ihnen sassen die ihnen anhängigen Weltweisen / die an der Anzahl alle andere übertraffen. Nordwerts stand ein Altar der Wollust / welches Idomeneus aufgerichtet / darneben des Epicurus Bild /welches Theodorus gemahlet hat / und von seinen Nachfolgern an seinem Geburts-Tage jährlich verehret / auch so wohl durch ihre Schlaf-Gemächer / als die Gärte / die er unterhalb der Stadt Athen zum ersten angegeben / mit allerhand Freuden-Zeichen herumb getragen wird. Neben dem Epicurus stand Aristippus und Laertius; für ihnen sassen die wohl aufgeputzten Epicurischen Weltweisen / mit freundlichen Gesichten und frölichen Geberden. Zarmar aber saß alleine bey dem an einer Ecke stehenden Bilde des Socrates; welches die ihn zu unrecht verdammende / hernach aber aus allzu später Reue vergötternde Stadt Athen ihm aus Ertzte durch den Lysippus hatten aufrichten lassen. Der Käyser fragte Zarmarn: Warumb er sich zu keiner gewissen Schule derer hernach vollkommener gewordenen Weltweisen / und insonderheit zu den Platonischen / welche zum theil vom Socrates ihre Lehre hätten / schlüge? Zarmar antwortete dem Käyser: Seines Bedünckens wäre nach dem Socrates die Weltweißheit wohl spitziger / aber auch ärger worden. Der Rath zu Athen hätte ihn zwar dem Pythagoras nach / ihr eigener Gott Apollo aber allen klugen Leuten vorgesetzt. Seine Lehren von Gott wären so weise: daß man nicht unbillich von ihm rühmte: Er hätte seine Weißheit vom Himmel bekommen. Sein Leben wäre nichts minder so gut gewest: daß aller weisen Leute Fürnehmen billich sein Nach-Gemählde seyn solte. Gott würdigte ihn durch einen guten Geist stets zur Tugend zu leiten; wo man anders nicht die Klugheit für Socratens und aller Weisen Leitstern halten soll. Uber diß träffen die Indianischen Weisen auch sonderlich in dem mit dem Socrates überein: daß ihnen verleumdische Aristophanes antichteten; sie beteten nur Nebel und Wolcken an; da sie doch den allein ewigen Gott verehreten / ausser dem aber nichts ewig / nichts Anbethens würdig schätzten. Anitus und Melitus hätten ihn zwar als einen / der keinen Gott gläubte / angeklagt; da er doch in Athen nur alleine ein Verehrer des wahren / seine Ankläger und Richter aber desselbten Verächter gewest wären / da sie drey hundert Jupiter / drey und viertzig Hercules / und dreissig tausend andere Götter angebetet hätten. Man hätte sein Haus mit seinem Haushalter Chörephon verbrennt; da jenes doch der heiligste Tempel in Athen / dieser nach dem Socrates das würdigste in Griechenland gewest wäre. Jedoch wäre sich hierüber nicht zu verwundern. Denn man finde eine ungemeine Tugend so wenig ohne Mißgunst / als eine Lerche ohne Püschel auf dem Kopfe. Alleine er hätte keine vollkommenere Vertheidigung seiner Unschuld ihm selbst wüntschen könnẽ / als daß seine eigene Verurtheiler den einen Ankläger verwiesen / den andern zum Tode verdammet; und Athen mit Aufrichtung einer güldenen Säule zu seinem Gedächtnüsse /Socraten verewigt / und ihre Schuld bereuet hätten. Hierüber erhob sich ein allgemeines Gemürmel unter allen versamleten[708] Weltweisen; ja wenn des Käysers Anwesenheit nicht Zarmarn beschirmet hätte / besorge ich: man hätte ihn als einen Abergläubigen in des Socrates Kercker und zu seinem Gift-Trancke verdammet. Cheremon / welcher in dieser Zusammenkunfft der Isis eingeführten Gottes-Dienst rechtfertigen solte / stand hiermit auf; und an statt seines fürgesetzten Zweckes schärffte er seine Zunge wider Zarmarn / durch dessen Widerlegung er sich für allen Weisen gantz Griechenlands meynte sehen zu lassen. Diesemnach fing er mit einer hochtrabenden Stimme an: Ich halte nicht nöthig die der gantzen Welt kündige Gottheit der grossen Isis / der