Brückenauswechslung

[352] Brückenauswechslung, der Ersatz eines begehenden, den Anforderungen des Verkehrs nicht mehr entsprechenden Brückenüberbaues durch eine neue Brückenkonstruktion, wobei die Bedingung gestellt ist, daß der Verkehr nicht unterbrochen werde oder wenigstens nur geringe Störungen erleide. Durch diese letzte Anforderung ist ein möglichst rascher Arbeitsvorgang bedingt, und hierdurch unterscheidet sich eine Brückenauswechslung von einem gewöhnlichen Brückenumbau, bei dem der Verkehr zeitweise ganz unterbrochen ist oder über eine Notbrücke geführt wird.

Brückenauswechslungen in dem obigen Sinne kommen nur bei Eisenbahnen vor, und es handelt sich da entweder um den Ersatz hölzerner Brückenüberbauten durch eiserne oder um die Auswechslung älterer Eisenbrücken, die infolge Mangelhaftigkeit des Systems (Schiffkornbrücken, Flacheisengitterbrücken) oder sonstiger Unvollkommenheiten nicht mehr die nötige Sicherheit bieten. In manchen Fällen genügt auch bloß die Auswechslung einzelner schadhafter. Teile des Brückenüberbaues oder eine Verstärkung derselben (s. Brückenverstärkungen) Es lassen sich hier der Hauptsache nach folgende Methoden unterscheiden: 1. Die Brücke wird genau an derselben Stelle gebaut, an der sich die alte befindet, die mithin den Verkehr bis nach Fertigstellung der neuen vermitteln muß; 2. die neue Brücke wird neben der alten auf einem Hilfsgerüst montiert und nach Beseitigung der alten eingeschoben; 3. die neue Brücke wird an beliebiger Stelle montiert und nach Beseitigung der alten Brücke eingefahren.

1. Um die neue Brücke an derselben Stelle wie die alte erbauen zu können, ist es notwendig, die Lasten von provisorischen Stützen tragen zu lassen oder die neue Brücke so in die alte hineinzubauen, daß in einer Betriebspause die Uebertragung der Lasten von den alten Fahrbahnträgern[352] auf die neuen stattfinden kann. Die erste Art, das Unterbauen der Fahrbahn, wird sich nur empfehlen, wenn die Brücke in nicht zu bedeutender Höhe liegt. (Beispiele dafür: Eisenbahnunterführungen der Gürtelbahn Batignolles-Clichy, Umbau der Torgauer Elbebrücke, ursprünglich 256 m lang, aus hölzernen Sprengwerken auf steinernen Pfeilern; auf die Knotenpunkte der alten Sprengwerke hölzerne Stützen, welche die vorläufig schmälere Brückenbahn trugen; darunter Querträger eingezogen, Buckelplatten befestigt und mit Beton ausgefüllt; Hauptträger ebenfalls auf der alten Holzkonstruktion eingerüstet und hergestellt.)

Die zweite Art der Bauausführung, Einbauen der neuen Fahrbahn in die alte, wurde beim Umbau der alten Niagara-Hängebrücke in eine Bogenbrücke am großartigsten angewendet (1898). Der leitende Grundgedanke war der, die alte Brücke in die Hauptträger der neuen einzuhüllen, dann die Fahrbahn auszuwechseln und schließlich die alte Brücke abzubrechen.

2. Beim Montieren der neuen Brücken neben den alten sowie beim Einfahren der Brücken sind zwar Gefährdungen des Betriebes ausgeschlossen, doch muß eine einmalige, wenn auch kurze Unterbrechung des Betriebes stattfinden. Alte hölzerne Brücken werden meist in ihre einzelnen Teile zerlegt; eiserne Brücken hebt man mit Pontons ab oder wälzt sie auf besondere einstweilige Joche, von denen sie später entfernt werden; beschränkt wird die Ausführbarkeit dieser Methode durch rasch fließende und dem Eisgange stark ausgesetzte Flüsse, außerdem aber auch durch zu hohe Rüstungen, die den Kostenpunkt sehr erhöhen. Beispiele derartiger Ausführungen sind: Donaubrücke der österreichischen Nordwestbahn [1], Umbau der Waagbrücke nächst Tornocz [6]. Bei kleineren Brücken kann auch das Einschiebeverfahren, das bei der oberen Moselbrücke bei Diedenhofen verwendet wurde, nämlich unter Anwendung von Rollen für die Bewegung der Brückenkörper, am Platze sein [7].

