Datum

[667] Datum, Datumwechsel, Datumgrenze. Der bürgerliche Tag eines bestimmten Ortes beginnt, d.h. der Datumwechsel tritt ein zur Zeit der mittleren Mitternacht des Orts (nach der Ortszeit, die neuerdings zum Teil um gewisse Beträge verschoben ist, auf die aber hier nichts ankommt, vgl. die Art. Eisenbahnbetrieb [Eisenbahnzeit] und Zeit).

Da nun die mittlere Zeit eines Ortes, der λ Grade in Länge östlich von einem andern Orte liegt, der mittleren Zeit dieses letzteren um λ · 4 Minuten voraus ist, so daß man z.B. gleichzeitig mit dem Greenwicher Mittag auf der Ostspitze Neuseelands Mitternacht hat, so muß ein die Erde in der Richtung nach Ollen vollständig umfahrendes Schiff irgendwo auf seinem Weg einen Tag doppelt zählen (Wochentag und Datum, z.B. also Donnerstag, 24. Oktober, und am folgenden Tag nochmals Donnerstag, 24. Oktober), wenn es an seinem Ausgangspunkt wieder mit dem daselbst richtigen Wochentag und Datum ankommen will; umfährt das Schiff die Erde nach Wellen, so muß, um denselben Zweck zu erreichen, ein Tag ausfallen, übersprungen werden (Donnerstag, 24. Oktober, am nächsten Tag Samstag, 26. Oktober). Wenn das Schiff kein Land berühren würde, so wäre es offenbar ganz gleichgültig, wo auf seinem Weg es diesen Datumwechsel vornehmen wollte; man ist aber aus dem angedeuteten Grund übereingekommen, eine bestimmte Linie als Datumwende festzusetzen, und als solche gilt in der Nautik ganz allgemein der Meridian, der um 180° östlich resp. weltlich von Greenwich absteht.

Beim Ueberschreiten dieses Meridians auf freier Fahrt nach Ollen oder Wellen wird im Schiffsjournal der angegebene Datumwechsel vorgenommen; er teilt den großen Ozean in einen östlichen Abschnitt, in dem Sonntag ... ist, und einen weltlichen, in dem gleichzeitig Montag ... gezählt wird. Die Datumgrenze für die Bewohner der Inseln des Stillen Ozeans dagegen spiegelte bis vor 60 Jahren ganz genau die Entdeckungsgeschichte jener Inseln, indem die von Werten (Holländer) oder Ollen (Spanier) kommenden europäischen Schiffe eben ihr Datum mitbrachten, von dem an dann weitergezählt wurde [1], so daß die Datumgrenze auf etwa 15° n. Br. den scharfen Ausbug nach Westen machte, der die Philippinen, Karolinen u.s.w. ohne Rücksicht auf den Verkehr mit den andern Sundainseln, mit Japan u.s.w. der östlichen Hälfte[667] des Stillen Ozeans zuwies. Diese Linie, die man irrtümlicherweise noch heute vielfach so abgebildet lieht, hat jedoch nur noch historisches Interesse: auf den Philippinen wurde 1844 das bis dahin vorhandene »östliche Datum« durch das »weltliche« ersetzt, indem man den Silvestertag ausfallen, dem 30. Dezember 1844 sogleich den 1. Januar 1845 folgen ließ [2], und diesem Beispiel folgten Karolinen, Marianen u.s.w. Auf der andern Seite haben neuerdings die Fidschiinseln, Tongainseln u.s.w., die östliches Datum hatten, das australische Datum angenommen, auf das sie durch ihren Verkehr angewiesen sind, während die Alëuten, als sie 1867 zur Union kamen, das östliche Datum erhielten; endlich ist auf den Samoainseln 1892 das Datum geändert worden, indem aus Dienstag, 5. Juli 1892: Montag, 4. Juli, gemacht wurde. Die historische ist so durch eine wirtschaftliche Datumgrenze, eine Verkehrsdatumscheide ersetzt, die, im allgemeinen mit dem Meridian 180° von Greenwich zusammenfallend, nur bei der Tschuktschenhalbinsel (die Linie geht durch die Beringstraße) und den Alëuten, weiter im Süden bei den Fidschi-, Tonga- und Samoainseln, endlich bei den Kermadec und Chathaminseln (bei Neuseeland) etwas davon abweicht [3].

In der Astronomie pflegt man den Datumwechsel nicht um Mitternacht, sondern des Mittags vorzunehmen, damit nicht während der Nacht, der Hauptbeobachtungszeit, das Datum wechselt. Es ist daher bei der Aufzeichnung astronomischer Beobachtungen, falls sie nicht ausschließlich für Astronomen bestimmt sind, notwendig dazuzusetzen, ob das Datum bürgerlich oder astronomisch gezählt ist. Zweckmäßig erscheint es dann immer, auch den Wochentag mit anzugeben.


Literatur: [1] Bekannt ist die Erfahrung der Magalhaesschen Mannschaft (1522), die, von Spanien gegen Welten ausgefahren, nach Umschiffung des Kaps Hoorn und des Kaps der guten Hoffnung auf den Kapverdischen Inseln nach ihrer Zählung am Mittwoch, 9. Juli, ankam, da doch dort bereits Donnerstag, 10. Juli, gezählt wurde; vgl. Pigafettas Beschreibung der ersten Reise um die Welt, deutsch nach der Ausgabe von Amoretti, Gotha 1801, S. 235. – [2] Kapitän Benko hat neuerdings über diese Aenderung des Datums auf den Philippinen vor 60 Jahren mehrfach berichtet, z.B. in Mitt. d. Geogr. Ges., Wien 1890, S. 560; vgl. ferner z.B. Günther, Handbuch der mathemat. Geogr., Stuttgart 1890, S. 242, zur ganzen Sache S. 240–243; oder auch Gretschel, Lexikon der Astronomie, Leipzig 1882, S. 75–77, wo auf dem Kärtchen der Verlauf der historischen Grenze angegeben ist; auch bei Wolf, Handbuch der Astronomie, I, 2, Zürich 1891, S. 406, und vielen andern astronomischen und geographischen Werken finden sich Angaben über die Datumgrenze. – [3] Graphisch richtige Darstellungen der jetzt tatsächlich vorhandenen Datumscheidelinie s. in verschiedenen Atlanten, z.B. in dem kleinen (Taschen-) Seeatlas, Gotha 1894, Bl. 20, in Stielers Handatlas, Gotha, Ausg. 1905, Bl. 5, oder in Debes Handatlas, Leipzig 1895, Nr. 10, Nebenkarte II.

Ambronn.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 667-668.
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