Tochter des Saturnus / die den mächtigen Osiris zum Ehmanne / Bruder /und Sohne gehabt / auszuführen. Sie ist es / welche die Menschen mit Getreide / Artzneyen und Gesetzen am ersten beseliget / und der Welt zum besten die Glieder des vom Tiphon zerrissenen Osiris mit höchster Sorgfalt zusammen gesucht hat. Sie ist es / welcher Krafft in den Stralen des glüenden Hunds-Sternes zu prüfen ist. Wessentwegen die weisen Egyptier die ältesten aller Völcker / unter welcher Herrschaft die Sonne viermal ihren grossen Lauff verändert hat /und zwey unterschiedene mal im Abende aufgegangen ist / bey die zwey Götter-Bilder des Osiris und Isis allezeit die Seule des Horus gesetzet; welcher mit dem Finger auf dem Munde gewarniget: daß niemand diese Götter Menschen nennen solte. Dieser Unwissende aber unterfängt sich durch Fürbildung eines einigen Gottes / nicht nur die unvergleichliche Isis / sondern so viel Götter Griechenlands von ihrem Throne zu stürtzen; und ausser seinem Gotte allen andern / ja der Welt / worüber Isis die Gebieterin ist / die Ewigkeit abzusprechen. Meynest du wohl: daß eine so weitläufftige Aufsicht / als Himmel / Erde / Meer / und so viel tausenderley Arten Thiere bedürffen / von einem Gotte möglich zu bestreiten sind? Gläubest du? daß dem höchsten Gotte sich aller geringen Händel anzumassen anständig sey; welches auch ein mittelmässiger Haus-Vater ihm zu verächtlich schätzt? Beni st du deinem Gotte alle Fruchtbarkeit seines gleichen zu zeugen; welche denen auf dem Bauche kriechenden Thieren doch nicht mangelt? Oder beni st du ihm die den Göttern sonst gemeine Art des männ- und weiblichen Geschlechtes? Entzeuchst du der aufrichtigen Vorwelt allen Glauben / derer Augen sich mehr als eine Gottheit offenbaret hat / derer Vielheit aus dem Unterscheide widerwertiger Würckungen erhellet /und derer Eigenschaften sie mit so viel hundert Nahmen offenbaret? da du aber Gott selbst für ewig hältst / mit was für Vernunft entzeuchst du die Ewigkeit der Welt / welche ein Schatten ist des ewigen Lichtes; ein sichtbares Bild des unsichtbaren? Ausser welcher Gott vorher in nichts hätte würcken können? Was für ein Talg soll denn für der Welt gewesen seyn / aus welchem sie ihren Ursprung gewonnen? Oder was eignest du ihr für ein anständiges Alter zu / nach dem der einige Vogel Fenix sieben tausend Jahr lebet? Wie oder gläubest du: daß eine Welt aus der andern /wie der Fenix aus seiner eigenen Asche entspringe? Zarmar hörete den hitzigen Cheremon ohne einige Gemüths-Bewegung aus / und antwortete: Mein lieber Cheremon / der allein ewige Gott erleuchte dich: daß du deine heilige Isis / welcher Priester du seyn wilst /besser / und nach dem Verstande deiner klügern Vorfahren erkennen lernest; welche unter ihrem Nahmen keine absondere / sondern meiner einigen Gottheit Weißheit und Versehung verehret haben. Sihest du die alten Griechen aber für so alber an: daß sie so viel Götter gegläubt / als sie des einigen Gottes Würckungen Nahmen gegeben; welcher / ob er zwar keinen eigenen Nahmen hat / und deshalben allhier zu Athen auch auf[709] dem Altare des unbekandten Gottes am heiligsten angebetet wird / doch mit tausend Zungen nicht ausgesprochen werden kan. Betrachte selbst nur etwas tieffsinniger das Bild und die Eigenschafften der Isis; so wirstu handgreifflich wahrnehmen: daß deine Isis wegen ihrer Weißheit der Griechen Minerva / wegen Fruchtbarkeit / die Venus / wegen ihrer Herrschafft in der Lufft / die Juno / wegen ihrer unterirrdischen Kräfte / Proserpina / wegen Erfindung des Weitzens / Ceres / wegen ihrer Waldsorge / Diana /wegen Beseelung der Erde / Rhea / wegen ihrer himmlischen Würckung Cynthia; dieses alles aber nur eine