3. Einfahren von Brücken. Alle Auswechslungen von kleinen Brücken bis 12 m Weite werden sich am einfachsten in dieser Weise vornehmen lassen. Derartige Brücken können noch bequem auf zwei Wagen verladen und fertig montiert an Ort und Stelle gebracht werden. In einer längeren Betriebspause, nötigenfalls mit Zuhilfenahme der Nachtstunden, wird die alte Brücke entfernt und die neue eingebracht. Brücken bis 5 m Länge finden noch auf einem Wagen Platz und können mit Hilfe eines Kraus rasch montiert werden. Derartige Bauausführungen wurden auf der Warschau-Wiener Bahn durchgeführt; bei der Auswechslung der Eisenbahnbrücke bei Mainz wurden zum Abheben und Wiederauflagern mächtige Portalkrane benutzt; es waren im ganzen 28 Brücken mit zusammen 582 m Stützweite auszuwechseln. Außerdem war eine Umänderung sämtlicher Pfeiler und die Auswechslung von 418 m Fußwegbrücken zu bewirken, eine Arbeit, die im Zeiträume von 9 Wochen ausgeführt wurde [8]. Andre bedeutende, in ähnlicher Weise durchgeführte Brückenauswechslungen sind: die Tenesseebrücke bei Florence (Alabama), Eisenbahnbrücke bei Magdeburg, Brücke über den Heinitz-Tunnel-Einschnitt (1898), Umbau der Missouribrücke zu Glasgow (1901).

Es gelangen hierbei jene Montierungsmethoden zur Anwendung, die bei Montierung der eisernen Brücken besprochen werden, nämlich: seitliches Einschieben auf Rollen oder Kugeln [1]–[3], Einfahren auf Pontons [4], Einfahren der neuen Brücke auf dem Bahngleise auf Wagen und nachheriges Senken, wobei der alte Ueberbau nach Beseitigung der nützenden Enden mitgesenkt wird [5]. Bei geschickter Disposition kann auf diese Art die Auswechslung auch großer Brücken in einem Zeitraum von wenig Stunden bewerkstelligt werden. So wurde bei der unter [1] angeführten Brücke in einem Zeiträume von nicht ganz 10 Stunden eine 102 m lange hölzerne Sprengwerksbrücke beseitigt und dafür eine rund 300 t schwere Eisenbrücke eingeschoben. Bei [3] erfolgte das Einschieben einer eisernen Fachwerksbrücke von 73,4 m Spannweite anstelle einer hölzernen Howeschen Brücke samt Herstellung des Oberbauanschlusses innerhalb 51/2 Stunden, und ähnliche Beispiele sind ziemlich zahlreich.


Literatur: [1] Donaubrücke der österr. Nordwestbahn, Zeitschrift des österr. Ing.- u. Arch.-Vereins 1879. – [2] Waagbrücke bei Tornocz, Allgemeine Bauzeitung 1880. – [3] Murbrücke bei Leoben, Zeitschrift des österr. Ing.- u. Arch.-Vereins 1894. – [4] Eisenbahnbrücke bei Magdeburg, Zeitschrift des Arch.- u. Ing.-Vereins zu Hannover 1878. – [5] Stranoverviadukt, Zeitschrift des österr. Ing.- u. Arch.-Vereins 1885. – [6] Allgemeine Bauzeitung 1880. – [7] Zeitschrift des Ing.- u. Arch.-Vereins Hannover 1885. – Zentralblatt der Bauverwaltung 1902.

E. Horowitz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 352-353.
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