Isis sey. Frage Römer und Griechen / warum sie bey Anruffung ihres Jupiters das Haupt / der Minerva die Augen / der Juno die Armen / des Neptun die Brust / anrühren? Ob ihre Andacht nicht dadurch auf ein einiges Göttliches Wesen / wie ihr Finger auff einen einigen Leib ziele? Hastu von dem Lehrmeister des Plato Sechnuphim nicht gelernet: daß wie der Zirckel nur einen Mittelpunct / also der Kreiß der gantzen Welt nur ein einiges Göttliches Wesen habe /welches aber alle Theile bewohne und beseele? Frage deine Platonische Weisen: Ob die Vielheit der Götter nicht nur ein Glaube des Pöfels / Gottes Einigkeit aber ein Geheimnis der Weisen sey? Ob nicht Plato nur aus Furcht für dem Volcke mehrern Göttern geopfert / wormit er nicht selbst / wie Socrates / ein Opffer ihrer Grausamkeit würde. So gehe zu deinen Landsleuten nach Thebe und frage: Ob sie nicht allein den Gott Kneph / welchen wir Wistnou und Eßwara / die Römer Jupiter neñen / für einen Gott ohne Ursprung und Ende anbetẽ. Wiewol auch diese Nahmen nicht seinem Wesen / sondern nur unser Schwachheit gemäß sind; und daß wie ein Mensch nach unterschiedenen Absehen drey und mehrerley Personen fürstellet; also das an sich selbst einige Göttliche Wesen nach dem Unterscheide seiner Hülffe und Würckungen vielerley Götter; und daher von den Unwissenden auch so viel Nahmen bekommen habe. Lasse dich nur berichten: daß / als der kluge Euripides die Soñe den grossen Allmosen-Meister Gottes nicht für einen Gott erkennet / sondern einen güldenen Erdschollen genennet / er vom Pericles kaum aus den Händen des Pöfels errettet worden. Frage die Griechen: Ob nicht ihre Hermesianax öffentlich gelehrt: daß Pluto / Proserpina / Ceres / Venus / Cupido / Triton / Nercus / Thetis / Neptun / Mercur / Vulcan / Pan und Apollo alles ein Gott sey? Pythagoras und Socrates hat zwar mehr dienstbare Geister Gottes als Mitteldinge zwischen ihm und den Menschen / welche diesen die Göttliche Gaben / jenem die Menschliche Seuffzer zubrächten /aber nur einen wahren Gott geglaubt. Ja mein lieber Cheremon / lasse nur das Licht der Natur dir hierinnen den Weg zeigen: Hältestu nicht Gott für das vollkommenste Wesen aller Dinge? Kan aber die Vollkommenheit also zerstücket seyn? Raubstu nicht Gott seine Eigenschafft der Vollkommenheit / wenn du selbte nicht der gantzen Welt Herrschafft gewachsen zu seyn gläubest / und dardurch der Vollkommenheit Mängel ausstellest; wenn du ihm unnöthige Gehülffen beysetzest? Warum setzestu dem sichtbaren Spiegel Gottes der Sonne / nicht eine andere an die Seite? Meinestu deinem Schiffe besser zu rathen / wenn du ihm noch ein Steuerruder ansetzen wirst? Wilstu Gott / welchen die Egyptier einen unbegreifflichen Zirckel heissen / seiner Unbegreiffligkeit berauben; wenn du seine Macht in so viel zertheilest / da doch die Unbegreiffligkeit alles begreiffet / nichts ausschleust /und also nichts unbegreiffliches neben sich vertragen kan. Lasse dir aber auch nicht träumen / daß der Schöpffer der Welt / der in sich aller Dinge Bilder wie in einem Spiegel behält / zu seiner Auffsicht einige Mühe bedürffe. Dessen blosser Wille genug zum Saamen aller Geschöpffe gewest; darff auch nichts beschwerlichers zu ihrer Leitung. Hüte dich auch so wohl in[710] seiner väterlichen Fürsorge / als in denen irrdischen Dingen gewisse Staffeln zu machen. Gott ist der Mittelpunct; alle Dinge machen um ihn einen Zirckel / und stehet eines so weit als das andere von ihm entfernet. Sterne sind so wohl als der Erdbodem sein Fußsche el; und du / der du dich in seinen Augen vielleicht dünckest Gold zu seyn / bist vielleicht geringer / als zerbrechlicher Thon. Alles ist Asche für seinem unverzehrlichen Feuer; eine Asche aber düncket sich vergeblich köstlicher / als die andere zu seyn. Denn der köstlichsten Dinge Werth verraucht mit der Flamme. Eingeäscherte Seide und Purpur ist von verbreñtem Stroh und Bettlers-Mänteln nicht zu unterscheiden. Was hebstu aber deine Maulwurffs-Augen zu der unerforschlichen Fruchtbarkeit Gottes herfür? Hättestu ein Theil von dem Schatten /den Plato aus diesem Lichte von der ewigen Zeugung des allergöttlichsten Wortes / das die Welt erschaffen / das den Lauff der Sterne ordnet / und des auf dem Wasser schwebenden Geistes / oder der Seelen der Welt / erwischet; du würdest keine so düsterne Meinungen hegen. Warlich dein Plato / welchen Griechenland nicht ohne Ursach seiner Tiefsinnigkeit halber für den Adler / und wegen der Beredsamkeit für den Schwan seiner Weltweisen hält / hat hierüber viel heilsamere Gedancken gehabt. Erforsche vorher genauer / wohin seine Zahlen und seine Abmässungen eigentlich gezielet. Erinnere dich: daß die Uberschrifft seiner Schule iederman den Eingang verbot / der nicht vollkommen die Mäß- und Rechen-Kunst verstand. Was unterstehestu dich deñ von der Eigenschafft der Gottheit zu reden; da du noch in der Zahl nicht gegründet bist / und nicht weist: daß wie die Eines die Wurtzel aller Zahlen / also der einige Gott der Uhrsprung aller andern Dinge sey? Zeuch den Parmenides deines Plato zu rathe / daß er dich unterweise: der einige Gott sey allein etwas / was warhaftig und wesentlich sey; alles andere habe nur eine von diesem einigen Wesen herrührende Tauerung. Alles vergangene / alles künfftige sey nichts / Gott allein aber von Ewigkeit zu Ewigkeit / ein gegenwärtiges / kein gewesenes / auch kein künfftiges Wesen; sondern ein Ende des vergangenen / und ein Anfang des künfftigen. Denn durch ihn verleschet alles / und von ihm entspringet alles. Lasse dich darum / o du elender Mensch! nicht gelüsten / in höhere Geheimnisse zu blicken. Ist dir unbegreifflich: daß der einige und unsichtbare Gott sich unserm blöden Gesichte nicht in vielerley Gestalten zeigen könne? Hastu aus dem Kanuphim nicht gelernet / in wie vielerley Thiere eure Götter sich verkleidet? Wie Osiris und Isis bald als ein Löwe / bald als ein Hund / bald als eine Katze /bald als ein Habicht sich den Sterblichen gezeigt /und ihnen ihre Wohlthaten mitgetheilet haben? Soll eure Isis sich nicht in einen Fisch verstellet haben? Unsere Weisen halten sicher diß für die erste Erscheinung des ewigen Wistnou. Haben deine Egyptier nicht die Schildkröten in die Zahl der Götter gerechnet? Dieses ist bey uns seine andere Erscheinung; und auff ihrem Schilde ruhet die Last der gantzen Welt sicherer / als auff den Achseln des Atlas. Ich übergehe mit Fleiß unsere übrige Erleuchtung. Denn ein Blinder siehet bey tausend Fackeln so wenig / als bey keiner. Ein Tropffen Thau / der zu beqvemer Zeit in eine Muschel fällt / wird zur Perle; fällt er aber auff ein glüendes Eisen / verraucht er ohne Nutz. Nichts anders ist es mit dem Balsame heilsamer Lehre. Denn da du nicht begreiffen kanst die Eigenschafften der Welt / wie soll dein Verstand ihren Schöpffer erreichen? Wie aber bistu deinen eigenen Lehrern so abtrünnig worden? Welche die Welt aus nichts durch das Wort Gottes geschaffen zu seyn gläuben. Hastu das Ey der Welt / in welchem der Himmel die Schale / der Totter die Erdkugel abbildet / in den Egyptischen Spitz-Seu len nirgends[711] aus dem Munde eurer Gottheit hervor schüssen sehen? Frage den Plato und Zenon: Ob jener nicht Gott / als den Schöpffer aller Dinge / ausser sich verehret / und der Tauerung der Welt ein gewiß Ziel steckt; dieser aber ihre Geburt dem Sonnen-Staube zueigne? Betrachte ihr verterbliches Wesen / und daß wir Sternen gebohren werden / und wieder ersterben sehen. Ist es aber wohl möglich: daß etwas verterbliches von Ewigkeit her sey / und in Ewigkeit tauere? Unterstehestu dich aber Gott einem Drechßler zu vergleichen; der ohne Bein oder Holtz nichts verfertigen kan? O du alberer Mensch! Siehe die elende Spinne /den ohnmächtigen Seiden-Wurm an; wie jene ihr Netze / dieses sein Gewebe aus sich selber spinnet. Du aber wilst den / der alles in sich begreiffet / diesen geringen Würmern nachsetzen / und den / der ohne Anfang ist / nach dem Maße der Zeit messen / und die Wercke dessen / für dem tausend Jahre keinen Augenblick machen; durch deine Getichte in Zweiffel ziehen; ja wohl dem / der mit einem Atheme zehn solche Welten erschaffen kan / und derer Vielheit nicht nur die Indianischen Weisen / sondern auch Epicurus und Metrodorus geglaubet / die Hände binden? Wormit du aber an der Warheit meiner Lehre so viel weniger zu zweiffeln hast; so will ich selbte morgen für dem Altare des dir unbekandten Gottes mit einem solchen beweglichen Grunde bestetigen: daß du mir nicht ein mahl wirst widersprechen können; Euch aber allen theils ein Beyspiel der Nachfolge lassen / theils ein Geheimniß eröffnen / an welchem unser und der Welt Wohlfarth henget. Jederman hörte dem Zarmar / den man anfangs für einen Barbarn gehalten / nunmehro aber so wohl in der Griechen als Egyptier Weißheit genugsam erfahren zu seyn befand / mit Vergnügung zu; Jedoch waren aller Augen und Ohren auff den Cheremon gewendet; was dieser Zarmarn entgegen setzen würde. Nachdem er aber gäntzlich verstummte; machte er sich allen Anwesenden zum Gelächter / und dieser Versammlung ein Ende. Zarmar hingegen nahm mit grossem Ansehen seinen Abschied; iedoch verlohr er sich in dem Gedränge des Volckes aus unsern Augen: daß wir ihn biß an den Morgen auff dem bestimmten Platze für dem Heiligthume des unbekandten Gottes nicht zu Gesichte bekamen. Gantz Athen drang sich mit anbrechendem Tage dahin; und als Masulipat / Mecenas / und ich dahin aus Begierde eine sonderbare Neuigkeit zu vernehmen ankamen /fanden wir ihn in seiner Indianischen Tracht für dem Altare / auff welchem kein Bild / sondern allein ein Dreyeck / und dariñen die Worte: Dem unbekanten Gotte / in Stein eingegraben zu sehen war / auff dem Antlitze im Staube ligen. Wie er nun seine Andacht vollendet; richtete er sich mit freudigem Antlitze empor / und stieg auff einen nah darbey auffgethürmten Holtzhauffen. Auff diesem sahe er sich eine gute Weile um / biß er unter der grossen Menge Volckes den Käyser / und uns auff einer Seiten an etlichen Fenstern erblickte. Hiermit fing er mit erhobener Stimme an:

Es ist heute gleich neun mahl neun Jahre / da mich der einige und ewige Gott in diese vergängliche Welt hat lassen gebohren werden. Die es Ziel des Alters halten viel Weisen für das vollkommenste des menschlichen Lebens; welche aus der siebenden Zahl dem Leibe / aus der neundten dem Gemüthe sonderbare Geheimnisse ausrechnen. Aller Völcker Weltweisen / die damahls in Griechenland waren / haben euren Plato für göttlich gehalten / und ihm Opffer geschlachtet / weil er in eben dem Geburtstage seines ein und achzigsten Jahres die Hülsen seines sterblichen Leibes abgelegt. Eratosthenes / und Xenocrates haben in eben diesem Jahre zu erblassen das Glück gehabt. Dionysius[712] Heracleotes wolte durch Hunger /Diogenes durch rauhe Speisen um diese Zeit Gotte den Tod abzwingen. Ich werde zwar auff diesem Holtzstosse meinen geäscherten Leib der Erde / meine Seele ihrem Schöpffer wieder zuwenden. Glaubet aber: daß ich zu dieser Entschlüssung weder aus Aberglauben / noch aus Verdruß zu leben gebracht werde. Die verlebten oder erkranckten Heruler sollen eine Gewonheit / die über sechzig Jahr alten Einwohner des Eylandes Chio ein Gesetze haben / durch den Tod ihrem kindischen Leben vorzukommen. Die Maßilier heben in einem Tempel Gifft für dieselben auf /welche zu sterben rechtmäßige Ursachen anzeigen. In meinem Vaterlande Taprobana ist es einem gewissen Volcke aufferlegt: daß sie nach dem siebzigsten Jahre zwischen tödtenden Kräutern einschlaffen müssen. Die Getischen Weltweisen halten es für ein Theil ihrer Weißheit / wenn sie zu leben müde sind / mit gekräntztem Haupte und lachendem Munde von abschüssigen Klippen sich in das Meer stürtzen. Ich weiß auch wol: daß die Stoischen Weltweisen für gut halten / die Seele aus einem abgemergelten Leibe gleichsam als aus einem verfaulten / und den Einfall dräuenden Hause zu reissen; und für rühmlicher Abschied nehmen / als aus diesem morschen Gebäue gestossen werden. Allein haben wir das Haus unsers Leibes gebauet / welches wir einbrechen wollen? Oder gehöret es nicht vielmehr Gott eigentlich zu /und hat uns die Natur nicht nur Mietungs-weise darein gesetzt? So müssen wir es ja auch ihm unversehrt wieder abtreten; wenn die bestimmte Zeit verflossen ist. Darum halte ich es mit eurem Epicurus nicht nur für lächerlich / aus Uberdruß des Lebens dem Tode entgegen rennen / sondern für eine zaghaffte Schwachheit aus Ungedult einiger Schmertzen ihm den Tod anthun. Also sterben ist nicht die Schmertzen überwinden / sondern von selbten überwunden werden. Beydes ist der Weichlinge Eigenschafft: Ohne Noth sterben / und sich für dem Tode entsetzen. Daher verdiente solch Selbst-Mord den Nahmen einer Viehischen That / wenn das Vieh hierinnen nicht klüger als die Menschen wäre. Bruder- und Vater-Mord ist gegen dem ein so viel grausamer Laster / als wir uns selbst über Vater und Bruder lieb zu haben schuldig sind. Dieses entschuldigt auch nicht die Schmach eines andern für Augen schwebenden Todes. Denn es ist besser dem Hencker den Nacken darstrecken / als unsere Hand mit einem Mord-Eisen ausrüsten. Wir sollen dem Verhängnisse gerade ins Gesichte sehen /und behertzigen: daß es die höchste Unvernunfft sey /darum sterben, daß man nicht sterbe. Ja wir verdammen so gar / die aus Begierde der Seligkeit ihnen das Leben nehmen. Denn Gott hat / nach euers Plato Meynung / uns Menschen in die Welt dem Verhängnisse zur Verwahrung gegeben / welcher wir uns eigenmächtig zu entbrechen nicht befugt sind. Wir sind nach unser Willkühr nicht gebohren worden; wie viel weniger können wir also sterben; und die Wohnstatt unsers Leibes ausleeren / die uns Gott zu verwahren anvertrauet hat. Daher ich die Sitten derselben Völcker lobe / die die Selbst-Mörder entweder gar nicht /oder die Hand / die den verzweiffelten Streich verübet / als ein feindliches Glied des andern Leibes absonderlich beerdigen / oder die Selbst-Mörder gar keines Grabes würdigen. Deñ weil sie durch diß Laster dem Willen des ewigen Vaters widerstreben / sind sie nicht werth: daß sie die Mutter / nehmlich die Erde in ihre Schoß auffnehme. Am allerwenigsten aber habe ich zu sterben Ursach. Deñ mein Alter ist noch ohne Schwachheit / mein Leib ohne Gebrechen / mein Gewissen ohne Ragung. Ein unbesudeltes Leben aber hat so wenig als ein abgeläuterter Wein in der Neige Hefen. Alleine ich kriege einen besondern Bothen von Gott / der mich aus diesem Leben ruffet.[713] Denn wie kan einer glückseliger sterben; als der mit seinem Tode die Warheit versiegelt / dessen Todten-Fackeln andern ein Licht ihres Lebens abgeben? Mag ein Kriegsknecht für Erhaltung seines Vaterlands oder Fürsten / oder auch nur seines Befehlhabers sein Leben in die Schantze setzen? Mag einer für eines andern Freyheit sein Leben zur Geissel verpfänden? Warum soll ich nicht so viel Seelen aus der Finsterniß zu reissen den übrigen kurtzen Faden meines Lebens abschneiden: daß er ihnen ein Wegweiser aus so verderblichem Irr-Garten sey? Cheremon / Cheremon /hastu auff die Vielheit deiner Götter / auff die Ewigkeit der Welt ein solches Vertrauen / daß du deine Meinung mit der Tinte deines verspritzten Blutes /oder mit den Kohlen dieses Holtzstoßes auffzeichnen wilst? Ist dir dein Leben nicht zu lieb / durch dessen Verachtung die Irrenden zur Warheit zu leiten? Hoffestu für so heilige Entschlüssung von deinen Göttern nicht einen unverwelckenden Siegs-Krantz zu bekommen? Mißgönnestu mir nicht die Ehre: daß ich durch diese Fla en die Eitelkeit deiner / und die Weißheit meiner Lehre erhärte? Hierüber schwieg Zarmar eine gute Weile stille / und sahe mit starren Augen den nicht ferne vom Holtzstoß stehenden Cheremon an; welcher aber sein Antlitz beschämet zu Bodem schlug. Worauff Zarmar fort fuhr: Ich erfreue mich /liebster Cheremon / daß du deinen Irrthum erkennest. Es ist menschlich / irren; aber Viehisch / seinem Irrthume hartnäckicht nachhängen. Hingegen nichts seliger / als Gott zu Dienste und der Warheit zu steuer sterben. Warlich / Cheremon / ein tugendhaftes Leben und ein solcher Todt ist der Zweck eures Hierocles /und die Bahn zur Vergötterung. Diese / Cheremon /ist noch weit über der gestirnten Milchstrasse / über dem Zirckel des Monden und der Sonnen; wo Egyptens und Griechenlands Weisen ihrer Vorgänger Seelen zu finden vermeinen. Aber ach! was unterwindet sich meine Blindheit den Griechen für ein Licht auffzustecken! Ich sehe die siebende Erscheinung Gottes unter dem grossen Ramma und Kristna für Augen /und allen Völckern ein Licht auffgehen; für welchem unser Verstand Finsterniß / unsere Weißheit Thorheit seyn / der aber allhier als unbekannt verehrte Gott offenbahr werden wird. Nehmet zum Beweise dieser Warheit nicht meine todten Worte / sondern die völlige Verstummung eurer Wahrsager-Geister an. Deñ von dieser Stunde an wird in der Welt keiner mehr reden / die gleich noch in ungebundener Rede gleichsam nur noch gelallet haben. Es wird keiner auch hinfort / wie der zur Zeit des Xerxes seine Antwort einziehende Branchidische Apollo / zu Alexanders Zeit wieder zu reden anfangen. Denn der Mund / und das ewige Wort Gottes bindet ihnen seine Zunge. Diesemnach last euch nicht bereden: daß die Geister durch einen übrigen Regen ersäufft / durch hefftigen Donner ertäubt / durch Erdbeben verjagt / durch Pesten getödtet /durch Auffdampffungen der Erde verstopft / durch Verrückung der Gestirne entkräfftet / durch Verachtung erzürnet / oder ihre Priester bestochen sind. Sie verschwinden für dem neuen Lichte der Völcker / wie die Sternen für der auffgehenden Sonne. Mit diesen Worten griff er gleichsam gantz von allem Irrdischen entzückt nach der hinter ihm liegenden Fackel / fuhr damit unter sich in den mit vielem Hartzt angefüllten Holtzstoß / goß hierauff einen Krug voll köstlichen Oels und Balsams über sein Haupt / worvon alles in einem Augenblicke in die Flamme gerieth / die den nichts minder hertzhafft als weisen Zarmar in den Augen so vieler tausend sich verwundernden Zuschauer zu Aschen verbrennte. Alles Volck preisete ihn nicht nur als einen Weisen / sondern als einen Heiligen / de Käyser ließ die Asche fleißig in ein Gefässe von Porphir zusammen lesen / als ein besonderes Heiligthum in dem Tempel der Ceres verwahren und darbey in einen Marmel[714] graben: Hier ist verwahrt die Asche des Indischen Priesters Zarmar von Bargosa / der nach seiner Landes-Art zu Bestetigung der Warheit sich selbst lebendig verbrennet.

Ich gerieth hierüber in die Liebe der Einsamkeit /und baute diesem grossen Weltweisen täglich in meinem Gemüthe ein neues Ehrenmahl. Ich betrachtete: wie ein Weiser so wohl in seinem Absterben / als die Sonne / wenn sie zu Golde gehet / seinen Glantz behalte. Wie ein tugendhafftes Leben einem frölichen Tode so annehmlich zu Grabe leuchte. Absonderlich aber dachte ich dem Geheimniße nach / welches der sterbende Zarmar bey seinem Tode / ich weiß nicht /ob entdeckte oder verhölete. Ich seuffzete nach dem Erkäntniße derselben Warheit / welche er mit seinem Tode bestetigte. Ich verehrte selbte / wiewohl voller Unwissenheit / als eine Gottheit. Denn mich bedünckte; daß ich nunmehr erst ein wenig Licht über des Pythagoras Lehre bekommen; welche dem grossen Oromasdes / oder dem allmächtigen Gotte das Licht zu einem Leibe / und die Warheit zur Seele zueignet; Und daß ich einen Blick in des Plato Meinung gethan / der der Warheit ihre Wohnstatt nicht in dieser irrdischen / sondern in einer andern Welt einräumet; oder so viel sagen will: daß sie wesentlich nur in GOtt / ihr Schatten aber nur bey Menschen gefunden werde. Sintemal doch auch der weisesten Leute vernünfftigste Schlüsse nur einen Schein der Warheit haben. Je länger ich aber hierüber nachsann; iemehr muste ich dem Democritus beypflichten: daß die Findung der Warheit in einem tieffen Brunnen / nehmlich der menschlichen Blödigkeit verborgen läge; und daß derselben Offenbahrung von GOtt dem höchsten Wesen zu erbitten / und mit der Zeit zu erwarten wäre. In welchem Absehen vielleicht die Alten dem höchsten Irr-Sterne dem Saturn als dem Schutz-Geiste der Warheit eitel Köpffe geopffert haben.

Nach etlichen Wochen ward Masulipat vom Käyser mit guter Verrichtung abgefertigt / welcher sich denn auch nach Rom erhob. Ich aber blieb nach allerseits genommenem Abschiede / ungeachtet mich Zarmar in Indien / Mecenas nach Rom mit Masulipat bewegen wolte / zu Athen / und machte mit denen berühmtesten Weltweisen Kundschafft. Denn es hatte die Gemeinschafft und der Tod dieses Indischen Weltweisen mir gleichsam alle Lust zu irrdischen Dingen vergället. Von dar durchreisete ich gantz Griechenland / und suchte meine Vergnügung in der Weltweißheit. Aber das stete Andencken meiner Erato war mir eine stete Unruhe des Lebens / und ein Fürbild meiner Träume. Endlich verwickelte mich das Verhängniß mit meinem Unwillen in den Dalmatischen / und folgends in den deutschen Krieg. Aber der erfreute Ausgang hat mich auch in meinem Unglücke und in meiner Gefängniß unterwiesen: daß der Mäßstab unsers Verstandes /wenn er unsern künfftigen Wohlstand abzirckeln wil /ein krummes Richtscheit / und das Licht unserer Seele / wenn sie in die Sonne des Verhängnisses sehen will / eine schwartze Finsterniß sey. Ich lache der Menschen / die einen glückseligen Streich für eine Frucht ihrer Klugheit rühmen; da doch alles unser Beginnen sich nur mit dem ersten Bewegungs-Zirckel der Göttlichen Versehung herum drehet. Wir können ja wohl die Segel ausspannen / aber nicht den Wind machen; der uns bey allen Klippen rorbey in den verlangten Hafen führet. Jene muß so wohl uns vom Strande treiben / als einen Leitstern abgeben.[715] Und also ist wohl der An- nicht aber der Ausschlag unter der Menschen Botmäßigkeit. Hingegen wenn uns das Verhängniß schon über Stock und Stein führet / müssen wir nicht verzweiffeln; sondern nur die Augen zudrücken / und uns trösten: daß wir in den Armen einer solchen Wegweiserin sind / welcher nicht ein Tritt mißlingen kan. Hiermit beschloß Fürst Zeno seine Erzehlung / und so wohl die Müdigkeit als der schon späte Abend beruffte sie allerseits zu der nöthigen Nacht-Ruh.


Ende des fünfften Buchs.[716]

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Erster Theil, Leipzig 1689, S. 505-717.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Wolken. (Nephelai)

Die Wolken. (Nephelai)

Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon